Gericht / Entscheidungsdatum: LG Heilbronn, Beschl. v. 21.01.2019 - 8 Qs 2/19
Leitsatz: Zur Unfähigkeit zur Selbstverteidigung i.S.v. § 140 Abs. 2 StPO, bei einem sprachunkundigen Angeklagten, der einem fremden Kulturkreis entstammt und mit dem deutschen Rechtssystem nicht vertraut ist.
8 Qs 2/19
Landgericht Heilbronn
8. Große Strafkammer
Beschluss vom 21. Januar 2019
Beschwerdesache des pp.
wegen Verstoßes gegen das Betäubungsmittelgesetz
1. Die Beschwerde des Angeklagten gegen den Beschluss des Amtsgerichts Heilbronn vom 13. Dezember 2018 wird als unbegründet verworfen.
2. Der Angeklagte trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Gründe:
I.
Dem Beschwerdeführer wird mit Anklageschrift der Staatsanwaltschaft Heilbronn vom 29. Oktober 2018 vorgeworfen, er habe mit Betäubungsmitteln Handel getrieben und ferner solche besessen.
Die beim Strafrichter des Amtsgerichts Heilbronn erhobene Anklage ist von diesem mit Beschluss vom 13. Dezember 2018 zugelassen und das Hauptverfahren eröffnet worden.
Mit Schriftsatz vom 29. November 2018 hat der Verteidiger Rechtsanwalt sein Mandat angezeigt und gleichzeitig, unter Ankündigung der Niederlegung desselben, seine Bestellung zum Pflichtverteidiger beantragt.
Der Strafrichter hat die Bestellung mit angefochtenem Beschluss vom 13. Dezember 2018 abgelehnt.
Hiergegen hat der Angeklagte mit Schriftsatz seines Verteidigers vom 2. Januar 2019 Beschwerde eingelegt.
Zur Begründung hat er auf seinen Antragsschriftsatz verwiesen. Darin hat er vorgetragen, der Angeklagte entstamme einem völlig anderen Kulturkreis. Ihm sei das deutsche Rechtssystem fremd. Daher sei er auch dann in seiner Verteidigungsfähigkeit eingeschränkt, wenn ihm ein Dolmetscher zur Seite gestellt werde.
Der Strafrichter hat der Beschwerde nicht abgeholfen und sie der Kammer zur Entscheidung vorgelegt.
II.
1. Die Beschwerde ist zulässig.
Ihrer Statthaftigkeit steht § 305 S. 1 StPO nicht entgegen, da hiernach nur solche Entscheidungen einer Beschwerdeanfechtung entzogen sind, die im inneren Zusammenhang mit der Urteilsfällung stehen, ausschließlich ihrer Vorbereitung dienen und bei der Urteilsfällung selbst der nochmaligen Prüfung des Gerichtes unterliegen (OLG Stuttgart, NStZ-RR 1996, 207). Zwar können diese Entscheidungen des erkennenden Gerichts über die Bestellung und die Entpflichtung eines Pflichtverteidigers auch im Rahmen des Rechtsmittels gegen das Urteil nachgeprüft werden. Die doppelte Nachprüfung muss aber in Kauf genommen werden, denn durch die Entscheidung können dem Angeklagten im Verfahren erhebliche Nachteile entstehen, die praktisch auch durch Aufhebung des Urteils nicht mehr aus der Welt geschafft werden können (Zabeck in Karlsruher Kommentar zur StPO, 7. Auflage, § 305 Rdn. 8). Zudem reicht die Bestellung eines Pflichtverteidigers in ihrer prozessualen Wirkung über das Urteil hinaus (OLG Celle NStZ 2009, 56).
2. Die Beschwerde ist jedoch unbegründet.
Die für eine Bestellung erforderlichen Voraussetzungen einer notwendigen Verteidigung liegen nicht vor. Weder ist ein Katalogtatbestand nach § 140 Abs. 1 StPO gegeben, noch erscheint die Mitwirkung eines Verteidigers nach der Generalklausel des § 140 Abs. 2 StPO geboten.
Die Sach- und Rechtslage stellt sich nicht als schwierig dar. Hieran vermag vorliegend auch die Zahl der Aktenseiten nichts zu ändern.
Ferner sind auch die voraussichtlichen Rechtsfolgen nicht als schwerwiegend einzustufen. Die hierzu ergangene, mittlerweile als verfestigt anzusehende höchstrichterliche Rechtsprechung nimmt dies regelmäßig ab einer Straferwartung von einem Jahr Freiheitsstrafe an, die vorliegend nicht in Rede steht (statt vieler OLG Zweibrücken, Beschluss vom 13. August 2018 - 1 Ws 179/18 -, juris).
Zuletzt ist auch kein Umstand ersichtlich, aufgrund dessen der Angeschuldigte unfähig wäre sich selbst zu verteidigen.
Aus mangelnden Kenntnissen der deutschen Sprache kann die Notwendigkeit der Verteidigung regelmäßig nicht hergeleitet werden. Diese sind vielmehr durch die Hinzuziehung eines geeigneten Dolmetschers zu überwinden.
Auch das zusätzliche Entstammen aus einem anderen Kulturkreis und die fehlende Vertrautheit mit dem deutschen Rechtssystem vermögen eine Unfähigkeit zur Selbstverteidigung nur dann zu begründen, wenn weitere Umstände, wie beispielhaft der erhöhte Schwierigkeitsgrad der Sach- und Rechtslage, dies gebieten, welche durch die Hinzuziehung eines Dolmetschers nicht angemessen ausgeglichen werden können (OLG Karlsruhe StraFo 2005, 370; LG Mainz, Beschluss vom 29. Dezember 2017 - 3 Qs 43/17 -, juris). Derartige Umstände sind jedoch in dem vorliegend einfach gelagerten Fall nicht gegeben.
Soweit der Angeklagte vorträgt, er benötige einen Dolmetscher für die syrische Sprache und der seitens des Gerichtes bislang geladene Dolmetscher für arabisch sei unzureichend, wird dem ggfs. durch die Heranziehung eines anderen Dolmetschers zu begegnen sein.
III.
Die Kammer weist darauf hin, dass die Anklageschrift, entgegen § 187 Abs. 2 S. 1 GVG - in seiner bereits seit dem 6. Juli 2013 gültigen Form -, bislang nicht übersetzt worden ist. Und dies sogar, obschon der Angeklagte zum Zustellungszeitpunkt noch nicht verteidigt war. Eine mündliche Übersetzung im Rahmen der Hauptverhandlung wird vorliegend nur dann ausreichend sein, wenn der Angeklagte dort tatsächlich anwaltlich vertreten ist (§ 187 Abs. 2 S. 4 u. 5 GVG; zum Ganzen auch OLG Karlsruhe a.a.O.).
IV.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 473 Abs. 1 StPO.
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