Gericht / Entscheidungsdatum: LG Augsburg, Urt. v. 14.11.2018 21 O 4310/16
Leitsatz: Im Rahmen eines Schadensersatzanspruchs nach § 826 BGB gegen den Hersteller eines Fahrzeugs wegen Einbaus einer Manipulationssoftware in Dieselmotoren ist der Kunde nicht zum Nutzungsersatz verpflichtet, da dies dem Gedanken des Schadensersatzes nach sittenwidriger Schädigung widerspräche.
In pp.
I. Die Beklagte zu 2) wird verurteilt, an den Kläger 29.907,66 nebst Zinsen hieraus in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 26.01.2017 zu bezahlen Zug um Zug gegen Übereignung und Herausgabe des Pkw VW Golf Plus Trendline 1,6 TDI, FIN:
II. Im übrigen wird die Klage abgewiesen.
III. Der Kläger hat die notwendigen Auslagen der Beklagten zu 1) zu tragen. Die Beklagte zu 2) hat ihre eigenen notwendigen Auslagen zu tragen sowie die notwendigen Auslagen des Klägers zu 1/2 und 1/2 der Verfahrenskosten. Der Kläger hat seine eigenen notwendigen Auslagen zu 1/2 zu tragen, sowie 1/2 der Verfahrenskosten.
IV. Das Urteil ist sowohl für den Kläger als auch für die Beklagten zu 1) und 2) jeweils gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
I.
Der Kläger begehrt Rückabwicklung eines vom sog. Dieselskandal betroffenen Kaufvertrags über den streitgegenständlichen Pkw.
Der Kläger erwarb Mitte 2012 das streitgegenständliche Fahrzeug zu einem Kaufpreis in Höhe von 29.907,66 bei der Beklagten zu 1). Nach Zahlung des Kaufpreises wurde das Fahrzeug am 22.06.2012 an den Kläger ausgeliefert. Das Fahrzeug ist mit einem Dieselmotor des Typs EA 189 ausgestattet und erfüllt nicht die Voraussetzungen der Euro 5-Norm. Deshalb forderte der Kläger die Beklagte zu 1) mit Schreiben vom 27.07.2016 (Anlage K1a) auf, die Mangelhaftigkeit des Fahrzeugs aufgrund der eingebauten Software bis zum 10.08.2016 anzuerkennen und den Mangel zu beheben bzw. beheben zu lassen. Gleichzeitig wurde die Beklagte zu 1) aufgefordert, das dem Kläger zustehende Recht auf Minderung bzw. den Anspruch auf Schadensersatz bezüglich der eingebauten Manipulationssoftware schriftlich bis zum 10.08.2016 anzuerkennen. Nach Klageeinreichung am 20.12.2016 erklärte der Kläger mit Schriftsatz seiner Prozessbevollmächtigten vom 29.08.2018 den Rücktritt von dem Kaufvertrag aus dem Jahre 2012.
II.
Der Kläger behauptet, das streitgegenständliche Fahrzeug sei bereits bei Übergabe mangelhaft gewesen, weil es unstreitig die Schadstoffgrenzwerte der Euro 5-Norm nicht erreichte. Deshalb stünden dem Kläger gegen die Beklagte zu 1) vertragliche Schadensersatzansprüche zu, wobei eine Fristsetzung nach §§ 440, 281 Abs. 1 und 2 BGB entbehrlich gewesen sei.
Gegenüber der Beklagten zu 2) der Herstellerin des streitgegenständlichen Fahrzeugs stünden dem Kläger deliktische Schadensersatzansprüche zu, denn der Einbau der Manipulationssoftware stelle ein deliktisches und sittenwidriges Verhalten dar. Jedenfalls gegenüber der Beklagten zu 2) habe der Kläger auch keine Nutzungsentschädigung zu leisten, denn die Typengenehmigungen für die vom Abgasskandal betroffenen Fahrzeuge seien kraft Gesetzes erloschen, weil mit dem Einbau verbotener Abschalteinrichtungen eine Änderung gegenüber dem genehmigten Fahrzeugtyp vorgenommen wurde, durch die das Abgasverhalten verschlechtert wird. Die von der Beklagten zu 2) verschuldete illegale Nutzung der Fahrzeuge brauche sich der Kläger nicht anrechnen zu lassen.
III.
Der Kläger hatte ursprünglich folgende Anträge gestellt:
1. Es wird festgestellt, dass die Beklagtenparteien verpflichtet sind, der Klägerpartei Schadensersatz zu bezahlen für Schäden, die aus der Manipulation des Fahrzeugs VW Golf Plus 1,6 TDI, FIN:
die Beklagtenpartei zu 2) resultieren.
2. Es wird festgestellt, dass der Klägerpartei gegen die Beklagtenpartei zu 1) ein Minderungsrecht aus dem mit der Beklagtenpartei zu 1) geschlossenen Kaufvertrag über das im Klageantrag Ziffer 1. genannte Fahrzeug zusteht.
3. Die Beklagtenparteien werden verurteilt, die Klagepartei von den durch die Beauftragung der Prozessbevollmächtigten der Klagepartei entstandenen vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten i.H.v. 655,69 freizustellen nebst Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten seit Rechtshängigkeit.
Zuletzt beantragt der Kläger:
1. Die Beklagten werden verurteilt, an die Klagepartei 29.907,66 Euro nebst Zinsen hieraus i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu bezahlen, Zug um Zug gegen Übereignung und Herausgabe des Pkw VW Golf Plus Trendline 1,6 TDI, FIN:
.
2. Es wird festgestellt, dass sich die Beklagte mit der Rücknahme des im Klageantrag z. 1. genannten Pkw im Annahmeverzug befindet.
3. Die Beklagten werden verurteilt, die der Klagepartei durch die Beauftragung der Prozessbevollmächtigten der Klagepartei entstandenen vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten i.H.v. 655,69 nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten seit Rechtshängigkeit zu zahlen
Die Beklagten beantragen übereinstimmend
kostenpflichtige Klageabweisung.
IV.
Die Beklagte zu 1) behauptet, das streitgegenständliche Fahrzeug sei nicht mangelhaft, denn eine Einschränkung der Gebrauchstauglichkeit liege nicht vor. Der von dem Kläger gerügte Mangel könne durch das Aufspielen eines Software-Updates behoben werden. Danach hafte dem streitgegenständlichen Fahrzeug auch kein merkantiler Minderwert an. Jedenfalls aber habe der Kläger Nutzungsersatz zu leisten. Die zuletzt von dem Kläger gestellten Anträge seien bereits deshalb unbegründet, weil das klägerische Wahlrecht zwischen Rücktritt und Minderung des Kaufvertrags bereits erloschen sei. Deliktische Ansprüche gegen die Beklagte zu 1) seien nicht gegeben, denn die Beklagte zu 1) müsse sich ein etwaiges deliktisches Verhalten der Beklagten zu 2) nicht zurechnen lassen.
Die Beklagte zu 2) ist der Ansicht, das Landgericht Augsburg sei im Hinblick auf die gegen die Beklagte zu 2) erhobene Klage nicht zuständig. Die erhobene Klage sei aber jedenfalls unbegründet, denn der Beklagten zu 2) könne eine Täuschung über Abgaswerte oder ein sittenwidriges Verhalten nicht nachgewiesen werden.
Hinsichtlich des weiteren Sachvortrags wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen. Eine Beweisaufnahme hat nicht stattgefunden.
Entscheidungsgründe
I.
Die Klage ist zulässig. Insbesondere ist das Landgericht Augsburg auch gegenüber der Beklagten zu 2) örtlich zuständig. Gegenüber der Beklagten zu 2) werden Ansprüche aus unerlaubter Handlung geltend gemacht. Nach § 32 ZPO ist für Klagen aus unerlaubten Handlungen das Gericht zuständig, in dessen Bezirk die Handlung begangen ist. Diese Tatortzuständigkeit erfasst auch den Erfolgsort. Dies ist bei deliktischen oder sittenwidrigen Handlungen der Wohnort des Geschädigten.
II.
Die Klage ist nur gegenüber der Beklagten zu 2) begründet.
1. Der Kläger hat gegenüber der Beklagten zu 2) einen Schadensersatzanspruch nach § 826 BGB. Gegenüber der Beklagten zu 2) liegt keine unzulässige Änderung der Ausübung eines Gestaltungsrechts vor, denn die ursprünglich gegen die Beklagte zu 2) gerichteten Anträge und die zuletzt gestellten Anträge sind beide auf Schadensersatzansprüche wegen deliktischen Handelns gerichtet. Der Beklagten zu 2) ist auch ein sittenwidriges Verhalten vorzuwerfen. Es ist inzwischen allgemein bekannt und unstreitig, dass die Beklagte zu 2) in Dieselmotoren des Typs EA 189 eine Manipulationssoftware eingebaut hat, die zur Manipulation von Abgasgrenzwerten führte. Dieses Verfahren zielte darauf ab, Umsatzzahlen und im Ergebnis eigenen Gewinn der Beklagten zu 2) durch Täuschung der Kunden zu erzielen. Dieses Vorgehen der Beklagten zu 2) wurde massenhaft angewendet. Dies stellt ein sittenwidriges Verhalten im Sinne von § 826 BGB dar. Gegenüber der Beklagten zu 2) ist der Kläger auch nicht zum Nutzungsersatz verpflichtet (vgl. EuGH in NJW 08, 1433), denn dies widerspräche dem Gedanken des Schadensersatzes nach sittenwidriger Schädigung.
Der Antrag auf Feststellung, dass sich die Beklagte zu 2) mit der Rücknahme des im Klageantrag genannten Pkw im Annahmeverzug befindet, war zurückzuweisen, denn gegenüber der Beklagten zu 2) hat der Kläger das streitgegenständliche Fahrzeug nicht in einer Annahmeverzug begründenden Weise angeboten. Insoweit geht das Gericht allerdings von einer geringfügigen Zuvielforderung im Sinne von § 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO gegenüber der Beklagten zu 2) aus.
Die geltend gemachten Zinsen sind nach § 291 BGB begründet.
2. Gegenüber der Beklagten zu 1) ist die Klage unbegründet, denn ihr gegenüber hatte der Kläger sowohl vorgerichtlich als auch mit den ursprünglichen Klageanträgen Minderung geltend gemacht. Der zuletzt von dem Kläger gegenüber der Beklagten zu 1) gestellte Antrag auf Rückabwicklung des Kaufvertrags nach erklärtem Rücktritt ist unbegründet, denn Rücktritt und Minderung schließen einander aus. Deshalb ist ein Übergang von der Minderung zum Rücktritt nicht möglich. Deliktische Ansprüche sind gegenüber der Beklagten zu 1) nicht gegeben, denn sie muss sich etwaiges Verhalten der Beklagten zu 2) nicht zurechnen lassen.
3. Vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten gegen die Beklagte zu 1) scheiden mangels eines begründeten Hauptanspruchs aus. Gegenüber der Beklagten zu 2) ist eine vorgerichtliche anwaltliche Tätigkeit der Klägervertreter nicht nächgewiesen.
III.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 709 ZPO.
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