Gericht / Entscheidungsdatum: LG Kaiserslautern, Beschl. v. 08.01.2019 - 5 Qs 120/18
Leitsatz: § 48 Abs. 6 Satz 3 RVG gilt für alle Fälle der Verfahrensverbindung, unabhängig davon, ob die Beiordnung als Pflichtverteidiger vor oder nach der Verbindung erfolgt ist.
5 Qs 120/18
Landgericht Kaiserslautern
Beschluss
In dem Ermittlungsverfahren
gegen pp.
Verteidiger:
wegen Subventionsbetruges
hier: Beschwerde gegen die Ablehnung der Pflichtverteidigererstreckung auf hinzuverbundene Verfahren
hat die 5. Strafkammer des Landgerichts Kaiserslautern durch den Richter am Oberlandesgericht, die Richterin am Landgericht und die Richterin am 08.01.2019 beschlossen:
1. Auf die Beschwerde der Beschuldigten gegen den Beschluss des Amtsgerichts Kaiserslautern vom 05.09.2018 wird dieser aufgehoben und die Sache zur erneuten Entscheidung über den Antrag auf Erstreckung der Pflichtverteidigung auf die hinzuverbundenen Verfahren an das Amtsgericht Kaiserslautern zurückverwiesen.
2. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens und der Beschuldigten insoweit etwa entstandenen
notwendige Auslagen hat die Staatskasse zu tragen.
Gründe:
I.
Gegen die Beschuldigte hat die Staatsanwaltschaft Kaiserslautern ursprünglich mehrere Verfahren geführt.
In einigen dieser Verfahren, den nunmehrigen Fallakten 1 und 2 und dem führenden Verfahren hat Herr Rechtsanwalt pp. schriftsätzlich angezeigt, die Beschuldigte zu verteidigen und angeregt, als Pflichtverteidiger bestellt zu werden.
Mit Verfügung vom 04.05.2018 hat die Staatsanwaltschaft Kaiserslautern zu dem führenden Verfahren 6009 Js 11402/17 folgende Verfahren hinzuverbunden: 6810 Js 8462/1, 6009 Js 13747/17 (jetzt Fallakte 1), 6009 Js 14422/17 (jetzt Fallakte 2), 6009 Js 15473/17 (jetzt Fallakte 3), 6009 Js 17017/17 (jetzt Fallakte 4), 6009 Js 18285/17 (jetzt Fallakte 5), 6009 Js 18303/17 (jetzt Fallakte 6), 6009 Js 5481/18 (jetzt Fallakte 7).
Nach der Verbindung hat das Amtsgericht Kaiserslautern mit Beschluss vom 08.06.2018 Herrn Rechtsanwalt pp. als Pflichtverteidiger bestellt.
Mit Schriftsatz vom 02.07.2018 hat Herr Rechtsanwalt pp. die Erstreckung seiner Beiordnung auf sämtliche hinzuverbundenen und mit der Sache zusammenhängenden Verfahren beantragt.
Mit Beschluss vom 05.09.2018 (BI. 95 Rs.) hat das Amtsgericht Kaiserslautern den Erstreckungsantrag abgelehnt.
Das Amtsgericht Kaiserslautern hat der Beschwerde nicht abgeholfen.
II.
Die Beschwerde der Beschuldigten ist statthaft und auch sonst zulässig, § 306 Abs. StPO. Sie hat auch in der Sache Erfolg.
Nach hiesiger Auffassung gilt § 48 Abs. 6 S. 3 RVG für alle Fälle der Verfahrensverbindung, unabhängig davon, ob die Beiordnung als Pflichtverteidiger vor oder nach der Verbindung erfolgt (vgl. OLG Zweibrücken, Beschluss vom 24.10.2017, 1 Ws 196117 , zit. nach juris). Neben dem - insoweit klaren - Wortlaut der Norm spricht hierfür auch die Gesetzesbegründung, nach der durch S. 3 klargestellt werden soll, dass sich die Rückwirkung des S. 1 nicht automatisch auf verbundene Verfahren erstreckt, in denen bisher kein Pflichtverteidiger bestellt war (BT-Drucks. 15/1971, S. 201). Für Verbundverfahren, in denen eine Erstreckung - wie vorliegend - nicht erfolgt ist, gibt es keinen sachlichen Grund, den Gebührenanspruch des Wahlverteidigers gegen seinen Mandanten durch einen Erstattungsanspruch gegen die Staatskasse zu ersetzen (vgl. OLG Koblenz, Beschluss vom 30.05.2012 - 2 Ws 242/12, zit. nach juris). Eine Einschränkung hinsichtlich des Zeitpunktes der Verbindung lässt sich der Gesetzesbegründung nicht entnehmen (vgl. auch OLG Braunschweig, Beschluss vom 22.04.2014 - 1 Ws 48/14, juris, Rn. 34). Da die Bestellung eines Pflichtverteidigers nicht dem Kosteninteresse des Angeklagten und seines Verteidigers dient, sondern allein den Zweck verfolgt, im öffentlichen Interesse dafür zu sorgen, dass der Angeklagte in schwerwiegenden Fällen rechtskundigen Beistand erhält und der ordnungsgemäße Verfahrensablauf gewährleistet ist (BGH NStZ-RR 2009, 348), wäre es systemwidrig, allein den Umstand einer Verfahrensverbindung ausreichen zu lassen, um Gebührenansprüche des Verteidigers gegen den Mandanten in hinzuverbundenen Verfahren durch Erstattungsansprüche gegen die Staatskasse zu ersetzen. Die Anwendung des § 48 Abs. 6 S. 3 RVG ermöglicht es daher dem Gericht, jeweils dem Einzelfall angemessene Entscheidungen nach pflichtgemäßem Ermessen zu treffen. Dass das Amtsgericht eine dahingehende Ermessensentscheidung getroffen hat, nämlich ob eine Pflichtverteidigerbestellung in den hinzuverbundenen Verfahren sachgerecht wäre, ist dem Beschluss vom 05.09.2018 nicht zu entnehmen.
Für die seitens des Amtsgerichts zu treffende Ermessensentscheidung weist die Kammer daraufhin, dass Herr Rechtsanwalt pp. in den Verfahren der nunmehrigen Fallakten 1 und 2 bereits vor der Verfahrensverbindung angezeigt hat, die Beschuldigte zu verteidigen und angeregt hat, als Pflichtverteidiger bestellt zu werden.
Die Kostenentscheidung beruht auf dem Erfolg der Beschwerde.
Schwarz Scheidel
Richter Richterin
am Oberlandesgericht am Landgericht
er , Justizsekretärin
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle
Einsender: RA S. Hörtling, Mannheim
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