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Entscheidungen

Haftfragen

Lese-/Schreibcomputer, Nutzung, JVA

Gericht / Entscheidungsdatum: OLG Celle, Beschl. v. 07.01.2109 - 3 Ws 321/18 (StrVollz)

Leitsatz: 1. Der Zugang zu einem erforderlichen Lese-und Schreibcomputer kann für einen Strafgefangenen mit Sehbehinderung nicht mit einem dem entgegenstehenden therapeutischen Konzept in der Sozialtherapie eingeschränkt werden.
2. Dies gilt umso mehr, wenn die Nutzung in einer vorherigen Vollzugsanstalt grundsätzlich uneingeschränkt möglich war.


Oberlandesgericht Celle
Beschluss
3 Ws 321/18 (StrVollz)

In der Strafvollzugssache
des pp.
gegen die Justizvollzugsanstalt

wegen Nutzung eines Lese- und Schreibcomputers

hat der 3. Strafsenat des Oberlandesgerichts Celle nach Beteiligung des Zentralen juristischen Dienstes für den niedersächsischen Justizvollzug durch den Richter am Oberlandesgericht, den Richter am Oberlandesgericht und die Richterin am Oberlandesgericht am 7. Januar 2019 beschlossen:

Es wird festgestellt, dass die Anordnung der Antragsgegnerin, dem Antragsteller im Zeitraum vom 17. August 2018 bis zum 12. September 2018 den Zugang zu einem Lese- und Schreibcomputer nur in der Zeit von montags bis donnerstags von 16:30 bis 19:30 Uhr sowie freitags und an Wochenenden von 8:00 bis 11:00 Uhr zu gewähren, rechtswidrig war.

Die Entscheidung der Antragsgegnerin, dem Antragsteller ab dem 12. September 2018 den Zugang zu dem Lese- und Schreibraum täglich in der Zeit von 12:00 bis 18:00 Uhr zu gewähren, wird aufgehoben und die Sache an die Antragsgegnerin nach Maßgabe der nachfolgenden Gründe zurückgegeben.

Die Kosten des Verfahrens sowie dem Antragsteller hieraus erwachsene notwendige Auslagen fallen der Landeskasse zur Last.

Der Streitwert wird auf bis zu 500 € festgesetzt.

Gründe:

I.

Der Antragsteller verbüßt derzeit wegen Mordes eine lebenslange Freiheitsstrafe und befindet sich seit dem 17. August 2018 in der Sozialtherapeutischen Abteilung der Justizvollzugsanstalt …. Zuvor befand sich der Antragsteller in der Justizvollzugsanstalt XXX. Dort - sowie in vorherigen Anstalten auch - war ihm infolge seiner erheblichen Einschränkung der Sehfähigkeit - dem Antragsteller wurde insoweit eine Schwerbehinderung von 100 % zuerkannt - während der Zeiten des Aufschlusses mit Ausnahme einer einstündigen Mittagspause grundsätzlich unbeschränkt der Zugang zu einem in einem gesonderten Haftraum befindlichen Lese- und Schreibcomputer gewährt, ohne welchen der Antragsteller nicht in der Lage ist, zu lesen oder Schriftstücke zu fertigen. Der Antragsteller nutzte diesen für eine ausgesprochen umfangreiche Korrespondenz sowie zum Fertigen zahlreicher Anträge auf gerichtliche Entscheidung sowie sonstiger Eingaben.

Nach Verlegung in die Justizvollzugsanstalt … wurde ihm dort der Zugang zu dem ebenfalls in einem gesonderten Haftraum befindlichen Lese- und Schreibcomputer zunächst ohne nähere Begründung in der Zeit von montags bis donnerstags von 16:30 bis 19:30 Uhr sowie freitags und an Wochenenden von 8:00 bis 11:00 Uhr gewährt. Auf seinen hiergegen gerichteten Antrag auf gerichtliche Entscheidung vom 21. August 2018 mit dem Ziel einer wie bislang während der Aufschlusszeiten uneingeschränkten Nutzung hat die Antragsgegnerin ab dem 12. September 2018 den Zugang zu dem Lese- und Schreibraum täglich in der Zeit von 12:00 bis 18:00 Uhr gewährt und erklärt, sie betrachte den Rechtsstreit hiernach für erledigt; gegen eine Kostenteilung würden keine Bedenken erhoben.

In der Sache selbst hat die Antragsgegnerin ausgeführt, das Nutzen des Lese- und Schreibcomputers in dem dem Antragsteller bislang gewährten Umfang stehe dem therapeutischen Konzept der integrativen Sozialtherapie in der sozialtherapeutischen Anstalt entgegen, in dessen Rahmen der Antragsteller, bei dem eine dissoziale und narzisstische Persönlichkeitsstörung sowie Merkmale einer Psychopathie festgestellt worden seien, sich neben Gruppen- und Einzelgesprächssitzungen im täglichen Kontakt mit anderen Therapieteilnehmern und dem Stationsdienst mit seiner Person auseinandersetzen müsse, um überhaupt erst einen Zugang zu seinen Persönlichkeitsstörungen erreichen zu können. Die vollständige Ablenkung des Antragstellers durch seine private Korrespondenz mit Zugangszeiten von 60 Stunden zum Lese- und Schreibraum lasse für die therapeutische Intervention und Auseinandersetzung mit seinen Persönlichkeitsstörungen keinen ausreichenden Raum mehr.

Der Antragsteller ist dem entgegengetreten und hat zunächst der Annahme einer Erledigung widersprochen; eine solche sei nicht eingetreten, er halte an seinen Anträgen fest. Er sei infolge seiner Sehbehinderung auf das Nutzen des Lese- und Schreibcomputers zwingend angewiesen und eine zeitliche Beschränkung verletze ihn in seinen Rechten aus Art. 3, 5, 19 und 20 GG; schließlich dürfe er infolge seiner Sehbehinderung anderen Strafgefangenen gegenüber nicht benachteiligt werden. Dies gelte umso mehr, als er - anders als andere Strafgefangene - außerhalb der Aufschlusszeiten nicht lesen und schreiben könne.

Die Strafvollstreckungskammer beim Landgericht Hannover hat mit Beschluss vom 23. Oktober 2018 den Antrag auf gerichtliche Entscheidung, soweit er sich nicht erledigt habe, als unbegründet zurückgewiesen und hat die Kosten des Verfahrens dem Antragsteller und der Antragsgegnerin jeweils zur Hälfte auferlegt; seine notwendigen Auslagen habe der Antragsteller selbst zu tragen.

Für den Zeitraum bis zum 12. September 2018 sei durch die seither getroffene Vereinbarung Teilerledigung eingetreten. Unter Zugrundelegung des Meistbegünstigungsgrundsatzes sei das Schreiben des Antragstellers vom 27. September 2018 als Teilerledigung auszulegen, da für einen Feststellungsanspruch nach § 115 Abs. 3 StVollzG ein berechtigtes Feststellungsinteresse nicht bestehe. Insoweit hat die Kammer die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen der Antragsgegnerin auferlegt, weil der Antrag auf gerichtliche Entscheidung unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstand ohne den Eintritt des erledigenden Ereignisses voraussichtlich zum Erfolg geführt hätte.

Im Hinblick auf die seit dem 12. September 2018 geltende Regelung sei die weiterhin angefochtene Entscheidung der Antragsgegnerin nicht zu beanstanden. Der Antragsteller habe keinen Anspruch auf Nutzungszeiten am Computer über ein tägliches Zeitfenster von 12:00 bis 18:00 Uhr hinaus; dem stünden als Belange des Vollzugs im Sinne von § 57 Abs. 2 Satz 2 NJVollzG das von der Antragsgegnerin dargelegte therapeutische Konzept und hiermit die Erreichung des Vollzugsziels im Sinne von § 67 Abs. 2 Satz 2 Alt. 1 NJVollzG entgegen. Bereits im eigenen Interesse solle der Antragsteller bestrebt sein, das Vollzugsziel zu erreichen, was bei einer Nutzung des Computers über täglich 6 Stunden hinaus gefährdet sei. Die dem Antragsteller nunmehr gewährten Nutzungszeiten trügen seinem grundrechtlich verbürgten Anspruch, sich zu informieren und journalistisch tätig zu werden, mit Dritten zu korrespondieren sowie effektiven Rechtsschutz geltend zu machen auch mit Blick auf seine Sehbehinderung hinreichend Rechnung.

Gegen diese Entscheidung wendet der Antragsteller sich mit seiner Rechtsbeschwerde mit der Rüge der Verletzung sachlichen und formellen Rechts. Die Antragsgegnerin verkenne die Bedeutung seiner Grundrechte. Der Antragsteller sei blind und könne ohne einen entsprechenden Rechner weder schreiben noch lesen, ein entsprechendes Hilfsmittel zum Ausgleich seiner Behinderung könne ihm nicht vorenthalten werden. Die von der Antragsgegnerin vorgenommene zeitliche Beschränkung des Zugangs sei nicht hinnehmbar, zumal er in Zeiten des Einschlusses auf das Gerät nicht zugreifen könne. Vor der Verlegung in die Justizvollzugsanstalt … sei ihm der Zugang zu dem Rechner zu den Aufschlusszeiten grundsätzlich unbeschränkt möglich gewesen. Schließlich habe die Kammer einen Feststellungsanspruch nach § 115 Abs. 3 StVollzG und hiermit ein Rechtsschutzbedürfnis für ein berechtigtes Feststellungsinteresse zu Unrecht verneint, schließlich gehe es offensichtlich um die Einschränkung von Grundrechten.
Der Zentrale juristische Dienst für den niedersächsischen Justizvollzug wurde beteiligt; er hat beantragt, die Rechtsbeschwerde nach Maßgabe von § 116 Abs. 1 StVollzG als unzulässig zu verwerfen.

II.

Die Rechtsbeschwerde ist nach Maßgabe von § 116 Abs. 1 StVollzG zulässig, denn es ist geboten, die Nachprüfung der angefochtenen Entscheidung sowohl zur Fortbildung des Rechts als auch zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung zu ermöglichen.

III.

Der Rechtsbeschwerde konnte auch ein Erfolg in der Sache nicht versagt bleiben. Die angefochtene Entscheidung ist nicht frei von Rechtsfehlern.

1. Soweit die Strafvollstreckungskammer im Hinblick auf die seit dem 12. September 2018 geltende Nutzungsregelung eine Teilerledigung des Rechtsstreits angenommen und nur noch über die Kosten des Verfahrens entschieden hat, hält dies rechtlicher Überprüfung nicht stand. Zwar hat die Kammer grundsätzlich zutreffend die Regelung des § 115 Abs. 3 StVollzG herangezogen. Hiernach hat der Antragsteller bei Erledigung nach Stellen des Anfechtungs- oder Verpflichtungsantrags bei Vorliegen eines Feststellungsinteresses die Wahl, ob er ein Fortsetzungsfeststellungsantrag stellt oder - nach entsprechendem Hinweis - den Rechtsstreit für erledigt erklärt und nur noch einen Kostenantrag nach § 121 Abs. 2 Satz 2 StVollzG stellt (vgl. zum Ganzen nur Arloth/Krä, StVollzG, 4. Aufl., § 115 Rn. 10). Vorliegend hat der Antragsteller der Annahme einer Erledigung ausdrücklich widersprochen und erklärt, er verfolge seine Anträge weiter. Einen Kostenantrag im Sinne von § 121 Abs. 2 Satz 2 StVollzG hat der Antragsteller hiernach jedenfalls nicht gestellt. Nicht zu folgen war der Kammer nachfolgend, soweit sie ein berechtigtes Feststellungsinteresse des Antragstellers im Hinblick auf die für erledigt angesehene Maßnahme verneint hat. Vorliegend steht die Verletzung grundrechtlich geschützter Position des Antragstellers in Rede. Hierbei kann ein berechtigtes Interesse an Feststellung der Rechtswidrigkeit angefochtener Maßnahmen nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts regelmäßig nicht verneint werden (BVerfG ZfStrVo 2002, 176; NStZ-RR 2004, 59). Es gilt vorliegend umso mehr, als die Strafvollstreckungskammer selbst letztlich davon ausgeht, dass der Antrag auf gerichtliche Entscheidung ohne Eintritt eines erledigenden Ereignisses erfolgreich gewesen wäre. Gerade unter Beachtung des Meistbegünstigungsprinzips war hiernach vielmehr die Annahme ein Fortsetzungsfeststellungsinteresse anzunehmen, welches der Antragsteller auch vor Erlass der angefochtenen Entscheidung zumindest konkludent bereits geltend gemacht hatte.
Nach alledem konnte und hat der Senat im Verfahren der Rechtsbeschwerde selbst festzustellen, dass die bis zum 12. September 2018 geltende Nutzungsregelung rechtswidrig war und den Antragsteller in seinen Rechten verletzt hatte. Insoweit gelten die nachfolgenden Ausführungen erst recht:

2. Auch in der Sache selbst hält die angefochtene Entscheidung der Strafvollstreckungskammer rechtlicher Überprüfung nicht stand.

a) Die Strafvollstreckungskammer hat zunächst außer Acht gelassen, dass der Antragsgegnerin im Hinblick auf die Ausgestaltung des Zugangs des Antragstellers zum Lese- und Schreibcomputer nach Maßgabe von § 115 Abs. 5 StVollzG ein Beurteilungs- und Ermessensspielraum zusteht und das Gericht hiernach nur befugt ist zu prüfen, ob die Maßnahme oder ihre Ablehnung rechtswidrig ist, weil die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht hat. Die gerichtliche Überprüfung erstreckt sich hiernach nur auf Ermessensfehler. Der Strafvollstreckungskammer steht hiernach lediglich ein eingeschränkter Überprüfungsmaßstab zur Verfügung im Hinblick auf das allein von der Antragsgegnerin auszuübende Ermessen. Eine eigene Sachentscheidung ist der Strafvollstreckungskammer in derartigen Fällen grundsätzlich versagt (vgl. zum Ganzen lediglich Arloth/Krä, StVollzG, 4. Aufl., § 115 Rn. 15 f m.w.N.). Die vorliegende Entscheidung lässt nicht erkennen, dass die Strafvollstreckungskammer sich dieses eingeschränkten Prüfungsmaßstabs bewusst war. Die Kammer hat vielmehr eine inhaltliche Prüfung der angefochtenen Entscheidung der Antragsgegnerin vorgenommen.

b) Auch die von der Antragsgegnerin seit dem 12. September 2018 angewandte Nutzungsregelung hält rechtlicher Überprüfung nicht stand. Insoweit ist davon auszugehen, dass die Entscheidung der Antragsgegnerin nicht frei von Rechts - und Ermessensfehlern ergangen ist.

Dem Antragsteller stand vor seiner Verlegung in Justizvollzugsanstalt …, zuletzt in Justizvollzugsanstalt XXX, senatsbekannt und auch dem nicht widersprochenen Vorbringen des Antragstellers zufolge die Nutzung des Lese- und Schreibcomputers während der Zeiten des Aufschlusses grundsätzlich uneingeschränkt zur Verfügung. Bei dieser Nutzungsmöglichkeit handelt es sich um eine rechtmäßigende begünstigende Maßnahme, die nach Maßgabe von § 100 NJVollzG i.V.m. § 49 Abs. 2 VwVfG nur unter den dort benannten einschränkenden Voraussetzungen widerrufen werden kann. Dies gilt grundsätzlich auch im Falle einer Verlegung eines Strafgefangenen in eine andere Justizvollzugsanstalt, soweit dem nicht besondere Umstände innerhalb der neuen Anstalt entgegenstehen. Als derartige besondere Umstände kommen etwa ein anderer, strengerer Sicherheitsstandard in der neuen Anstalt oder die fehlende tatsächliche Möglichkeit, eine einmal gewährte Begünstigung weiterhin zu gewähren, in Betracht. Diese Voraussetzungen sind vorliegend nicht ersichtlich. Zum einen handelt es sich bei Justizvollzugsanstalt ebenfalls senatsbekannt und dem Vollstreckungsplan zufolge um eine gegenüber der Justizvollzugsanstalt XXX weniger sicherheitsrelevante Anstalt, und zum anderen ist weder vorgetragen noch aus dem gesamten, von der Strafvollstreckungskammer wirksam in Bezug genommenen Antragsvorbringen ersichtlich, dass dem Antragsteller aus rein organisatorischen Gründen der Zugang zu dem Lese- und Schreibcomputer in dem bislang bewilligten Umfang in der Justizvollzugsanstalt … nicht bewilligt werden könnte.

Besondere Umstände in diesem Sinne können sich grundsätzlich ebenfalls ergeben, soweit einer (vorliegend fortgeltenden) Nutzungsmöglichkeit medizinisch erforderlicher Hilfsmittel im Sinne von § 57 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 NJVollzG, worum es sich bei dem dem Antragsteller zur Verfügung gestellten Lese- und Schreibcomputer fraglos handelt, Belange des Vollzugs im Sinne von Satz 2 der genannten Vorschrift entgegenstehen. Auch solche sind vorliegend nicht ersichtlich.

Als Belange des Vollzugs in diesem Sinn gelten neben den bereits benannten Sicherheitserwägungen etwa eine - im Hinblick auf die weitere Vollzugsdauer - lange Eingewöhnungsphase, eine grob fahrlässige oder vorsätzliche Zerstörung oder eine missbräuchliche Benutzung des Hilfsmittels (BeckOK Strafvollzug Bund/Knauss StVollzG § 59 Rn. 16 f; AK-Lesting/Stüber, StVollzG, 6. Aufl., § 59 Rn. 6; Arloth/Krä, StVollzG, 4. Aufl., § 57 NJVollzG, Rn. 7). Auch hiervon ist vorliegend nicht auszugehen. Dies gilt auch im Hinblick auf eine etwaige Annahme einer missbräuchlichen Nutzung des Lese- und Schreibcomputers - jedenfalls soweit und solange der Antragsteller diesen nicht nachweislich zum Ausüben unzulässiger Rechtsberatung oder sonst dem Vollzug grundsätzlich widerstreitenden Arbeiten verwendet. Allein das Verfassen zahlreicher Eingaben und Anträge stellt noch keine in diesem Sinne unzulässige Nutzung eines erforderlichen medizinischen Hilfsmittels dar.
Soweit die Antragsgegnerin und ihr folgend die Strafvollstreckungskammer besondere Umstände im Sinne von § 57 Abs. 2 Satz 1 Nr. 5 NJVollzG darin sehen, dass der Antragsteller sich nunmehr in einer sozialtherapeutischen Abteilung einer Justizvollzugsanstalt befindet und eine extensive Nutzung des Lese- und Schreibcomputers den verfolgten therapeutischen Zwecken entgegenstehe, kann auch hierauf eine Beschränkung der Zugangsmöglichkeiten zu dem aus allein medizinischen Gründen erforderlichen Hilfsmittel nicht gestützt werden. Das medizinische Hilfsmittel des Lese- und Schreibcomputers ist geeignet und notwendig, die grundsätzliche Beeinträchtigung des Antragstellers infolge seiner Sehbehinderung auszugleichen. Dem kann jedenfalls nicht mit therapeutischen Konzepten oder der Erwägung der Erfolgsaussichten einer sozialtherapeutischen Behandlung entgegengetreten werden. Insoweit ist die Entscheidung der Antragsgegnerin nicht frei von Ermessensfehlern. Vielmehr ist die Sache - salopp formuliert - nicht anders zu beurteilen, als wollte man einem Strafgefangenen mit einer Sehschwäche die Lesebrille entziehen, weil dieser in seiner Freizeit sich nicht den für erforderlich gehaltenen therapeutischen Bemühungen hingibt oder zahllose Schriftsätze fertigt. Die Frage, ob das Verhalten des Antragstellers mit extensiver Nutzung des medizinischen Hilfsmittels dem therapeutischen Ansatz oder dem Erfolg der Maßnahme insgesamt förderlich ist, kann jedenfalls nicht mit dem Erfordernis einer grundsätzlichen Nutzungsmöglichkeit vermengt werden. Letztlich wird allein der Antragsteller zu entscheiden haben, ob und in welchem Umfang er sich auf das therapeutische Angebot und die hiermit verbundenen Bemühungen einlässt oder anderenfalls den Erfolg seiner weiteren Unterbringung in der sozialtherapeutischen Abteilung selbst gefährdet.

Da nach alledem im Hinblick auf die Nutzung des Lese- und Schreibcomputers in dem in dem Antragsteller vor seiner Verlegung in die Justizvollzugsanstalt … gewährten Umfang ein Ermessen der Antragsgegnerin schon nicht eröffnet, mithin eine sog. Ermessensreduzierung auf Null anzunehmen ist, hat der Senat davon abgesehen, die Sache unter Aufhebung der angefochtenen Entscheidung an die Strafvollstreckungskammer zur erneuten Sachentscheidung unter Beachtung der Rechtsansicht des Senats zurückzuverweisen. Nach Aufhebung der angefochtenen Entscheidung auch in der seit dem 12. September 2018 geltenden Fassung gilt hiernach vielmehr der vor seiner Verlegung in die Justizvollzugsanstalt …ür den Antragsteller geltende Zustand fort und wird die Antragsgegnerin gehalten sein, dem Antragsteller den Zugang zu dem Lese- und Schreibcomputer in dem bislang in der Justizvollzugsanstalt XXX bewilligten Umfang zu gewähren.

IV.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 121 Abs. 1 und 4 StVollzG i.V.m. § 467 Abs. 1 StPO in entsprechender Anwendung.

V. Die Entscheidung über den Streitwert ergibt sich aus §§ 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 8, 52 Abs. 1, 60, 63 Abs. 3 Nr. 2, 65 GKG.


Einsender: 3. Strafsenat des OLG Celle

Anmerkung:


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