Gericht / Entscheidungsdatum: OLG Celle, Beschl. v. 08.11.2018 - 3 Ss (OWi) 190/18
Leitsatz: Zur Frage, wann eine streckenbezogene Geschwindigkeitsbeschränkung endet.
In pp.
Die Rechtsbeschwerde der Betroffenen gegen den Beschluss des Amtsgerichts Burgwedel vom 13. Juli 2018 wird als unbegründet verworfen, da die Nachprüfung des Beschlusses auf Grund der Rechtsbeschwerderechtfertigung keinen Rechtsfehler zum Nachteil der Betroffenen ergeben hat (§ 349 Abs. 2 StPO, § 79 Abs. 3 OWiG).
Die Betroffene hat die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens zu tragen.
Gründe
Ergänzend bemerkt der Senat:
a) Den Beschlussgründen ist zweifelsfrei zu entnehmen, dass das Amtsgericht eine vorwerfbare Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit von 72 km/h festgestellt hat. Soweit an einer Stelle des Beschlusses die gemessene Nettogeschwindigkeit mit 72 km/h angegeben worden ist, handelt es sich wie die Generalstaatsanwaltschaft bereits zutreffend ausgeführt hat um ein offensichtliches Schreibversehen. Denn an mehreren Stellen des Beschlusses wird die durch Zeichen 274 beschränkte Höchstgeschwindigkeit mit 80 km/h angegeben, sodass die Annahme einer Geschwindigkeitsüberschreitung bei einer gemessenen Geschwindigkeit von 72 km/h offensichtlich nicht gemeint gewesen sein kann. Zudem wird im Rahmen der Begründung der - rechtsfehlerfrei festgestellten - vorsätzlichen Begehungsweise ausgeführt, dass es sich um eine Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit von etwa 90 % gehandelt habe.
Abgesehen davon steht dem Senat, da das Amtsgericht durch Beschluss nach § 72 OWiG entschieden hat, bei der er Überprüfung auf die Sachrüge der gesamte Akteninhalt offen. Der Grundsatz, dass das Rechtsbeschwerdegericht an die im Urteil getroffenen Feststellungen zur Schuld- und Rechtsfolgenfrage gebunden ist, gilt im Beschlussverfahren nicht (vgl. OLG Hamm, Beschluss vom 5. Januar 2016 III-4 RBs 320/15 juris; OLG Frankfurt a.M., Beschluss vom 13. November 2001 2 Ss OWi 51/02 , NStZ-RR 2002, 219; KK/OWiG-Senge, 5. Aufl., § 72 Rn. 58 und Rn. 76). Der Senat ist daher in der Lage, anhand der Akten zu überprüfen, dass ausweislich des Messfotos (Bl. 6 d.A.) die gemessene Geschwindigkeit nach Toleranzabzug 152 km/h betrug.
b) Zutreffend hat die Generalstaatsanwaltschaft auch bereits darauf hingewiesen, dass es für die bußgeldrechtliche Ahndung allein auf die Wirksamkeit der Verkehrszeichen ankommt, und nicht etwa auf deren Rechtmäßigkeit und die ihnen zu Grunde liegende verkehrsbehördliche Anordnung. Die Sicherheit des Straßenverkehrs erfordert es, dass Verkehrszeichen, die von den hierzu befugten Behörden angebracht worden sind, bis zu ihrer Beseitigung Beachtung finden und befolgt werden; dementsprechend unterliegt die Missachtung eines Verkehrszeichens selbst dann der Ahndung als Ordnungswidrigkeit, wenn der Täter gegen das Verkehrszeichen Rechtsmittel eingelegt hat und es später im gerichtlichen Verfahren aufgehoben wird (BGHSt 23, 86; OLG Celle DAR 2011, 597; OLG Koblenz DAR 1999, 419; OLG Düsseldorf VRS 96, 143; KG VRS 107, 217; Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht 43. Aufl., § 41 StVO Rn. 247 mwN). Nur im Falle der Nichtigkeit ist ein Verkehrszeichen unbeachtlich; ein solcher Fall liegt aber - abgesehen vom Anbringen durch Unbefugte - nur bei offensichtlicher Willkür, Sinnwidrigkeit oder bei objektiver Unklarheit, die sich auch im Wege der Auslegung nicht beheben lässt, vor (OLG Celle aaO; OLG Koblenz aaO; Hentschel/König/Dauer aaO). Der Mangel muss so schwerwiegend und bei verständiger Würdigung so offenkundig sein, dass sich die Fehlerhaftigkeit des Zeichens ohne weiteres aufdrängt (vgl. OLG Celle aaO; OLG Zweibrücken VRS 51, 138).Ein derartiger Ausnahmefall liegt hier nicht vor.
c) Soweit die Rechtsbeschwerde geltend macht, das durch Zeichen 274 angeordnete Streckenverbot habe bereits bei Kilometer 124,500 und damit vor der bei Kilometer 124,750 eingerichteten Messstelle geendet, kann ihr ebenfalls nicht gefolgt werden.
Maßgeblich für das Ende einer streckenbezogenen Geschwindigkeitsbeschränkung ist die Erläuterung Lfd. Nr. 55 der Anlage 2 zu § 41 Abs. 1 StVO (vgl. OLG Köln, Beschluss vom 5. Juli 2017 IIII-1 RBs 144/17 -, DAR 2017, 647; Hentschel/König/Dauer aaO § 3 Rn. 45b). Danach gilt der Grundsatz, dass das Ende einer streckenbezogenen Geschwindigkeitsbeschränkung gekennzeichnet ist durch die Zeichen 278 bis 282. Eine Kennzeichnung erfolgt nicht, wenn auf einem Zusatzzeichen die Länge des Verbots angegeben ist. Schließlich ist das Ende des Streckenverbots auch dann nicht gekennzeichnet, wenn das Verbotszeichen zusammen mit einem Gefahrzeichen angebracht ist und sich aus der Örtlichkeit zweifelsfrei ergibt, von wo an die angezeigte Gefahr nicht mehr besteht. Keine der Ausnahmen greift hier.
Zwar ergibt sich aus den Akten, dass auf der Verkehrsbeeinflussungsanlage anders als bei der neben der Strecke zusätzlich angebrachten Blechbeschilderung das Zeichen 274 zusammen mit dem Gefahrzeichen 101 angezeigt wurde. Es fehlt aber an der weiteren Voraussetzung, dass sich aus der Örtlichkeit zweifelsfrei ergab, von wo an die angezeigte Gefahr nicht mehr bestand. Denn das Zeichen 101 bezeichnet eine Gefahrstelle nur allgemein, ohne die Gefahrquelle näher zu spezifizieren. Im vorliegenden Fall ergibt sich aus den Akten, dass die Geschwindigkeitsbeschränkung wegen des schlechten Erhaltungszustands der Fahrbahn in diesem Streckenabschnitt angeordnet worden ist. Anders als etwa bei einer Kombination des Zeichens 274 mit dem Gefahrzeichen 103, welches eine Kurve als Gefahr bezeichnet (vgl. dazu OLG Düsseldorf, Beschluss vom 17. Oktober 2016 IV-2 RBs 140/16 , juris), oder mit dem Gefahrzeichen 123 für eine Baustelle (vgl. dazu OLG Köln aaO) ergibt sich bei Gefahrzeichen 101 wegen Fahrbahnschäden aus der Örtlichkeit nicht zweifelsfrei, von wo an die angezeigte Gefahr nicht mehr besteht. Das Streckenverbot endete dementsprechend erst mit der Aufhebung der Geschwindigkeitsbegrenzung, welche nach den Feststellungen des Amtsgerichts und ausweislich der Akte (Bl. 69 d.A.) erst bei Kilometer 125,280 angezeigt wurde.
Hinweis:
Die Beschwerdeführerin wird darauf hingewiesen, dass sie sich nach § 21 Abs. 1 Nr. 1 StVG strafbar macht, wenn sie nach Ablieferung des Führerscheins oder vier Monate nach Eintritt der Rechtskraft dieser Entscheidung, also nach dem 8. März 2019, ein Kraftfahrzeug führt, dass die Fahrverbotsfrist aber erst vom Tage der Ablieferung des Führerscheins bei der Vollstreckungsbehörde (Staatsanwaltschaft Hannover) an gerechnet wird (§ 25 Abs. 5 Satz 1 StVG).
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