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Entscheidungen

StGB/Nebengebiete

Diebstahl im Selbstbedienungsgeschäft, Vollendung, Diebstahl mit Waffen

Gericht / Entscheidungsdatum: KG, Beschl. v. 22.10.2018 – (2) 161 Ss 59/18 (12/18)

Leitsatz: Das sichtbare Wegtragen von Waren begründet innerhalb der Geschäftsräume noch keinen neuen Gewahrsam des Täters. Sofern er sich dabei noch innerhalb des durch Sicherungsmaßnahmen begrenzten Geschäftsbereichs aufhält, ist der Diebstahl daher nur versucht, nicht aber vollendet.


In der Strafsache
gegen pp.
wegen versuchten Diebstahls mit Waffen

hat der 2. Strafsenat des Kammergerichts in Berlin
am 22. Oktober 2018 beschlossen:

1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Amtsgerichts Tiergarten in Berlin vom 13. Dezember 2017 gemäß § 349 Abs. 4 StPO
a) im Schuldspruch dahin abgeändert, dass der Angeklagte des ver-suchten Diebstahls mit Waffen schuldig ist,
b) im Strafausspruch mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben.

2. Die weitergehende Revision wird nach § 349 Abs. 2 StPO verworfen.

3. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an eine andere Ab-teilung des Amtsgerichts Tiergarten zurückverwiesen.

Gründe:

Das Amtsgericht Tiergarten in Berlin hat den Angeklagten wegen Diebstahls mit Waffen zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr verurteilt und das bei ihm aufgefundene Pfefferspray und einen „modifizierten Maulschlüssel“ eingezogen. Hiergegen richtet sich die auf die Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten. Das Rechtsmittel hat in dem aus der Entscheidungsformel ersichtlichen Umfang Erfolg. Im Übrigen ist es unbegründet.

Nach den rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen des Amtsgerichts hielt sich der Angeklagte am 30. Juli 2016 in der Parfümerieabteilung des Kaufhauses Karstadt auf. Er entnahm den Auslagen vier Packungen mit Parfüm zum Gesamtverkaufspreis von 438,96 Euro (1 x Jean Paul G EDT 200 ml; Aqua di Gio 180 ml; Bvlgari EDT 100 ml; Spice Bomb EDT 90 ml) und hielt die vier Packungen vor seinem Körper mit Armen und Händen. Mit den Packungen vor seinem Körper bewegte er sich langsam durch das Erdgeschoss, wobei er sich immer wieder umschaute und auch an einer Auslage stehen blieb. Er hatte Kopfhörer im Ohr und telefonierte. Eine Kasse steuerte er nicht an, sondern bewegte sich allmählich zum Ausgang, wobei er die Packungen weiterhin vor seinem Körper trug. Beim Verlassen des Geschäfts ertönte eine Warensicherungsanlage und der Angeklagte wurde von zwei Sicherheitsmitarbeitern festgehalten und ohne Widerstand ins Büro geführt. Der Angeklagte handelte, um das Parfüm ohne Bezahlung für sich zu behalten. Während der gesamten Zeit trug er eine Umhängetasche über der Schulter, deren Taschenfach sich in Hüfthöhe befand. Im Hauptfach war ein Pfefferspray sowie ein 11 cm langer Maulschlüssel, der an einem Ende spitz angeschliffen war. Diese Gegenstände führte der Angeklagte zur Selbstverteidigung bei sich.

1. In dieser Handlung hat das Amtsgericht zu Unrecht einen vollendeten Diebstahl mit Waffen gesehen. Die Wegnahme im Sinne von § 242 Abs. 1 StGB ist erst dann vollendet, wenn der Täter die Herrschaft über die Sache derart erlangt hat, dass er sie unbehindert durch den bisherigen Gewahrsamsinhaber ausüben und dieser seinerseits über die Sache nicht mehr verfügen kann. Im Selbstbedienungsladen liegt eine vollendete Wegnahme durch den Täter, der die Kassenzone noch nicht passiert hat, insbesondere vor, wenn der Täter Sachen geringen Umfangs einsteckt oder sie sonst verbirgt (vgl. BGH, Beschluss vom 18. Juni 2013 – 2 StR 145/13 –). Das war hier aber noch nicht geschehen, denn der Angeklagte trug die Flaschen mit dem Parfüm sichtbar vor seinem Körper, als er das Kaufhaus nach den getroffenen Feststellungen mit dem Parfüm verlassen wollte. Allein das „offene“ Wegtragen vor dem Körper begründete innerhalb der Gewahrsamssphäre des Ladeninhabers noch keine Gewahrsamsenklave. Hiernach war die Wegnahme der Waren versucht aber noch nicht vollendet.

Dabei führte der Angeklagte auch Waffen im Sinne des § 244 Abs. 1 Nr. 1a StGB bei sich.

a) Das Pfefferspray ist ein von § 244 Abs. 1 Nr. 1a StGB erfasstes Tatmittel. Dabei bedarf keiner Entscheidung, ob es sich um eine „Waffe“ (vgl. Fischer, StGB 65. Aufl., § 244 Rn. 4) oder um „ein anderes gefährliches Werkzeug“ (vgl. BGH NStZ-RR 2012, 308) handelt. Jedenfalls handelt es sich aber um ein „anderes gefährliches Werkzeug“ (vgl. BGH aaO), weil das in der Dose enthaltene Pfefferspray nach seiner konkreten objektiven Beschaffenheit geeignet ist, einem Opfer erhebliche Körperverletzungen zuzufügen (vgl. BGH NStZ 2012, 571).

Aus den zu der Tat getroffenen Feststellungen ergibt sich, dass der Angeklagte das Pfefferspray während der gesamten Ausführungsphase des versuchten Diebstahls des Parfüms „bei sich geführt hat“. Für dieses Merkmal genügt, wenn der Täter den fraglichen Gegenstand bewusst gebrauchsbereit in der Weise bei sich hat, dass er sich seiner jederzeit bedienen kann. Diese Voraussetzung ist gegeben, wenn sich der Gegenstand derart in räumlicher Nähe befindet, dass ein Zugriff ohne nennenswerten Zeitaufwand und ohne nennenswerte Schwierigkeiten möglich ist; dafür genügt in räumlicher Hinsicht Griffweite (vgl. BGH StraFo 2017, 378). Der Grund für die gegenüber dem Grundtatbestand höhere Strafdrohung liegt gerade in der mit dem Beisichführen eines gefährlichen Gegenstandes einhergehenden erhöhten abstrakt generellen Gefährlichkeit der Tatbegehung, die ihrerseits ihre Ursache in der latenten Gefahr des Einsatzes der fraglichen Gegenstände als Nötigungsmittel findet.

b) Auch bei dem spitz angeschliffenen Maulschlüssel handelt es sich – ähnlich wie bei einem Multifunktionswerkzeug (vgl. KG, Beschluss vom 31. Mai 2012 – [4] 121 Ss 91/12 [124/12]) – um einen gefährlichen Gegenstand. Denn er ist geeignet, Personen nicht unerhebliche Verletzungen zuzufügen. Die vorgenommene Manipulation hat das Amtsgericht ausreichend festgestellt. Einer Verwendungsabsicht bedarf es auch hier nicht.

2. Auch die vom Amtsgericht vorgenommene Würdigung der Beweise begegnet keinen Bedenken.

Die Beweiswürdigung ist grundsätzlich Sache des Tatrichters. Insbesondere ist es dem Revisionsgericht verwehrt, die Beweiswürdigung des Tatrichters durch eine eigene zu ersetzen oder sie etwa nur deshalb zu beanstanden, weil aus seiner Sicht eine andere Bewertung der Beweise näher gelegen hätte (vgl. BGH, Beschluss vom 14. Juni 2017 – 2 StR 140/17 –, juris). Der Beurteilung durch das Revisionsgericht unterliegt insoweit nur, ob dem Tatrichter bei der Beweiswürdigung Rechtsfehler unterlaufen sind. Das ist in sachlich-rechtlicher Sicht der Fall, wenn die Beweiswürdigung widersprüchlich, unklar oder lückenhaft ist, gegen Denkgesetze oder gesicherte Erfahrungssätze verstößt (vgl. BGH NStZ-RR 2010, 182; NStZ-RR 2009, 210; BGHR StPO § 261 Beweiswürdigung 16). Die Beweise sind erschöpfend zu würdigen (vgl. BGHSt 29, 18, 20). Das Urteil muss erkennen lassen, dass der Tatrichter solche Umstände, die geeignet sind, die Entscheidung zu Gunsten oder zu Ungunsten des Angeklagten zu beeinflussen, erkannt und in seine Überlegungen einbezogen hat. Das Urteil muss sich nicht nur mit allen Umständen auseinandersetzen, die für oder gegen den Angeklagten sprechen, sondern es muss auch ersichtlich sein, dass der Tatrichter geprüft hat, ob alle Beweisanzeichen in einer Gesamtschau die Überzeugung von der Täterschaft des Angeklagten vermitteln können (vgl. BGH, Urteil vom 26. Oktober 2016 – 2 StR 275/16 –, juris; Senat, Urteil vom 11. Januar 2010 – [2] 1 Ss 331/09 [30/09] –).

Unter Anwendung dieser Grundsätze ist die vom Amtsgericht vorgenommene umfassende Beweiswürdigung rechtlich nicht zu beanstanden. Das Amtsgericht hat seine Überzeugung nicht nur auf ein im Urteil näher beschriebenes Video, auf dem die Tathandlung des Angeklagten zu sehen ist gestützt, sondern auch die Zeugen der Sicherheitsfirma sowie der Polizei gehört. Dabei ist das Amtsgericht rechtsfehlerfrei zu der Überzeugung gelangt, dass der Angeklagte den angespitzten Maulschlüssel und das Pfefferspray bewusst bei sich geführt hat. Es hat sich hierfür auf die Angaben des Angeklagten gegenüber der Zeugin PK’in T. gestützt. Dieser Zeugin gegenüber hat der Angeklagte gleich nach der Tat angegeben, dass er die genannten Gegenstände zur Selbstverteidigung brauche. Da sich die Gegenstände, wie vom Amtsgericht festgestellt, in einer Umhängetasche in Hüfthöhe befanden, hatte er auch jederzeit schnellen Zugriff darauf.

3. Auf Grundlage dieser Feststellungen hat sich der Angeklagte des versuchten Diebstahls mit Waffen (§ 244 Abs. 1 Nr. 1 lit a), §§ 22, 23 StGB) schuldig gemacht. Der Senat ändert den Schuldspruch entsprechend ab, da ergänzende Feststellungen in einer neuen Hauptverhandlung nicht zu erwarten sind. § 265 StPO steht der Schuldspruchberichtigung nicht entgegen, da auszuschließen ist, dass sich der Angeklagte gegen diesen Vorwurf anders als geschehen verteidigt hätte.

Die Änderung des Schuldspruchs zieht die Aufhebung der für diese Tat verhängten Strafe von einem Jahr Freiheitsstrafe nach sich, da nicht auszuschließen ist, dass das Amtsgericht bei zutreffender rechtlicher Würdigung auf eine niedrigere Strafe erkannt hätte. Denn es liegt der vertypte Strafmilderungsgrund des Versuchs vor, so dass zu prüfen ist, ob eine Strafrahmenverschiebung gemäß §§ 22, 23 Abs. 2, 49 Abs. 1 StGB vorzunehmen ist.

4. Die Einziehungsentscheidung ist rechtsfehlerfrei getroffen und bleibt aufrechterhalten.

5. Die Sache war daher im Umfang der Aufhebung zu neuer Verhandlung und Entscheidung gemäß § 354 Abs. 2 StPO an eine andere Abteilung des Amtsgerichts zurückzuverweisen.


Einsender: VorsRiKG O. Arnoldi, Berlin

Anmerkung:


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