Gericht / Entscheidungsdatum: AG Essen, Beschl. v. 16.10.2018 - 44 Gs 2891/18
Leitsatz: Es führt nicht schon die Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit zur Tatbestandsmäßigkeit des § 315d Abs. 1 Nr. 3 StGB. Vielmehr muss sich die Anpassung der Geschwindigkeit auf die konkrete Verkehrssituation beziehen, welche sowohl allgemeine Umstände (Fahrbahn, Verkehrsaufkommen, Witterung, Lichtverhältnisse) als auch subjektive Umstände (Leistungsfähigkeit des Kfz-Führers) einbezieht.
44 Gs 2891/18
AMTSGERICHT ESSEN
BESCHLUSS
In der Strafsache
gegen pp.
wegen des Verdachtes des verboten Kraftfahrzeugrennens
wird der Antrag der Staatsanwaltschaft Essen vom 11.09.2018, die vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis des Beschuldigten anzuordnen, abgelehnt.
Gründe:
Gem. § 111 a StPO kann das Gericht dem Beschuldigten vorläufig die Fahrerlaubnis entziehen, wenn dringende Gründe für die Annahme vorhanden sind, dass die Fahrerlaubnis später im Urteil entzogen werden wird, § 69 StGB. Dazu muss sich der Beschuldigte durch eine rechtswidrige Tat, die er bei oder im Zusammenhang mit dem Führen eines Kraftfahrzeuges begangen hat, als zum Führen von Kraftfahrzeugen ungeeignet erscheinen. Dringend tatverdächtig ist derjenige, der mit großer Wahrscheinlichkeit Täter oder Teilnehmer einer Straftat ist. Dieser Tatverdacht muss sich wiederum aus bestimmten Tatsachen, nicht aus bloßen Vermutungen, herleiten (Meyer-Goßner, StPO, 59. Aufl., § 112 Rn. 5 f.). Diesen An-forderungen werden die hier festgestellten Tatsachen nicht gerecht.
Nach dem Ergebnis der bisherigen Ermittlungen steht fest, dass der Beschuldigte am pp. gegen pp. Uhr mit dem Pkw Mercedes AMG, amtliches Kennzeichen unter anderem die pp. befuhr. Währenddessen wurde er durch die Zeugen PKin pp., PKin pp. Pkin pp., PK pp, PK pp. und PKin pp. die sich in zivilen Einsatzfahrzeugen auf dem Parkplatz pp. und auf der pp. sraße und auf der pp. Straße postiert hatten, beobachtet.
Dem Beschuldigten wird seitens der Staatsanwaltschaft zur Last gelegt, sich als Kraftfahrzeugführer mit nicht angepasster Geschwindigkeit und grob verkehrswidrig und rücksichtslos fortbewegt zu haben, um eine höchstmögliche Geschwindigkeit zu erreichen, § 315 d Abs. 1 Nr. 3 StGB. Daher hat die Staatsanwaltschaft Essen mit Verfügung vom pp. beantragt, die vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis anzuordnen.
Der Antrag der Staatsanwaltschaft auf vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis war abzulehnen.
Nach dem bisherigen Verfahrensstand vermag das Gericht bereits nicht zu der Überzeugung zu gelangen, dass sich der Beschuldigte mit seinem Fahrzeug mit nicht angepasster Geschwindigkeit" fortbewegt hat Entsprechende Feststellungen können nach dem Ergebnis der bisherigen Ermittlungen nach Auffassung des Gerichts nicht getroffen werden. Die Angaben der Zeugen beschränken sich darauf, dass der Beschuldigte mit einer Geschwindigkeit von 60 km/h bis 100km/h gefahren sein soll. Ausführungen dazu wie die jeweils gefahrene Geschwindigkeit gemessen worden ist oder geschätzt werden konnte, werden nicht gemacht. Darüber hinaus ist zu beachten, dass nicht schon die Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit das Tatbestandsmerkmal erfüllt, sondern dass sich die Anpassung der Geschwindigkeit auf die konkrete Verkehrssituation bezieht, welche sowohl allgemeine Umstände (Fahrbahn, Verkehrsaufkommen, Witterung, Lichtverhältnisse) als auch subjektive Umstände (Leistungsfähigkeit des Kfz-Führers) einbezieht (Thomas Fischer, StGB, 65. Auflage, 2018, § 315 d, Rn. 14). Angaben zu solchen Umstände fehlen gänzlich.
Dass dem Beschuldigten daher ein Vorwurf des verbotenen Kraftfahrzeugrennens zu machen ist, ist aus den vorliegenden Tatsachen nicht mit der für eine dringende Verurteilungsprognose erforderlichen großen Wahrscheinlichkeit zu belegen. Der für eine vorläufige Entscheidung nach § 111 a StPO erforderliche dringende Tatverdacht im Hinblick auf eine spätere endgültige Entziehung der Fahrerlaubnis liegt daher nicht vor.
Essen, 16.10.2018
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