Gericht / Entscheidungsdatum: AG Erlangen, Urt. v. 15.102.2018 - 6 OWi 911 Js 143459/18
Leitsatz: Allein aus einer verhältnismäßig hohen Geschwindigkeit, mit der der Betroffene gefahren ist, kann nicht ohne weiteres auf eine vorsätzliche Geschwindigkeitsüberschreitung geschlossen werden.
Amtsgericht Erlangen
6 OWi 911 Js 143459/18
Im Namen des Volkes
Urteil
des Amtsgerichts Erlangen
In dem Bußgeldverfahren
gegen pp.
wegen OWi StVO
aufgrund der Hauptverhandlung vom 15.10.2018, an der teilgenommen haben:
Richter am Amtsgericht als Richter
Rechtsanwalt in Untervollmacht als Verteidigerin
JAng
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle
1. Der Betroffene ist schuldig der fahrlässigen Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit außerhalb geschlossener Ortschaft um 115 km/h.
2. Gegen ihn wird deswegen eine Geldbuße von 700,-- festgesetzt.
3. Dem Betroffenen wird für die Dauer von 3 Monaten verboten, Kraftfahrzeuge jeder Art (einschließlich Mofas) im Straßenverkehr zu führen.
Das Fahrverbot wird erst wirksam, wenn der Führerschein nach Rechtskraft der Bußgeldentscheidung in amtliche Verwahrung gelangt, spätestens jedoch mit Ablauf von vier Monaten seit Eintritt der Rechtskraft.
4. Der Betroffene hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
Angewendete Vorschriften:
§§ 41 I i.V m. Anlage 2, 49 StVO, 24, 25 StVK, 11.3.10 BKat 4 I BKatV, 17 OWiG.
Gründe
Der Betroffene ist verheirateter Rentner und lebt in geordneten wirtschaftlichen Verhältnissen. Verkehrsrechtlich ist er bislang wie folgt in Erscheinung getreten:
Bußgeldbehörde Polizei Thüringen, ZBS Ariern, Az: Th9915-027718-17/1,
Rechtskraft: 20.07.2017,
Tatzeit: 09.04.2017,
Uhrzeit: 14:35 Uhr,
Tatort: BAB 4 / Jagdberg,
Tatvorwurf: Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit außerhalb geschlossener Ortschaften um 22 km/h. Zulässige Geschwindigkeit 80 km/h. Festgestellte Geschwindigkeit (nach Toleranzabzug) 102 km/h,
Geldbuße 70 , 1 Punkt;
Am 18.10.2017 um 11:57 Uhr fuhr der Betroffene mit den vom ihm geführten PKW, amtliches Kennzeichen ppp., auf der Autobahn A 3 im Gemeindebereich Gremsdorf, Fahrtrichtung Passau, Abschnitt 620, km 3.695. Dabei überschritt er unter Außerachtlassung der im Straßenverkehr erforderlichen Sorgfalt die zulässige Höchstgeschwindigkeit außerhalb geschlossener Ortschaft um 115 km/h. Die zulässige Geschwindigkeit an dieser Stelle betrug lediglich 60 km/h, beim Betroffenen wurde eine Geschwindigkeit unter Berücksichtigung einer Toleranz von 6 km/h in Höhe von 175 km/h festgestellt.
III.
Die Feststellungen zu den persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen beruhen auf der über den Verteidiger abgegebenen Einlassung sowie dem verlesenen Auszug aus dem Fahreignungsregister.
In der Sache hat der Betroffene über seinen Verteidiger eingeräumt, das angegebene Fahrzeug zur Tatzeit am Tatort selbst geführt zu haben. Die durchgeführte Beweisaufnahme hat ergeben, dass die hier erfolgte Geschwindigkeitsmessung ordnungsgemäß ist. Die Messung ist hier durch den Polizeibeamten M. mit dem Messgerät Einseitensensor ES3.0 erfolgt. Das Gericht hat den Zeugen M. dazu vernommen. Der Zeuge hat klar und nachvollziehbar angegeben, dass er für die Bedienung des Messgerätes geschult ist, was dem Gericht aus einer Vielzahl weiterer Verfahren zudem bekannt ist. Weiter hat der Zeuge geschildert, dass er die Messung entsprechend der Gebrauchsanweisung des Zulassungsinhabers, den Vorgaben der PTB Braunschweig sowie nach den polizeilichen Einsatzrichtlinien durchgeführt hat. Das ihm vorgehaltene Messprotokoll, Bl. 45 d. A. hat der Zeuge nach eigenen Angaben selbst gefertigt und unterzeichnet. Den Inhalt des Messprotokolls hat er sich im Rahmen der Hauptverhandlung nochmals zu eigen gemacht. Zu den unter Ziff. 3 im Messprotokoll Rückseite aufgeführten besonderen Vorkommnissen hat der Zeuge erläutert, dass eine Handauslösung gegebenenfalls dann erfolgt, wenn der vor Ort befindliche Messbeamte bei einem herannahenden Fahrzeug den Verdacht einer Geschwindigkeitsüberschreitung hegt. Eine solche hat sich hier offensichtlich nicht bestätigt. Der mit Uhrzeit 12:34 Uhr vermerkte Verstoß, welcher nicht mehr ausgewertet werden solle, beruhe dagegen lediglich darauf, dass die Geschwindigkeitsbegrenzung auf 60 km/h immer nur temporär erfolgt sei. Hintergrund sei eine polizeiliche LKW-Kontrolle gewesen. Immer dann, wenn Einsatzkräfte tatsächlich auf die Straße gegangen seien, um LKW's herauszuwinken, sei die Beschilderung auf 60 km/h Geschwindigkeitsbegrenzung umgestellt worden. Wenn keine konkrete Gefahrensituation für die Einsatzkräfte mehr bestanden habe, sei auch die Geschwindigkeitsbegrenzung wieder aufgehoben worden. Der hier dokumentierte Verstoß um 12:34 Uhr habe einen Zeitraum betroffen, im dem die Geschwindigkeitsbegrenzung bereits wieder aufgehoben war, so dass insoweit dieser Verstoß auch nicht mehr auszuwerten war. Die für 11:01 Uhr vermerkte Neudokumentation der Fotolinie für Kamera 2 habe dagegen lediglich auf einer Neuausrichtung der Kamera beruht. Eine Ausrichtung des Sensors sei damit nicht verbunden gewesen.
Die Angaben des Zeugen M. begegnen keinen Zweifeln. Insoweit ergeben sich aus den im Messprotokoll enthaltenen besonderen Vorkommnissen keine Anhaltspunkte, die auf eine Unrichtigkeit der Messung hindeuten könnten. Der Zeuge hat schließlich auch erklärt, dass das Messgerät zur Tatzeit ordnungsgemäß geeicht war, die Eichwaagen unversehrt waren und auch sonst keine besonderen Ereignisse während der Messung auftraten.
Das Gericht hat dazu das Messprotokoll BI. 45 d. A. auszugsweise verlesen, ebenso wie den Eichschein BI. 46, der die Angaben des Zeugen zur Eichung bestätigt. Die Lichtbilder BI. 47 und 48 hat das Gericht in Augenschein genommen, die auf BI. 47 aufgedruckten Messwerte wurden auszugsweise verlesen. Zum Ergebnis des Augenscheines wird hinsichtlich der auf den Bildern dargestellten Einzelheiten auf die Lichtbilder BI. 47 d. A. im einzelnen Bezug genommen.
Die Geschwindigkeitsmessung mit dem Messsystem ES3.0 gehört zu den sogenannten standardisierten Messmethoden. Dieses Messverfahren liefert - gerichtsbekannt - bei sachgerechter Bedienung und Beachtung der Betriebsanleitung sowie der allgemeinen Einsatzgrundsätze grundsätzlich zuverlässige Ergebnisse. Das Gericht war hier ordnungsgemäß geeicht und ist durch geschultes Personal bedient worden. Besondere Tatumstände, die Zweifel an der Richtigkeit der Messung erwecken könnten, liegen nicht vor. Dementsprechend war auch nicht, wie von der Verteidigung beantragt, ein Sachverständigengutachten zur Überprüfung der Messung einzuholen. Das Messgerät ist durch die Physikalisch-technische Bundesanstalt geprüft und abgenommen. Es bedarf keiner erneuten Überprüfung im Einzelfall, ob es auch tatsächlich richtig misst.
Nachdem aus den Angaben des Zeugen M. sich zudem ergibt, dass die Messstelle im Vorfeld durch einen Geschwindigkeitstrichter angekündigt wurde, kann auch davon ausgegangen werden, dass der Betroffene bei aufmerksamer Fahrweise die Beschilderung hätte erkennen können und müssen.
IV.
Der Betroffene ist daher schuldig der fahrlässigen Überschreitung zulässigen Höchstgeschwindigkeit außerhalb geschlossener Ortschaft um 115 km/h gem. §§ 41 I i.V.m. Anlage 2, 49 StVO. 24, 25 StVG, 11.3.10 BKat, 4 I BKatV, 17 OWiG.
Das Gericht ist insoweit zugunsten des Betroffenen von einer rein fahrlässigen Begehung der Tat ausgegangen. Es hat dabei berücksichtigt, dass es sich grundsätzlich am Tatort um eine breit ausgebaute Autobahn handelte und aus den baulichen Gegebenheiten keine Geschwindigkeitsbegrenzung oder ähnliches ersichtlich war. Die Geschwindigkeitsbegrenzung diente lediglich der Sicherheit der eingerichteten polizeilichen Kontrollstelle. Wenn man zugunsten des Betroffenen unterstellt, dass er die Beschilderung übersehen hat, dann gab es für ihn keinen Anlass, seine Geschwindigkeit zu reduzieren. Allein aus dem verhältnismäßig hohen Geschwindigkeitswert, den der Betroffene erreicht hat, kann daher nicht ohne weiteres auf einen möglichen Vorsatz rückgeschlossen werden.
V.
Bei der Bemessung der zu verhängenden Geldbuße war zunächst von der Regelgeldbuße des Bußgeldkataloges auszugehen, der hier unter Ziff. 11.3.10 BKat. eine Regelgeldbuße von 600 vorsieht. Diese Regelgeldbuße war angemessen, um 100 anzuheben, da der Betroffene bereits wegen einer Tat im April 2017 einschlägig vorbehandelt ist. Zudem lag hier eine höhere Gefährdungssituation vor, da die Geschwindigkeitsbegrenzung einer konkret durchgeführten polizeilichen Maßnahme zur Absicherung diente.
Daneben war entsprechend dem Bußgeldkatalog ein Fahrverbot von 3 Monaten festzusetzen.
Es liegt der Fall einer groben Pflichtverletzung nach § 4 I Satz 1 Nr. 1 BKatV vor. Die Erfüllung dieses Tatbestandes injiziert das Vorliegen eines groben Verstoßes im Sinne von § 25 I Satz 1 StVG. Insoweit bedarf es regelmäßig der Denkzettel- und Besinnungsmaßnahme eines Fahrverbotes, wobei, wenn es angeordnet wird, in der Regel die im Bußgeldkatalog bestimmte Dauer festzusetzen ist. Besondere Umstände, die hier eine Abweichung von der im Bußgeldkatalog festgelegten Dauer des Fahrverbotes begründen könnten, sind weder vorgetragen noch ersichtlich.
Kosten: §§ 46 OWiG, 465 StPO.
Einsender: Räin G. Bender-Paukens, Kronberg
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