Gericht / Entscheidungsdatum: LG Koblenz, Beschl. v. 20.11.2018 - 12 KLs 2090 Js 29752/10
Leitsatz: Die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, die eine Verletzung des Konzentrationsgrundsatzes durch Einrichtung von zwei Schwurgerichtskammern bejaht, ist auf Staatschutzkammer entsprechend anwendbar.
12 KLs 2090 Js 29752/10
Landgericht
Koblenz
Beschluss
in dem Strafverfahren gegen pp.
wegen Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung pp. u.a.
hat die 12. große Strafkammer des Landgerichts Koblenz durch den Vizepräsidenten des Landgerichts, den Richter am Landgericht und die Richterin am 20.11.2018 beschlossen:
Es wird festgestellt, dass die 12. große Strafkammer des Landgerichts Koblenz in dem Verfahren 12 Kls 2090 Js 28752/10 nicht ordnungsgemäß besetzt ist.
Gründe:
Soweit der Angeklagte Pp. und der Angeklagte Pp. mit ihren jeweiligen Rügen die nicht vorschriftsmäßige Besetzung des erkennenden Spruchkörpers als Staatsschutzkammer beanstanden, haben sie hiermit Erfolg,
I.
Den Rügen beider Angeklagter liegt folgendes Verfahrensgeschehen zu Grunde:
Gegenstand des Verfahrens sind Straftaten, die im Zusammenhang mit der Gründung und weiteren Aktivitäten des sog. Aktionsbüros Mittelrhein" von Mitgliedern und Unterstützern dieser Organisation begangen worden sein sollen.
Am 14.06.2012 erhob die Staatsanwaltschaft Koblenz gegen die Angeklagten sowie zehn weitere Beschuldigte, gegen die das Verfahren bereits abgeschlossen ist, Anklage zur 12. großen Strafkammer -- Staatsschutzkammer des Landgerichts Koblenz. Den Angeklagten werden Gründung und mitgliedschaftliche Beteiligung an einer kriminellen Vereinigung bzw. Unterstützung einer kriminellen Vereinigung gemäß § 129 StGB und eine Vielzahl weiterer Straftaten zur Last gelegt.
Nach Eröffnung des Hauptverfahrens durch Beschluss vom 06.08.2012 begann die Hauptverhandlung am 20.08,2012. Am 02.05.2017 setzte die Kammer die Hauptverhandlung gegen die verbliebenen Angeklagten gemäß § 228 Abs. 1 S. 1 StPO aus und stellte das Verfahren insgesamt mit Beschluss vom 29.05.2017 gemäß § 206a StPO wegen überlanger Verfahrensdauer ein.
Das Oberlandesgericht Koblenz hat mit Beschluss vom 04,12.2017 die Einstellungsentscheidung aufgehoben und die Fortsetzung des Verfahrens angeordnet. in den Beschlussgründen führt das Oberlandesgericht Koblenz aus, dass der Prozess vor der Staatsschutzkammer des Landgerichts Koblenz fortzuführen" ist.
Aufgrund des seit dem 30.07.2015 vor der 12, großen Strafkammer anhängigen Staatsschutzverfahrens zum Aktenzeichen 12 Kls 2090 Js 71253/13 erfolgte mit Präsidiumsbeschluss vom 27.128. August 2015 (Az.: G 5220 r 63/15) die Übertragung der Zuständigkeit für alle seit dem 30. Juli 2015 eingegangen und künftig eingehenden Staatsschutzsachen auf die 1. große Strafkammer zur Entlastung der bis dahin insoweit ausschließlich für Staatsschutzsachen zuständigen 12. großen Strafkammer und wurde so auch im Geschäftsverteilungsplan mit Stand 01.09.2015 umgesetzt. In diesem Plan wurden der 12. großen Strafkammer die Staatsschutzsachen, die bis zum 29.07.2015 eingegangen sind, zugewiesen.
Nach den für die Geschäftsjahre 2017 und 2018 gültigen Geschäftsverteilungsplänen des Landgerichts Koblenz gehören in die Zuständigkeit der 1. großen Strafkammer (Staatsschutzkammer 1) unter anderem
,,a) alle zur Zuständigkeit der Zentralstrafkammer gemäß § 74a GVG gehörenden Strafsachen (Staatsschutzsachen) soweit nicht die Zuständigkeit der 11. Strafkammer begründet ist".
Die 3. große Strafkammer (Schwurgericht I und Staatsschutzkammer Il) ist nach den Geschäftsverteilungsplänen für das Geschäftsjahr 2017 und 2018 unter anderem zuständig für ,,d) Verfahren in den Fällen der Aufhebung von Urteilen der 1. (gr.) Strafkammer -als Staatsschutzkammer und der 12. (gr.) Strafkammer -. als Staatsschutzkammer durch die Revisionsinstanz und Zurückverweisung an eine andere Kammer als zweite Staatsschutzkammer".
Die 12. große Strafkammer ist nach dem Geschäftsverteilungsplan für das Geschäftsjahr 2017 zuständig für
a) erstinstanzliche Verfahren nach Maßgabe des Turnussystems, sofern nicht die besondere Zuständigkeit einer anderen Kammer begründet
b) auf das Rechtsmittel der Beschwerde zu treffende Entscheidungen nach Maßgabe des Turnussystems, sofern nicht die besondere Zuständigkeit einer anderen Kammer begründet ist.
Zusätzlich ist die 12. große Strafkammer im Geschäftsjahr 2018 zuständig für Entscheidungen über Einsprüche gegen Bußgeldbescheide wegen Verstößen nach Artikel 83 Abs. 4 bis 6 der Verordnung (EU) 2016/679 (IOS-GVG), wenn die festgesetzte Geldbuße den Betrag von 100.000,- Euro übersteigt.
Eine Zuweisungsregelung von Staatsschutzsachen für die 12. große Strafkammer findet sich weder im Geschäftsverteilungsplan für das Geschäftsjahr 2017 noch in dem für das Geschäftsjahr 2018, Schon in dem Geschäftsverteilungsplan für das Jahr 2016 wurde lediglich noch angeführt, dass die 1. große Strafkammer für die seit dem 30.07.2015 eingegangenen Staatsschutzsachen zuständig ist. Die 12. große Strafkammer wurde schon. zu diesem Zeitpunkt nicht mehr als Staatsschutzkammer ausdrücklich aufgeführt.
Die Hauptverhandlung in vorliegenden Strafverfahren hat am 15.10.2018 vor der 12. großen Strafkammer des Landgerichts Koblenz erneut begonnen.
Am 5. Hauptverhandlungstag, dem 06.11.2018, erhob der Angeklagte pp. durch seine Verteidiger neben weiteren Beanstandungen den Einwand der funktionellen Unzuständigkeit der erkennenden 12. großen Strafkammer, hilfsweise rügte er deren nicht ordnungsgemäße Besetzung, Der Angeklagte begründet diese Rüge (Haupt- und Hilfsantrag) unter anderem damit, dass sofern ein Hauptverfahren bei einer Staatsschutzkammer eröffnet und schließlich wegen eines angeblichen Verfahrenshindernisses außerhalb der Hauptverhandlung eingestellt wird, nach der hiergegen von der Staatsanwaltschaft erhobenen, erfolgreichen Beschwerde das Verfahren zwingend bei einer Staatsschutzkammer fortzusetzen ist, wenn die bis zur Entscheidung mit der Sache befasst gewesene Kammer inzwischen nur noch als allgemeine Strafkammer fungiert. Der Rüge haben sich die Angeklagten pp., angeschlossen.
Der Angeklagte Pp. erhob darüber hinaus über seine Verteidiger die Rüge der vorschriftswidrigen Besetzung des erkennenden Spruchkörpers hinsichtlich der drei Berufsrichter sowie der beiden Ergänzungsrichter mit der Begründung, dass die 12. große Strafkammer als Staatsschutzkammer nicht ordnungsgemäß besetzt sei. Seine Rüge, stützt der Angeklagte maßgeblich darauf, dass der Konzentrationsgrundsatz des § 74a GVG verlange, dass grundsätzlich eine Kammer des jeweiligen Landgerichts mit Staatsschutzangelegenheiten befasst ist. Eine zweite Kammer dürfe nur eingerichtet werden, wenn der Geschäftsanfall zu groß Ist, um von einer Kammer allein bewältigt werden zu können. Teile das Präsidium die entsprechenden Angelegenheiten aus diesem Grunde auf mehrere Spezialkammern auf, müsse wenigstens eine dieser Kammern im Schwerpunkt mit der Spezialmaterie befasst sein. Nach dem derzeit gültigen Geschäftsverteilungsplan sei die 12. große Strafkammer keine Staatsschutzkammer mehr. Damit würde dem Angeklagten sein Recht auf eine Entscheidung durch eine spezialisierte Staatsschutzkammer entzogen. Dieser Rüge haben sich die Angeklagten Pp. angeschlossen.
II.
Beide Besetzungsrügen sind zulässig erhoben. Sie sind weder wegen Verspätung (§ 222b Abs. 1 S. 1 StPO) präkludiert, noch haben die Angeklagten die Anforderungen an die Begründung der Besetzungsrüge verfehlt (§§ 222b Abs, 1 3. 2, 338 Nr. 1 lit, b § 344 Abs. 2 S. 2 StPO). Beide haben jeweils alle Tatsachen vorgebracht, die zur Begründung des konkreten Besetzungsmangels und zur Beurteilung der Besetzungsrüge durch die Kammer erforderlich waren und insbesondere dargelegt, unter welchem rechtlichen Aspekt die Besetzung beanstandet werden soll
Unschädlich ist insoweit, dass der Angeklagte Pp. mit seiner Besetzungsrüge den aktuellen Geschäftsverteilungsplan nicht vorgelegt hat. Eine solche Vorlageverpflichtung würde sich jedenfalls vor dem Tatgericht in reiner Förmelei erschöpfen, da den Berufsrichtern der Inhalt des ihr eigenes Gericht betreffenden Geschäftsverteilungsplans geläufig ist (vgl. etwa BGH, Urteil vom 12.01.2016 3 StR 490/15),
Die beiden Besetzungsrügen sind auch begründet. Die Kammer ist, da sie in dem vorliegenden Verfahren als Staatsschutzkammer entscheiden müsste, falsch besetzt.
Dem liegen folgende Überlegungen zugrunde:
Der Vollständigkeit halber ist zunächst festzuhalten, dass der Angeklagte pp. mit seinem Ein-wand der funktionellen Unzuständigkeit präkludiert ist. Insoweit war zu berücksichtigen. dass die 12. große Strafkammer bei Eingang des Verfahrens am 14.06.2012 ausweislich des zu diesem Zeitpunkt gültigen Geschäftsverteilungsplans des Landgerichts Koblenz als Staatsschutzkammer für die Durchführung des hiesigen Verfahrens zuständig gewesen ist. In ihrer funktionellen Zuständigkeit als Staatsschutzkammer hat die 12, große Strafkammer sodann im Zeitraum vom 20.08.2012 bis 02.05,2017 verhandelt, wobei sämtliche Angeklagte zur Sache im Sinne des § 243 Abs. 5 S. 2 StPO vernommen worden sind.
Gemäß § 6a S.3 StPO kann bei mehreren Angeklagten der Einwand der funktionellen Zuständigkeit nur bis zum Beginn der eigenen Vernehmung zur Sache geltend gemacht werden. Für die Frist kommt es wiederum ausschließlich auf die erste Hauptverhandlung an; der Einwand kann also nicht (erneut) erhoben werden, wenn es nach einer Aussetzung der Hauptverhandlung zu einer erneuten Hauptverhandlung kommt, unabhängig davon ob sich in tatsächlicher Hinsicht die Umstände geändert haben (vgl. Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 61. Auflege 2018, § 6a Rn. 10 m.w.N.; KK-StPO/Scheuten, 7. Auflage 2013, StPO, § 6a Rn. 8; BGH, Urteil vom 11.08.1981 5 StR 309/81, NJW 1981, 2311 m.w.N,).
Nicht präkludiert sind hingegen die hilfsweise erhobene Besetzungsrüge des Angeklagten Pp. sowie die Besetzungsrüge des Angeklagten Pp. Beide Besetzungseinwände haben dieselbe Angriffsrichtung. Sie rügen in tatsächlicher Hinsicht die fehlende Zuständigkeit der Kammer als Staatsschutzkammer und die daraus folgende nicht ordnungsgemäße Besetzung der 12. großen Strafkammer für die Verhandlung von Staatsschutzsachen. Beide Rügen stützen sich übereinstimmend darauf, dass ausweislich des aktuellen Geschäftsverteilungsplans für das Geschäftsjahr 2018 die 12. große Strafkammer lediglich für allgemeine Strafsachen zuständig ist, während die 1, und 3. große Strafkammer für Staatsschutzsachen zuständig seien.
Die jeweils auf diesen Standpunkt gestützten Besetzungsrügen haben Erfolg. Die 12, große Strafkammer ist ausweislich des für das Geschäftsjahr 2018 gültigen Geschäftsverteilungsplans als allgemeine Strafkammer besetzt, müsste in hiesigem Strafverfahren zum Aktenzeichen 12 Kls 2090 Js 29752/10 jedoch als Staatsschutzkammer entscheiden, obwohl eine andere Kammer des Landgerichts Koblenz nach der gültigen Geschäftsverteilung für Staatsschutzsachen zuständig ist. Damit liegt unter Berücksichtigung des Konzentrationsgrundsatzes des § 74a GVG eine vorschriftswidrige Besetzung der 12, großen Strafkammer vor,
Im Einzelnen:
Entgegen der Auffassung des Angeklagten pp. war das hiesigen Strafverfahren 12 KLs 2090 Js 29752/10 nach Aufhebung des Einstellungsbeschlusses des Oberlandesgerichtes Koblenz mit Beschluss vom 04.12.2017 nicht ohne weiteres in den Zuständigkeitsbereich der I. großen Strafkammer als Staatsschutzkammer gefallen. Infolge der Regelung des Geschäftsverteilungsplanes zum 01.12,2017 in Randziffer 170 (im aktuellen Geschäftsverteilungsplan Randziffer 224) bleibt die mit Eingang einer Sache erstmalig begründete Zuständigkeit vorbehaltlich anderweitiger Bestimmungen für die gesamte Dauer des Verfahrens bestehen.
Dies gilt auch auf die erfolgreiche sofortige Beschwerde gegen einen Einstellungsbeschluss gemäß § 206a StPO. Wird ein solcher Beschluss aufgehoben, wird die Sache vom Beschwerdegericht zur Fortsetzung des Verfahrens an den iudex a quo zurückgegeben (vgl. MüKoStPO/Wenske, 1. Aufl. 2016, StPO § 206a Rn. 55, m.w.N.). Das Verfahren ist sodann in dem Verfahrensstand fortzusetzen, in welchem er sich vor der Einstellungsentscheidung befand (hierzu BGH. Beschluss vom 21.12.2007 2 StR 485/06, NJW 2008, 1008).
Der im Geschäftsverteilungsplan zum Ausdruck kommende Kontinuitätsgedanke bei der Zuweisung von Strafverfahren an die einzelnen Spruchkörper ist Ausfluss des Anspruchs des Einzelnen auf den gesetzlichen Richter aus Art 101 Abs. 1 8. 2 GG.
Die vom Geschäftsverteilungsplan vorgegebene grundsätzliche Zuweisung des Verfahrens 12 Kls 2090 Js 29752/10 an die 12. große Strafkammer gerät jedoch infolge des Staatsschutzcharakters des Verfahrens in einen durch den aktuellen Geschäftsverteilungsplan des Landgerichts Koblenz nicht aufgelösten Konflikt mit der gesetzlich zwingenden Regelung des § 74a Abs. 1 GVG. Aufgrund der Höherrangigkeit der gesetzlichen Regelung gegenüber einer Zuständigkeitsregelung eines Geschäftsverteilungsplanes muss die Gesetzesnorm der GVP-Regelung in Randziffer 170 (neu: Randziffer 224) vorgehen. Der Geschäftsverteilungsplan muss die gesetzliche Regelung, wie hier die Zuweisung von Aufgaben an Spezialspruchkörper nach § 74a GVG, umsetzen (vgl. hierzu Kissel/Mayer, GVG, 9. Auflage 2018, § 21e Rn. 87f),
Die Norm enthält eine zwingend einzuhaltende Konkretisierung des gesetzlichen Richters (vgl. Kissel/Mayer, GVG, 9. Auflage 2018, § 74a Rn. 2):
Nach § 74a Abs. 1 GVG ist bei den Landgerichten, in deren Bezirk ein Oberlandesgericht seinen Sitz hat, eine Strafkammer für den Bezirk dieses Oberlandesgerichts als erkennendes Gericht für Staatsschutzsachen zuständig. Demnach ist die gleichzeitige Einrichtung mehrerer Staatsschutzkammern bei demselben Landgericht nur dann zulässig und geboten, soweit es sich um die Bildung einer ,,Auffangstaatsschutzkammer (hier: 3. große Strafkammer als Staatsschutzkammer 10 handelt.
Mehreren großen Strafkammern darf das Präsidium des Landgerichts die Aufgabe als Staatsschutzkammer nur zuweisen, wenn eine Staatsschutzkammer voraussichtlich nicht in der Lage sein wird, den Geschäftsanfall zu bewältigen (vgl. etwa BGH, NJW 1978, 1273; BGH NJW 1978, 1594). Dies folgt bereits aus dem Wortlaut des § 74a GVG, der ausdrücklich anordnet, dass für die dort genannten Strafsachen eine Strafkammer als Staatsschutzkammer zuständig ist. Zudem ergibt es sich aus Sinn und Zweck dieser Vorschrift. Ziel des Gesetzgebers ist die Konzentration bei nur einer Strafkammer, wie dies auch bei Schwurgerichtssachen und Wirtschaftsstrafsachen vorgesehen ist, um bei diesen Straftaten eine möglichst einheitliche Beurteilung der Fälle zu erreichen (vgl. etwa Kissel/Mayer, a.a.O.).
Für Schwurgerichtssachen hat der Bundesgerichtshof mit Urteil vom 11.04,1978 1 StR 576/77 bereits entschieden, dass es mit dem Konzentrationsgrundsatz unvereinbar ist, wenn das Präsidium des Landgerichts eine bestimmte Anzahl der Strafkammern zugleich als Schwurgerichtskammern einrichtet und ihnen sowohl Schwurgerichtssachen als auch allgemeine Strafsachen zuweist, ohne zu beachten, dass die Schwurgerichtskammern allein mit Schwurgerichtssachen voll ausgelastet sein müssen, und dass bei der Mehrzahl der Schwurgerichtskammern das Schwergewicht dann auch noch bei der Erledigung der allgemeinen Strafsachen liegt. Wegen der Unsicherheiten, die in der Beurteilung des Geschäftsanfalls für ein kommendes Jahr liegen, räumt das Gesetz dem Präsidium insoweit einen Ermessensspielraum ein. Es ist deshalb nicht zu beanstanden, wenn sich das Präsidium in der Erwartung des künftigen Geschäftsanfalls in vertretbarem Umfang irrt. Anders ist die Geschäftsverteilung jedoch zu beurteilen, wenn das Erfordernis der Konzentration von vomherein außer Acht gelassen ist''.
In seinem Urteil vom 11.04.1978 - 1 StR 578/77 hat der Bundesgerichtshof eine Verletzung des Konzentrationsgrundsatzes durch Einrichtung von zwei Schwurgerichtskammern bejaht. In diesem Verstoß sah er eine mit dem Gesetz nicht zu vereinbarende Geschäftsverteilung mit der Folge, dass das erkennende Schwurgericht nicht vorschriftsmäßig besetzt war. Das Urteil wurde sodann nach § 338 Nr. 1 StPO aufgehoben.
Die vorgenannte vom Bundesgerichtshof entwickelte Rechtsprechung ist auf das hiesige Verfahren zu übertragen. Demnach ist die von dem Präsidium aufgestellte Geschäftsverteilung und Regelung der Zuständigkeiten insoweit zu beanstanden, als dass das Präsidium jedenfalls bei der Aufstellung des Geschäftsverteilungsplans für das Geschäftsjahr 2018 das Erfordernis der Konzentration nach § 74a GVG nicht beachtet hat
Ursprünglich war der Konzentrationsgrundsatz durch Bestimmung der 12. großen Strafkammer zur Staatsschutzkammer gewahrt. Das Präsidium hat dann am 27./28.08,2015 aufgrund der für begründet erachteten Überlastungsanzeige des damaligen Vorsitzenden der 12. großen Straf-kammer die Entscheidung getroffen, dass für alle bis zum 29,07.2015 beim Landgericht eingegangenen Staatsschutzsachen die 12. große Strafkammer und für alle seit dem 30.07,2015 eingegangenen Staatsschutzsachen die 1. große Strafkammer zuständig ist. Der Geschäftsverteilungsplan für das Jahr 2015 wurde entsprechend der Beschlussfassung mit Stand zum 01.09.2015 geändert.
Bereits der Geschäftsverteilungsplan zum 01.01.2016 enthielt die Zuständigkeitsregelung hinsichtlich der 12. großen Strafkammer für alle bis zum 29.07.2015 beim Landgericht eingegangenen Staatsschutzsachen nicht mehr. Wie auch im folgenden Geschäftsverteilungsplan zum 01.01.2017 bestimmte dieser, dass für die zur Zuständigkeit der Zentralstrafkammer gemäß § 74a GVG gehörenden Strafsucher, (Staatsschutzsachen) soweit nicht die Zuständigkeit der 11. Strafkammer begründet ist, die 1. große Strafkammer zuständig ist. Der 12. großen Strafkammer waren lediglich allgemeine Strafsachen und somit keine Staatsschutzsachen mehr zugewiesen.
Dies war hinsichtlich des Verfahrens 12 Kls 2090 Js 29752/10 zum damaligen Zeitpunkt unschädlich, da sich das Verfahren in der Hauptverhandlung befunden hat und sich die Zuständigkeit und ordnungsgemäße Besetzung der Kammer während laufender Hauptverhandlung fortsetzte (vgl. BGH NJW 1956, 110).
Erstmals nach Aussetzung der Hauptverhandlung mit Beschluss der Kammer vom 02.05.2017, spätestens jedoch nachdem das Oberlandesgericht Koblenz den Einstellungsbeschluss mit Entscheidung vom 04.12.2017 aufgehoben und die Fortsetzung des Verfahrens angeordnet hat, trat im Dezember 2017 angesichts der zwingenden gesetzlichen Bestimmung in § 74a GVG eine Regelungslücke im Geschäftsverteilungsplan auf, die gegebenenfalls einer Entscheidung des Präsidiums im Hinblick auf die Einrichtung einer zweiten Staatsschutzkammer bedurft. hätte. Eine Regelung wurde jedoch weder im Jahr 2017 noch im Geschäftsverteilungsplan 2018 getroffen,
Nachdem die 12. große Strafkammer aufgrund der Vorgaben im Geschäftsverteilungsplan in hiesigem Vorfahren 12 Kls 2090 Js 29752/10 über eine Staatsschutzsache zu entscheiden hat, wird beim Landgericht Koblenz faktisch eine zweite Staatsschutzkammer begründet. Die faktische Existenz einer zweiten Staatsschutzkammer steht dem Konzentrationsgrundsatz aus § 74a GVG jedoch entgegen.
Die 12. große Strafkammer ist nach alldem als die erkennende Staatsschutzkammer nicht vorschriftsmäßig besetzt. Auf die Besetzungsrügen der Angeklagten Pp. und Pp., der sich jeweils die Angeklagten pp. angeschlossen haben, war dies durch Beschluss festzustellen,
Eine Entscheidung über die im Übrigen erhobenen Einwände der Angeklagten war nach alledem nicht mehr veranlasst.
Einsender: RA G. Herzogenrath-Amelung, Alteglofsheim
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