Gericht / Entscheidungsdatum: LG Itzehoe, Beschl. v. 09.10.2018 - 2 Qs 46/18
Leitsatz: 1. Ausgangspunkt für die Bemessung der Rahmengebühr ist grundsätzlich der Mittelbetrag der einschlägigen Rahmengebühr.
2. Durchschnittliche Verkehrsordnungswidrigkeiten mit einfachen Sach- und Rechtsfragen, niedrigen Geldbußen und wenigen Punkten im Verkehrszentralregister sind grundsätzlich als unterdurchschnittliche Bußgeldsachen anzusehen.
In pp.
Auf die sofortige Beschwerde des Betroffenen wird der Kostenfestsetzungsbeschluss des Amtsgerichts Pinneberg vom 29.03.2018 wie folgt abgeändert:
Der dem Betroffenen aus der Landeskasse nach dem Beschluss des Amtsgerichts Meldorf vom 29,03.2018 zu erstattende Betrag wird auf 916,92 Euro festgesetzt, wobei der bereits angewiesene Betrag in Höhe von 512,79 in Abzug zu bringen ist.
Im Übrigen wird die sofortige Beschwerde als unbegründet zurückgewiesen.
Die Landeskasse trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens und die dem Betroffenen insoweit entstandenen notwendigen Auslagen.
Der Beschwerdewert beträgt 416,34 EUR.
Gründe
I.
Durch Bußgeldbescheid vom 07.06.2017 - Az. 2021/25.2 OWi-611.793858-ma - setzte der Landrat des Kreises Pinneberg gegen den Betroffenen wegen Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit außerhalb geschlossener Ortschaften um 47 km/h (§§ 41 Abs. 1 i.V.m. Anlage 2, 49 StVO; §§ 24, 25, 25 Abs. 2a StVG; 11.3.7 BKat; § 4 Abs. 1 BKatV) eine Geldbuße in Höhe von 160 EUR fest. Zugleich wurde die Eintragung von zwei Punkten in das Verkehrszentralregister und ein Fahrverbot von 1 Monat angeordnet. Gegen den Buß-geldbescheid legte der Betroffene Einspruch ein. Mit Schriftsatz vom 02.10.2017 erhob der Betroffene die Einrede der Verjährung.
Am 11.10.2017 fand ein Hauptverhandlungstermin vor dem Amtsgericht Pinneberg statt. Das Amtsgericht stellte sodann gemäß § 47 Abs. 2 OWiG das Verfahren ein und legte die Verfahrenskosten und die notwendigen Auslagen des Betroffenen der Landeskasse auf. Mit Kostenfestsetzungsantrag vom 21.11.2017 beantragte der Verteidiger des Betroffenen, Gebühren und Auslagen in Höhe von insgesamt 929,13 EUR zur Erstattung festzusetzen. Dabei brachte er für die Vertretung des Betroffenen eine Grundgebühr gemäß Nr. 5100 VV RVG in Höhe von 100 Euro, eine Verfahrensgebühr gemäß Nr. 5103 VV RVG in Höhe von 160 Euro, eine Verfahrensgebühr gemäß Nr. 5109 VV RVG in Höhe von 160 Euro, eine Terminsgebühr gemäß Nr. 5110 in Höhe von 255 Euro, mithin jeweils die Mittelgebühr, sowie die Auslagenpauschale, Kopierkosten, Abwesenheitsgeld und Fahrtkosten jeweils zuzüglich anteiliger Umsatzsteuer in Ansatz.
Mit dem angefochtenen Kostenfestsetzungsbeschluss hat die Rechtspflegerin bei dem Amtsgericht Pinneberg die angemeldete Grundgebühr lediglich in Höhe von 60 Euro, die Verfahrensgebühr nach Nr. 5103 in Höhe von 100 Euro, die Verfahrensgebühr nach Nr. 5109 in Höhe von 120 Euro und die Terminsgebühr in Höhe von 80 Euro (jeweils exklusive Umsatzsteuer) festgesetzt, die Versendungspauschale in Höhe von 12,00 (netto) in Abzug gebracht und die Reisekosten vollständig in Abzug gebracht und die dem Betroffenen aus der Landeskasse zu erstattenden notwendigen Auslagen im Übrigen antragsgemäß auf insgesamt 512,79 Euro brutto festgesetzt. Dagegen wendet sich der Betroffene mit seinem Rechtsmittel. In Höhe der Versendungspauschale in Höhe von 12 Euro hat das Amtsgericht der sofortigen Beschwerde abgeholfen.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Schriftsätze der Bezirksrevisorin vom 14.12.2017 und 19.01.2018 sowie auf die Schriftsätze des Verteidigers des Betroffenen vom 10.01.2018 und 10.04.2018 verwiesen.
II.
Die gemäß § 46 OWiG, § 464 b Abs. 3 StPO i.V.m. § 11 Abs. 1 RPfIG, § 104 Abs. 3 ZPO, §§ 304 Abs. 2, 311 StPO statthafte sofortige Beschwerde ist zulässig und hat in der Sache weit überwiegend Erfolg.
Im Bußgeldverfahren erhält der Wahlverteidiger für seine Tätigkeit Rahmengebühren, die im zu beurteilenden Einzelfall nach §-14 RVG zu bemessen sind. Ausgangspunkt für die Gebühr ist nach überwiegend vertretener Auffassung grundsätzlich der Mittelbetrag der einschlägigen Rahmengebühr (vgl. nur Hartmann, Kostengesetze, 45. Aufl., § 14 RVG Nr. 14). Die Mittelgebühr soll gelten, wenn sämtliche gemäß § 14 Abs. 1 Satz 1 RVG zu berücksichtigenden Umstände, also insbesondere Umfang und Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit, Bedeutung der Angelegenheit sowie die wirtschaftlichen Verhältnisse des Auftraggebers als durchschnittlich einzuordnen sind. Bei der Abwägung der zu berücksichtigenden Merkmale und der sich daran anschließenden Bestimmung der Gebühren räumt die Vorschrift des § 14 Abs. 1 RVG dem Rechtsanwalt ein weites billiges Ermessen ein (Hartmann a.a.O., § 14 RVG, Rn. 21). Die von ihm getroffene Bestimmung ist, wenn - wie hier - ein Dritter die Gebühr zu ersetzen hat, gemäß § 14 Abs. 1 S. 4 RVG (nur dann) nicht verbindlich, wenn sie unbillig ist. Rechtspfleger und Gericht sind in dem Kostenfestsetzungsverfahren auf die Prüfung beschränkt, ob sich die geltend gemachte Gebühr innerhalb des Gebührenrahmens hält und ob sie im Einzelfall unter Berücksichtigung aller Umstände nicht unbillig ist. Allein dann, wenn der Gebührenansatz missbräuchlich erfolgt und bei einer Gesamtabwägung unbillig ist, darf und muss das Gericht die Gebühr neu festsetzen (Hartmann, a.a.O., Rn. 23). Unbillig ist der Gebührenansatz nach herrschender Ansicht dann, wenn die beantragte Gebühr uni mehr als 20% über der angemessenen Höhe liegt (BGH, NJW-RR 2007, 420).
Für das Ordnungswidrigkeitenverfahren ist voranzustellen, dass die in Teil 5 des Vergütungsverzeichnisses zum RVG vorgesehenen Gebührenraten für die Vergütung in sämtlichen Bußgeldsachen heranzuziehen sind. Dies sind neben Verkehrsordnungswidrigkeiten auch solche aus den Bereichen des Bau-, Gewerbe-, Umwelt- oder Steuerrechts, die häufig mit Bußgeldern im oberen Bereich des Bußgeldrahmens von 60,00 bis 5.000,00 Euro geahndet werden und mit rechtlichen Schwierigkeiten und/oder umfangreicher Sachaufklärung verbunden sind. Zwar können auch Verkehrsordnungswidrigkeiten im Einzelfall einen gleich hohen oder höheren Aufwand als andere Ordnungswidrigkeiten verursachen und betreffen eine Vielzahl der Ordnungswidrigkeitenverfahren. Allerdings werden die Verkehrsordnungswidrigkeitenverfahren dadurch nicht bedeutsamer oder schwieriger. Durchschnittliche Verkehrsordnungswidrigkeiten mit einfachen Sach- und Rechtsfragen, niedrigen Geldbußen und wenigen Punkten im Verkehrszentralregister sind daher nach Auffassung der Kammer grundsätzlich als unterdurchschnittliche Bußgeldsachen anzusehen.
Die im vorliegenden Kostenfestsetzungsantrag durch den Verteidiger des. Betroffenen vorgenommene Bestimmung der Grundgebühr, der Vorverfahrensgebühr, der Verfahrensgebühr und der Terminsgebühr in Höhe der jeweiligen Mittelgebühr bewegt sich im Hinblick auf die Kriterien des § 14 Abs. 1 S. 1 RVG innerhalb der zuzubilligenden Toleranzgrenze von 20 % und ist daher gegenüber der Staatskasse verbindlich.
Der Umfang (der zeitliche Aufwand) und die Schwierigkeit (die Intensität der Arbeit) der anwaltlichen Tätigkeit waren vorliegend als durchschnittlich zu bewerten. Zwar umfasste bei der Akteneinsicht die Akte lediglich 6 Seiten. Allerdings fehlten Aktenbestandteile, welche erst nach entsprechender Rüge durch den Verteidiger eingeheftet wurden. Die aktenkundigen Tätigkeiten des Verteidigers des Betroffenen sind vorliegend als durchschnittlich anzusehen. Der Verteidiger hat sich bereits vor Erlass des Bußgeldbescheides zur Akte gemeldet und das Fehlen wesentlicher Aktenbestandteile gerügt. Auf die Rüge hin wurde die Akte sodann auch ergänzt. Er hat Einspruch eingelegt und sich später auf die Verjährung berufen. In seinen Schriftsätzen vom 10.01.2018 und 17.04.2018 hat der Verteidiger nähere Ausführungen zu seinen entfalteten Tätigkeiten gemacht. Es ging vorliegend um eine deutliche Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit, welche mittels einer Videostreifenüberwachung festgestellt worden war. Es handelte sich somit um einen normalen Verkehrsverstoß, welcher grundsätzlich keine Kenntnisse voraussetzte, die über die Bearbeitung normaler Bußgeldverfahren hinausgehen. Allerdings hatte sich der Verteidiger sowohl mit der konkreten Messmethode auseinanderzusetzen als auch mit den hier bestehenden Besonderheiten für den Betroffenen. Denn für diesen war die Angelegenheit nicht nur von untergeordneter Bedeutung. Vielmehr standen für den Betroffenen nicht nur das Bußgeld und die Verhängung von zwei Punkten im Raum, sondern auch ein Fahrverbot von einem Monat. Hinzu kommt, dass der Betroffene sich noch in der Probezeit befand, sodass auch insoweit weitere Konsequenzen, wie die Anordnung einer Schulung zu bedenken waren. Dabei musste der Verteidiger insbesondere auch den weiteren Bußgeldbescheid wegen eines Verstoßes vom selben Tage (Verletzung des Abstandsgebotes) in Bezug auf die hier drohenden Konsequenzen würdigen. Schließlich hatte der Verteidiger auch die Verjährung zu beachten, die letztendlich zur Einstellung des Verfahrens geführt hat. All diese Tätigkeiten berechtigen dazu, von einer durchschnittlichen Angelegenheit zu sprechen.
Aufgrund der Durchschnittlichkeit der Angelegenheit sind die in Ansatz gebrachten Mittelgebühren nicht als unbillig, sondern als verbindlich zu betrachten. Soweit es um die Versendungspauschale geht, hat das Amtsgericht der sofortigen Beschwerde bereits abgeholfen, weshalb diese nunmehr ohne weitere Begründung hinzuzusetzen ist. Die Fahrtkosten sind ab Seester, dem Wohnort des Betroffenen, erstattungsfähig. Laut Routenplaner beträgt die einfache Distanz für die schnellste Route 24,2 km, so dass insoweit 0,30 Euro für 48,4 km, mithin 14,52 Euro erstattungsfähig sind.
Es ist damit wie folgt festzusetzen:
Grundgebühr, Nr. 5100 VV RVG 100,00
Gebühr nach Nr. 5103 VV RVG 160,00
Gebühr nach Nr. 5109 VV RVG 160,00
Gebühr nach Nr. 5110 VV RVG 255,00
Post- und Dokumentationspauschale nach Nr. 7002 W RVG 40,00
Dokumentenpauschale nach Nr. 7000 Ziff. 1a W RVG 4,00
Abwesenheitsgeld nach Nr. 7005 VV RVG 25,00
Reisekosten nach Nr. 7003 VV RVG 14,52
Aktenversendungspauschale 12,00
Zwischensumme: 770,52
Umsatzsteuer: 146,40
Endsumme: 916,92
Die Kostenentscheidung beruht auf § 46 Abs. 1 OVVIG, §§ 467 Abs. 1, 473 Abs. 4 StPO analog. Soweit in Höhe von 12,21 Euro die sofortige Beschwerde zurückgewiesen wurde, wurde davon abgesehen, insoweit die Kosten dem Betroffenen aufzuerlegen, da das Unterliegen im Verhältnis äußerst gering ist.
Die Festsetzung des Beschwerdewerts ergibt sich aus der Differenz der von dem Verteidiger des Betroffenen geforderten Gebühren und Auslagen in Höhe von 929,13 Euro zu dem vom Amtsgericht Pinneberg festgesetzten Betrag in Höhe von 512,79 Euro.
Einsender: RA T. Frings, Itzehoe
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