Gericht / Entscheidungsdatum: LG Chemnitz, Beschl. v. 03.07.2018 - 2 Qs 241/18
Leitsatz: 1. Die Erstattungsfähigkeit der Kosten eines Privatgutachtens kann sich nicht nach den Vergütungssätzen des JVEG richten.
2. Auch eine entsprechende Anwendung des JVEG kommt nicht in Betracht, da nicht davon ausgegangen werden kann, dass es einem Betroffenen möglich ist, einen geeigneten Sachverständigen zu den im JVEG vorgesehenen Vergütungssätzen zu gewinnen.
LG Chemnitz
2 Qs 241/18
Beschluss
In dem Ermittlungsverfahren
gegen pp.
Verteidiger:
wegen Verkehrsordnungswidrigkeit
ergeht am 03.07.2018
durch das Landgericht Chemnitz - Strafkammer als Beschwerdekammer -
nachfolgende Entscheidung:
1. Auf die Beschwerde des Betroffenen werden in Abänderung des Kostenbeschlusses des Amtsgerichts Chemnitz vom 01.02.2018 und des Beschlusses vom 28.05.2018 die von der Staatskasse an den Betroffenen zu erstattenden Auslagen auf insgesamt 2119,82 Euro brutto festgesetzt, so dass über den bereits festgesetzten Betrag von 1298,29 Euro hinaus weitere 821,53 Euro zu erstatten sind.
2. Die Kosten und notwendigen Auslagen des Betroffenen im Beschwerdeverfahren trägt die Staatskasse.
Gründe:
Wegen des Vorwurfs der Geschwindigkeitsüberschreitung außerhalb geschlossener Ortschaften um 64 km/h wurde gegen den betroffenen Geschäftsinhaber zweier in Chemnitz bzw. Zschopau liegender Pizzerien am 21.08.2017 ein Bußgeldbescheid über 440,00 Euro zzgl. Kosten, ein 2 monatiges Fahrverbot und 2 Punkte festgesetzt.
Der Betroffene hat dagegen durch seinen Verteidiger fristgemäß Einspruch eingelegt und ein Gutachten bei der DEKRA Automobil GmbH beauftragt. Nach Vorlage des anthropologischen Gutachtens vom 05.10.2017 wurde auf den Antrag seines Verteidigers das Verfahren durch die Staatsanwaltschaft Chemnitz am 01.11.2017 eingestellt. Die notwendigen Auslagen wurden der Staatskasse auferlegt.
Mit Schreiben vom 24.11.2017 wurden durch den Verteidiger Auslagen von insgesamt 2.119,82 Euro beantragt (vgl. BI. 46-50 d.A). Auf Stellungnahme der Bezirksrevisorin wurde mit Kostenfestsetzungsbeschluss vom 01.02.2018 ein Betrag von 1.289,29 Euro festgesetzt (BI. 61,62). Gekürzt wurden die dem Grunde nach zuerkannten Privatgutachterkosten auf 95,00 Euro/h gemäß Honorargruppe 7 der Anlage 9 zu § 9 Abs. 1 JVEG und alle Anwaltsgebühren auf die Höhe der Mittelgebühren.
Mit am 09.02.2018 eingegangenem Rechtsbehelf verfolgt der Betroffene seinen Antrag mit weiterer Begründung vom 07.02.2018 und 06.03.2018 weiter.
Das Amtsgericht hat die Erinnerung mit Beschluss vom 28.05.2018 als unbegründet verworfen. Zwar sei die Überschreitung der Mittelgebühren in berechneter Höhe gerechtfertigt, die Gutachterkosten jedoch bereits dem Grunde nach nicht gerechtfertigt.
Dagegen richtet sich die sofortige Beschwerde des Betroffenen vom 04.06.2018.
Wegen der Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.
II.
Die zulässige sofortige Beschwerde ist begründet:
Hinsichtlich der Rechtsanwaltsvergütung schließt sich die Kammer der Würdigung im Beschluss des Amtsgerichts vom 28.05.2018 und der ursprünglichen Einschätzung der Kostenbeamtin vom 27.12.2017 an, dass aufgrund der Besonderheiten hier eine Abweichung der berechneten Vergütung von den üblicherweise anzuerkennenden Mittelgebühren in beantragter Höhe unter Berücksichtigung eines 20 % igen Tolerenzrahmens als noch angemessen anzuerkennen waren.
Soweit es die Privatgutachterkosten betrifft, hat der Betroffene die Festsetzung im Kostenfestsetzungsbeschluss nicht angegriffen, soweit diese dem Grunde anerkannt worden sind, sondern greift deren Kürzung an.
Diese Kürzung war auch nach Würdigung der Kammer nicht gerechtfertigt.
Hinsichtlich der Höhe der erstattungsfähigen Kosten war die Rechnung des Privatsachverständigen zu Grunde zu legen, da inhaltliche Einwendungen dagegen ausscheiden, nachdem dieses Grundlage für die Verfahrenseinstellung war. Der darin angesetzte Zeitaufwand erscheint der Kammer ebenso wie der Ansatz von Schreib- und Portokosten angemessen.
Auch den abgerechneten Stundensatz sieht die Kammer entgegen der Auffassung des Bezirksrevisorin als erstattungsfähig an. Die Erstattungsfähigkeit der Kosten eines Privatgutachtens kann sich nicht nach den Vergütungssätzen des JVEG richten. Auch eine entsprechende Anwendung des JVEG kommt nicht in Betracht, da nicht davon ausgegangen werden kann, dass es einem Betroffenen möglich ist, einen geeigneten Sachverständigen zu den im JVEG vorgesehenen Vergütungssätzen zu gewinnen [vgl. BGH, NJW 2007, 1532, 1533 und LG Wuppertal Beschl. v. 8.2.2018 26 Qs 214/17 (923 Js 323/16), BeckRS 2018, 2186, beck-on-line).
Da der abgerechnete Stundensatz der getroffenen Honorarvereinbarung zwischen dem Betroffenen und dem Privatsachverständigen entspricht und eine unangemessene Gebührenerhöhung nicht ersichtlich ist, sieht die Kammer die Notwendigkeit der über dem JVEG liegenden Kosten als ausreichend dargelegt an.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 467 StPO entsprechend.
Einsender: RA F. Tippmann, Chemnitz
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