Gericht / Entscheidungsdatum: KG, Beschl. v. 21.12.2017 - (4) 151 AuslA 191/17 (221/17)
Leitsatz: Das Gnadenverfahren in Schottland genügt den Anforderungen des § 83 Abs. 1 Nr. 4 IRG.
KAMMERGERICHT
Beschluss
Geschäftsnummer:
(4) 151 AuslA 191/17 (221/17)
In der Auslieferungssache
betreffend den lettischen Staatsangehörigen pp.
hat der 4. Strafsenat des Kammergerichts in Berlin am 20. Dezember 2017 beschlossen:
1. Die Auslieferung des Verfolgten an das Vereinigte Königreich Großbritannien und Nordirland zum Zwecke der Strafverfolgung wegen der in dem Europäischen Haftbefehl des Sheriff Court of Lothian and Borders in Edinburgh vom 17. Oktober 2017 EO/19/17 bezeichneten Tat ist zulässig.
2. Die Auslieferungshaft dauert fort.
Gründe:
Die britischen Behörden haben durch Ausschreibung im Schengener Informationssystem (SIS) und Übermittlung eines Europäischen Haftbefehls um die Festnahme und Auslieferung des Verfolgten zum Zwecke der Strafverfolgung ersucht. Der Verfolgte ist am 9. November 2017 gemäß § 19 IRG vorläufig festgenommen worden. Bei seiner am folgenden Tag nach den §§ 22, 28 IRG vorgenommenen richterlichen Anhörung hat er Einwendungen gegen seine Auslieferung erhoben, sich mit der vereinfachten Auslieferung (§ 41 IRG) nicht einverstanden erklärt und nicht auf die Einhaltung des Grundsatzes der Spezialität (Art. 27 RbEuHb) verzichtet. Mit Beschluss vom 15. November 2017 hat der Senat gegen den Verfolgten die Auslieferungshaft angeordnet. Auf Antrag der Generalstaatsanwaltschaft Berlin erklärt er die Auslieferung des Verfolgten für zulässig (§ 29 Abs. 1 IRG).
1. Der übermittelte Europäische Haftbefehl des Sheriff Court of Lothian and Borders in Edinburgh vom 17. Oktober 2017 EO/19/17 entspricht den Anforderungen des § 83 a Abs. 1 IRG. Er weist aus, dass gegen den Verfolgten ein nationaler Haftbefehl des Sheriffs von South Strathclyde, Dumfries und Galloway in Hamilton vom 5. Juli 2017 besteht, ausweislich dessen dem Verfolgten zur Last gelegt wird, eine ihm als Transportfahrer der Speditionsfirma SIA M am 6. Februar 2017 von der Spirituosenfirma W in Schottland übergebene Lkw-Ladung mit Whiskey und Rum im Wert von 246.269,74 britischen Pfund auf der Fahrt zu seinem Zielort in Lettland unterschlagen zu haben.
2. Die Auslieferung des Verfolgten zulässig. Die ihm zur Last gelegte Tat stellt sich als auslieferungsfähige strafbare Handlung im Sinne der §§ 3, 81 Nr. 1 IRG dar, die sowohl nach schottischem Common Law als Diebstahl als auch nach deutschem Strafrecht als Unterschlagung (§ 246 StGB) strafbar und nach dem Recht des ersuchenden Staates mit einer Freiheitsstrafe im Höchstmaß von mindestens zwölf Monaten bedroht ist.
Hindernisse, die der Auslieferung des Verfolgten entgegenstehen, sind nicht ersichtlich.
Dies gilt insbesondere für den Umstand, dass die Tat nach schottischem Recht im Höchstmaß mit einer lebenslangen Freiheitsstrafe geahndet werden kann. Zwar ist die Verhängung einer Strafe in dieser Höhe nach den Mitteilungen der britischen Behörden unwahrscheinlich. Bei der Prüfung eines Auslieferungshindernisses nach § 83 Abs. 1 Nr. 4 IRG ist jedoch auf die abstrakte Strafandrohung abzustellen (vgl. Senat NStZ-RR 2014, 290).
Nach den durch die Kronanwaltschaft mit Schreiben vom 14. Dezember 2017 übermittelten ergänzenden Informationen besteht nach schottischem Recht jedoch ein Gnadenverfahren, das demjenigen nach § 30 Crime (Sentences) Act 1997 entspricht, für das der Senat bereits in seinem Beschluss vom 8. April 2014 (4) 151 AuslA 199/13 (300/13) festgestellt hat, dass es den Anforderungen des § 83 Abs. 1 Nr. 4 IRG genügt. Auch nach schottischem Recht § 3 des Prisoners and Criminal Proceeding (Scotland) Act 1993 können die zuständigen Schottischen Minister Strafgefangene jederzeit nach Konsultation einer Bewährungskommission aus Gründen der Barmherzigkeit (compassionate grounds) aus der Haft entlassen. Bei dieser Entscheidung, auf die der Strafgefangene antragen kann und die sowohl hinsichtlich des Votums der Bewährungskommission als auch hinsichtlich der ministeriellen Gnadenentscheidung gerichtlich überprüfbar ist, sind sowohl die Situation des Gefangenen und seiner Familie als auch die Entwicklung des Gefangenen im Vollzug, seine Vorstrafen und seine Zukunftsplanungen zu berücksichtigen. Auch Schottland verfügt damit über ein Gnadenverfahren, das auch schon vor Ablauf von 20 Jahren die Aussetzung der Vollstreckung einer lebenslangen Freiheitsstrafe ermöglicht und dem Verfolgten einen Anspruch auf eine sachliche Kriterien berücksichtigende Entscheidung über sein Gnadengesuch einräumt (vgl. BGHSt 57, 258, 266).
4. Die Entscheidung der Generalstaatsanwaltschaft Berlin vom 17. November 2017, keine Bewilligungshindernisse nach § 83b IRG geltend zu machen, ist nach den Grundsätzen, die für die Überprüfung dieser Entscheidung gemäß § 79 Abs. 2 Sätze 1 und 2 IRG zu beachten sind (vgl. Senat OLGSt IRG § 83b Nr. 5 mwN), nicht zu beanstanden. Der Verfolgte ist dem auch nicht mehr entgegengetreten.
5. Die Auslieferungshaft dauert aus den Gründen ihrer Anordnung fort. Entscheidungserhebliche Änderungen haben sich insoweit nicht ergeben.
Einsender: RiKG K.-P. Hanschke, Berlin
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