Gericht / Entscheidungsdatum: OLG Köln, Beschl. v. 20.04.2018 - III 1 RBs 115/18
Leitsatz: Die Bauartzulassung durch die PTB ist grundsätzlich als ein antizipiertes Sachverständigengutachten anzusehen. Zweifel an dem Messverfahren sind aber dann begründet, wenn Umstände vorliegen, die bei der Zulassung nicht oder nicht ausreichend berücksichtigt worden sind.
III-1 RBs 115/18
OBERLANDESGERICHT KÖLN
BESCHLUSS
In der Bußgeldsache
gegen pp.
wegen Verkehrsordnungswidrigkeit
hat der 1. Senat für Bußgeldsachen des Oberlandesgerichts Köln auf den Antrag der Staatsanwaltschaft auf Zulassung der Rechtsbeschwerde gegen das Urteil des Amtsgerichts Jülich vom 8. Dezember 2017 nach Anhörung der Generalstaatsanwaltschaft am 20. April 2018
beschlossen:
I. Die Rechtsbeschwerde wird durch die Rechtsunterzeichnerin zur Fortbildung des Rechts zugelassen (§ 80 Abs. 1 OWiG).
II. Die Sache wird dem Senat zur Entscheidung in der Besetzung mit drei Richtern übertragen (§ 80a Abs. 3 OWiG).
III. Das angefochtene Urteil wird mit den zugrundeliegenden Feststellungen aufgehoben.
Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten der Rechtsbeschwerde - an das Amtsgericht Jülich zurückverwiesen.
Gründe
I.
Die Generalstaatsanwaltschaft hat den Sachverhalt in ihrer Vorlageverfügung vom 29. März 2018 wie folgt zusammengefasst:
Mit Bußgeldbescheid vom 27. Oktober 2016 hat der Landrat des Kreises E gegen den Betroffenen wegen Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit außerhalb geschlossener Ortschaften eine Geldbuße von 120 Euro festgesetzt.
Auf den Einspruch des Betroffenen hat das Amtsgericht Jülich diesen mit Urteil vom 8. Dezember 2017 - 12 OWi 122/16 - freigesprochen.
Gegen dieses in Abwesenheit eines Vertreters der Staatsanwaltschaft (Bl. 148 d.A.) verkündete Urteil hat die Staatsanwaltschaft Aachen nach Eingang der Akten am 14. Dezember 2017 (Bl. 161R d.A.) mit Schreiben vom 18. Dezember 2017, per Telefax bei dem Amtsgericht Jülich eingegangen am selben Tag (Bl. 169, 177 d.A.), Rechtsbeschwerde eingelegt.
Nach Zustellung des Urteils an die Staatsanwaltschaft am 12. Januar 2018 (Bl. 186 d. A.) hat diese ihre Rechtsbeschwerde mit - beim Amtsgericht am 1. Februar 2018 eingegangener - Zuschrift vom 17. Januar 2018 begründet (Bl. 198 ff. d. A.).
Darauf nimmt der Senat Bezug.
Die Generalstaatsanwaltschaft ist der Rechtsbeschwerde der Staatsanwaltschaft beigetreten.
II.
Die Rechtsbeschwerde der Staatsanwaltschaft ist gem. § 300 StPO i. V. mit § 46 Abs. 1 OWiG zugleich als Zulassungsantrag im Sinne von § 80 Abs. 3 OWiG anzusehen. Dieser Antrag ist durch den Einzelrichter, § 80a Abs. 1 OWiG - gemäß § 80 Abs. 2 Nr. 2 OWiG zur Fortbildung des sachlichen Rechts zuzulassen.
Zwar hat sich die obergerichtliche Rechtsprechung bereits mit der Einstufung des eingesetzten Messverfahrens LEIVTEC XV3 als standardisiertes Messverfahren befasst (vgl. KG, Beschluss vom 01.02.2017, Az. 3 Ws 12/17-122 Ss 3/17, zitiert nach juris; KG, Beschluss vom 12.07.2017, Az. 3 Ws 166/17-162 Ss 95/17, zitiert nach juris, insbesondere Rn. 9; OLG Celle, Beschluss vom 28.10.2013, 322 SsRs 280/13, zitiert nach juris, insbesondere Rn. 6). Soweit ersichtlich ist aber die Frage, ob das Geschwindigkeitsüberwachungsgerät LEIVTEC XV3 alle Anforderungen auch der EMV-Prüfung (EMV= elektromagnetische Verträglichkeit) erfüllt oder die Bauartzulassung wegen fehlender Prüfung auf Magnetfeldresistenz ungültig ist bzw. dem verwendeten Messgerät die Qualifizierung als standardisiertes Messverfahren mit der Begründung abgesprochen werden kann, das Gerät sei nicht ausreichend auf Magnetfeldresistenz überprüft worden, bislang nicht Gegenstand obergerichtlicher Erörterung gewesen.
Die Sache war daher dem Senat in der Besetzung mit drei Richtern zu übertragen.
III.
Die nach ihrer Zulassung gemäß § 79 Abs. 1 S. 2 OWiG statthafte Rechtsbeschwerde begegnet hinsichtlich ihrer Zulässigkeitsvoraussetzungen keinen Bedenken. Sie hat auch in der Sache (vorläufigen) Erfolg, indem sie gemäß §§ 353 StPO, 79 Abs. 3 S. 1 OWiG auf die sinngemäß erhobene Sachrüge zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Amtsgericht (§ 79 Abs. 6 OWiG) führt.
Die von der Staatsanwaltschaft in sachlich-rechtlicher Hinsicht beanstandete Beweiswürdigung des Tatgerichts hält einer materiell-rechtlichen Prüfung nicht stand. Das Amtsgericht hat die Anforderungen an die Sachverhaltsaufklärung und den Umfang der Beweisaufnahme bei Verwendung des standardisierten Messverfahrens verkannt und seinem Urteil ein rechtlich fehlerhaftes Verständnis des Zweifelssatzes zugrunde gelegt.
Die im angefochtenen Urteil dokumentierten Erkenntnisse aus der Hauptverhandlung bilden keine ausreichende Grundlage für die Annahme des Amtsgerichts, dass zu Gunsten des Betroffenen im Zweifel von einer Notwendigkeit der gesamten Prüfung des Geschwindigkeitsmessgerätes LEIVTEC XV3 auf Magnetfeldresistenz auszugehen ist und mangels Durchführung einer solchen keine ordnungsgemäße Zulassung durch die PTB vorliegt.
1.
Die diesbezüglichen Feststellungen des Amtsgerichts lauten wie folgt:
Hinsichtlich der Vorgaben zur Resistenz gegen hochfrequente elektromagnetische Felder des Gehäuses (Ziff. 4-3) und der Leitungen (Ziff. 4-6) sowie Magnetfeldern mit energietechnischen Frequenzen (Ziff. 4-8) ist jedoch das Gerät nicht ausreichend auf Magnetfeldresistenz überprüft worden. Insbesondere bezüglich der Prüfungen zu Ziff. 4-8 ist das Gerät nur in der X-Achse geprüft worden, in Y- und Z-Achse wurde das Gerät jedoch nicht geprüft. Warum die Prüfung insoweit nur in Teilen erfolgt ist, ist nicht nachvollziehbar. Aus den Gutachten der hierzu beauftragten Firma N GmbH ergibt sich, dass diese Prüfung auf Vorgabe des Herstellers auf die X-Achse beschränkt wurde (S. 8 des EMV Gutachtens Anlage A4 des Gutachtens C, Anmerkung 2: Auf Kundenwunsch nur in der X-Achse auf >115 A/m durchgeführt). Die PTB erklärte in ihrer Stellungnahme vom 3.11.2017 hierzu, dass Magnetfeldresistenzprüfungen nicht erforderlich gewesen seien, da das Gerät keine magnetfeldsensiblen Bauteile enthalte. Nachdem der Sachverständige C im Termin erläuterte, dass dies für ihn nicht nachvollziehbar sei und mit Sicherheit magnetfeldsensible Bauteile in dem Gerät verbaut seien, wurde im Hauptverhandlungstermin vom 08.12.2017 mit der PTB telefonisch Rücksprache genommen. Der durch den Sachbearbeiter T hinzugezogene Fachbereichsleiter für Geschwindigkeitsmessgeräte Dr. N2 erklärte diesbezüglich, dass er versichern könne, dass magnetfeldsensible Bauteile nicht verbaut seien. Er sei sich dessen sicher, da die Bauteile durch den Hersteller durch Offenlegung der kompletten Bauanleitung mitgeteilt worden seien. Auf Nachfrage, warum die Prüfung dann nur in dem Blick auf die X-Achse erfolgt sei, erklärte Dr. N2, dass auch diese Prüfung nicht erforderlich gewesen wäre. Auf Nachfrage, wie es zu der Beschränkung der Prüfung auf die X-Achse gekommen sei, erklärte er, dies könne auf Seiten der PTB nicht mehr nachvollzogen werden, da der damalige Sachbearbeiter für Rückfragen nicht mehr zur Verfügung stehe. Der Sachverständige C bestätigte hierzu nochmals, dass es aus seiner sachverständigen Sicht nicht möglich sei, dass keine magnetfeldsensiblen Teile verbaut wären. In dem Gerät seien mit Sicherheit Platinen und ähnliche Geräteteile verbaut, die magnetfeldsensibel reagierten. Da der hinzugezogene Sachverständige C als renommierter und öffentlich vereidigter Sachverständiger für Geschwindigkeitsmesstechnik zu dem eindeutigen Ergebnis kam, dass diese Prüfungen bei dem vorliegenden Gerät erforderlich gewesen wären, bestehen insoweit zumindest begründete Zweifel, zumal nicht mehr nachvollziehbar war, warum eine Prüfung teilweise durchgeführt worden ist, wenn sie grundsätzlich nicht erforderlich sein soll. Zugunsten des Betroffenen war daher im Zweifel von einer Notwendigkeit der gesamten Prüfung auf Magnetfeldresistenz auszugehen. Nach Angaben des Sachverständigen C hätten die Abweichungen von den Zulassungsbedingungen der PTB.A auch nach § 16 Abs. 3 Eichordnung in der Zulassung festgelegt werden müssen. Dies sei vorliegend nicht geschehen. Außerdem betreffe der vorliegende Test im Wesentlichen auch das Gehäuse und nicht nur Bauteile des Gerätes.
Im Hinblick darauf, dass vorliegend keine ordnungsgemäße Zulassung durch die PTB vorliegt, kann auch nicht davon ausgegangen werden, dass im Sinne eines standardisierten Messverfahrens unter gleichen Bedingungen gleiche Ergebnisse erzielt werden.
2.
Spricht das Tatgericht - wie hier - den Betroffenen frei, so ist dies durch das Rechtsbeschwerdegericht in der Regel hinzunehmen, denn die Beweiswürdigung ist grundsätzlich Sache des Tatrichters. Der Beurteilung durch das Rechtsbeschwerdegericht unterliegt insoweit nur, ob dem Tatrichter bei der Beweiswürdigung Rechtsfehler unterlaufen sind. Das ist nur dann der Fall, wenn die Beweiswürdigung widersprüchlich, unklar oder lückenhaft ist, gegen Denkgesetze oder gesicherte Erfahrungssätze verstößt (vgl. BGH NStz-RR 2009, 210 m.w.N.; Oberlandesgericht Bamberg, Beschluss vom 22.10.2015, Az. 2 Ss OWi 641/15, zitiert nach juris, insbesondere Rn. 12). Insbesondere sind die Beweise auch erschöpfend zu würdigen (vgl. BGHSt 29, 18, 19 ff). Das Urteil muss erkennen lassen, dass der Tatrichter solche Umstände, die geeignet sind, die Entscheidung zu Gunsten oder zu Ungunsten des Betroffenen zu beeinflussen, erkannt und in seine Überlegungen einbezogen hat. Die Anforderungen an eine umfassende Würdigung der festgestellten Tatsachen sind beim freisprechenden Urteil nicht geringer als im Fall der Verurteilung.
3.
In diesem Zusammenhang ist zu berücksichtigen, dass es sich bei der Geschwindigkeitsmessung mit dem hier eingesetzten Messgerät LEIVTEC XV3 grundsätzlich um eine solche in einem sog. standardisierten Messverfahren handelt (vgl. KG, Beschluss vom 01.02.2017, Az. 3 Ws 12/17-122 Ss 3/17, zitiert nach juris; KG, Beschluss vom 12.07.2017, Az. 3 Ws 166/17-162 Ss 95/17, zitiert nach juris, insbesondere Rn. 9; OLG Celle, Beschluss vom 28.10.2013, 322 SsRs 280/13, zitiert nach juris, insbesondere Rn. 6).
Unter einem standardisierten Messverfahren ist ein durch Normen vereinheitlichtes technisches Verfahren zu verstehen, bei dem die Bedingungen seiner Anwendbarkeit und sein Ablauf so festgelegt sind, dass unter gleichen Voraussetzungen gleiche Ergebnisse zu erwarten sind (vgl. BGHSt 43, 277, 284).
Das Geschwindigkeitsüberwachungsgerät LEIVTEC XV3 ist von der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt (PTB) unter dem Zulassungszeichen 18.11/09.04, Erstzulassung 02.07.2009) zur Eichung zugelassen worden.
Von der PTB als Bundesoberbehörde zugelassene Systeme zur Geschwindigkeitsmessung sind grundsätzlich als standardisierte Messverfahren anzuerkennen (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 14. Juli 2014 - IV-1 RBs 50/14, zitiert aus juris; OLG Bamberg DAR 2016, 146f). Mit der amtlichen Zulassung des Messgerätes bestätigt die PTB, die Zugriff auf alle maßgeblichen Herstellerinformationen hat, nach umfangreichen messtechnischen, technischen und administrativen Prüfungen sowie Festlegung der Eichprozeduren im Wege eines Behördengutachtens, dass sie die Ermittlung des Messwertes auf der Grundlage der in der Gebrauchsanweisung festgelegten Vorgehensweise einer Sachverständigenprüfung unterzogen und die Messergebnisse als innerhalb einer zulässigen Toleranz liegend eingestuft hat. Damit ist die generelle Zuverlässigkeit und Geeignetheit des Gerätes festgestellt, die Informationen zu dessen genauer Funktionsweise durch den Tatrichter entbehrlich macht (vgl. OLG Bamberg a.a.O.)
Der Senat schließt sich in diesem Zusammenhang wie zuvor bereits andere Oberlandesgerichte - ausdrücklich der Rechtsprechung des Oberlandesgerichts Frankfurt an, nach der der Bauartzulassung durch die PTB die Funktion eines Behördengutachtens im Sinne eines antizipierten Sachverständigengutachtens zukommt (vgl. OLG Frankfurt, Beschluss vom 04.12.2014,Az. 2 ss-Owi 1041/14, zitiert nach juris, insbesondere Rn. 15; OLG Bamberg, Beschluss vom 22.10.2015,Az. 2 Ss Owi 641/15, zitiert nach juris, insbesondere Rn. 14; OLG Karlsruhe, Beschluss vom 17.07.2015, Az. 2 SsBs 212/15, zitiert nach juris, insbesondere Rn. 6; OLG Zweibrücken, Beschluss vom 21.04.2017, Az. 1 OWi 2 Ss Bs 18/17, zitiert nach juris, insbesondere Rn. 7). Mit der Zulassung erklärte die PTB als Bundesoberbehörde im Wege eines solchen Gutachtens, dass bei dem zugelassenen Gerät ein durch Normen vereinheitlichtes technisches Verfahren vorliegt, bei dem die Bedingungen seiner Anwendbarkeit und sein Ablauf so festgelegt sind, dass unter gleichen Voraussetzungen gleiche Ergebnisse zu erwarten sind. Ist ein Messgerät von der PTB zugelassen und ist das Messgerät im Rahmen der Zulassungsvorgaben verwendet worden, ist das Tatgericht grundsätzlich von weiteren technischen Prüfungen, insbesondere zur Funktionsweise des Messgerätes, enthoben. Die Zulassung durch die PTB ersetzt diese Prüfung.
Das Oberlandesgericht Frankfurt hat u.a. ausgeführt (a.a.O., Rn. 21):
Soll der mögliche Fehler hingegen wie im Beschluss dargelegt in der Messtechnik, der Messsoftware oder der Auswertesoftware strukturell angelegt sein und damit eine Vielzahl von Messvorgängen an unterschiedlichen Orten und Zeiten betreffen, steht diesem Vortrag grds. die Zulassung durch die PTB als antizipiertes Sachverständigengutachten entgegen. Zunächst muss der die Zweifel begründende Vortrag ergeben, dass ein Phänomen vorliegt, das bei der Zulassung nicht oder nicht ausreichend berücksichtigt worden ist, bevor beim Gericht Zweifel an der Richtigkeit der Messung aufkommen müssen. Bestellt ein Gericht in diesen Fällen einen Sachverständigen und kommt dieser zu der Bewertung es liege trotz einer Messung innerhalb der PTB-Zulassung eine Fehlmessung vor, muss der Sachverständige in einer für das Gericht verständlichen und nachvollziehbaren Form darlegen, wie diese Fehlmessung trotz Zulassungsprüfung durch die PTB möglich ist. Erst wenn er das kann, liegen zwei widerstreitende Sachverständigengutachten vor, dass Gutachten der PTB in Form der Zulassung und das gerichtliche Gutachten. In diesen Fällen kann das Gericht eine für das Rechtsbeschwerdegericht prüfungsfähige eigene Bewertung vornehmen, oder was angesichts der Materie naheliegend ist, das beschriebene strukturelle Problem der PTB als Zulassungs- und Aufsichtsbehörde des Bundes zur ergänzenden Begutachtung vorlegen. Die PTB verfügt über die notwendigen technischen Prüfungsmöglichkeiten und hat Zugriff auf die patent- und urheberrechtlichen geschützten Herstellerinformationen. Sollte sich die Fehlmessung als Strukturfehler herausstellen, ist die PTB in der Lage die Zulassung entsprechend der neuen Erkenntnisse aufzuheben oder anzupassen, wozu auch eine gesetzliche Verpflichtung besteht (§ 25a EO-AV).
Dem folgt auch der Senat.
4.
Soweit das Amtsgericht zu dem Ergebnis gelangt ist, dass eine umfassende Prüfung des Geschwindigkeitsmessgeräts LEIVTEC XV3 auf Magnetfeldresistenz erforderlich gewesen wäre, jedoch allenfalls teilweise nämlich nur in der X-Achse des Geräts - durchgeführt worden ist, und davon ausgehend zu Gunsten des Betroffenen im Zweifel von einer Notwendigkeit der gesamten Prüfung auf Magnetfeldresistenz auszugegangen ist, entbehrt seine Beweiswürdigung und Überzeugungsbildung nach Maßgabe der vorstehenden Grundsätze einer tragfähigen Tatsachengrundlage, die dem Senat eine Überprüfung ermöglicht.
Um tragfähig begründen zu können, dass das ermittelte Messergebnis keine hinreichende Grundlage für die zu treffenden Feststellungen bildet, hätte das Tatgericht nach Maßgabe der aufgezeigten Grundsätze nachvollziehbar darlegen müssen, dass die PTB im Rahmen ihrer Entscheidung über die Zulassung des Messgeräts ein strukturelles Phänomen nicht berücksichtigt hat, das jedoch der umfassenden Prüfung und Erfassung bedurft hätte. Dem genügen die Ausführungen des Tatgerichts nicht.
Die im Urteil wiedergegebenen Ausführungen des in der Hauptverhandlung vernommenen Sachverständigen C erschöpfen sich in der Auskunft, es seien mit Sicherheit magnetfeldsensible Bauteile in dem Gerät verbaut worden. Das Amtsgericht hat daraufhin im Hauptverhandlungstermin vom 8. Dezember 2017 mit der PTB telefonisch Rücksprache genommen und demgegenüber die Auskunft erhalten, dass magnetfeldsensible Bauteile nicht verbaut seien. Dazu hat der Sachverständige C wiederum Stellung genommen und ausgeführt, es sei aus seiner sachverständigen Sicht nicht möglich, dass keine magnetfeldsensiblen Teile verbaut wären, da in dem Gerät mit Sicherheit Platinen und ähnliche Geräteteile verbaut seien, die magnetfeldsensibel reagierten. Da der renommierte und öffentlich vereidigte Sachverständige zu dem eindeutigen Ergebnis gekommen sei, dass umfassende Magnetfeldresistenzprüfungen erforderlich gewesen wären, hat das Tatgericht insoweit zumindest begründete Zweifel gesehen, zumal nicht mehr nachvollziehbar sei, warum eine Prüfung teilweise durchgeführt worden ist, wenn sie grundsätzlich nicht erforderlich sein soll.
Diese Feststellungen genügen nicht, um den Betroffenen nach dem Zweifelssatz freizusprechen. Sieht das Tatgericht sich nicht in der Lage, sich eine eigene Überzeugung zu bilden, hat es alle Möglichkeiten dazu auszuschöpfen, bevor es den Betroffenen freispricht. Vorliegend hat das Amtsgericht den Beweiswert der Bauartzulassung des Messgerätes als antizipiertes Sachverständigengutachten verkannt und im Übrigen die Möglichkeiten der eigenen Überzeugungsbildung nicht ausgeschöpft. Worauf der Sachverständige C, dem das Tatgericht entgegen der widersprechenden telefonischen Auskunft der PTB gefolgt ist, seine als sicher bezeichnete Annahme hinsichtlich in dem Gerät verbauter magnetfeldsensibler Teile gründet, wird nicht mitgeteilt; der Senat muss daher davon ausgehen, dass diese Einschätzung ohne Kenntnis des Detailaufbaus des Messgerätes erfolgt ist und insoweit nicht auf einem eindeutigen Ergebnis, sondern auf einer unfundierten Annahme ohne Tatsachengrundlage beruht. Wie ausgeführt müssen im Hinblick auf die amtliche Zulassung des Messgeräts durch die PTB im Wege eines antizipierten Sachverständigengutachtens bei dem Tatrichter Zweifel an der Richtigkeit der Messung in solchen Fällen erst aufkommen, wenn ein Sachverständiger in einer für das Gericht verständlichen und nachvollziehbaren Art und Weise Zweifel an den strukturellen Grundlagen der Zulassung wecken kann. Jedenfalls durfte sich das Amtsgericht nicht ohne Weiteres den ungesicherten Annahmen des von ihm bestellten Sachverständigen anschließen und den Betroffenen nach dem Zweifelssatz freisprechen, sondern hätte das beschriebene strukturelle Problem der PTB als Zulassungs- und Aufsichtsbehörde des Bundes zur ergänzenden Begutachtung vorlegen müssen. Die in der Verhandlung auf Zuruf eingeholte telefonische Auskunft eines Mitarbeiters der PTB, der in der Hauptverhandlung nicht anwesend war und die Anhörung des Sachverständigen nicht verfolgen konnte, genügt will das Tatgericht von der PTB-Stellungnahme abweichen - angesichts der Komplexität der Fragestellung unter keinen Umständen den Anforderungen an eine ordnungsgemäße Überzeugungsbildung, die Grundlage eines Freispruches sein könnte.
5.
Hätte das Tatgericht der PTB die Fragestellung zur ergänzenden Stellungnahme vorgelegt, wäre eine schriftliche Stellungnahme erfolgt, wie sie nunmehr durch die PTB nachträglich unter dem 20. März 2018 gefertigt worden ist und im Internet eingesehen werden kann (vgl. Das Geschwindigkeitsüberwachungsgerät LEIVTEC XV3 erfüllt alle EMV-Anforderungen. Stand 20 der März 2018/Physikalisch- Technische Bundesanstalt, Braunschweig und Berlin. Verfügbar unter: https://doi.org/10.7795/52.201803312). Darin führt die PTB im Einzelnen aus, dass auch das Geschwindigkeitsüberwachungsgerät XV3 der Firma LEIVTEC die EMV-Anforderungen erfüllt und gegenteilige Behauptungen weder eine messtechnische noch eine gesetzliche oder normative Grundlage haben. Zum einen basiere die zentrale Sensorik des Gerätes auf einem optischen Messverfahren, welches gegenüber Magnetfeldern unempfindlich sei; eine Prüfung auf Magnetfeldempfindlichkeit sei deswegen in Übereinstimmung mit den Festlegungen der Fachgrundnorm nicht erforderlich. Aus aktuellem Anlass gemeint ist offenbar das vorliegende Bußgeldverfahren habe der Hersteller aber inzwischen auch die an sich unnötigen Magnetfeldprüfungen in allen drei Raumrichtungen durchführen lassen und dabei kein unzulässiges Geräteverhalten festgestellt.
Die Sache bedarf im Hinblick darauf und unter besonderer Berücksichtigung der ergänzenden Stellungnahme der PTB erneuter Verhandlung und Entscheidung durch das Amtsgericht.
Einsender: 1. Senat für Bußgeldsachen des OLG Köln
Anmerkung:
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