Gericht / Entscheidungsdatum: LG Frankfurt/Main, Beschl. v. 25.5.2018 - 5/31 Qs 11/18
Leitsatz: Für den Beschuldigten ist das Verfahren von einiger Bedeutung, wenn er unter laufender Bewährung steht und die akute Gefahr des Widerrufs droht, sodass er mit der Vollstreckung einer nicht unerheblichen Freiheitsstrafe rechnen muss.
Landgericht Frankfurt am Main
5/31 Qs 11/18
Beschluss
In der Strafsache
gegen pp.
wegen Betruges
wird die sofortige Beschwerde der Bezirksrevisorin zurückgewiesen.
Auf die Erinnerung des Verteidigers wird der Kostenfestsetzungsbeschluss des Amtsgerichts vom 13.03.2018 insoweit abgeändert, als ein Betrag von 1.399,50 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatze seit dem 09.02.2018 festgesetzt wird.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens werden der Staatskasse auferlegt
Gründe:
I.
Mit Strafbefehl vom 06.12.2016, rechtskräftig seit dem 31.12.2016, verurteilte das Amtsgericht Frankfurt am Main den ehemaligen Beschuldigten wegen Betruges zu einer Geldstrafe von 120 Tagessätzen zu je 30,00 .
Mit Schreiben vom 23.01.2017 ersuchte der Verteidiger des ehemaligen Beschuldigten um Akteneinsicht und beantragte mit Schriftsatz vom 08.02.2017 unter umfassender Darlegung neuer Beweismittel die Wiederaufnahme des Verfahrens gegen den Strafbefehl zuzulassen.
Mit Beschluss vom 14.07.2017 erklärte das Amtsgericht Darmstadt den Antrag auf Wiederaufnahme zugunsten des Beschuldigten für zulässig. Nach Erhebung der angebotenen Beweise sprach das Amtsgericht Darmstadt den Beschuldigten mit Beschluss vom 31.08.2017 ohne Durchführung einer Hauptverhandlung gemäß § 371 Abs. 2 StPO aus tatsächlichen Gründen wegen eines nachgewiesenen Alibis frei.
Mit Kostenfestsetzungsantrag vom 04.10.2017 machte der Wahlverteidiger Kosten in Höhe von 1.464,50 netto geltend, wobei er seiner Bestimmung jeweils die Mittelgebühr zu Grunde legte. Er gab zudem an, dass Mehrwertsteuer wegen § 19 UStG nicht anfalle.
In ihrer Stellungnahme vom 17.11.2017 erhob die Bezirksrevisorin gegen die beantragte Kostenfestsetzung Einwendungen und bezifferte den ihrer Ansicht nach zu erstattenden Betrag auf 879,50 , wobei sie dies mit dem unterdurchschnittlichen Umfang und Schwierigkeitsgrad des Verfahrens begründete. Zudem sei eine Verfahrensgebühr für das gerichtliche Verfahren nicht entstanden, da der Verteidiger dort nicht tätig geworden sei.
Der Verteidiger legte daraufhin mit Schriftsatz vom 08.12.2017 ausführlich dar, in welchem Umfang er tätig geworden sei, welche Bedeutung die Sache für den Mandanten habe und weshalb die Mittelgebühr im Übrigen angemessen und nicht unbillig sei. Auf den Inhalt des Schriftsatzes wird insoweit Bezug genommen.
Mit weiterer Stellungnahme der Bezirksrevisorin vom 12.01.2018 beantragte diese unter Berücksichtigung des Vorbringens des Verteidigers, die Kosten nunmehr auf 929,50 festzusetzen.
Mit Schriftsatz vom 08.02.2018, eingegangen bei Gericht am 09.02.2018, wies der Verteidiger die Einwendungen der Bezirksrevisorin erneut zurück und beantragte ergänzend, den Gebührenanspruch ab dem Eingang des Kostenfestsetzungsantrages zu verzinsen.
Mit dem angegriffenen Beschluss vom 13.03.2018 setzte das Amtsgericht Frankfurt am Main durch den Rechtspfleger die zu erstattenden Gebühren auf 1.387,15 nebst Zinsen seit dem 09.02.2018 fest. Dabei bewertete es die Verfahrensgebühr für das wiederaufgenommene Verfahren als abweichend erstattungsfähig, weshalb 65,00 nebst Mehrwertsteuer abzusetzen seien.
Dagegen richtet sich die sofortige Beschwerde der Bezirksrevisorin vom 20.03.2018, die an ihrer Auffassung festhält und den Umfang als unterdurchschnittlich betrachtet, weshalb der Ansatz der Mittelgebühr unbillig sei.
Mit Schriftsatz vom 29.03. und 03.04.2018 erhob der Verteidiger gegen den Beschluss des Amtsgerichts vom 13.03.2018 Erinnerung, soweit ihm Zinsen nicht ab dem Eingang seines Kostenfestsetzungsantrages gewährt worden seien sowie bezüglich des Absetzens von Mehrwertsteuer.
II.
Die sofortige Beschwerde der Bezirksrevisorin gegen die Kostenfestsetzung durch das Amtsgericht ist gemäß § 464 b S. 3 StPO, § 104 Abs. 3 S. 1 ZPO, S 11 Abs. 1 RPflG statthaft. Diese richtet sich nach den Grundsätzen der Strafprozessordnung und ist in der für das Strafverfahren vorgesehen Besetzung zu bescheiden (vgl. Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 59. Aufl. 2016, § 464b Rn. 7). Sie ist auch im Übrigen zulässig, insbesondere ist die Frist des § 311 Abs. 1 StPO gewahrt.
Die sofortige Beschwerde ist aber unbegründet, denn die Festsetzung durch das Amtsgericht ist angemessen.
Gemäß § 14 Abs. 1 S. 1 RVG bestimmt der Rechtsanwalt bei Rahmengebühren die Gebühr im Einzelfall unter Berücksichtigung aller Umstände nach billigem Ermessen. Für den Fall, dass die Gebühr von einem Dritten zu ersetzen ist, ist die von dem Rechtsanwalt getroffene Bestimmung nur dann nicht verbindlich, wenn sie unbillig ist (§ 14 Abs. 1 S. 4 RVG). Dritter in diesem Sinne ist auch die Staatskasse, sofern sie zur Auslagenerstattung verpflichtet ist. Die Behauptungs- und Beweislast dafür, dass die Bestimmung unbillig ist, trifft den Dritten (BeckOK RVG/v. Seltmann, Stand: 01.06.2016, § 14 Rn. 49).
Nach diesen Grundsätzen ist nicht erwiesen, dass die anwaltliche Gebührenbestimmung hier unbillig ist. Der Rechtsanwalt hat die Grundgebühr gemäß Nr. 4100 VV RVG, die Gebühr für die Tätigkeit im vorbereitenden Verfahren gemäß Nr. 4104 W RVG, die Verfahrensgebühr gemäß Nr. 4106, die Gebühren für das Wiederaufnahmeverfahren sowie die Verfahrensgebühr für das wieder aufgenommene Verfahren jeweils mit der Mittelgebühr abgerechnet. Die Bestimmung der Mittelgebühr entspricht in Normalfällen", in denen die in § 14 Abs. 1 S. 1 RVG genannten Bemessungskriterien durchschnittlicher Art sind, billigem Ermessen (BeckOK RVG, a.a.O., § 14 Rn. 21). Vorliegend steht nicht fest, dass es sich unter Berücksichtigung aller Umstände, vor allem des Umfangs und der Schwierigkeit um einen in jeder Hinsicht unterdurchschnittlichen Fall handelt. Dies ergibt sich hinreichend weder aus der Einfachheit des zu Grunde liegenden Sachverhalts, noch dem geringen Aktenumfang oder des sonst unterdurchschnittlichen Umfangs der Tätigkeit. Der Verteidiger hat dazu vorgetragen, dass er sich bereits vor dem Antrag auf Wiederaufnahme zeitlich intensiv mit dem Fall befasst habe und tatsächliche Schwierigkeiten bestanden hätten, weshalb der Erlass des Strafbefehls nicht habe verhindert werden können.
Dies gilt ebenso für das Wiederaufnahmeverfahren, für das aus den dargelegten Gründen ebenfalls der Ansatz der Mittelgebühr nicht unbillig ist. Für den Beschuldigten war die Sache von einiger Bedeutung, da er unter laufender Bewährung stand und die akute Gefahr des Widerrufs drohte, sodass er mit der Vollstreckung einer nicht unerheblichen Freiheitsstrafe rechnen musste. Insbesondere angesichts dieser Bedeutung der Angelegenheit für den Betroffenen sowie des Umfangs der Begründung des Antrags auf Zulassung des Wiederaufnahmeverfahrens ist hier ist jedenfalls nicht von einem in jeder Hinsicht unterdurchschnittlichen Fall auszugehen.
Einzig die Verfahrensgebühr gemäß Nr. 4106 VV RVG für das wiederaufgenommene gerichtliche Verfahren war entsprechend dem Kostenfestsetzungsbeschlusses herabzusetzen. Zwar ist durch das Tätigwerden des Verteidigers im gerichtlichen Verfahren, namentlich die Prüfung der möglichen Rechtsmittel gegen den Strafbefehl, die Verfahrensgebühr angefallen. Angesichts des augenscheinlich unterdurchschnittlichen Umfangs dieser Tätigkeit die Einspruchsfrist war bereits verstrichen erscheint die Mittelgebühr jedoch unbillig und die Festsetzung durch den Rechtspfleger des Amtsgerichts auf 100,00 angemessen.
Auf die Erinnerung des Verteidigers war diesem die in Abzug gebrachte Mehrwertsteuer auf den abgesetzten Betrag von 65,00 in Höhe von 12,35 zu erstatten, da er vorgetragen hat, dass gemäß § 19 UStG keine Mehrwertsteuer anfalle.
Soweit der Verteidiger aber Zinsen ab Eingang des Kostenfestsetzungsantrags begehrt, war sein Rechtsbehelf zurückzuweisen.
In dem Kostenfestsetzungsantrag vom 04.10.2017 hatte der Verteidiger die Verzinsung der festzusetzenden Kosten nicht beantragt, sodass Zinsen nicht ab diesem Zeitpunkt festzusetzen waren (§ 104 Abs. 1 Satz 3 ZPO). Erst mit Schriftsatz vom 08.02.2018, eingegangen bei Gericht am 09.02.2018, hat er Zinsen beantragt, weshalb ihm diese erst ab diesem Tag zu gewähren waren.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 467 Abs. 1 StPO analog (vgl. Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 59. Aufl. 2016, § 473 Rn. 2). Das Erinnerungsverfahren ist gebührenfrei (§ 11 Abs. 4 RPflG).
Frankfurt am Main, den 25.05.2018
Landgericht, 31. große Strafkammer
Einsender: RA S. Sobotta, Wiesbaden
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