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Entscheidungen

Haftfragen

Strafvollstreckung, Anwesenheitsrecht , Beistand, Disziplinarverfahren

Gericht / Entscheidungsdatum: OLG Nürnberg, Beschl. v. 05.03.2018 - 2 Ws 47/18

Leitsatz: Der Strafgefangene hat das Recht gegenüber der Justizvollzugsanstalt, dass auf sein Verlangen seinem anwaltlichen Beistand die Teilnahme bei der Anhörung im Disziplinarverfahren gestattet wird, wenn dieser hierzu kurzfristig bereit ist.


Oberlandesgericht Nürnberg Beschluss vom 05.03.2018 Aktenzeichen:
2. Strafsenat 2 Ws 47/18

Oberlandesgericht Nürnberg

In dem Strafvollstreckungsverfahren
gegen pp.

wegen Antrag auf einstweilige Anordnung gemäß § 114 Abs. 2 StVollzG und Antrag auf gerichtliche Entscheidung

hier: Rechtsbeschwerde des Untergebrachten

erlässt das Oberlandesgericht Nürnberg - 2. Strafsenat - durch die unterzeichnenden Richter am 5. März 2018 folgenden

Beschluss

1. Auf die Rechtsbeschwerde des Strafgefangenen wird der Beschluss der auswärtigen Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Regensburg bei dem Amtsgericht Straubing vom 05.12.2017 in Ziffer 2 und 3 und die Entscheidung der Justizvollzugsanstalt Straubing - Einrichtung für Sicherungsverwahrung - vom 22.11.2017, mit welcher gegen den Untergebrachten eine Disziplinarmaßnahme (1 Woche Beschränkung der Bewegungsfreiheit außerhalb des Zimmers mit der Maßgabe, dass die Beschränkung von Montag bis Freitag erst ab 18 Uhr gilt; für Samstag und Sonntag gilt die Regelung, dass der Verwahrte Aufschluss von 11 Uhr bis 14 Uhr erhält.) verhängt wurde, aufgehoben.

2. Das Verfahren wird zur erneuten Entscheidung über die Verhängung einer Disziplinarmaßnahme an die Justizvollzugsanstalt Straubing - Einrichtung für Sicherungsverwahrung - zurückverwiesen.

3. Die Kosten des Verfahrens der Rechtsbeschwerde und die dem Beschwerdeführer hierin entstandenen notwendigen Auslagen hat die Staatskasse zu tragen.

4. Der Gegenstandswert der Rechtsbeschwerde wird auf 1.000,00 € festgesetzt.

Gründe:

I.
1. Der Beschwerdeführer ist in der Justizvollzugsanstalt Straubing, Einrichtung für Sicherungsverwahrung untergebracht.

Gegen den Untergebrachten wurde seitens der Justizvollzugsanstalt Straubing, Einrichtung für Sicherungsverwahrung am 22.11.2017 nach vorheriger Anhörung, die entgegen dem Wunsch des Untergebrachten ohne seinen Rechtsanwalt durchgeführt wurde, wegen unerlaubten Besitzes eines scharfen Tafelmessers gemäß Art. 78 Abs. 3 Nr. 2 BaySvVollzG eine Disziplinarmaßnahme (Freizeitbeschränkung) verhängt.

Mit Schreiben seines Verteidigers an die auswärtige Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Regensburg bei dem Amtsgericht Straubing (nachfolgend Strafvollstreckungskammer) vom 22.11.2017 stellte der Untergebrachte Antrag auf gerichtliche Entscheidung und beantragte den Vollzug der verhängten Disziplinarmaßnahme bis zur Entscheidung in der Hauptsache einstweilen auszusetzen und die Disziplinarmaßnahme aufzuheben.
Der Untergebrachte begründete seinen Antrag damit, dass die Disziplinarmaßnahme zum einen wegen eines Verfahrensfehlers und zum anderen materiell rechtswidrig sei. Dem Antragsteller sei zu Unrecht die Anwesenheit seines Verteidigers im Anhörungstermin verweigert worden. Der Besitz des fraglichen geschärften Tafelmesser sei zudem nicht schuldhaft gewesen, sodass die Verhängung einer Disziplinarmaßnahme nicht rechtens war.

2. In ihrem Beschluss vom 05.12.2017 hat die Strafvollstreckungskammer den Antrag auf einstweilige Anordnung, nachdem die Justizvollzugsanstalt Straubing - Einrichtung für Sicherungsverwahrung - den Vollzug der Disziplinarmaßnahme ausgesetzt hat, für erledigt erklärt. Den Antrag auf gerichtliche Entscheidung hat die Strafvollstreckungskammer als unbegründet zurückgewiesen, weil die Disziplinarmaßnahme vom 22.11.2017 rechtmäßig gewesen und der Beschwerdeführer nicht in seinen Rechten verletzt worden sei. In der Entscheidung hat die Strafvollstreckungskammer dargelegt, dass das Disziplinarverfahren formell ordnungsgemäß durchgeführt worden sei. Die Tatsache, dass dem Antragsteller lediglich die Konsultation eines Verteidigers vor der Anhörung zugestanden, die Anwesenheit eines Verteidigers im Anhörungstermin jedoch nicht gestattet wurde, sei nach Ansicht der Strafvollstreckungskammer nicht zu beanstanden. Ein Anspruch auf Teilnahme eines Verteidigers im Anhörungstermin ergebe sich nicht. Stattdessen sei die vorherige Konsultation eines Verteidigers ausreichend. Die Strafvollstreckungskammer folgte insoweit der Rechtsprechung des Oberlandesgerichts Bamberg (NStZ-RR 2015, 93). Soweit der Senat in seiner Entscheidung vom 06.07.2011 (StV 2012, 169) ein Teilnahmerecht eines anwaltlichen Vertreters im Anhörungstermin auf sein Verlangen hin pauschal auf das Rechtsstaatsprinzip und das Gebot des fairen Verfahrens gestützt hat, überzeuge dies nicht.

3. Gegen den seinem Verteidiger am 13.12.2017 zugestellten Beschluss hat der Untergebrachte mit Schriftsatz seines Verteidigers vom 15.01.2018, eingegangen am selben Tag, Rechtsbeschwerde eingelegt, mit dem Antrag, den Beschluss der Strafvollstreckungskammer aufzuheben und festzustellen, dass die Disziplinarmaßnahme vom 22.11.2017 rechtswidrig war.

Der Beschwerdeführer greift die Entscheidung der Strafvollstreckungskammer nur insoweit an, als in dieser der Antrag auf gerichtliche Entscheidung als unbegründet zurückgewiesen wurde. Der Untergebrachte erhebt die Rüge formellen Rechts, da ihm die Teilnahme eines Verteidigers im Anhörungstermin nicht ermöglicht wurde. Des Weiteren verstoße die Entscheidung gegen materielles Recht, da die Strafvollstreckungskammer zu Unrecht festgestellt habe, dass eine schuldhafte Verletzung des Art. 68 BaySvVollzG durch den Beschwerdeführer vorgelegen habe.

Die Generalstaatsanwaltschaft Nürnberg, die die Rechtsbeschwerde für zulässig hält, beantragt, diese aus den zutreffenden Gründen der angefochtenen Entscheidung als unbegründet zu verwerfen.

Der Untergebrachte hat zum Antrag der Generalstaatsanwaltschaft mit Schreiben seines Verteidigers vom 01.02.2018 Stellung genommen.

Der Senat nimmt im Übrigen auf die genannten Entscheidungen und Schreiben vollumfänglich Bezug.

II.

1. Die Rechtsbeschwerde des Verurteilten ist nach Art. 103 BaySvVollzG i.V.m. § 116 Abs. 1 StVollzG statthaft und zulässig, weil es im vorliegenden Verfahren geboten ist, die Nachprüfung der Entscheidung der Strafvollstreckungskammer zur Fortbildung des Rechts und zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung zu ermöglichen.

2. Die Rechtsbeschwerde hat zumindest vorläufigen Erfolg, weil dem Disziplinarverfahren ein erheblicher Verfahrensfehler zugrunde liegt, dies zur - vorläufigen - Rechtswidrigkeit der verhängten Disziplinarmaßnahme führt und dies von der Strafvollstreckungskammer zu Unrecht verneint wurde.

Die Rechtsbeschwerde führt daher zur Teilaufhebung des angefochtenen Beschlusses, zur Aufhebung der am 22.11.2017 verhängten Disziplinarmaßnahme sowie zur Zurückverweisung der Sache an die Justizvollzugsanstalt Straubing - Einrichtung für Sicherungsverwahrung - zur erneuten Entscheidung über die Verhängung einer Disziplinarmaßnahme unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senats zum insoweit durchzuführenden Verfahren.

3. Der Senat hält an seiner Rechtsprechung vom 06.07.2011 fest. Der Begründung des Oberlandesgerichts Bamberg vom 09.10.2014 (NStZ-RR 2015, 93) folgt der Senat nicht. Das Oberlandesgericht Bamberg argumentiert insoweit, dass es unter dem Blickwinkel des Grundgesetzes und damit auch des Rechtsstaatsprinzips als unbedenklich angesehen wird, dass ein Verteidiger an der ersten, polizeilichen Vernehmung eines Beschuldigten nicht teilnehmen darf. Nur bei einer richterlichen oder staatsanwaltlichen Vernehmung ergebe sich für das Ermittlungsverfahren aus den §§ 168c Abs. 1, 163a Abs. 3 Satz 2 StPO die Berechtigung des Verteidigers zur Teilnahme. Nichts anderes könne daher für einen Untersuchungsgefangenen in einem Disziplinarverfahren gelten. Das Oberlandesgericht Bamberg berücksichtigt insoweit allerdings nicht, dass der polizeilichen Vernehmung keine direkte Entscheidung über eine Sanktion folgt, der Anhörung im Disziplinarverfahren aber schon. Ein Antrag auf gerichtliche Entscheidung hat - zunächst - auch keine aufschiebende Wirkung (§ 114 Abs. 1 StVollzG). Die Sanktion, das heißt die verhängte Disziplinarmaßnahme, wird in der Regel auch sofort vollzogen. Wegen dieser erheblichen Folgen eines Disziplinarverfahren ist, soweit die Vertretung durch einen Anwalt im Anhörungsverfahren ohne erhebliche Verzögerung möglich wäre, wie der Senat in seiner Entscheidung vom 06.07.2011 bereits dargelegt hat, die Ermöglichung der Teilnahme eines Verteidigers bei der Anhörung eines Untergebrachten in einem Disziplinarverfahren verfassungsrechtlich geboten.

4. Wie die Strafvollstreckungskammer in der angefochtenen Entscheidung zutreffend ausgeführt hat, führt dieser Verfahrensfehler aber nicht zum Verbrauch der Disziplinarbefugnis selbst.

Die Sache war folglich unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senats zur erneuten Entscheidung im Disziplinarverfahren an die Justizvollzugsanstalt Straubing - Einrichtung für Sicherungsverwahrung - zurückzuverweisen.

III.

Eine Pflicht zur Divergenzvorlage an den Bundesgerichtshof besteht vorliegend, nachdem der Senat entgegen der Entscheidung des Oberlandesgerichts Bamberg vom 09.10.2014 an seiner bisherigen Rechtsprechung festhält, nicht, da die Entscheidung des Oberlandesgerichts Bamberg weder in einem Revisions- noch in einem Rechtsbeschwerdeverfahren ergangen ist (vgl. OLG Bamberg a.a.O.).

IV.

Die Kostenentscheidung beruht auf Artikel 103 BaySvVollzG in Verbindung mit § 121 Abs. 1, Abs. 4 StVollzG, § 467 Abs. 1 StPO

Die Festsetzung des Beschwerdewerts ergibt sich aus §§ 60, 65, 52 GKG.


Einsender: 2. Strafsenat des OLG Nürnberg

Anmerkung:


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