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Entscheidungen

StPO

PKH-Bewilligung für Nebenkläger, Aufhebung, grobe Nachlässigkeit

Gericht / Entscheidungsdatum: OLG Düsseldorf, Beschl. v. 23.03.2018 - III-2 Ws 94/18

Leitsatz: 1. Der Nebenkläger kann die Entscheidung, durch welche die Bewilligung der Prozesskostenhilfe für die Hinzuziehung eines Rechtsanwalts wegen Nichtanzeige einer wesentlichen Verbesserung der Einkommensverhältnisse (§ 124 Abs. 1 Nr. 4 ZPO) aufgehoben worden ist, mit der Beschwerde nach § 304 Abs. 1 StPO anfechten.
2. Bei einem Nebenkläger entscheidet der Vorsitzende des mit der Sache befassten Gerichts auch im Falle des § 124 Abs. 1 Nr. 4 ZPO über die Aufhebung der Bewilligung der Prozesskostenhilfe. Für eine solche Entscheidung besteht im Strafverfahren keine funktionelle Zuständigkeit des Rechtspflegers.
3. Hat der Rechtspfleger die Aufhebungsentscheidung anstelle des funktionell zuständigen Vorsitzenden der Strafkammer getroffen, bedarf es keiner Zurückverweisung der Sache an das Landgericht. Vielmehr kann der Strafsenat als das beiden übergeordnete Beschwerdegericht gemäß § 309 Abs. 2 StPO in der Sache selbst entscheiden.


OLG Düsseldrof
BESCHLUSS
III-2 Ws 94/18
In der Strafsache
gegen pp.
wegen fahrlässiger Tötung u. a.
hat der 2. Strafsenat durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht pp., den Richter am Oberlandesgericht pp. und die Richterin am Amtsgericht pp. am 23. März 2018 auf die Beschwerde des Nebenklägers pp. gegen den Beschluss der für Verfahren vor der 6. großen Strafkammer zuständigen Rechtspflegerin des Landgerichts Duisburg vom 3. Januar 2018 (36 KLs 10/17)

Der angefochtene Beschluss wird aufgehoben.
Die zugunsten des Beschwerdeführers erfolgte Bewilligung der Prozesskostenhilfe wird aufgehoben.
Der Beschwerdeführer trägt die Kosten des Rechtsmittels.

Gründe:

I.

Der Beschwerdeführer ist in dem sog. Loveparade-Verfahren als Nebenkläger zugelassen worden.

Mit Beschluss vom 10. November 2014 hat der Vorsitzende der seinerzeit zuständigen 5. Strafkammer dem Nebenkläger Prozesskostenhilfe für die Hinzuziehung eines Rechtsanwalts bewilligt. Zugleich sind dem Nebenkläger im Hinblick auf seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse monatliche Raten in Höhe von 283 Euro, beginnend mit dem 1. März 2015, sowie eine einmalige Zahlung aus dem Vermögen in Höhe von 350 Euro, zahlbar bis zum 1. März 2015, auferlegt worden.

Der Bewilligung von Prozesskostenhilfe lag die Erklärung des Nebenklägers über seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse vom 25. Juni 2014 zugrunde. Das monatliche Bruttoeinkommen wurde dabei mit 2.350 Euro angegeben. Beigefügt war die Gehaltsabrechnung für April 2014 (Fa. S. in M.).

Mit Schreiben der als Beistand hinzugezogenen Rechtsanwältin vom 21. Januar 2015 hat der Nebenkläger eine Neuberechnung der festgesetzten Raten und der Einmalzahlung beantragt. Hierbei wurde das monatliche Bruttoeinkommen weiterhin mit 2.350 Euro angegeben. Mehrbelastungen waren durch die Finanzierung eines zweiten Pkw (monatliche Raten von ca. 219 Euro) und die Erhöhung des an die Eltern zu zahlenden Mietanteils von 130 Euro auf 180 Euro entstanden. Eine Entscheidung über diesen Antrag erfolgte nicht.

Ferner erfolgte durch das Gericht keine Anforderung der monatlichen Raten und der Einmalzahlung unter Angabe einer Bankverbindung der Landeskasse. Der Nebenkläger erkundigte sich auch nicht danach und leistete keinerlei Zahlungen an die Landeskasse.

Nach der Eröffnung des Hauptverfahrens durch den Senatsbeschluss vom 18. April 2017 wird das Strafverfahren vor der 6. großen Strafkammer des Landgerichts Duisburg geführt. Die Hauptverhandlung hat am 8. Dezember 2017 begonnen.

Mit Schreiben der für Verfahren vor dieser Strafkammer zuständigen Rechtspflegerin vom 17. November 2017 wurde der Nebenkläger aufgefordert, eine aktualisierte Erklärung über seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse einzureichen. In seiner Erklärung vom 6. Dezember 2017 gab er nunmehr ein monatliches Bruttoeinkommen von 2.979 Euro an und legte dazu die Gehaltsabrechnung seines neuen Arbeitgebers (Fa. R. in O.) für Oktober 2017 vor. Als Anstellungsdatum ist dort der 1. Januar 2016 angegeben. Aus den von der Rechtspflegerin nachgeforderten Gehaltsabrechnungen des Jahres 2017 ergab sich, dass sich das monatliche Bruttoeinkommen bei dem neuen Arbeitgeber seit Januar 2017 auf 2.911 Euro belaufen hatte und seit August 2017 auf 2.979 Euro erhöht worden war.

Einer Kostenaufstellung des Nebenklägers ist zu entnehmen, dass er nach einem im Juni 2017 vorgenommenen Wechsel des zweiten Pkw eine monatliche Kreditrate von ca. 260 Euro zu tragen hat und sich der an die Eltern zu zahlende Wohnkostenanteil seit Dezember 2017 auf monatlich 380 Euro erhöht hat (Nutzung eines weiteren Raums und der Garage).

Mit Beschluss der Rechtspflegerin vom 3. Januar 2018 wurde die zugunsten des Nebenklägers erfolgte Bewilligung der Prozesskostenhilfe wegen Nichtanzeige einer wesentlichen Verbesserung seiner wirtschaftlichen Lage aufgehoben (§ 124 Abs. 1 Nr. 4 ZPO). Hierbei wurde dem Nebenkläger eine Rechtsmittelbelehrungnach Maßgabe des § 127 Abs. 2 ZPO erteilt (sofortige Beschwerde binnen eines Monats).

Gegen die Aufhebungsentscheidung richtet sich die „sofortige Beschwerde“ des Nebenklägers. Die Rechtspflegerin hat der „sofortigen Beschwerde“ nicht abgeholfen und die Sache dem Oberlandesgericht zur Entscheidung vorgelegt.

II.

Das Rechtsmittel ist als Beschwerde nach § 304 Abs. 1 StPO zulässig. Der Senat hat über die Beschwerde in der Besetzung mit drei Richtern zu entscheiden (dazu II.1).

Der angefochtene Beschluss unterliegt der Aufhebung, weil vorliegend nicht die Rechtspflegerin, sondern der Vorsitzende der 6. großen Strafkammer zur Entscheidung über die Aufhebung der Bewilligung der Prozesskostenhilfe berufen war. Die Entscheidung der Rechtspflegerin ist gemäß § 8 Abs. 4 Satz 1 RPflG unwirksam (dazu II.2).

In der Sache ist die Aufhebung der Bewilligung der Prozesskostenhilfe gerechtfertigt. Die erforderliche Entscheidung hat der Senat als Beschwerdegericht gemäß § 309 Abs. 2 StPO selbst getroffen (dazu II.3).

1. Die Aufhebungsentscheidung der Rechtspflegerin unterliegt der Anfechtung durch die strafprozessuale Beschwerde (§ 304 Abs. 1 StPO). Der Hinweis in der Rechtsmittelbelehrungauf die sofortige Beschwerde nach § 127 Abs. 2 ZPO geht fehl.

Die Regelung in § 397a Abs. 2 StPO, wonach dem Nebenkläger auf Antrag Prozesskostenhilfe nach denselben Vorschriften wie in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten zu bewilligen ist, bezieht sich auf die Voraussetzungen und Wirkungen der Prozesskostenhilfe (vgl. OLG Frankfurt NStZ 1986, 43; betr. Privatkläger zu 379 Abs. 3 StPO: KK-Senge, StPO, 7. Aufl., § 379, Rdn. 4 m.w.N.) und enthält keine Aussage zu dem maßgeblichen Verfahrensrecht. Die Anfechtung der Entscheidungen, welche die Prozesskostenhilfe nach § 397a Abs. 2 StPO betreffen, richtet sich - wie im Falle der Bestellung eines Beistands nach § 397a Abs. 1 StPO - nach allgemeinen strafprozessualen Grundsätzen (vgl. KG NStZ-RR 2014, 295; Schöch in: Satzger/Schluckebier/Widmaier, StPO, 3. Aufl., § 397a Rdn. 2), so dass die vorliegende Aufhebungsentscheidung mit der Beschwerde nach § 304 Abs. 1 StPO anfechtbar ist. Die sofortige Beschwerde (§ 311 Abs. 1 u. 2 StPO) kommt in Strafsachen grundsätzlich nur in Betracht, wenn dies ausdrücklich bestimmt ist (vgl. Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 60. Aufl., § 311 Rdn. 1 m.w.N.). Ein solcher Fall liegt hier nicht vor. Die unzutreffende Bezeichnung als sofortige Beschwerde (im Sinne des § 127 Abs. 2 ZPO) ist gemäß § 300 StPO unschädlich.

Dass die Bewilligung der Prozesskostenhilfe durch die Rechtspflegerin und nicht durch den Vorsitzenden der Strafkammer aufgehoben wurde, macht für die Anwendbarkeit des § 304 Abs. 1 StPO keinen Unterschied, da die Beschwerde das einschlägige Rechtsmittel gegen richterliche und gerichtliche Beschlüsse und Verfügungen ist (vgl. Matt in: Löwe/Rosenberg, StPO, 26. Aufl., vor § 304 Rdn. 1). Zu den gerichtlichen Entscheidungen gehören solche des Rechtspflegers. Gegen Entscheidungen des Rechtspflegers ist gemäß § 11 Abs. 1 RPflG das Rechtsmittel gegeben, das nach den allgemeinen verfahrensrechtlichen Vorschriften zulässig ist, hier also die Beschwerde nach § 304 Abs. 1 StPO.

Ein Rückgriff auf die Verfahrensvorschriften der ZPO scheidet aus, da die StPO keine Regelungslücke im Hinblick auf die Anfechtung von Entscheidungen, welche die Prozesskostenhilfe nach § 397a Abs. 2 StPO betreffen, aufweist.

Auch wäre die in § 568 ZPO vorgesehene Einzelrichterzuständigkeit nicht mit den Grundsätzen der StPO in Einklang zu bringen. Das in den §§ 304 ff. StPO geregelte Beschwerdeverfahren in Strafsachen enthält keine die Zuständigkeit des Einzelrichters begründende Vorschrift. Über die vorliegende Beschwerde hat der Senat in der Besetzung mit drei Richtern zu entscheiden (vgl. zu § 464b StPO: Senat BeckRS 2003, 08971; OLG Düsseldorf [3. Strafsenat] NStZ-RR 2012, 160).

2. Eine funktionelle Zuständigkeit der Rechtspflegerin für die auf § 124 Abs. 1 Nr. 4 ZPO gestützte Aufhebung der Bewilligung der Prozesskostenhilfe ist zu verneinen. Die von der Rechtspflegerin getroffene Aufhebungsentscheidung ist unwirksam (§ 8 Abs. 4 Satz 1 RPflG) und auf die Beschwerde aufzuheben.

Zwar gehört die Aufhebung der Bewilligung von Prozesskostenhilfe zu den Geschäften, die dem Rechtspfleger gemäß § 20 Abs. 1 Nr. 4 lit. c RPflG übertragen sind. Diese Bestimmung gilt indes nur „im Verfahren nach der Zivilprozessordnung“, wie eingangs der Norm klargestellt und in deren Überschrift („Bürgerliche Rechtsstreitigkeiten“) bestätigt wird.

In Strafsachen kennt das Gesetz eine entsprechende Übertragung der funktionellen Zuständigkeit auf den Rechtspfleger nicht. Es verbleibt daher bei der durch § 397a Abs. 3 Satz 2 StPO begründeten Zuständigkeit des Vorsitzenden des mit der Sache befassten Gerichts (hier der Strafkammer), der über die Bewilligung der Prozesskostenhilfe entscheidet. Diese Entscheidungskompetenz umfasst auch die Ablehnung und die Aufhebung der Bewilligung der Prozesskostenhilfe.

Die Bezugnahme in § 397a Abs. 2 StPO („so ist dem Nebenkläger für die Hinzuziehung eines Rechtsanwalts auf Antrag Prozesskostenhilfe nach denselben Vorschriften wie in bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten zu bewilligen“) betrifft die Voraussetzungen und Wirkungen der Prozesskostenhilfe und führt dazu, dass die materiell-rechtlichen Aufhebungstatbestände des § 124 Abs. 1 ZPO auch in Strafsachen Anwendung finden. Die funktionelle Zuständigkeit, die verfahrensrechtlich zu bestimmen ist, richtet sich mangels besonderer Regelung oder Verweises auf § 20 Abs. 1 Nr. 4 lit. c RPflG indes nach den Vorschriften der StPO, die insoweit keine Regelungslücke aufweisen. Vielmehr sind die Entscheidungen, welche die Prozesskostenhilfe im Falle eines Nebenklägers betreffen, durch § 397a Abs. 3 Satz 2 StPO umfassend dem Vorsitzenden des mit der Sache befassten Gerichts zugewiesen worden.

Es wäre auch widersprüchlich, nach Maßgabe des in § 397a Abs. 2 StPO enthaltenen Verweises bei der verfahrensrechtlichen Rechtsmittelfrage auf die Bestimmungen der StPO abzustellen, dies jedoch bei der ebenfalls verfahrensrechtlichen Beurteilung der funktionellen Zuständigkeit nicht zu tun.

Soweit in anderen Verfahrensordnungen auf die entsprechende Geltung der Vorschriften der Zivilprozessordnung über die Prozesskostenhilfe verwiesen wird (§ 11a Abs. 1 ArbGG, § 166 Abs. 1 Satz 1 VwGO, § 142 Abs. 1 FGG, § 73a Abs. 1 Satz 1 SGG), ergeben sich daraus keine Gesichtspunkte, die der Verneinung der funktionellen Zuständigkeit der Rechtspflegerin in der vorliegenden Strafsache entgegenstehen. In arbeitsgerichtlichen Verfahren gelten die Vorschriften über die Wahrnehmung der Geschäfte bei den ordentlichen Gerichten durch Rechtspfleger entsprechend (§ 9 Abs. 3 Satz 1 ArbGG), so dass sich dort die funktionelle Zuständigkeit des Rechtspflegers kraft gesetzlicher Bezugnahme aus § 20 Abs. 1 Nr. 4 lit. c RPflG ergibt. In § 166 Abs. 3 VwGO, § 142 Abs. 4 FGG und § 73a Abs. 5 SGG werden Aufhebungsentscheidungen nach § 124 Abs. 1 Nr. 2 bis 5 ZPO jeweils durch ausdrückliche Regelung dem Urkundsbeamten der Geschäftsstelle zugewiesen, wobei der Vorsitzende diese Aufgaben zu jedem Zeitpunkt an sich ziehen kann.

Für den Strafprozess fehlt eine Bestimmung, welche die funktionelle Zuständigkeit des Vorsitzenden des mit der Sache befassten Gerichts bei nach § 124 Abs. 1 Nr. 2 bis 5 ZPO zu treffenden Aufhebungsentscheidungen verdrängt. Um insoweit in Strafsachen eine funktionelle Zuständigkeit des Rechtspflegers zu begründen, hätte es in der Strafprozessordnung - ähnlich wie in § 9 Abs. 3 Satz 1 ArbGG - eines Verweises auf die entsprechenden Bestimmungen des Rechtspflegergesetzes bedurft.

3. Der aufgezeigte Zuständigkeitsmangel zwingt vorliegend nicht dazu, die Sache zur Entscheidung an den funktionell zuständigen Vorsitzenden der 6. großen Strafkammer zurückzuverweisen. Denn der Senat ist auch das dem Vorsitzenden der Strafkammer übergeordnete Beschwerdegericht und kann daher gemäß § 309 Abs. 2 StPO in der Sache selbst entscheiden (OLG Düsseldorf [3. Strafsenat] NStZ-RR 2001, 111; KG BeckRS 2001, 16605; OLG Karlsruhe NStZ-RR 2003, 116). Für eine eigene Sachentscheidung des Senats sprechen auch Gründe der Prozessökonomie und der Verfahrensbeschleunigung.

In der Sache unterliegt die Bewilligung der Prozesskostenhilfe nach § 397a Abs. 2 StPO, § 124 Abs. 1 Nr. 4 ZPO der Aufhebung.

Der Nebenkläger hat der Strafkammer entgegen § 120a Abs. 2 Satz 1 u. 2 ZPO eine wesentliche Verbesserung seines laufenden monatlichen Einkommens aus grober Nachlässigkeit nicht unverzüglich mitgeteilt.

Eine wesentliche Verbesserung der wirtschaftlichen Verhältnisse ist dem Gericht nach § 120 Abs. 2 Satz 1 ZPO unverzüglich mitzuteilen. Dies hat unaufgefordert zu geschehen. Diese Mitteilungspflicht hat der Nebenkläger über einen langen Zeitraum gröblich missachtet.

Die formalen Einwände des Nebenklägers zur Frage der ordnungsgemäßen Zustellung einer gerichtlichen Aufforderung, sich zu einer Veränderung der wirtschaftlichen Verhältnisse zu erklären (§ 120a Abs. 1 Satz 3 ZPO), sind nicht entscheidungsrelevant. Denn es geht vorliegend nicht um den Aufhebungstatbestand des § 124 Abs. 1 Nr. 2 ZPO, sondern allein um die Aufhebung der Bewilligung der Prozesskostenhilfe nach § 124 Abs. 1 Nr. 4 ZPO wegen Missachtung der Pflicht, eine wesentliche Verbesserung der wirtschaftlichen Verhältnisse unaufgefordert und unverzüglich mitzuteilen.

In der „Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse bei Prozess- oder Verfahrenskostenhilfe“, die der Nebenkläger jeweils am 25. Juni 2014 und 16. Januar 2015 unterzeichnet hat, ist auf der letzten Seite unmittelbar über der Unterschrift ein fettgedruckter Text enthalten, der wie folgt lautet:

„Mir ist auch bekannt, dass ich während des Gerichtsverfahrens und innerhalb eines Zeitraums von vier Jahren seit der rechtskräftigen Entscheidung oder der sonstigen Beendigung des Verfahrens verpflichtet bin, dem Gericht wesentliche Verbesserungen meiner wirtschaftlichen Lage oder eine Änderung meiner Anschrift unaufgefordert und unverzüglich mitzuteilen. Bei laufenden Einkünften ist jede nicht nur einmalige Verbesserung von mehr als 100 Euro (brutto) im Monat mitzuteilen. Reduzieren sich die geltend gemachten Abzüge, muss ich dies ebenfalls unaufgefordert und unverzüglich mitteilen, wenn die Entlastung nicht nur einmalig 100 Euro im Monat übersteigt. Ich weiß, dass die Bewilligung der Prozess- oder Verfahrenskostenhilfe bei einem Verstoß gegen diese Pflicht aufgehoben werden kann, und ich dann die gesamten Kosten nachzahlen muss.“

Dass bei laufenden Einkommen eine Einkommensverbesserung wesentlich ist, wenn die Differenz zum bisherigen Bruttoeinkommen monatlich nicht nur einmalig 100 Euro übersteigt, ist in § 120a Abs. 2 Satz 2 ZPO gesetzlich normiert.

Diese Grenze wurde durch das laufende monatliche Einkommen des Nebenklägers jedenfalls seit Januar 2017 weit überschritten (2.911 brutto statt zuletzt im Januar 2015 mitgeteilter 2.350 Euro). Seit August 2017 hat der Nebenkläger sogar ein monatliches Bruttoeinkommen von 2.979 Euro erzielt.

Es liegt nahe, dass die beträchtliche Erhöhung des monatlichen Bruttoeinkommens zu einer Erhöhung der zu zahlenden Raten geführt hätte, zumal sich die abzugsfähigen Ausgaben kaum verändert hatten und der an die Eltern zu entrichtende Wohnkostenanteil wegen erweiterter Nutzung erst ab Dezember 2017 von 180 Euro auf 380 Euro erhöht wurde.

Abgesehen davon ist für die Aufhebung der Bewilligung von Prozesskostenhilfe nach § 124 Abs. 1 Nr. 4 ZPO nicht erforderlich, dass es bei Erfüllung der Mitteilungspflicht tatsächlich zu einer höheren Belastung des Nebenklägers gekommen wäre. Denn § 120a Abs. 2 Satz 1 ZPO knüpft die Mitteilungspflicht an die Verbesserung der Einkommens- und Vermögensverhältnisse, nicht an deren Auswirkungen auf die Festsetzung von Zahlungen nach § 120 Abs. 1 ZPO. Bei § 124 Abs. 1 Nr. 4 ZPO handelt es sich um einen Verwirkungstatbestand mit Sanktionscharakter, bei dem es auf die Kausalität nicht ankommt (vgl. statt vieler: BAG BeckRS 2016, 74442; LAG München BeckRS 2016, 68579).

Die Missachtung der Mitteilungspflicht stellt sich vorliegend auch als grobe Nachlässigkeit dar. Grob nachlässig handelt, wer die sich jedermann aufdrängende Sorgfalt vermissen lässt und nicht beachtet, was im gegebenen Fall jedem einleuchten muss (vgl. Kratz in: Vorwerk/Wolf, BeckOK zur ZPO, 27. Edition, § 124 Rdn. 18). Es muss eine besondere Sorglosigkeit vorliegen (vgl. BAG a.a.O.), die im Falle des Nebenklägers zu bejahen ist.

Hier ist es nicht allmählich zu einer Einkommensverbesserung gekommen, vielmehr hat der Nebenkläger nach einem Arbeitsplatzwechsel, der bereits zum 1. Januar 2016 erfolgt ist, gleichsam schlagartig ein deutlich höheres monatliches Einkommen erzielt. Die konkrete Höhe ist ab 1. Januar 2017 mit 2.911 Euro brutto und ab 1. August 2017 mit 2.979 Euro brutto aktenkundig. Gegenüber dem zuletzt am 16. Januar 2015 mitgeteilten Bruttoeinkommen von 2.350 Euro wurde der dem Nebenkläger bekannte Grenzwert von 100 Euro beträchtlich, nämlich zuletzt um mehr als das Sechsfache überschritten. Mit ungewöhnlicher Gleichgültigkeit hat sich der Nebenkläger über einen langen Zeitraum nicht zu einer unaufgeforderten Mitteilung der deutlichen Einkommensverbesserung veranlasst gesehen. Vor diesem Hintergrund liegt ein schlichtes Vergessen völlig fern, zumal der Wechsel des Arbeitsplatzes ein besonderes Ereignis in der Lebensführung darstellt. Erst auf die gerichtliche Anfrage vom 17. November 2017 hat er das inzwischen erreichte Mehreinkommen in seiner Erklärung vom 6. Dezember 2017 offenbart.

Der Umstand, dass das Landgericht versäumt hat, dem Nebenkläger nach Anordnung der Ratenzahlungsverpflichtung eine Zahlungsaufforderung mit Angabe der Bankverbindung der Landeskasse zu übermitteln, berührte seine Verpflichtung, eine wesentliche Verbesserung seines laufenden Einkommens mitzuteilen, nicht und vermag ihn im Hinblick auf den Aufhebungsgrund des § 124 Abs. 1 Nr. 4 ZPO nicht zu entlasten.

Die monatlichen Raten von 283 Euro waren nach der getroffenen Anordnung ab dem 1. Januar 2015 zu zahlen, die Einmalzahlung von 350 Euro war zahlbar bis zum 1. März 2015. Bei Bestimmung des Zeitpunkts bedarf es für die Fälligkeit keiner gesonderten Zahlungsaufforderung (vgl. Reichling in: Vorwerk/Wolf a.a.O. § 120 Rdn. 4). Es handelte sich um eine Schickschuld des Nebenklägers.

Vor diesem Hintergrund hätte es nahegelegen, dass sich der Nebenkläger nach Ausbleiben einer entsprechenden Mitteilung bei dem Landgericht nach der Bankverbindung der Landeskasse erkundigt, um seine Zahlungsverpflichtungen zu erfüllen. Indes hat er ohne eine solche Anfrage und ohne jegliche Zahlung über mehr als drei Jahre die Dienste der als Beistand hinzugezogenen Rechtsanwältin, die ihre Vergütung aus der Landeskasse erhält, in Anspruch genommen.

Die mangelnde Zahlungsaufforderung steht einer Aufhebung der Bewilligung der Prozesskostenhilfe nach § 124 Abs. 1 Nr. 5 ZPO wegen Zahlungsrückstands entgegen. Demzufolge wird die Aufhebungsentscheidung auch nicht auf diesen Grund gestützt. Entgegen dem Beschwerdevorbringen lässt indes die mangelnde Zahlungsaufforderung das grob nachlässige Verhalten des Nebenklägers bei der Nichtanzeige der wesentlichen Einkommensverbesserung nicht in einem milderen Licht erscheinen. Vielmehr lässt auch sein Umgang mit den Zahlungsverpflichtungen ein hohes Maß an Sorglosigkeit erkennen. Sein Verhalten ist keineswegs günstiger zu beurteilen als das eines Nebenklägers, der bei laufender Zahlung der Raten die Mitteilung einer wesentlichen Einkommensverbesserung aus grober Nachlässigkeit unterlässt.

Atypisch ist im sog. Loveparade-Verfahren die lange Dauer zwischen der Erhebung der Anklage im Februar 2014 und der Eröffnung des Hauptverfahrens, die im Beschwerdeverfahren durch den Senatsbeschluss vom 18. April 2017 erfolgt ist. Dazwischen liegt der Nichteröffnungsbeschluss der 5. Strafkammer des Landgerichts Duisburg vom 30. März 2016.

Wenn das laufende Verfahren zwischenzeitlich aus dem Blick des Nebenklägers geraten sein sollte, so hat er es jedenfalls wieder in den Blick genommen, als er gegen die Nichteröffnungsentscheidung vom 30. März 2016 mit Schriftsatz seines anwaltlichen Beistands vom 6. April 2016 sofortige Beschwerde eingelegt hat. Dieses Rechtsmittel ist mit Schriftsatz vom 22. September 2016 „aus Kostengründen“ zurückgenommen worden, was erkennen lässt, dass dem Nebenkläger finanzielle Risiken (auch im Verhältnis zu den damals Angeschuldigten) bewusst waren. Schon durch die Einlegung der sofortigen Beschwerde hatte die als Beistand hinzugezogene Rechtsanwältin weitere Vergütungsansprüche gegen die Landeskasse erworben, die im Rahmen der auferlegten 48 Raten zu Lasten des Nebenklägers wirken mussten.

Mit der Eröffnung des Hauptverfahrens durch den Senatsbeschluss vom 18. April 2017 war für den Nebenkläger klar, dass das Verfahren in ein neues Stadium getreten war und eine Hauptverhandlung stattfinden wird. Er hat auch auf die neue Situation reagiert, indem sein anwaltlicher Beistand die Anträge auf Zulassung der Nebenklage und Bewilligung von Prozesskostenhilfe mit Schriftsatz vom 19. Juni 2017 „vorsorglich neu gestellt“ hat. Dabei wurde keine aktuelle Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse vorgelegt, sondern auf die „bereits übersandte Erklärung“ Bezug genommen.

Hier tritt die grobe Nachlässigkeit bei der Nichtanzeige der wesentlichen Verbesserung des monatlichen Einkommens (2.911 Euro brutto im Juni 2017 gegenüber 2.350 Euro brutto bei der Erklärung vom 16. Januar 2015) besonders deutlich hervor. Objektiv handelte es sich bei der Bezugnahme auf die „bereits übersandte Erklärung“ und der Nichtanzeige des inzwischen erzielten Mehreinkommens von monatlich 561 Euro brutto sogar um eine Täuschung.

Angesichts dieser Umstände ändert die atypisch lange Verfahrensdauer zwischen Anklageerhebung und Eröffnung des Hauptverfahrens (mehr als drei Jahre) nichts daran, dass die Voraussetzungen für die Aufhebung der Bewilligung der Prozesskostenhilfe nach § 124 Abs. 1 Nr. 4 ZPO vorliegen. Im Übrigen ist darauf hinzuweisen, dass die Ratenzahlung gesetzlich auf eine Dauer von bis zu 48 Monaten angelegt ist, wobei der Betroffene seine Mitteilungspflichten häufig noch lange nach Abschluss des Verfahrens im Blick behalten muss.

Die Aufhebung der Bewilligung der Prozesskostenhilfe steht bei den hier erfüllten Voraussetzungen des § 124 Abs. 1 Nr. 4 ZPO im gebundenen Ermessen („soll“) des Gerichts (vgl. Kratz in: Vorwerk/Wolf a.a.O. § 124 Rdn. 6). Der Senat sieht unter Gesamtwürdigung der vorstehend erörterten Umstände keinen Anlass, von der gesetzlich vorgesehenen Regelsanktion ausnahmsweise abzuweichen.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 473 Abs. 1 Satz 1 StPO.


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