Gericht / Entscheidungsdatum: LG Berlin, Beschl. v. 13.04.2018 - (511 KLs) 255 Js 739/14 (11/17)
Leitsatz: Zum Anfall der zusätzlichen Verfahrensgebühr Nr. 4142 VV RVG nach neuem Recht.
Landgericht Berlin
Beschluss
Geschäftsnummer: (511 KLs) 255 Js 739/14 (11/17) 13.04.2018 n
In der Strafsache pp.
hier nur betreffend den Angeklagten pp.
Verteidiger:
hier nur:
hat die 11 . große Strafkammer beschlossen:
Auf die Erinnerung von Rechtsanwalt R. vom 27.01.2018 wird die Kostenfestsetzung der Rechtspflegerin vom 08.01.2018 dahin abgeändert, dass Rechtsanwalt R. auf den Kostenfestsetzungsantrag vom 21.12.2017 aus der Landeskasse eine weitere Vergütung von Euro 531,93 zu zahlen ist.
Das Verfahren ist gebührenfrei; Kosten werden nicht erstattet.
Die weitere Beschwerde der Bezirksrevisorin des Landgerichts Berlin zum Kammergericht wird zugelassen.
Gründe:
I.
Rechtsanwalt R., welcher dem Angeklagten mit Beschluss vom 03.05.2017 (Blatt 25 Band I Kostenband) als Pflichtverteidiger bestellt worden ist, hat mit Kostenfestsetzungsantrag (Vorschuss) vom 21.12.2017 (Blatt 52 f. Band Il Kostenband) verschiedene Gebühren abgerechnet. Im Hinblick auf den dinglichen Arrest des Amtsgerichts Tiergarten vom 19.10.2016 in Höhe von Euro 418.851,00 (Blatt 54 ff. Band Il Kostenband) hat er dabei auch eine Verfahrensgebühr gemäß der Nr. 4142 VV RVG nach einem Gegenstandswert von Euro 418.000,00, mithin in Höhe von Euro 447,00, zuzüglich 19% Umsatzsteuer (= Euro 84,93) geltend gemacht. Dies ergibt einen Gesamtbetrag von Euro 531,93 brutto. Die Rechtspflegerin hat am 08.01.2018 über den Kostenfestsetzungsantrag entschieden (Blatt 59 Band I l Kostenband), wobei sie den Antrag auf Festsetzung einer Gebühr gemäß Nr. 4142 VV RVG zurückgewiesen hat, weil der Arrest ausweislich seiner Begründung der Rückgewinnungshilfe gedient habe und eine solche Anordnung nicht unter den Gebührentatbestand der Nr. 4142 VV RVG falle. Hiergegen hat Rechtsanwalt R. mit Schriftsatz vom 27.01.2018 Erinnerung erhoben (Blatt 67 Band Il Kostenband). Die Rechtspflegerin hat der Erinnerung nicht abgeholfen (Blatt 68 Band Il Kostenband). Die Bezirksrevisorin des Landgerichts Berlin - Dienststelle Moabit - ist der Erinnerung mit Schriftsätzen vom 09.02.2018 (Blatt 70 Band II Kostenband) und 28.03.2018 (Blatt 87 f. Band Il Kostenband) entgegengetreten.
II.
1. Die Kammer ist aufgrund der Übertragung durch die Einzelrichterin mit Beschluss vom 03.04.2018 (Blatt 90 Band Il Kostenband) zur Entscheidung über die Erinnerung berufen.
2. Die statthafte Erinnerung ist unbegründet.
a) Der Angeklagte pp. hatte sich vor dem Landgericht Berlin gegen eine drohende Einziehung gemäß §§ 73, 73c StGB neue Fassung, also gegen einen endgültigen Vermögensverlust im Sinne der Nr. 4142 VV RVG zu verteidigen. Infolge der Streichung von § 73 Abs. 1 Satz 2 StGB alte Fassung kann der Tatertrag oder ein seinem Wert entsprechender Geldbetrag auch dann abgeschöpft werden, wenn Schadensersatzansprüche von Tatgeschädigten im Raum stehen. Grundlegender Gedanke des neuen Rechts ist es, dass sich Straftaten nicht lohnen sollen. Entsprechend ist im Hauptverhandlungstermin am 18.12.2017 ein Hinweis erteilt worden, anhand welcher Kriterien die Höhe einer in Betracht kommenden Einziehung zu schätzen sein wird. Eine Einziehung nach §§ 73, 73c StGB unterfällt dem Gebührentatbestand der Nr. 4142 W RVG. Dieser Gebührentatbestand hat den Sinn und Zweck, den Verteidigeraufwand in Verfahren, in denen Abschöpfungsmaßnahmen infrage kommen, angemessen zu honorieren (vgl. KG, Beschluss vom 20.12.2017, 1 Ws 70/17, juris Rz. 3). Die Kammer schließt sich der Auffassung der 1. großen Strafkammer des Landgerichts Berlin im Beschluss vom 16.01.2018 (501 Qs 127/17) an. Danach kann der Umstand, dass die in Ansatz gebrachte Gebühr Nr. 4142 VV RVG Rechtsanwalt R. nach der vor dem Inkrafttreten des Gesetzes zur Reform der strafrechtlichen Vermögensabschöpfung geltenden Rechtslage nicht zugebilligt worden wäre, weil der dingliche Arrest der Sicherung von Rückgewinnungsansprüchen der verletzten Opfer diente (vgl. hierzu KG, Beschluss vom 15.04.2008, 1 Ws 309 310/07, juris), nicht zur Versagung des Gebührenansatzes nach neuem Recht herangezogen werden (vgl. LG Berlin, a.a.O., juris Rz. 7). Der Anwendungsbereich von § 60 Abs. 1 Satz 1 RVG ist nicht eröffnet, da der Verteidiger nach altem Recht nicht etwa eine geringere, sondern überhaupt keine Gebühr hätte verlangen können.
b) Auch die von Rechtsanwalt R. angesetzte Höhe der Wertgebühr Nr. 4142 VV RVG ist berechtigt. Gemäß § 49 RVG ist bei einem Gegenstandswert von über Euro 30.000,00 eine Gebühr in Höhe von Euro 447,00 (netto) zu vergüten. Für die Bestimmung des Gegenstandswertes ist nach Ansicht der Kammer nicht maßgeblich, in welcher Höhe eine Einziehung im Urteil am 08.02.2018 angeordnet worden ist, sondern in welcher Höhe eine Einziehung drohte. Nach den Gründen des dinglichen Arrestes vom 19.10.2016 wurde die Höhe der zu sichernden Ansprüche nach der Anzahl der Bestellungen der verletzten Opfer durch Freier in den Bordellen Kino 3" und Le Bar" sowie im Escort-Service in der Zeit von Januar 2013 bis September 2016 berechnet. Unter Heranziehung des ebenfalls am 19.10.2016 erlassenen Haftbefehls des Amtsgerichts Tiergarten (Blatt 91 ff. Band Il Kostenband) dem Angeklagten pp. seinerzeit Taten zu Lasten von 1 1 Prostituierten vorgeworfenn nämlich zu Lasten der pp. In der Anklageschrift vom 06.03.2017 (Blatt 2 ff. Band I Kostenband) wurde zwar der Tatvorwurf zu Lasten der pp. nicht aufrechterhalten. Jedoch wurden dem Angeklagten pp. Tatvorwürfe zu Lasten weiterer 13 Prostituierter unterbreitet, so zu der pp. Die Tatvorwürfe zu Lasten der insgesamt 23 Prostituierten bestanden nach dem Inkrafttreten des Gesetzes zur Reform der strafrechtlichen Vermögensabschöpfung am 01.07.2017 fort. Nach allem ist nicht zu beanstanden, dass der Verteidiger die Verteidigung des Angeklagten pp. darauf ausgerichtet hat, eine drohende Einziehung in Höhe von insgesamt Euro 418.000,00 abzuwenden. Abgesehen davon hat die Staatsanwaltschaft in der Sitzung am 05.02.2018 in Bezug auf den Angeklagten pp. eine Einziehung in Höhe von insgesamt Euro 291.930,40 beantragt. Aber selbst die im Urteil der Kammer angeordnete Einziehung eines Wertersatzes von insgesamt Euro 41.840,00 rechtfertigt einen Gebührenansatz in Höhe von Euro 447,00 netto.
3. Gemäß § 56 Abs. 2 Satz 2 und Satz 3 RVG ist das Verfahren gebührenfrei und Kosten werden nicht erstattet.
4. Die Zulassung der weiteren Beschwerde beruht auf § 56 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. § 33 Abs. 6 RVG.
Einsender: RA K. reese, Berlin
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