Gericht / Entscheidungsdatum: AG Kassel, Beschl. v. 06.09.2017 384 OWi 9433 Js 27079/17
Leitsatz: Der Einspruch gegen einen Bußgeldbescheid genügt nicht der vorgeschriebenen Form des § 67 Abs. 1 OWiG, wenn er in einer einfachen E-Mail gegenüber der Verwaltungsbehörde erklärt wird.
Beschluss
In der Bußgeldsache
gegen pp.
wegen Verkehrsordnungswidrigkeit
wird der Einspruch der Betroffenen gegen den Bußgeldbescheid vom 24.07.2017 als unzulässig verworfen.
Die Kosten des Verfahrens trägt die Betroffene.
Gründe:
I.
Gegen die Betroffene wurde am 24.07.2017 ein Bußgeldbescheid aufgrund des Vorwurfs einer unzulässigen Benutzung eines Mobil- oder Autotelefones erlassen, der ihr am 29.07.2017 zugestellt wurde. Die in dem Bußgeldbescheid enthaltene Rechtsbehelfsbelehrung weist darauf hin, dass der Einspruch gegen den Bußgeldbescheid schriftlich oder zur Niederschrift der Verwaltungsbehörde einzulegen ist. Außerdem ist im Briefkopf des Bußgeldbescheides eine E-Mail Adresse angegeben.
Mit am 31.07.2017 bei der Verwaltungsbehörde eingegangener E-Mail hat die Betroffene gegen den Bußgeldbescheid Einspruch eingelegt. Diese E-Mail enthält keine elektronische Signatur oder eine eingescannte Unterschrift der Betroffenen. Nachdem die Verwaltungsbehörde das Verfahren aufgrund dieses Einspruchs abgegeben hat, ist die Betroffene mit gerichtlicher Verfügung vom 18.08.2017 darauf hingewiesen worden, dass das Gericht beabsichtigt, diesen Einspruch als unzulässig zu verwerfen, da er nicht formgerecht eingelegt wurde.
II.
Der per E-Mail eingelegte Einspruch ist, da er nicht formgerecht eingelegt wurde, unzulässig und deshalb gemäß § 70 Abs. 1 OWiG zu verwerfen.
Gemäß § 67 Abs. 1 OWiG kann gegen den Bußgeldbescheid innerhalb von zwei Wochen nach Zustellung schriftlich oder zur Niederschrift bei der Verwaltungsbehörde, die den Bußgeldbescheid erlassen hat, Einspruch eingelegt werden. Diese Form hat die Betroffene mit der E-Mail vom 12.06.2017 nicht gewahrt.
Zwar genügen gemäß § 110a Abs. 1 S. 1 OWiG auch solche elektronischen Dokument, die eine qualifizierte Signatur enthalten, den Formerfordernissen des § 67 Abs. 1 OWiG. Eine solche Signatur weist die E-Mail der Betroffenen nicht auf.
Die nicht signierte E-Mail ist auch nicht aufgrund § 110a Abs. 2 OWiG formwirksam. Gemäß dieser Vorschrift können die Landesregierungen für ihren Bereich durch Rechtsverordnung u.a. die für die Bearbeitung elektronischer Dokumente geeignete Form bestimmen. Das Land Hessen hat von dieser Ermächtigungsgrundlage bislang mit der Verordnung über den elektronischen Rechtsverkehr bei hessischen Gerichten und Staatsanwaltschaften Gebrauch gemacht. Eine Regelung für den elektronischen Rechtsverkehr mit den hessischen Verwaltungsbehörden existiert hingegen nicht.
Eine analoge Anwendung des § 110 a OWiG auf E-Mails ohne Signatur scheidet aus, da insoweit keine planwidrige Regelungslücke vorliegt Wie aus der Gesetzesbegründung zur vergleichbaren Vorschrift des § 130a ZPO (BT-Drs 15/4067, S. 44) ersichtlich ist, wollte es nämlich der Gesetzgeber der Rechtsprechung überlassen, ob eine E-Mail ohne Signatur die Form wahrt (vgl. LG Münster, Beschl. v. 12.10.2015, Az. 2 Qs 76/15).
Eine unbewusste Regelungslücke ergibt sich für den Bereich des Ordnungswidrigkeitenrechts auch nicht aus dem Umstand, dass nach herrschender Meinung der Einspruch anders als Schriftsätze in anderen Verfahrensordnungen nicht unterzeichnet werden muss (Krenberger, Anmerkungen zu LG Fulda. Az. 2 Qs 65/12, Beschluss vom 02. Juli 2012, veröffentlicht bei juris). Denn aus der Gesetzesbegründung zu § 110a OWiG (BT-Drs 15/4067, S. 45) folgt, dass der Gesetzgeber sich auch dieses Umstandes bewusst war.
Allerdings wird in der Literatur eine richterliche Rechtsfortbildung dahin befürwortet, die Einlegung eines Einspruchs gegen einen Bußgeldbescheid per E-Mail ohne Signatur nach dem Signaturgesetz als zulässig anzusehen (Seitz in Göhler, OWiG, 16. Auflage, § 67 OWiG Rn. 22a m.w.N.; Krenberger, a.a.O); die hierzu bisher ergangene Rechtsprechung hat sich aber dieser Ansicht zu Recht nicht angeschlossen (LG Fulda, Az. 2 Qs 65/12, Beschluss vom 02. Juli 2012,: OLG Oldenburg, Beschluss vom 03 04.2011, Az.: 2 SsRs 294/11).
Einer entsprechenden richterlichen Rechtsfortbildung stehen sowohl Sinn und Zweck des Schriftformerfordernisses, wie er durch den Beschluss des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes (Beschluss vom 05.04.2000, Az.: Gms-OGB 1/98, NZA 2000, 959 (960)) formuliert ist und auf den die Gesetzesbegründung zur vergleichbaren Regelung des § 130a Absatz 2 ZPO ausdrücklich Bezug nimmt, als auch die Gesetzessystematik entgegen.
E-Mails genügen der Schriftform nicht, da sie weder ein beim Absender erstelltes Originalschriftstück voraussetzen noch zwingend eine urkundliche Verkörperung am Empfangsort erfahren (OLG Oldenburg, Beschluss vom 03.04.2011, Az.: 2 SsRs 294/11, juris-Rz. 7).
Zum einen fehlt es beim E-Mail-Versand schon an einem vom Absender veranlassten Ausdruck, den der Gemeinsame Senat der Obersten Bundesgerichte beim Computerfax als maßgeblich für die Anerkennung dieses Übermittlungsweges angesehen hat. Ob überhaupt und gegebenenfalls wann eine an das Gericht gesandte E-Mail dort ausgedruckt wird, hat der Absender gerade nicht in der Hand. Zum anderen sprechen erhebliche Sicherheitserwägungen gegen die Anerkennung nicht signierter E-Mails als zulässige Rechtsmittelform. Eine einfache E-Mail gewährleistet keine ausreichend sichere Identifizierung des Absenders; das Absenden einer unsignierten E-Mail unter falschem Namen ist leicht möglich, und zwar weltweit von jedem Computer aus, der an das Internet angeschlossen ist; es besteht bei dieser Versendungsform eine besonders große Gefahr von Missbrauch und Täuschung durch nicht ermittelbare Unbefugte, die größer ist als beim Faxversand. Eben deshalb hat sich er Gesetzgeber dazu entschlossen, nach Freigabe des E-Mail-Zugangs zu den Strafgerichten ausschließlich qualifiziert signierte E-Mails als formwirksam gelten zu lassen (vgl. LG Münster aaO, OLG Oldenburg, NJW 2009, 536 (537)).
Die Schriftlichkeit soll gewährleisten, dass aus dem Schriftstück der Inhalt der Erklärung, die abgegeben werden soll, und die Person, von der sie ausgeht, hinreichend zuverlässig entnommen werden können. Außerdem muss feststehen, dass es sich bei dem Schriftstück nicht nur um einen Entwurf handelt, sondern dass dieses mit Wissen und Willen des Berechtigten dem Gericht zugeleitet worden Ist (Beschluss des Gemeinsamen Senats der Obersten Gerichtshöfe des Bundes, BGHZ 75, 340, 348 f.).
Maßgeblich für die Beurteilung der Wirksamkeit des elektronisch übermittelten Schriftsatzes ist nicht eine etwa beim Absender vorhandene Kopiervorlage oder eine nur im Textverarbeitungs-PC befindliche Datei, sondern allein die auf seine Veranlassung am Empfangsort erstellte körperliche Urkunde. Der alleinige Zweck der Schriftform ist, die Rechtssicherheit und insbesondere die Verlässlichkeit der Eingabe zu gewährleisten (Beschluss des Gemeinsamen Senats der Obersten Gerichtshöfe des Bundes, Ges-OGB, a.a.O.).
Darüber hinaus spricht auch die Gesetzessystematik dagegen, dass durch Versenden einer bloßen E-Mail der Schriftform genügt wird. Denn es bedürfte keiner speziellen Vorschriften, welche bestimmen, dass schriftlich einzureichende Erklärungen durch E-Mails nur unter weiteren Voraussetzungen abgegeben werden können, wenn die Schriftform durch solche ohnedies als eingehalten angesehen werden könnte (OLG Oldenburg, Beschluss vom 03.04.2011, Az.: 2 SsRs 294/11 , juris-Rz. 8; BGH, Beschluss vom 04.12.2008, Az : IX ZB 41/08, NJW-RR 2009, 357).
Die E-Mail der Betroffenen ist auch nicht etwa deshalb als formwirksamer Einspruch anzusehen, weil im Kopf des Bußgeldbescheids des Regierungspräsidiums Kassel eine E-Mail-Adresse angegeben ist und die Verwaltungsbehörde es nach Eingang des Einspruchs vor Ablauf der Rechtsmittelfrist unterlassen hat, die Betroffene darauf hinzuweisen, dass die Einlegung des Einspruchs per E-Mail ohne Signatur unzulässig ist (vgl. LG Münster aaO).
Die Nennung einer E-Mail -Adresse im Briefkopf des Bußgeldbescheids führt nämlich nicht dazu, dass entgegen der auch drucktechnisch hervorgehobenen und inhaltlich zutreffenden Rechtsbehelfsbelehrung am Ende des Bußgeldbescheids über die dort genannten Möglichkeiten hinaus nunmehr auch die Möglichkeit eröffnet wird, per E-Mail ohne Signatur nach dem Signaturgesetz einen Einspruch gegen den Bußgeldbescheid einzulegen. Die Betroffene hat durch die drucktechnische Hervorhebung der Rechtsmittelbelehrung eine klare und eindeutige Erkenntnismöglichkeit hinsichtlich der einzuhaltenden Form und die Angaben im Briefkopf beziehen sich nicht auf die Rechtsbehelfsmöglichkeit, wie daraus deutlich wird, dass die Sachbearbeiterin dort als Auskunftsperson genannt ist (vgl. LG Münster aaO).
Auch der unterlassene Hinweis der Verwaltungsbehörde, dass die Einlegung des Einspruchs per E-Mail ohne Signatur nach dem Signaturgesetz nicht zulässig ist, führt wie sich aus der Systematik des § 110a OWiG ergibt nicht zu einem anderen Ergebnis. Aus § 110 a Absatz 1 Satz 4 OWiG wird deutlich, dass sich eine Mitteilungspflicht der Verwaltungsbehörde nur für den Fall ergibt, dass ein übermitteltes elektronisches Dokument zur Bearbeitung nicht geeignet ist, nicht aber wenn ein elektronisches Dokument ohne eine qualifizierte elektronische Signatur nach dem Signaturgesetz bei der Behörde eingeht, weil es sich bei letzterem um eine in § 110 a Absatz 1 Satz 1 OWiG aufgeführte weitere Voraussetzung handelt, die in § 110a Absatz 1 Satz 4 OWiG gerade nicht wieder aufgegriffen wird.
Durch die Sachprüfung der Verwaltungsbehörde wird die gerichtliche Prüfung der Zulässigkeitsvoraussetzungen nicht präjudiziert. Denn an das Ergebnis der Prüfung der Verwaltungsbehörde ist das Gericht nicht gebunden. Ansonsten wäre die Regelung des § 70 OWiG überflüssig, dessen Anwendungsbereich gerade eine Bejahung der Zulässigkeit durch die Verwaltungsbehörde voraussetzt, und die Verwaltungsbehörde hätte es in der Hand, durch ihr Verhalten den Anwendungsbereich des § 67 Abs. 1 OWiG zu erweitern (vgl. LG Münster aaO).
Die im Schreiben der Betroffenen vom 06.09.2017 zitierte Entscheidung des Oberlandesgerichts Rostock vom 06.01.2017 (Az. 20 Ws 311/16) ist auf den vorliegenden Fall nicht anwendbar. Denn dem dort entschiedenen Fall lag ein elektronisches Dokument zugrunde, das aufgrund seiner Anlagen keine Zweifel an der Urheberschaft des Absenders erkennen ließ und zusätzlich noch eine eingescannte Unterschrift aufwies. Dies ist bei der Mail vom 31.07.2017 gerade nicht der Fall. Diese hat zum einen keine weiteren Anlagen, die den Absender zweifelsfrei erkennen lassen, noch findet sich dort eine eingescannte Unterschrift.
Nach alledem war der Einspruch als unzulässig zu verwerfen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 109 Abs. 2 OWiG.
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