Gericht / Entscheidungsdatum: OLG Düsseldorf, Beschl. v. 23.03.2018 - IV-3 RBs 54/18
Leitsatz: 1. Bei eingeblendeten Daten des Messfotos handelt es. sich um urkundliche Angaben, die von der allein mitgeteilten Einnahme des Augenscheins nicht erfasst werden.
2. Ein anthropologisches Vergleichsgutachten wird regelmäßig nicht unter Anwendung eines allgemein anerkannten und standardisierten Verfahrens erstellt.
3. Verschafft sich der Tatrichter - trotz Einholung eines Gutachten - zusätzlich einen eigenen Eindruck von dem Betroffenen als Fahrer aufgrund des in der Akte
enthaltenen Lichtbildes, so muss er die konkrete Fundstelle in der Akte zur Bezugnahme angeben.
OBERLANDESGERICHT DÜSSELDORF
BESCHLUSS
IV-3 RBs 54/18
In der Bußgeldsache
gegen pp.
wegen Ordnungswidrigkeit im Straßenverkehr
hat der 3. Senat für Bußgeldsachen durch den Richter am Amtsgericht als Einzelrichter gemäß § 80a Abs. 1 OWiG am
23. März 2018 auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen gegen das Urteil des Amtsgerichts Wuppedal vom 5. September 2017 (15 OWi 36/17) nach Anhörung der Generalstaatsanwaltschaft
beschlossen :
Das angefochtene Urteil wird mit den zugrundeliegenden Feststellungen aufgehoben.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsbeschwerde, an das Amtsgericht Wuppertal zurückverwiesen.
Gründe
Das Amtsgericht hat gegen den Betroffenen wegen fahrlässiger Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit eine Geldbuße von 195 Euro sowie ein einmonatiges Fahrverbot verhängt. Hiergegen wendet sich der Betroffene mit seiner Rechtsbeschwerde, die er auf die Verletzung formellen und materiellen Rechts stützt.
Das Rechtsmitte: hat mit der Sachrüge jedenfalls vorläufig Erfolg, ohne dass es auf die ebenfalls erhobene Verfahrensrüge ankommt.
1. Den Urteilsgründen ist bereits nicht zu entnehmen, worauf die Feststellungen zu der vorwerfbaren Geschwindigkeit beruhen. Ausweislich der Urteilsgründe hat sich der Betroffene nicht zur Sache eingelassen. Im Übrigen befassen sich die Ausführungen zur Beweiswürdigung des Amtsgerichts allein mit der Fahreridentifizierung und der Ordnungsgemäßheit der Messung. Angaben zur Grundlage der Feststellungen zum Ergebnis der Geschwindigkeitsmessung fehlen hingegen. Insbesondere der im Zusammenhang mit der Fahreridentifizierung erörterte Umstand, dass das Messfoto in Augenschein genommen" (UA S. 3) wurde, trägt die Feststellungen zur Geschwindigkeit nicht. Bei etwaig eingeblendeten Daten des Messfotos handelt es sich um urkundliche Angaben, die von der allein mitgeteilten Einnahme des Augenscheins nicht erfasst werden.
2. Die Urteilsgründe genügen auch den sachlichrechtlichen Anforderungen an die Darlegung von Gutachten, die nicht unter Anwendung eines allgemein anerkannten und weithin standardisierten Verfahrens erstattet worden sind, wie es bei einem anthropologischen Vergleichsgutachten der Fall ist, nicht. Nach ständiger obergerichtlicher und höchstrichterlicher Rechtsprechung muss der Tatrichter, der ein solches Sachverständigengutachten eingeholt hat und ihm Beweisbedeutung beimisst, auch dann, wenn er sich dem Gutachten des Sachverständigen anschließt, in der Regel die Ausführungen des Sachverständigen in einer in sich geschlossenen wenn auch nur gedrängten zusammenfassenden Darstellung unter Mitteilung der zugrunde liegenden Anknüpfungstatsachen und der daraus gezogenen Schlussfolgerungen im Urteil wiedergeben, um dem Rechtsmitteigericht die gebotene Nachprüfung zu ermöglichen (vgl. die Nachweise bei Huckenbeck/Krumm, NZV 2017, 453, 456). Diesen Anforderungen wird das angefochtene Urteil, das lediglich die vom Sachverständigen festgestellten" Übereinstimmungen und das vergebene Wahrscheinlichkeitsprädikat mitteilt, nicht gerecht. Eine Darlegung der Ausführungen des Sachverständigen war vorliegend auch nicht deswegen entbehrlich, weil die Fahreridentifizierung nicht ausschließlich aufgrund eines anthropologischen Sachverständgengutachtens erfolgt ist. Verschafft sich der Tatrichter wie hier (UA S. 3) auch aufgrund eigener Wahrnehmung von der Person des Betroffenen und einem Abgleich mit dem Radarfoto die notwendige Überzeugung von der Fahrereigenschaft, gelten die erhöhten Darlegungsanforderungen zwar nicht uneingeschränkt (vgl. OLG Hamm, Beschluss vom 22. Juni 20171 4 RBs 216/17
3. Überdies sind die amtsgerichtlichen Feststellungen zur Höhe der Geschwindigkeitsüberschreitung lückenhaft und bieten damit auch keine hinreichende Grundlage für die Prüfung des Rechtsfolgenausspruchs. Zwar teilt der Amtsrichter das angewandte Messverfahren mit, bei dem es sich um ein standardisiertes Messverfahren handelt. Es fehlen jedoch vollständige Angaben zu dem vorgenommenen Toleranzabzug. Dem Urteil ist lediglich zu entnehmen, dass ein solcher vorgenommen worden sein soll. Angaben zur Höhe fehlen hingegen. Aufgrund der ebenfalls fehlenden Angabe zur gemessenen tatsächlichen Geschwindigkeit lassen sich die Vornahme und die Höhe des Abzugs auch nicht mittelbar nachvollziehen. Dem Senat ist es somit insgesamt nicht möglich zu überprüfen, ob etwaige Fehlerquellen in ausreichendem Maße berücksichtigt worden sind. Insofern kann jedenfalls nicht ausgeschlossen werden, dass das Ausmaß der vorwerfbaren Geschwindigkeitsüberschreitung unterhalb der vom Amtsgericht angenommenen Geschwindigkeit liegt. In Anbetracht der Höhe des vorzunehmenden Toleranzabzuges und der vom Amtsgericht angenommenen Geschwindigkeit nahe der Grenze" zum nächstgeringeren Regeltatbestand ist daher auch nicht zu erkennen, ob die hinsichtlich der Bußgeldhöhe und insbesondere des Fahrverbots zugrunde gelegten Regelanordnungen rechtsfehlerfrei gewählt worden sind.
Einsender: RA P. Lauterbach, Solingen
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