Gericht / Entscheidungsdatum: OLG Jena, Urt. v. 31.01.2018 - 2 U 105/17
Leitsatz: 1. Die Leistung für eine Unfall- oder Pannenhilfe ist durch das Abschleppunternehmen mit demjenigen abzurechnen, der diese Leistung bestellt hat.
2. Hat das Mitglied eines Automobilclubs sich nach einem Unfall oder einer Panne an seinen Automobilclub gewandt mit der Bitte um Leistung der benötigten Hilfe im Rahmen der bestehenden Mitgliedschaft, und beauftragt der Automobilclub
einen als Straßendienstpartner tätigen Dritten mit der benötigten Hilfe, so ist der Automobilclub Besteller der vom Dritten erbrachten Werkleistung.
3. Lässt der Straßendienstpartner das havarierte Clubmitglied vor Ort einen Abtretungsvertrag unterzeichnen, so wird dieses Clubmitglied dadurch nicht Besteller der vom Straßendienstpartner erbrachten Werkleistung. Das Clubmitglied bzw. dessen Versicherer ist nicht verpflichtet, den Werklohn zu bezahlen.
4. Bereits gezahlte Leistungen der Unfall- oder Pannenhilfe kann der Versicherer im Wege der Durchgriffskondiktion vom Abschleppunternehmen zurückfordern.
5. Der Kfz-Versicherer kann vom Dritten verlangen es zu unterlassen, sich von den havarierten Clubmitgliedern vermeintliche Erstattungsansprüche gegen deren
Schutzbrief- oder Kaskoversicherung abtreten zu lassen, wenn diese ihren Automobilclub nach einer Panne oder einem Unfall um Hilfeleistung gebeten haben.
Verkündet am 31.01.2018
2 U 105/17
2 HKO 78/16 LG Erfurt
IM NAMEN DES VOLKES
Urteil
In dem Rechtsstreit
pp.
hat der 2. Zivilsenat des Thüringer Oberlandesgerichts in Jena durch die Vorsitzende Richterin am Oberlandesgericht
den Richter am Oberlandesgericht
und den Richter am Oberlandesgericht
auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 10.01.2018 für Recht erkannt:
1. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Landgerichts Erfurt vom 06.01.2017, Az. 2
HKO 78/16, abgeändert und wie folgt neu gefasst:
a) Die Beklagte wird verurteilt, es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes von bis zu 250.000,00 , ersatzweise Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, im Wiederholungsfall bis zu 2 Jahren, oder Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, zu vollziehen an der Geschäftsführerin der Beklagten, zu unterlassen, sich von Versicherungsnehmern der Klägerin, die Mitglied des ADAC sind oder in den Schutzbereich eine ADAC-Mitgliedschaft einbezogen sind, und die nach einer Panne oder einem Unfall den ADAC um Hilfeleistung bitten, deren vermeintliche Erstattungsansprüche aus einem Versicherungsverhältnis mit der Klägerin an sich abtreten zu lassen, wenn die Beklagte die Pannen-, Unfall oder Abschlepphilfe nicht im Auftrag des Havaristen erbracht hat.
b) Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 1.689,90 nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 OLG Jena: Abrechnung von Leistungen der Unfall- oder Pannenhilfe Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 21.06.2016 sowie vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 1.954,46 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit 21.06.2016 zu zahlen.
2. Die Berufung der Beklagten wird zurückgewiesen.
3. Die Kosten des Rechtsstreits insgesamt hat die Beklagte zu tragen.
4. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung wegen der Verurteilung zur Unterlassung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 50.000,00 abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 50.000,00 leistet. Die Beklagte kann die Vollstreckung wegen der Verurteilung zur Zahlung und der Kosten des Rechtsstreits durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120% des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 120% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
5. Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe:
I.
Die Klägerin bietet als Sachversicherer unter anderem Schutzbriefe an, die unter anderem Pannendienstleistungen erfassen. Die Beklagte ist ein Abschleppunternehmen, das unter anderem im Rahmen der Pannenhilfe des ADAC tätig wird.
Die Klägerin macht vorliegend Rückzahlungsansprüche und Unterlassungsansprüche geltend, die darauf beruhen, dass die Beklagte sich von solchen Havaristen, die bei der Klägerin schutzbriefversichert und Mitglieder des ADAC sind, Formulare unterzeichnen lässt (vgl. Anlagen K 9 und K 14), die unter anderem eine Abtretung von Ersatzansprüchen gegen die Klägerin beinhalten, die Beklagte daraufhin entsprechende Beträge bei der Klägerin einzieht, die dann von dieser an die Beklagte beglichen werden. Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes erster Instanz und der dort gestellten Anträge wird gemäß § 540 Abs. 1 Nr. 1 auf den Tatbestand des landgerichtlichen Urteils Bezug genommen.
Das Landgericht, auf dessen Entscheidung wegen der Begründung Bezug genommen wird, hat dem Zahlungsanspruch stattgegeben und die Unterlassungsansprüche abgewiesen. Hiergegen
richten sich die Berufungen beider Parteien. Die Beklagte macht geltend, entgegen der Auffassung des Landgerichts sei zwischen dem ADAC und der Beklagten nach Eingang eines Notrufs eines Havaristen kein Auftrag zu Stande gekommen. Der ADAC habe lediglich Informationen vermittelt. Dementsprechend prüfe die Beklagte erst am Schadensort die Leistungspflicht des ADAC sowie mögliche Einstandspflichten von Dritten. Jedenfalls habe sich die Beklagte einen Freistellungsanspruch des Havaristen abtreten lassen können. Bei der Beweiswürdigung habe das Landgericht insbesondere die vorgelegte Anlage B2 nicht vollständig gewürdigt. Auch habe das Landgericht eine Direktkondiktion nicht bejahen dürfen.
Die Unterlassungsansprüche seien vom Landgericht zu Recht abgewiesen worden. Insoweit verteidigt die Beklagte die landgerichtliche Entscheidung. Darüber hinaus trägt sie vor, dass ein Verstoß gegen § 3 RDG nicht vorliege. Die Mitarbeiter der Beklagten nähmen vor Ort keine rechtliche Prüfung im Einzelfall vor. Darüber hinaus sei anerkannt, dass die Einziehung abgetretener Erstattungsansprüche, zum Beispiel durch Kfz-Werkstätten, Mietwagenunternehmen oder Sachverständige gegenüber Dritten nicht unter § 2 Abs. 2 Satz 1 RDG falle.
Die Beklagte beantragt,
unter Abänderung des landgerichtlichen Urteils die Klage in vollem Umfange abzuweisen sowie die Berufung der Klägerin zurückzuweisen.
Die Klägerin beantragt zuletzt,
die Berufung der Beklagten zurückzuweisen sowie unter Abänderung des landgerichtlichen Urteils die Beklagte weiter zu verurteilen, es bei Meidung der üblichen Ordnungsmittel zu unterlassen, sich von Versicherungsnehmern der Klägerin, die Mitglied des ADAC sind oder in den Schutzbereich einer ADAC Mitgliedschaft einbezogen sind, und die nach einer Panne oder einem Unfall den ADAC um Hilfeleistung bitten, deren (vermeintliche) Erstattungsansprüche aus einem Versicherungsverhältnis mit der Klägerin an sich abtreten zu lassen, wenn die Beklagte die Pannen-, Unfall- oder Abschlepphilfe nicht im Auftrag des Havaristen erbracht hat,
hilfsweise
(1), es bei Meidung der üblichen Ordnungsmittel zu unterlassen, gegenüber einem Havaristen, der Mitglied des ADAC e.V. ist und zugleich über eine Schutzbrief- oder Kaskoversicherungen bei der Klägerin verfügt, zu behaupten, der ADAC e.V. sei aufgrund seiner Mitgliedsbedingungen wegen der zugleich existierenden Schutzbrief Versicherung bei der Klägerin nicht zur Hilfeleistung gegenüber dem Havaristen verpflichtet und sich vor diesem Hintergrund einen Auftrag zur Pannenhilfe vom Havaristen erteilen sowie dessen Ansprüche auf Übernahme der Kosten für die Pannenhilfe gegen die Klägerin aus der Schutzbriefversicherung erfüllungshalber abtreten zu lassen,
weiter hilfsweise
(2), es bei Meidung der üblichen Ordnungsmittel zu unterlassen, gegenüber einem Havaristen, der Mitglied des ADAC e.V. ist, erfüllungshalber abgetretene Ansprüche auf Kostenerstattung für eine von der Beklagten durchgeführte Pannenhilfe gegen die Klägerin als Schutzbriefversicherer des Havaristen geltend zu machen.
Die Klägerin macht geltend, das Landgericht hätte ein konkretes Wettbewerbsverhältnis bejahen müssen. Zumindest fördere die Beklagte durch ihre Handlungsweise den Wettbewerb des ADAC zulasten der Klägerin. Jedenfalls habe das Landgericht Unterlassungsansprüche aus §§ 1004 BGB analog in Verbindung mit § 263 StGB oder 823 BGB, jedenfalls im Zusammenhang mit § 3 RDG nicht verneinen dürfen. Die Vorgehensweise der Beklagten verstoße gegen § 3 RDG.
Im Übrigen verteidigt sie die landgerichtliche Entscheidung, soweit den Zahlungsanspruch stattgegeben worden war.
II.
1. Die Berufung der Beklagten ist zulässig, aber unbegründet, so dass sie zurückzuweisen war.
Das Landgericht hat die Beklagte zu Recht zur - der Höhe nach außer Streit stehenden - Zahlung verurteilt. Dass die vom ADAC eingeschalteten Abschleppunternehmen insoweit zur Rückzahlung verpflichtet sind, entspricht unter Zugrundelegung des von den Parteien vorgetragenen Sachverhaltes der einhelligen Auffassung der bislang mit diesen Angelegenheiten befassten Oberlandesgerichte, denen sich der Senat anschließt (OLG Köln WRP 2017, 1007; OLG München BeckRS 2017, 113578; vgl. im Ergebnis auch OLG Düsseldorf BeckRS 2017, 103128). Der Anspruch der Klägerin folgt aus § 812 Abs. 1 Satz 1 1. Alt. BGB. Die Zahlungen der Klägerin an die Beklagte erfolgten ohne Rechtsgrund, weil die Havaristen unter Berücksichtigung der konkreten Situation und der vorgelegten Formulare in keinem Falle die Beklagte wirksam und mit dem erforderlichen Erklärungsbewusstsein beauftragt haben (so OLG Köln WRP 2017,1007). Dass das Landgericht dabei die Anlage B 2 ihrem Inhalt nach unzureichend gewürdigt hat, ist nicht zutreffend, denn dort ist eine Erklärung zur Auftragserteilung nicht enthalten, vielmehr lediglich Erklärungen zur ordnungsgemäßen Durchführung des Abschleppvorgangs.
Ein abtretbarer Anspruch bestand außerdem deshalb auf keiner rechtlichen Grundlage, weil die Abtretungsvereinbarungen nach § 134 BGB in Verbindung mit § 3 RDG nichtig waren (vgl. dazu unter 2.; so auch OLG Düsseldorf BeckRS 2017,103128.) OLG Jena: Abrechnung von
Die Klägerin kann die ohne Rechtsgrund geleisteten Zahlungen auch direkt bei der Beklagten kondizieren. Dies ist unter Berücksichtigung der Besonderheiten des Falles sachgerecht. Dabei ist entscheidend zu berücksichtigen, dass allein die Beklagte als vermeintliche Zedentin die unrichtige Auszahlung veranlasst hat. Die Versicherungsnehmer wollten in den streitgegenständlichen Fällen die Klägerin überhaupt nicht in Anspruch nehmen, gleichwohl hat die Beklagte eine Abtretung veranlasst. Die Havaristen wollten und sollten erkennbar nicht mit der Zahlungsabwicklung befasst werden und haben insoweit auch keine Verantwortung für das Tun der Klägerin übernommen. Daher ist es interessengerecht, dass die Klägerin sich auch mit ihren Rückzahlungsansprüchen im Wege einer Durchgriffskondiktion an die Beklagte wenden darf (so auch OLG Köln aaO. und OLG München aaO.).
Der Kondiktionsanspruch der Klägerin ist aus den vom Landgericht zutreffend herangezogenen Gründen, die von der Berufung der Beklagten nicht beanstandet werden, nicht gemäß § 814 BGB ausgeschlossen (vgl. dazu außerdem auch OLG Köln WRP 2017, 1007).
Der Anspruch der Klägerin auf Erstattung der vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten hat seine Rechtsgrundlage in §§ 683, 677 BGB. Der Zinsanspruch der Klägerin folgt insoweit aus §§ 286 Abs. 1,288 Absatz 1 BGB.
2. Die Berufung der Beklagten ist zulässig und begründet und führt zur Abänderung der landgerichtlichen Entscheidung entsprechend dem zuletzt gestellten Hauptantrag der Klägerin.
a) Allerdings können Unterlassungsansprüche nicht auf § 8 Abs. 1 UWG gestützt werden. Ein dafür erforderliches konkretes Wettbewerbsverhältnis (§ 2 Abs. 1 Nr. 3 UWG) besteht zwischen den Parteien nicht.
Zwischen den Parteien besteht kein unmittelbares Wettbewerbsverhältnis. Mitbewerber ist jeder Unternehmer, der mit einem oder mehreren Unternehmern als Anbieter oder Nachfrager von Waren oder Dienstleistungen in einem konkreten Wettbewerbsverhältnis steht; ein konkretes Wettbewerbsverhältnis ist immer dann gegeben, wenn beide Parteien gleichartige Waren oder Dienstleistungen innerhalb desselben Endverbraucherkreises abzusetzen versuchen und daher das Wettbewerbsverhalten des einen den anderen beeinträchtigen, das heißt im Absatz behindern oder stören kann (BGH GRUR 2014, 573 Rn. 15 - Werbung für Fremdprodukte). Die von den Parteien angebotenen Dienstleistungen überschneiden sich in diesem Sinne nicht.
Die Beklagte fördert durch die konkret beanstandeten Handlungen auch nicht den Wettbewerb eines Dritten, nämlich des ADAC. Da das zu beurteilende Wettbewerbsverhalten den Anknüpfungspunkt für die Beurteilung der Mitbewerbereigenschaft eines Unternehmens bildet, könnte die Beklagte nur dann gegen den Fördernden vorgehen, sofern sie durch die Förderung des dritten Unternehmens in eigenen wettbewerbsrechtlich geschützten Interessen berührt ist (vgl. BGH GRUR 2014 Rn. 19 - Werbung für Fremdprodukte). Dies ist aber nicht der Fall. Es geht bei dem beanstandeten Verhalten lediglich darum, Zahlungspflichten zu verlagern, nicht aber insoweit den Wettbewerb des anderen zu beeinträchtigen oder zu beschränken und den eigenen Wettbewerb zu fördern, als es um den (Neu-)Abschluss von Versicherungen geht.
b) Unterlassungsansprüche, die auf § 823 BGB in Verbindung mit § 263 StGB oder einen Eingriff in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb gestützt werden, bestehen nicht, weil es, wie das Landgericht zu Recht ausgeführt hat, am Schädigungsvorsatz einerseits und am betriebsbezogenen Eingriff andererseits fehlt (vgl. OLG Köln WRP 2017, 1007). Der Senat teilt diese Auffassung uneingeschränkt und nimmt Bezug auf sie.
c) Allerdings besteht ein Unterlassungsanspruch nach § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 3 RDG (so auch OLG Düsseldorf BeckRS 2017, 103128).
aa) § 3 RDG ist Schutzgesetz im Sinne von § 823 Abs. 2 BGB (BGH GRUR 2202, 987, 989 -Wir Schuldenmacher).
bb) Es liegt zumindest ein Verstoß der Beklagten gegen § 2 Abs. 2 Satz 1 RDG vor, wobei es insoweit nicht auf das nur in Abs. 1 dieser Vorschrift genannte Tatbestandsmerkmal der
rechtlichen Prüfung im Einzelfall ankommt.
(1) Es handelt sich vorliegend um eine zum Zweck der Einziehung auf fremde Rechnung abgetretene Forderung. Aus dem eindeutigen Wortlaut der vorgelegten Abtretungserklärung (beispielhaft Anlage K 9 bzw. K 14) ergibt sich, dass es sich - zumindest im hier interessierenden Verhältnis - um eine Abtretung erfüllungshalber handelt. Die Einziehung erfüllungshalber abgetretener Forderungen ist stets Tätigkeit in einer fremden Angelegenheit. Denn unabhängig von formalen Rechtspositionen erfolgt die Einziehung überwiegend im Interesse des Zedenten (Deckenbrock/Henssler § 2 RDG Rn. 74; Kleine-Cosack § 2 RDG Rn. 102; noch zum RBerG vgl. BGH NJW 1967,1759). Dies wird auch von der Beklagten nicht mit Substanz in Abrede gestellt.
(2) Die Forderungseinziehung wird auch als eigenständiges Geschäft betrieben. Ein solches liegt vor, wenn die Forderungseinziehung innerhalb einer ständigen haupt- oder nebenberuflichen Inkassotätigkeit oder außerhalb einer solchen nicht lediglich als Nebenleistung im Zusammenhang mit einer anderen beruflichen Tätigkeit erfolgt (BGH NJW 2014, 847 Rn. 29; BGH NJW 2013, 59 Rn. 21 m.w.N.; BT-Drs. 16/3655, 49). Die Einziehung von Forderungen aus Versicherungsverträgen bildet zwar nicht das (ständige) Hauptgeschäft der Beklagten, weil sie ein Abschleppunternehmen ist. Jedoch erfolgt die Forderungseinziehung nicht lediglich als Nebenleistung im Zusammenhang mit ihrer beruflichen Tätigkeit. Sie ist - wegen des Gleichklangs der Voraussetzungen insoweit - daher auch nicht nach § 5 Abs. 1 RDG erlaubnisfrei.
(3) Bei der Einziehung einer erfüllungshalber abgetretenen Forderung handelt es sich nicht um eine Nebenleistung. Ob eine Nebenleistung vorliegt, ist anhand der in § 5 Abs. 1 Satz 2 RDG genannten Kriterien zu beurteilen. Ziel der Vorschrift ist es einerseits, diejenigen, die in einem nicht spezifisch rechts-dienstleistenden Beruf tätig sind, in ihrer Berufsausübung nicht zu behindern und andererseits den erforderlichen Schutz der Rechtsuchenden vor unqualifiziertem Rechtsrat zu gewährleisten (BGH GRUR 2016, 1189 Rn. 32 - Rechtsberatung durch Entwicklungsingenieur). Danach kommt es zum einen auf Umfang und Inhalt der Nebenleistung, zum anderen auf den erforderlichen sachlichen Zusammenhang und schließlich auf die für die Erbringung der Dienstleistung erforderliche juristische Qualifikation an (Deckenbrock/Henssler § 5 RDG Rn. 30). Jedenfalls an letzterem Prüfungskriterium scheitert die Bejahung einer Nebenleistung. Dabei gilt, dass je höher die Rechtskenntnisse sind, die für die Haupttätigkeit erforderlich sind, desto weiter auch die Rechtsdienstleistungskompetenzen im Bereich der Nebenleistungen reichen können (Deckenbrock/Henssler § 5 RDG Rn. 42 f.). Für das Hauptgeschäft der Beklagten als Abschleppunternehmen sind aber keinerlei, bestenfalls rudimentäre (Vertrags-)Rechtskenntnisse erforderlich. Jedenfalls kann keine Rede davon sein, dass die Haupttätigkeit irgendwie rechtlich geprägt ist.
Nach der vom Senat geteilten Auffassung des Oberlandesgerichts Düsseldorf (BeckRS 2017, 103128) kann vorliegend deshalb nicht von einer Nebenleistung ausgegangen werden, wenn und weil die Rechtslage in Bezug auf miteinander kollidierende Subsidiaritätsklauseln zu beurteilen ist. Diese Anforderungen an die juristische Qualifikation sind jedenfalls mit der Situation vergleichbar, dass ein Mietwagenunternehmen abgetretene Schadensersatzforderungen aus einem Verkehrsunfallereignis einzieht, bei dem nicht nur die Höhe, sondern auch der Grund des Anspruches streitig zu beurteilen sind (BGH NJW 2012,1005). Da im vorliegenden Falle eine komplexe Beurteilung der Einstandspflicht verschiedener in Betracht kommender Versicherer erforderlich ist, ist auch die Einziehung der abgetretenen Forderung ein erlaubnispflichtiges Geschäft und keine erlaubnisfreie Nebenleistung. Der Umstand, dass der einzelne Havarist nichts mit der Forderungseinziehung zu tun haben will, ändert daran nichts. Der Gesetzesbegründung zum RDG (vgl. BT-Drs. 16/3655, 49) ist zwar zu entnehmen, dass die Einziehung abgetretener Erstattungsansprüche durch Kfz-Werkstätten ebenso wenig unter § 2 RDG fallen soll wie die in einzelnen Fällen durchgeführte Einziehung erfüllungshalber abgetretener Ansprüche durch Ärzte, Psychotherapeuten oder andere freiberuflich tätige Personen. Diese nach dem Willen des Gesetzgebers vom Anwendungsbereich der Erlaubnispflicht ausgenommenen Fallkonstellationen liegen vorliegend aber gerade nicht, auch nicht in vergleichbarer Form, vor.
Begründet in Bezug auf das Unterlassungsbegehren der Klägerin ist der zuletzt gestellte, ausreichend bestimmte Hauptantrag. Zwar entspricht die Formulierung des Hilfsantrages zu 2 der durch das RDG verbotenen Handlung, weil der Vorgang der Einziehung nach den obigen Ausführungen einen Verstoß gegen §§ 3 Abs. 1, 2 Abs. 2 Satz 1 RDG darstellt. Das hindert aber nicht, dass bereits die vorhergehende Abtretung von dem Unterlassungsgebot erfasst werden kann. Zum einen sind Verträge, die die Abtretung zu Einziehungszecken zum Gegenstand haben, insgesamt nach § 134 BGB nichtig (Deckenbrock/Hennssler § 2 RDG Rn. 87). Dabei ist es ausreichend, dass die erlaubnispflichtige Tätigkeit bloß angeboten wird (BGH GRUR 2002, 985). Zum anderen müssen auch Vorgänge, die auf ein nach § 2 Abs. 2 RDG erlaubnispflichtiges Geschäft der Einziehung gerichtet sind, § 3 RDG unterfallen, womit auch die Abtretung als solche als der Einziehung vorangehender Teilakt von dem Unterlassungsgebot erfasst sein muss. Zweck des RDG ist es, die Rechtsuchenden vor ungeeigneten Rechtsberatern zu schützen. Dieser Schutzzweck wird berührt, wenn die Beklagte sich von Havaristen, die Versicherungsnehmer der Klägerin sind, im Rahmen der unerlaubten Einziehung (vorbereitend bzw. im Rahmen eines vorausgehenden, aber stets erforderlichen Teilaktes) deren Erstattungsansprüche abtreten lässt. Demgegenüber würde das unlautere Verhalten nicht vollständig erfasst, wenn allein die Einziehung, nicht aber die vermeintlich zur Einziehungsberechtigung führende Abtretung bzw. die Aufforderung zur Abtretung Gegenstand des Unterlassungsgebots wäre.
d) Da die ausgesprochene vorgerichtliche Abmahnung auch in Bezug auf das Unterlassungsbegehren berechtigt war, hat die Klägerin schließlich den von ihr mit der Berufung geltend gemachten Anspruch auf weitere Abmahnkosten in Höhe von 1.698,54 (§§ 683, 670 BGB) nebst Zinsen.
3. Daher war das landgerichtliche Urteil wie geschehen auf die Berufung der Klägerin entsprechend abzuändern, die Berufung der Beklagten dagegen zurückzuweisen. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91, 97 Abs. 1 ZPO. Soweit die Klägerin mit ihrem zuletzt gestellten Hauptantrag gegenüber den erstinstanzlich gestellten Anträgen eine Änderung des Klageantrags vorgenommen hat, hatte dieser in Bezug auf den Hauptantrag nur modifizierenden Charakter, weil er zusätzliche Elemente zur Gewährleistung der Bestimmtheit enthält. Eine (nach Auffassung des Senats nicht vorliegende) Klageänderung war zumindest sachdienlich und die Entscheidung konnte auf Tatsachen gestützt werden, die der Senat seiner Entscheidung über die Berufung ohnehin zugrunde zulegen hatte (§ 533 ZPO). Im Übrigen sind durch die Klageänderung keine besonderen Kosten entstanden (§ 92 Abs. 2 ZPO). Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 708 Nr. 10,711 ZPO.
Die Revision war nicht zuzulassen (§ 543 Abs. 2 ZPO). Die Rechtssache betrifft einen Einzelfall auf der Grundlage anerkannter höchstrichterlicher Rechtsprechung. Soweit der Senat einen Verstoß gegen § 3 RDG bejaht hat, liegt eine Abweichung von (oberlandes) gerichtlichen Entscheidungen, die sich mit Fragen im Zusammenhang mit § 2 Abs. 2 RDG befasst haben, nicht vor.
Einsender: entnommen Beck-online
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