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Entscheidungen

Gebühren

Vermögensabschöpfung, neues Recht, zusätzliche Verfahrensgebühr

Gericht / Entscheidungsdatum: LG Berlin, Beschl. v. 26.03.2018 - 537 Qs 26/18

Leitsatz: Zum Anfall der zusätzlichen Verfahrensgebühr Nr. 4142 VV RVG nach dem neuen Recht der Vermögensabschöpfung.


Landgericht Berlin
Beschluss
537 Qs 26/18

In der Strafsache
gegen pp.
Verteidiger
wegen Betruges
hat die 37. große Strafkammer des Landgerichts Berlin durch den Richter am Landgericht als Einzelrichter am 26. März 2018 beschlossen:

Auf die Beschwerde des Verteidigers wird der Beschluss des Amtsgerichts Tiergarten vom 4. Dezember 2017 aufgehoben, soweit damit die Festsetzung zu erstattender Gebühren und Auslagen über die Summe von 1.077,37 € hinaus abgelehnt wurde.

Die von der Landeskasse an den Verteidiger des Angeklagten zu erstattenden Gebühren und Auslagen werden in Höhe weiterer 447,00 € nebst 19 % Umsatzsteuer festgesetzt.

Das Verfahren ist gebührenfrei; außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.

Gründe:

Das Amtsgericht Tiergarten verurteilte den Angeklagten am 28. August 2017 wegen Betruges in drei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 2 Jahren, deren Vollstreckung es zur Bewährung aussetzte, und ordnete die Einziehung des Wertes des Erlangten in Höhe von 120.000,00 € an. Mit Antrag vom selben Tag beantragte der Pflichtverteidiger, Gebühren und Auslagen in Höhe von 1.352,35 € netto (1.609,30 brutto) festzusetzen. In dem Betrag enthalten ist eine Verfahrensgebühr gem. Nr. 4142 VV RVG in Höhe von 447,00 € netto. Der Kostenbeamte des Amtsgerichts setzte die aus der Landeskasse zu zahlende Vergütung auf 1.077,37 € brutto fest. Abgesetzt wurde die beantragte Gebühr gem. Nr. 4142 VV RVG nebst anteiliger Umsatzsteuer mit der Begründung, diese Gebühr entstehe nicht für „Wertersatz, wenn er den Charakter eines zivilrechtlichen Schadensersatzes hat". Dagegen wendete sich der Verteidiger mit seiner Erinnerung vom 8. Dezember 2017. Zur Begründung führte er an, nach geltender Rechtslage seit dem 1. Juli 2017 sehe das StGB lediglich die Einziehung vor, so dass Nr. 4142 VV RVG einschlägig sei. Das Amtsgericht wies die Erinnerung mit Beschluss vom 10. Januar 2018 mit der Begründung zurück, die Einziehung des Wertersatzes habe den Charakter eines strafrechtlichen Schadensersatzes. Dagegen richtet sich die am 20. Februar 2018 eingegangene Beschwerde des Verteidigers.

Die Beschwerde ist zulässig. Sie ist nach § 56 Abs. 2 i. V. m. § 33 Abs. 3 bis 8 RVG das statthafte Rechtsmittel gegen die Erinnerung und innerhalb der Frist des § 33 Abs. 3 §. 3 RVG eingelegt worden.

Die Beschwerde hat auch in der Sache Erfolg. Die Voraussetzungen des Gebührentatbestandes
Nr. 4142 VV RVG liegen vor. Danach entsteht die Gebühr u. a. für eine Tätigkeit für den Beschuldigten, die sich auf eine Einziehung bezieht. Das ist hier der Fall. Der Verteidiger hat den Angeklagten in der Hauptverhandlung in vollem Umfang vertreten und ist daher auch hinsichtlich der vom Amtsgericht angeordneten Einziehung des Wertes des Erlangten nach §§ 73 Abs. 1, 73c, 73d StGB n. F. tätig geworden.
Es kann dahinstehen, ob die Einziehung des Wertersatzes hier den Charakter eines strafrechtlichen Schadenersatzes hat, wie das Amtsgericht meint. Dies steht einer Anwendung der hier in Rede stehenden Gebührenvorschrift jedenfalls nicht entgegen. Dem Wortlaut der Nr. 4142 VV RVG ist eine entsprechende Einschränkung nicht zu entnehmen. Der Sinn und Zweck der Neuregelung der Opferentschädigung im Gesetz zur Reform der strafrechtlichen Vermögensabschöpfung, das zum 1. Juli 2017 in Kraft getreten ist, spricht ebenfalls dafür, Schadensersatzansprüche bei der Anwendung der Gebührenvorschrift außer Betracht zu lassen. Infolge der Streichung des § 73 Abs. 1 §. 2 StGB kann der Tatertrag oder ein dessen Wert entsprechender Geldbetrag nunmehr auch dann abgeschöpft werden, wenn Schadensersatzansprüche von Tatgeschädigten im Raum stehen (vgl. BT Drucksache 18/9525 §. 49). Danach wird ein Verteidiger mit Fragen der Einziehung unabhängig davon befasst, ob Ansprüche von Tatgeschädigten in Betracht kommen, so dass es nur folgerichtig ist, diese Ansprüche bei der Anwendung der Gebührenvorschrift außen vor zu lassen.

Soweit vor Inkrafttreten des Gesetzes zur Reform der strafrechtlichen Vermögensabschöpfung die Auffassung vertreten wurde, die Gebührenvorschrift der Nr. 4142 VV RVG sei nicht anwendbar bei Wertersatz, wenn er den Charakter eines zivilrechtlichen Schadensersatzes habe (vgl. Gerold/ Schmidt/Burhoff, RVG, 23. Aufl. 2017, W 4142, Rn. 8; LG Saarbrücken, Beschluss vom 10. Januar 2012 - 2 Qs 18/1 1 -, Rn. 7, juris•, a. A. OLG Stuttgart, Beschluss vom 22. April 2014 – 1 Ws 212/13 - Rn. 11), dürfte dies angesichts der Gesetzesänderung überholt sein. Diese Auffassung beruhte im Wesentlichen auf der nach alter Rechtslage vorzunehmenden Unterscheidung zwischen Einziehung und Verfall, die sich infolge der unterschiedslosen Bezeichnung der Anordnungen gemäß §§ 73 ff. StGB n. F. als „Einziehung" erledigt hat (vgl. LG Berlin, Beschluss vom 16. Januar 2018 — 501 Qs 127/17 —, Rn. 7, juris, mit zustimmender Anmerkung von Burhoff unter http://blog.burhoff.de/2018/01 /achtung-hier-die-erstegebuehrenentscheidung-zur-neuen-einziehung-nach-neuem-recht/).

Die Kostenentscheidung folgt aus § 56 Abs. 2 Satz 2 und 3 RVG.


Einsender: RA M. Greisner, Berlin

Anmerkung:


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