Gericht / Entscheidungsdatum: BGH, Beschl. v. 24.01.2018 - VII ZB 60/17
Leitsatz: 1. Die unterliegende Partei trifft keine prozessuale Kostenerstattungspflicht nach § 91 ZPO gegenüber der obsiegenden Partei bezüglich einer von dieser gemäß § 3a RVG vereinbarten Vergütung, soweit diese die gesetzliche Vergütung übersteigt.
2. Eine vom Rechtsanwalt im Einzelfall gezahlte Prämie für eine Anschlussdeckung zur Vermögensschadenshaftpflichtversicherung löst, soweit die Prämie auf Haftungsbeträge bis 30 Mio. entfällt, keinen gesetzlichen Vergütungsanspruch aus.
In pp.
Die Rechtsbeschwerde der Beklagten gegen den Beschluss des 6. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Bamberg vom 3. Juli 2017 wird zurückgewiesen.
Die Beklagten tragen die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens.
Gründe
I.
Die Beklagten möchten, soweit für das Rechtsbeschwerdeverfahren von Interesse, im Rahmen der Kostenfestsetzung für die erste Instanz Zahlungen betreffend Prämien für eine anwaltliche Vermögensschadenshaftpflichtversicherung berücksichtigt wissen.
Im Ausgangsrechtsstreit wurden die beiden Beklagten samtverbindlich von der Klägerin auf Zahlung von Schadensersatz in Höhe von 3.218.541,98 nebst Zinsen in Anspruch genommen.
Das Landgericht wies die Klage mit Urteil vom 28. Juli 2015, das rechtskräftig geworden ist, ab. Die Kosten des Rechtsstreits legte das Landgericht der Klägerin auf.
Im Kostenfestsetzungsverfahren haben die Beklagten den Ansatz von Kosten in Höhe von 4.819,30 für eine Anschlussdeckung der Beklagtenvertreter bezüglich deren Vermögensschadenshaftpflichtversicherung geltend gemacht und hierzu ausgeführt, die Beklagtenvertreter würden einen Stammvertrag mit einer Deckungssumme in Höhe von 2 Mio. unterhalten; aufgrund des hohen Streitwerts hätten die Beklagten mit den Beklagtenvertretern vereinbart, dass vorsorglich eine Einzelfallabsicherung über weitere 1,5 Mio. abgeschlossen werde und dass die hierauf entfallende Prämie Bestandteil der geschuldeten Vergütung sei.
Mit Kostenfestsetzungsbeschluss vom 19. Oktober 2015 hat das Landgericht die von der Klagepartei an die Beklagten als Gesamtgläubiger zu erstattenden Anwaltskosten für die erste Instanz auf 32.036,23 festgesetzt; dabei hat es eine Berücksichtigung der Kosten für die Haftpflichtversicherung abgelehnt.
Gegen diesen Beschluss haben die Beklagten sofortige Beschwerde eingelegt.
Mit Beschluss vom 3. Juli 2017 hat das Beschwerdegericht die sofortige Beschwerde der Beklagten gegen den Beschluss des Landgerichts vom 19. Oktober 2015 zurückgewiesen.
Mit der vom Beschwerdegericht zugelassenen Rechtsbeschwerde verfolgen die Beklagten ihren Kostenfestsetzungsantrag weiter; sie begehren die Festsetzung von weiteren 4.819,30 wegen der Kosten für die Anschlussdeckung bezüglich der Vermögensschadenshaftpflichtversicherung.
II.
Die aufgrund der Zulassung durch das Beschwerdegericht statthafte und auch im Übrigen zulässige Rechtsbeschwerde der Beklagten ist nicht begründet.
1. Das Beschwerdegericht hat im Wesentlichen ausgeführt:
Die zulässige sofortige Beschwerde sei unbegründet. Eine prozessuale Kostenerstattungspflicht der Klägerin gemäß § 91 ZPO bestehe nicht.
Die geltend gemachten Versicherungskosten unterfielen nicht den gesetzlichen Rechtsanwaltsgebühren, die der obsiegenden Partei gemäß § 91 Abs. 2 Satz 1 ZPO stets zu erstatten seien.
Welche Kosten zu den gesetzlichen Gebühren des Rechtsanwalts zählten, ergebe sich aus dem Rechtsanwaltsvergütungsgesetz. Nach Vorbemerkung 7 Abs. 1 des Vergütungsverzeichnisses (Anlage 1 zu § 2 Abs. 2 RVG, im Folgenden: RVG-VV) würden die allgemeinen Geschäftskosten des Rechtsanwalts grundsätzlich durch die Gebühren abgegolten, soweit nicht in den Nummern 7000 bis 7008 RVG-VV eine besondere Regelung getroffen sei. Eine solche enthalte Nr. 7007 RVG-VV in Bezug auf Kosten für eine Haftpflichtversicherung für Vermögensschäden. Eine im Einzelfall gezahlte Prämie für eine Haftpflichtversicherung könne in voller Höhe in Rechnung gestellt werden, soweit sie auf Haftungsbeträge von mehr als 30 Mio. entfalle. Daraus folge, dass Prämien für Haftungsbeträge unter 30 Mio. nicht abgerechnet werden könnten, soweit nicht eine gesonderte Vergütungsvereinbarung gemäß § 3a RVG getroffen worden sei.
Zwar sei im vorliegenden Fall eine Vergütungsvereinbarung nach § 3a RVG zwischen den Beklagten und ihrem Prozessvertreter bezüglich der Prämien für die Haftpflichtversicherung geschlossen worden. Es sei daher im Innenverhältnis von einem Erstattungsanspruch des Beklagtenvertreters gegenüber den Beklagten auszugehen. Gleichwohl folge hieraus kein prozessualer Kostenerstattungsanspruch der Beklagten gemäß § 91 Abs. 1 ZPO gegen die Klägerin.
Nach nahezu einhelliger Meinung in Rechtsprechung und Literatur seien höhere als die gesetzlichen Beträge grundsätzlich nicht erstattungsfähig. Während teilweise vertreten werde, dass eine geschlossene Vergütungsvereinbarung im Kostenfestsetzungsverfahren generell unbeachtlich sein solle, werde überwiegend nicht ausgeschlossen, dass im Einzelfall auch eine über die gesetzlichen Gebühren hinausgehende vereinbarte Vergütung nach § 91 Abs. 1 ZPO zu erstatten sein könne. Die genannte Streitfrage müsse im vorliegenden Fall nicht entschieden werden. Denn auch nach der weitergehenden Auffassung, wonach im Einzelfall eine Erstattungsfähigkeit gegeben sein könne, sei in der vorliegenden Konstellation ein prozessualer Kostenerstattungsanspruch der Beklagten nicht gegeben.
Gegen eine Erstattungsfähigkeit spreche zunächst die gesetzgeberische Wertung, dass Prämien für eine Haftpflichtversicherung zu den allgemeinen Geschäftskosten zählten und damit durch die allgemeinen Gebühren abgedeckt seien, soweit es um Haftungsbeträge unter 30 Mio. gehe (Nr. 7007 RVG-VV). Würde man die Erstattungsfähigkeit von Prämienzahlungen für Haftungsbeträge unter 30 Mio. bejahen, soweit diese Gegenstand einer Vergütungsvereinbarung gemäß § 3a RVG seien, unterliefe man diese gesetzgeberische Wertung. Zwar sei es richtig, dass eine Pflicht zum Abschluss einer Vermögensschadenshaftpflichtversicherung nur bis zu einer Deckungssumme bis 250.000 bestehe, § 51 Abs. 4 Satz 1 BRAO. Es gebe jedoch keinen Anhaltspunkt dafür, dass dieser Umstand bei Erlass des Auslagentatbestands Nr. 7007 RVG-VV vom Gesetzgeber nicht berücksichtigt worden sei.
Schließlich würde ein Anreiz für Rechtsanwälte geschaffen, Haftpflichtversicherungsschutz nur noch bis zur vorgeschriebenen Deckungssumme vorzuhalten und für höhere Gegenstandswerte Vergütungsvereinbarungen abzuschließen, um so allgemeine Geschäftskosten auf den Prozessgegner beziehungsweise den Mandanten zu verlagern.
2. Diese Beurteilung hält der rechtlichen Überprüfung im Ergebnis stand. Zutreffend hat das Beschwerdegericht angenommen, dass keine prozessuale Kostenerstattungspflicht der Klägerin nach § 91 ZPO bezüglich der den Gegenstand der Vergütungsvereinbarung bildenden Kosten der Anschlussdeckung besteht.
a) Nach § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO hat die unterliegende Partei die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, insbesondere die dem Gegner erwachsenen Kosten zu erstatten, soweit sie zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung notwendig waren. Nach § 91 Abs. 2 Satz 1 ZPO sind die gesetzlichen Gebühren und Auslagen des Rechtsanwalts der obsiegenden Partei in allen Prozessen zu erstatten.
Hinsichtlich des prozessualen Kostenerstattungsanspruchs nach § 91 Abs. 2 Satz 1 ZPO gehen die Rechtsprechung und die Literatur fast einhellig davon aus, dass als erstattungsfähige "gesetzliche Gebühren und Auslagen" lediglich die Regelsätze des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes zu erstatten sind und nicht ein aufgrund einer Honorarvereinbarung mit dem Rechtsanwalt übersteigendes Honorar (BGH, Urteil vom 16. Juli 2015 - IX ZR 197/14, NJW 2015, 3447 Rn. 56; offengelassen von BGH, Beschluss vom 13. November 2014 - VII ZB 46/12, NJW 2015, 633 Rn. 18 f. mit Nachweisen des Streitstands; vgl. auch BGH, Urteil vom 23. Januar 2014 - III ZR 37/13, BGHZ 200, 20 Rn. 49) und dass die unterliegende Partei Mehrkosten aufgrund eines vereinbarten Honorars auch nicht nach § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO zu erstatten hat (vgl. BGH, Beschluss vom 14. September 2004 - VI ZB 22/04, NJW-RR 2005, 499, juris Rn. 8; Rosenberg/Schwab/Gottwald, Zivilprozessrecht, 17. Aufl., § 85 Rn. 14; BVerfGE 118, 1, 18 f., juris Rn. 75 ff., zur Anbindung der Erstattungspflicht an die gesetzliche Vergütung; Hau, JZ 2011, 1047, 1050; a.M. Gerold/Schmidt/Mayer, RVG, 23. Aufl., § 3a Rn. 75).
Diese Auffassung ist unter Berücksichtigung der Gesetzgebungsgeschichte (vgl. dazu Hau, aaO S. 1049 f.) zutreffend. § 87 Abs. 2 Satz 1 der Civilprozeßordnung vom 30. Januar 1877 (RGBl. S. 83, 98) sieht - ebenso wie § 91 Abs. 2 Satz 1 der Civilprozeßordnung in der vom 1. Januar 1900 an geltenden Fassung (RGBl. 1898 S. 369, 426) - vor, dass "die Gebühren und Auslagen des Rechtsanwalts der obsiegenden Partei
in allen Prozessen zu erstatten" sind. Die Möglichkeit, eine vereinbarte Vergütung, soweit diese die gesetzliche Vergütung übersteigt, im Wege der prozessualen Kostenerstattung auf die unterliegende Partei abzuwälzen, wird in § 94 der Gebührenordnung für Rechtsanwälte in der Fassung der Bekanntmachung vom 5. Juli 1927 (RGBl. I S. 162, 170; im Folgenden: RAGebO), die bereits Vergütungsvereinbarungen zwischen Rechtsanwalt und Auftraggeber zuließ (vgl. § 93 RAGebO), ausdrücklich ausgeschlossen (vgl. Hau, aaO S. 1049; Walter/Joachim/Friedlaender, Gebührenordnung für Rechtsanwälte, 9. Aufl., § 94 Rn. 1).
Die im Jahr 1957 in Kraft getretene Bundesgebührenordnung für Rechtsanwälte (BGBl. 1957 I S. 861, 907) enthält eine § 94 RAGebO entsprechende Vorschrift nicht. Stattdessen wurde § 91 Abs. 2 Satz 1 ZPO durch Einfügung des Wortes "gesetzlichen" dahin gefasst, dass die "gesetzlichen Gebühren und Auslagen des Rechtsanwalts der obsiegenden Partei
in allen Prozessen zu erstatten" sind (BGBl. 1957 I S. 931). In der Entwurfsbegründung (BT-Drucks. 2/2545, S. 282) wird hierzu ausgeführt, in den § 91 Abs. 2 ZPO würden die Vorschriften eingefügt, die bisher unter anderem in § 94 RAGebO enthalten gewesen seien; diese Vorschriften gehörten in die Zivilprozessordnung, weil sie nicht das Verhältnis des Rechtsanwalts zum Auftraggeber, sondern die Kostenerstattung zwischen den Parteien regelten. Danach sollte es dabei bleiben, dass die unterliegende Partei bezüglich einer vereinbarten Vergütung, soweit diese die gesetzliche Vergütung übersteigt, keine prozessuale Kostenerstattungspflicht trifft.
Es ist nicht ersichtlich, dass der Gesetzgeber hiervon abrücken wollte, als im Jahr 2004 das Rechtsanwaltsvergütungsgesetz an die Stelle der Bundesgebührenordnung für Rechtsanwälte getreten ist (vgl. Hau, JZ 2011, 1047, 1050). Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus der im Jahr 2008 in das Rechtsanwaltsvergütungsgesetz eingefügten Vorschrift des § 3a Abs. 1 Satz 3 RVG. Danach hat eine Vereinbarung über die Vergütung einen Hinweis unter anderem darauf zu enthalten, dass die gegnerische Partei im Falle der Kostenerstattung regelmäßig nicht mehr als die gesetzliche Vergütung erstatten muss. Die Gesetzesbegründung zu § 3a RVG geht insoweit davon aus, dass die rechtsuchende Person die vereinbarte Vergütung, soweit diese die gesetzliche Vergütung übersteigt, grundsätzlich selbst tragen muss (vgl. BT-Drucks. 16/8384, S. 10). Es kann nicht angenommen werden, dass der Gesetzgeber mit der bloßen Statuierung einer Hinweispflicht in § 3a Abs. 1 Satz 3 RVG die Regeln der prozessualen Kostenerstattung gemäß § 91 ZPO abändern wollte. Der Hinweis darauf, dass die gegnerische Partei im Falle der Kostenerstattung "regelmäßig" nicht mehr als die gesetzliche Vergütung erstatten muss, ist auch dann sinnvoll, wenn die unterliegende gegnerische Partei keine prozessuale Kostenerstattungspflicht bezüglich einer vereinbarten Vergütung, soweit diese die gesetzliche Vergütung übersteigt, trifft. Denn nach der Rechtsprechung kann derjenige, der sich schadensersatzpflichtig gemacht hat, in bestimmten Fällen materiellrechtlich verpflichtet sein, höhere Aufwendungen aus einer anwaltlichen Honorarvereinbarung zu erstatten (vgl. BGH, Urteil vom 16. Juli 2015 - IX ZR 197/14, NJW 2015, 3447 Rn. 58; Urteil vom 23. Oktober 2003 - III ZR 9/03, NJW 2003, 3693, 3697, juris Rn. 49; Urteil vom 14. Mai 1962 - III ZR 39/61, LM § 839 (D) BGB Nr. 18 Bl. 2, juris Rn. 11).
b) Nach diesen Grundsätzen besteht im Streitfall keine prozessuale Kostenerstattungspflicht der Klägerin bezüglich der den Gegenstand der Vergütungsvereinbarung bildenden Kosten der Anschlussdeckung zur Vermögensschadenshaftpflichtversicherung. Diese Kosten gehören nicht zu den gesetzlichen Auslagen.
Zur gesetzlichen Vergütung eines Rechtsanwalts zählen neben den Gebühren auch die Auslagen (§ 1 Abs. 1 Satz 1 RVG). Was zu den Auslagen zählt, ist in Teil 7 RVG-VV aufgelistet. Nach Vorbemerkung 7 Abs. 1 Satz 1 RVG-VV werden mit den Gebühren auch die allgemeinen Geschäftskosten entgolten. Nach Vorbemerkung 7 Abs. 1 Satz 2 RVG-VV kann der Rechtsanwalt Ersatz der entstandenen Aufwendungen (§ 675 i.V.m. § 670 BGB) verlangen, soweit nachfolgend nichts anderes bestimmt ist. Nr. 7007 RVG-VV statuiert einen Auslagentatbestand bezüglich einer im Einzelfall gezahlten Prämie für eine Haftpflichtversicherung für Vermögensschäden, soweit die Prämie auf Haftungsbeträge von mehr als 30 Mio. entfällt. Diese Vorschrift steht im Zusammenhang mit der Einführung einer allgemeinen Wertgrenze in § 22 Abs. 2 RVG (vgl. BT-Drucks. 15/1971, S. 232). Eine gezahlte Prämie für eine generelle Haftpflichtversicherung für Vermögensschäden ist, soweit die Prämie auf Haftungsbeträge bis 30 Mio. entfällt, den allgemeinen Geschäftskosten im Sinne der Vorbemerkung 7 Abs. 1 Satz 1 RVG-VV zuzurechnen (vgl. AnwK-RVG/N. Schneider, 8. Aufl., VV 7007 Rn. 2, 9). Für eine im Einzelfall gezahlte Prämie für eine Haftpflichtversicherung für Vermögensschäden kann der Rechtsanwalt, soweit die Prämie auf Haftungsbeträge bis 30 Mio. entfällt, nicht nach Vorbemerkung 7 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. § 675 i.V.m. § 670 BGB Ersatz verlangen, weil nachfolgend etwas anderes bestimmt ist (Vorbemerkung 7 Abs. 1 Satz 2 erster Halbsatz RVG-VV). Der Auslagentatbestand in Nr. 7007 RVG-VV ist vom Gesetzgeber nach dem Regelungszusammenhang als abschließender Auslagentatbestand für den Bereich der Kosten von Vermögensschadenshaftpflichtversicherungen konzipiert worden (vgl. Gerold/Schmidt/Müller-Rabe, RVG, 23. Aufl., Vorb. 7 Rn. 15 sowie AnwK-RVG/N. Schneider, aaO, VV Vorb. 7 Rn. 16 und VV 7007 Rn. 6 Beispiel 1). Der Umstand, dass die Mindestversicherungssumme für die Berufshaftpflichtversicherung des Rechtsanwalts nach § 51 Abs. 4 Satz 1 BRAO 250.000 für jeden Versicherungsfall beträgt, ändert daran nichts. Eine im Einzelfall gezahlte Prämie für eine Haftpflichtversicherung für Vermögensschäden ist, soweit die Prämie auf Haftungsbeträge bis 30 Mio. entfällt, danach - vorbehaltlich einer Vergütungsvereinbarung - vom Auftraggeber nicht zu erstatten (vgl. Gerold/Schmidt/Müller-Rabe, aaO, VV 7007 Rn. 2 m.w.N., ohne Unterscheidung zwischen generellen und einzelfallbezogenen Haftpflichtversicherungen).
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
BGH: Keine prozessuale Kostenerstattungspflicht bei einer die gesetzliche Vergütung übersteigenden Vergütungsvereinbarung
ZPO § 91 I 1, II 1; RVG § 3 a
1. Die unterliegende Partei trifft keine prozessuale Kostenerstattungspflicht nach § 91 ZPO gegenüber der obsiegenden Partei bezüglich einer von dieser gemäß § 3a RVG vereinbarten Vergütung, soweit diese die gesetzliche Vergütung übersteigt.
2. Eine vom Rechtsanwalt im Einzelfall gezahlte Prämie für eine Anschlussdeckung zur Vermögensschadenshaftpflichtversicherung löst, soweit die Prämie auf Haftungsbeträge bis 30 Mio. entfällt, keinen gesetzlichen Vergütungsanspruch aus. (Leitsätze des Gerichts)
BGH, Beschluss vom 24.01.2018 - VII ZB 60/17, BeckRS 2018, 2606
Anmerkung von Hans-Jochem Mayer
Sachverhalt
Im Ausgangsrechtsstreit wurden die beiden Beklagten samtverbindlich von der Klägerin auf Zahlung von Schadensersatz iHv 3.218.542 EUR nebst Zinsen in Anspruch genommen. Das Landgericht wies die Klage mit Urteil vom 28.7.2015, das rechtskräftig wurde, ab. Die Kosten des Rechtsstreits legte das Landgericht der Klägerin auf. Im Kostenfestsetzungsverfahren machten die Beklagten den Ansatz von Kosten iHv 4.819 EUR für eine Anschlussdeckung der Beklagtenvertreter bezüglich deren Vermögensschadenshaftpflichtversicherung geltend und führten hierzu aus, die Beklagtenvertreter würden einen Stammvertrag mit einer Deckungssumme iHv 2 Mio. EUR unterhalten; aufgrund des hohen Streitwerts hätten die Beklagten mit den Beklagtenvertretern vereinbart, dass vorsorglich eine Einzelfallabsicherung über weitere 1,5 Mio. EUR abgeschlossen werde und dass die hierauf entfallende Prämie Bestandteil der geschuldeten Vergütung sei. Mit Kostenfestsetzungsbeschluss setzte das Landgericht die von der Klagepartei an die Beklagten als Gesamtgläubiger zu erstattenden Anwaltskosten für die erste Instanz auf 32.036 EUR fest, dabei lehnte es eine Berücksichtigung der Kosten für die Haftpflichtversicherung ab. Gegen diesen Beschluss legten die Beklagten sofortige Beschwerde ein. Das Beschwerdegericht wies die sofortige Beschwerde der Beklagten zurück. Mit der vom Beschwerdegericht zugelassenen Rechtsbeschwerde verfolgten die Beklagten ihren Kostenfestsetzungsantrag weiter; sie begehrten die Festsetzung von weiteren 4.819 EUR wegen der Kosten für die Anschlussdeckung bezüglich der Vermögensschadenshaftpflichtversicherung. Die Rechtsbeschwerde hatte vor dem BGH keinen Erfolg.
Rechtliche Wertung
Hinsichtlich des prozessualen Kostenerstattungsanspruchs nach § 91 II 1 ZPO gingen die Rechtsprechung und die Literatur fast einhellig davon aus, dass als erstattungsfähige gesetzliche Gebühren und Auslagen lediglich die Regelsätze des RVG zu erstatten seien und nicht ein aufgrund einer Honorarvereinbarung mit dem Rechtsanwalt übersteigendes Honorar und, dass die unterliegende Partei Mehrkosten aufgrund eines vereinbarten Honorars auch nicht nach § 91 I 1 ZPO zu erstatten habe. Diese Auffassung sei unter Berücksichtigung der Gesetzgebungsgeschichte zutreffend. § 87 II 1 der Civilprozeßordnung vom 30.1.1877 sehe ebenso wie § 91 II 1 der Civilprozeßordnung in der vom 1.1.1900 an geltenden Fassung vor, dass die Gebühren und Auslagen des Rechtsanwalts der obsiegenden Partei
in allen Prozessen zu erstatten seien. Die Möglichkeit, eine vereinbarte Vergütung, soweit diese die gesetzliche Vergütung übersteige, im Wege der prozessualen Kostenerstattung auf die unterliegende Partei abzuwälzen, werde in § 94 der Gebührenordnung für Rechtsanwälte in der Fassung der Bekanntmachung vom 5.7.1927, die bereits Vergütungsvereinbarungen zwischen Rechtsanwalt und Auftraggeber zuließ (vgl. § 93 RAGebO), ausdrücklich ausgeschlossen.
Die im Jahr 1957 in Kraft getretene Bundesgebührenordnung für Rechtsanwälte enthalte eine § 94 RAGebO entsprechende Vorschrift nicht. Stattdessen sei § 91 II 1 ZPO durch Einfügung des Wortes gesetzlichen dahin gefasst worden, dass die gesetzlichen Gebühren und Auslagen des Rechtsanwalts der obsiegenden Partei
in allen Prozessen zu erstatten seien. In der Entwurfsbegründung werde hierzu ausgeführt, in den § 91 II ZPO würden die Vorschriften eingefügt, die bisher ua in § 94 RAGebO enthalten gewesen seien; diese Vorschriften gehörten in die Zivilprozessordnung, weil sie nicht das Verhältnis des Rechtsanwalts zum Auftraggeber, sondern die Kostenerstattung zwischen den Parteien regelten. Danach habe es dabei bleiben sollen, dass die unterliegende Partei bezüglich einer vereinbarten Vergütung, soweit diese die gesetzliche Vergütung übersteige, keine prozessuale Kostenerstattungspflicht treffe.
Es sei nicht ersichtlich, dass der Gesetzgeber hiervon abrücken wollte, als im Jahr 2004 das RVG an die Stelle der Bundesgebührenordnung für Rechtsanwälte getreten sei. Etwas anderes ergebe ich auch nicht aus der im Jahr 2008 in das RVG eingefügten Vorschrift des § 3 a I 3 RVG. Danach habe eine Vereinbarung über die Vergütung einen Hinweis ua darauf zu enthalten, dass die gegnerische Partei im Falle der Kostenerstattung regelmäßig nicht mehr als die gesetzliche Vergütung erstatten müsse. Die Gesetzesbegründung zu § 3 a RVG gehe insoweit davon aus, dass die rechtsuchende Person die vereinbarte Vergütung, soweit diese die gesetzliche Vergütung übersteige, grundsätzlich selbst tragen müsse. Es könne nicht angenommen werden, dass der Gesetzgeber mit der bloßen Statuierung einer Hinweispflicht in § 3 a I 3 RVG die Regeln der prozessualen Kostenerstattung gem. § 91 ZPO abändern wollte.
Nach diesen Grundsätzen bestehe im Streitfall keine prozessuale Kostenerstattungspflicht der Klägerin bezüglich der den Gegenstand der Vergütungsvereinbarung bildenden Kosten der Anschlussdeckung zur Vermögensschadenshaftpflichtversicherung. Diese Kosten gehörten nicht zu den gesetzlichen Auslagen.
Praxistipp
Während man noch nach der Entscheidung des BGH (BeckRS 2015, 00924 [19] mAnm Mayer FD-RVG 2015, 365950) hoffen konnte, dass er sich dazu durchringt, auch eine die gesetzliche Vergütung übersteigende vereinbarte Vergütung nach § 91 II 1 ZPO als erstattungsfähig anzusehen, zumindest wenn die Vereinbarung einer höheren als der gesetzlichen Vergütung erforderlich ist, um eine sachgerechte Rechtsvertretung zu erhalten, hat der BGH nunmehr mit einer ausführlichen insbesondere historisch begründeten Entscheidung klargestellt, dass keine über die gesetzliche Vergütung des RVG hinausgehende vereinbarte Vergütung von der prozessualen Kostenerstattungspflicht umfasst ist. Es wird daher für die Praxis schwieriger werden, eine unzureichende Ausgestaltung des gesetzlichen Vergütungssystems im Einzelfall durch Vergütungsvereinbarung auszugleichen.
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