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Entscheidungen

Gebühren

Terminsgebühr, Bemessung, Hauptverhandlungsdauer

Gericht / Entscheidungsdatum: OLG Bamberg, Beschl. v. 06.02.2018 - 1 Ws 51/18

Leitsatz: Die Zeitstufen, die bezüglich des Pflichtverteidigers festgelegt sind, geben Hilfestellung bei der Einordnung/Bemessung der Terminsgebühr im Gebührenrahmen.


1 Ws 51/18
In dem Strafverfahren gegen
Verteidiqer:
wegen Versuch des Totschlags
Hier: Sofortige Beschwerde gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss vom 15.01.2018
erlässt das Oberlandesgericht Bamberg - 1. Strafsenat - durch die unterzeichnenden Richter am 6. Februar 2018 folgenden
Beschluss
1. Die sofortige Beschwerde gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss des Landgerichts Schweinfurt vom 15.01.2018 wird mit der Maßgabe verworfen, dass die aus der Staatskasse zu erstattenden notwendigen Auslagen der Freigesprochenen auf insgesamt 5.944,35 € festgesetzt werden.
2. Beträge, die als gesetzliche Gebühren bereits festgesetzt und ausbezahlt wurden, sind anzurechnen.
3. Die Freigesprochene trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens. Die Beschwerdegebühr wird um 4/5 ermäßigt. Die der Freigesprochenen im Beschwerdeverfahren entstandenen notwendigen Auslagen trägt die Staatskasse zu 82 %, im Übrigen trägt sie die Freigesprochene selbst.

Gründe:
I.
Durch Beschluss vom 11.12.2017, Az. 1 Ws 692/17, hat der Senat im vorliegenden Verfahren auf die sofortige Beschwerde vom 13.09.2017 hin den Beschluss des Landgerichts Schweinfurt, Rechtspflegerin, vom 30.08.2017, mit welchem die nach dem rechtskräftigen Urteil des Landgerichts Schweinfurt vom 05.04.2016 aus der Staatskasse zu erstattenden notwendigen Auslagen der Freigesprochenen für zu erstattende notwendige Auslagen des „Wahlverteidigers „Dieter Grüne" (tatsächlich Pflichtverteidiger Günter Grüne) auf (gemeint: weitere) 187,73 € nebst Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz gemäß § 247 BGB hieraus seit 28.12.2016 festgesetzt wurde, aufgehoben und die Sache zur erneuten Entscheidung an das Landgericht Schweinfurt zurückverwiesen. Insoweit wird auf den Verfahrensgang bis zum 11.12.2017 auf den bezeichneten Beschluss des Senats Bezug genommen.

Durch Beschluss des Landgerichts Schweinfurt, Rechtspflegerin, vom 15.01.2018 wurden die nach dem rechtskräftigen Urteil des Landgerichts Schweinfurt vom 05.04.2016 aus der Staatskasse zu erstattenden notwendigen Auslagen der Freigesprochenen für zu erstattende notwendige Auslagen des Pflichtverteidigers Günter Grüne auf (insgesamt) 194,27 € nebst Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz gemäß § 247 BGB hieraus seit 28.12.2016 festgesetzt

Gegen diesen am 16.01.2018 dem Pflichtverteidiger zugestellten Beschluss wurde durch Schriftsatz vom 22.01.2018, beim Landgericht Schweinfurt eingegangen am 23.01.2018, sofortige Beschwerde eingelegt, mit welcher erneut die Auszahlung von (noch, erkennbar ohne Berücksichtigung der bereits erfolgten Teilzahlungen) 1.610,37 € entsprechend dem Antrag vom 26.12.2016 begehrt wird.

II.
Die sofortige Beschwerde ist statthaft (§ 464 b Satz 3 StPO i.V.m. § 104 Abs. 3 Satz 1 ZPO, § 11
Abs. 1 RPflG) sowie form- und fristgerecht eingelegt (§ 311 Abs. 2 Sat 1 StPO; vgl. Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 60. Aufl., § 464 b, Rn. 7). Die Wertgrenze des § 304 Abs. 3 StPO ist vorliegend überschritten.

Zur Entscheidung berufen ist, obwohl die angefochtene Entscheidung von dem Rechtspfleger erlassen worden ist, der Senat und nicht der Einzelrichter, da § 568 §. 1 ZPO im strafprozessualen Beschwerdeverfahren nach ständiger Rechtsprechung des Senats keine Anwendung findet (vgl. zuletzt Beschluss vom 06.1.1.2017, Az. 1 Ws 503/17 m. w. N., so auch exemplarisch OLG Köln, Beschluss vom 21. April 2016, 2 Ws 218/16, Rn. 6, Juris).

Das Rechtsmittel ist zudem teilweise begründet, soweit es sich gegen die Kürzung der Höchstgebühr für die durchgeführten Hauptverhandlungstermine richtet.

Die Rechtspflegerin hat in der angefochtenen Entscheidung lediglich die Grundgebühr im vorbereitenden Verfahren entsprechend Nr. 4100 VV RVG (360,00 €) sowie die Terminsgebühr gemäß Nr. 4121 VV RVG für den Hauptverhandlungstag vom 21.03.2016 (300,00 €) antragsgemäß festgesetzt.

Hinsichtlich der Terminsgebühr für die übrigen Hauptverhandlungstage sowie hinsichtlich der Verfahrensgebühren für das vorbereitende und für das Hauptverfahren gemäß Nm. 4104 und 4119
VV RVG erfolgten durch die Rechtspflegerin Jeweils Kürzungen aus Billigkeitsgründen.
Terminsgebühren gemäß Nr. 4121 VV RVG:
Hinsichtlich der in der angefochtenen Entscheidung vorgenommenen Kürzung der Höchstgebühr gemäß nach VV RVG Nr. 4121 kann der Beschluss In der vorliegenden Gestalt keinen Bestand haben, sondern bedarf einer Abänderung durch den Senat.

Insoweit hatte der Verteidiger In seinem Antrag vom 26.12.2016 ausgeführt, dass er für Jeden Verhandlungstag grundsätzlich die Mittelgebühr (530,00 € ohne Haftzuschlag, ab dem zweiten Verhandlungstag 646,25 € mit Haftzuschlag) angesetzt habe, die er dann unter Berücksichtigung der Schwere des Tatvorwurfes, der Bedeutung der Sache für die Freigesprochene usw. angemessen erhöht habe.

Die Rechtspflegerin hat unter Hinweis auf den gemäß § 14 RVG anzuwendenden Prüfungsmaßstab Abschläge hiervon vorgenommen.

Insoweit stehen folgende Beträge im Raum:
Hauptverhandlungstermin Antrag Festsetzung
24.02.2016 850,00 €
(Arg.: Erster HVT, längste Dauer, aus Sicht der Verteidigung 5 Stunden 45 Minuten, noch kein Haftzuschlag) 600,00 €
(Arg.: Erster HVT, 2 Sachverständige, 3 Zeugen, Verhandlungszeit netto 5 Stunden 29 Minuten, leichte Erhöhung)
_ —

29.02.2016
900,00 €
(Arg.: aus Sicht der Verteidigung 5 Stunden 35 Minuten, erstmals Haftzuschlag) 680,00 €
(Argo: 2 Sachverständige, 1 1 Zeugen, Verhandlungszeit netto 5 Stunden 18 Minuten, leichte Erhöhung)
14.03.2016
900,00 €
(Arg.: aus Sicht der Verteidigung 5 Stunden 10 Minuten, Haftzuschlag) 646,25 €
(Arg.: 2 Sachverständige, 6 Zeugen, Verhandlungszeit netto 4 Stunden 55 Minuten, Mittelgebühr)
18.03.2016

646,25 €
(Arg.: Vorbereitung des Plädoyers, Verhandlungsdauer 3 Stunden; Haftzuschlag) 400,00 €
(Arg.: kurze Verhandlungsdauer, keine Zeugen, unterdurchschnittlicher Aufwand)
21.03.2016 300,00 € antragsgemäß


Entsprechend dem Gesetzeswortlaut wird die Gebühr gemäß § 14 Abs. 1 §. 1 RVG ihrer Höhe nach vom Verteidiger unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls nach billigem Ermessen bestimmt. Ist die Gebühr von einem Dritten (hier der Staatskasse) zu erstatten, ist die von dem Rechtsanwalt getroffene Bestimmung nicht verbindlich, wenn sie unbillig ist, § 14 Abs. 1 Satz 4 RVG.

Eine Abweichung von der Bestimmung des Verteidigers kommt im Festsetzungsverfahren demnach nur in Betracht, wenn sich diese als unbillig hoch erweist. Nach der gefestigten obergerichtlichen Rechtsprechung können Abweichungen bis zu 20 % im Verhältnis zu den angemessenen Gebühren noch als verbindlich angesehen werden (vgl. OLG Köln, Beschluss vom 21. April 2016, 2 Ws 218/16, OLG Hamm, Beschluss vom 24.07.2014, 1 Ws 305/14).

Wegen der Schwierigkeit zu bestimmen, wann eine Rahmengebühr unbillig ist und weil mit der Aufzählung der Umstände, die einerseits für die Erhöhung, andererseits für eine Ermäßigung der . Gebühr sprechen, der Praxis nicht viel geholfen ist, weil ihr ein Ansatzpunkt fehlt, hat die Praxis sich diesen Ansatzpunkt mit der sogenannten Mittelgebühr geschaffen. Die Mittelgebühr soll gelten und damit zu konkreten billigen Gebühr in den „Normalfällen" werden, in denen sämtliche, vor allem die nach § 14 Abs. 1 Satz 1 RVG zu berücksichtigenden Umstände durchschnittlicher Art sind, also übliche Bedeutung der Angelegenheit, durchschnittlicher Umfang und durchschnittliche Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit, wirtschaftliche Verhältnisse des Auftraggebers, die dem Durchschnitt der Bevölkerung entsprechen. Auszugehen ist bei der Bestimmung der Gebührenhöhe demnach zunächst von der Mittelgebühr (vgl.' Hartmann, Kostengesetzte, 46. Auflage 2016, § 14 RVG, Rn. 14; Mayer/Kroiß, RVG, 6. Auflage 2013, Rn. 39). Diese liegt hier für den ersten Hauptverhandlungstag (ohne Haftzuschlag) bei 530,00 € und' ab dem zweiten Hauptverhandlungstag bei 646,25 €.

Bei der Bestimmung der Höhe der Gebühren sind, wie bereits erwähnt, im Einzelnen insbesondere die in § 14 Abs. 1 §. 1 RVG genannten Umstände zu berücksichtigen, dazu zählen Umfang und Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit, die Bedeutung der Angelegenheit für den Aufraggeber sowie seine Einkommens- und Vermögensverhältnisse. Im Hinblick auf die geltend gemachten Terminsgebühren spielt jedoch auch die Dauer des jeweiligen Hauptverhandlungstermins eine bestimmende Rolle (KG JurBüro 2012, 482; Gerold/Schmidt/Burhoff, RVG, 22. Auflage 2015, 41084111 W, Rn. 18; Hartmann a.a.O., Nr. 4108, 4109 VV RVG, Rn, 16), Bei der Bemessung der Gebühr kann der Verteidiger sich an den Grenzen der Längenzuschläge VV RVG Nm. 4110, 4111 orientieren (KG a.a.O., Gerold/Schmidt/Burhoff a.a.O.). Eine Verhandlungsdauer von bis zu fünf Stunden ist dabei als durchschnittlich zu bewerten (KG a.a.O., vgl. insgesamt OLG Köln, Beschluss vom 21. April 2016, 2 Ws 218/16, Rn. 9, OLG Hamm, Beschluss vom 24.07.2014, 1 Ws 305/14 m. w. N.).

Vor diesem Hintergrund kann die durch die Rechtspflegerin vorgenommene Kostenfestsetzung keinen Bestand haben.

Dem Verteidiger ist zunächst zuzugeben, dass es sich bei dem Verfahren und seiner sich hieraus ergebenden Tätigkeit in Anbetracht der Beweissituation dem Grunde nach um eine jedenfalls nicht als völlig bedeutungslos einzustufende Sache handelte, welche für die Freigesproche nen, der immerhin die Beihilfe zu einem versuchten. Tötungsdelikt sowie zu einer gefährlichen Körperverletzung zur Last gelegt wurden, von erheblicher Bedeutung war.

Allerdings ist dies bei Verfahren vor den großen Strafkammern, insbesondere der Schwurgerichtskammer, regelmäßig der Fall, Es entspricht überwiegend dem Juristischen Alltag, dass sich Verfahren wegen Tötungs- oder schweren Sexualdelikten oder auch Wirtschaftsstrafverfahren als kompliziert und komplex darstellen und die Betroffenen im Falle einer Verurteilung mit ganz empfindlichen Strafen zu rechnen haben, die häufig als nahezu existenzvemichtend einzustufen sind.

Gleichwohl ist zu berücksichtigen, dass jedenfalls die Termine vom 24.02.2016, 29.02.2016 sowie 14.03.2016 eine Verhandlungsdauer von jeweils leicht über oder um die 5 Stunden aufweisen und jeweils 2 Sachverständige sowie mehrere Zeugen (3 bis 11) geladen waren. Bei dem Hauptverhandlungstermin vom 24.02.2016 handelte es sich zudem um den ersten Termin, für welchen anerkanntermaßen ein erhöhter Vorbereitungsbedarf angenommen wird, welcher die Geltendmachung einer erhöhten Gebühr rechtfertigt. Hinsichtlich des Termins vom 18.03.2016 mag sich die Verhandlungsdauer auf lediglich 3 Stunden belaufen haben, allerdings wurden an diesem Tag die Plädoyers gehalten, in deren Rahmen die Staatsanwaltschaft jedenfalls noch die Verurteilung der Freigesprochenen zu einer Freiheitsstrafe von 1 Jahr wegen Beihilfe zur gefährlichen Körperverletzung sowie die Unterbringung gemäß § 64 StGB beantragt hatte.

In der Gesamtschau hält der Senat daher die jeweils durch den Verteidiger vorgenommenen Erhöhungen der Grundgebühren) für die Termine vom 24.02.2016, 29.02.2016 sowie 14.03.2016 auf 850,00 € bzw. 900,00 € nicht für unbillig. Auch die Inansatzbringung der Mittelgebühr für den Tag der Plädoyers ist aus Sicht des Senats nicht zu beanstanden. Ein Abschlag ist daher nicht vorzunehmen.

Für die Terminsgebühren sind demnach insgesamt 3.596,25 € in Ansatz zu bringen.
Verfahrensgebühren für das vorbereitende und das Hauptverfahren gemäß Nm. 4104 und 4119 VV RVG:
A) Hinsichtlich der Verfahrensgebühr für das vorbereitende Verfahren gemäß Nr. 4104 hat der Verteidiger die Höchstgebühr von 290,00 € angenommen, welche durch die Rechtspflegerin auf 220,00 € gekürzt wurde.

Insoweit gilt hinsichtlich der Bemessung erneut § 14 Abs. 1 RVG. Die Mittelgebühr, von welcher auszugehen ist, beläuft sich auf 165,00 €.

Die Rechtspflegerin hat in der angefochtenen Entscheidung dargetan, weshalb Sie zwar von einer festzusetzenden Gebühr über der Mittel- jedoch unter der Höchstgebühr ausgeht. Diesen Erwägungen kann sich der Senat anschließen und macht sich diese zu eigen.

B) Hinsichtlich der Verfahrensqebühr für das Hauptverfahren gemäß Nr. 4119 hat der Verteidiger die Gebühr von angenommen (Höchstgebühr: 862,50 E), welche durch die Rechtspflegerin auf 550,00 € gekürzt wurde.

Insoweit gilt hinsichtlich der Bemessung erneut § 14 Abs. 1 RVG. Die Mittelgebühr, von welcher auszugehen ist, beläuft sich auf 481 ,25 €.

Die Rechtspflegerin hat in der angefochtenen Entscheidung dargetan, weshalb sie zwar von einer festzusetzenden Gebühr über der Mittel- jedoch unter der Höchstgebühr ausgeht. Diesen Erwägungen kann sich der Senat anschließen und macht sich diese zu eigen.

Für die Verfahrensgebühren sind demnach insgesamt 770,00 € in Ansatz zu bringen.

Gesamtanspruch
- Grundgebühr im vorbereitenden Verfahren entsprechend Nr. 4100 VV RVG i. H. v. 360,00 €,

- Terminsgebühren gemäß Nr. 4121 VV RVG insgesamt 3.596,25€1

- Verfahrensgebühren für das vorbereitende und für das Hauptverfahren gemäß Nrn. 4104 und 4119 W insgesamt 770,00 €,
- Pauschale nach Nr. 7002 VV RVG i. H. v. 40,00 €,
- Auslagen gemäß Nr. 7000 Nr. 1 VV RVG für die Herstellung von Ablichtungen wie festgesetzt und nicht durch die Beschwerde beanstandet 229,00 €
Zwischensumme netto: 4.995.25 €
- Mehrwertsteuer 19 %: 949,10 €
Zwischensumme brutto: 5 944.35 €
- Abzgl. bereits ausbezahlter Pflichtverteidigervergütung i. H. v. 4.595,78 €
- Abzgl. Auszahlungen vom 30.08.2017 und 15.01.2018 i. H. v. 187,73 sowie 6,54 €

Insgesamt: 1.154,30 €

Die Kostenentscheidung beruht auf § 473 Abs. 4 StPO. Nachdem das Rechtsmittel hinsichtlich des Teilbetrages von 970,00 € netto/ 1.154,30 € brutto Erfolg hat, jedoch hinsichtlich des Teilbetrages von 220,00 € netto/ 261 € brutto ohne Erfolg bleibt, ist von einer auf den Bruttobeträgen basierenden Kostenquote von 82 % zu 18 % auszugehen.


Einsender: RA G. Grüne, Schweinfurt

Anmerkung:


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