Gericht / Entscheidungsdatum: KG, Beschl. v. 18.12.2017 - (2) 161 Ss 104/17 (6/17)
Leitsatz des Gerichts:
1. § 256 Abs. 1 Nr. 5 StPO erlaubt auch die Verlesung von schriftlichen Erklärungen, die keine Routine-Ermittlungshandlungen betreffen; dabei ist ohne Relevanz, ob die Erklärung aus dem eigenen oder aus fremden Verfahren stammt.
2. Der Tatbestand des § 140 Nr. 2 StGB setzt u.a. voraus, dass die gebilligte Tat entweder in der Äußerung selbst so konkret beschrieben wird, dass sie ohne zusätzliches Wissen unter einen der in § 140 StGB genannten Tatbestände subsumiert werden kann oder aber durch ihre herausragende Prominenz und andauernde Bedeutung für den aktuellen politischen Diskurs praktisch jedem durchschnittlich informierten Adressaten sofort vor Augen steht.
KAMMERGERICHT
Beschluss
(2) 161 Ss 104/17 (6/17)
In der Strafsache
gegen pp.
wegen Billigung von Straftaten
hat der 2. Strafsenat des Kammergerichts in Berlin am 18. Dezember 2017 einstimmig beschlossen:
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Berlin vom 27. April 2017 aufgehoben.
Der Angeklagte wird freigesprochen.
Die Landeskasse Berlin trägt die Kosten des Verfahrens in allen Rechtszügen und die notwendigen Auslagen des Angeklagten.
Gründe:
Das Amtsgericht Tiergarten hat den Angeklagten am 22. September 2015 wegen Billigung von Straftaten zu einer Geldstrafe von 60 Tagessätzen zu je acht Euro verurteilt. Auf die gegen dieses Urteil mit dem Ziel eines Freispruchs eingelegte Berufung des Angeklagten hat das Landgericht Berlin das Urteil im Rechtsfolgenausspruch auf eine Geldstrafe von 30 Tagessätzen herabgesetzt. Die Kosten des Berufungsverfahrens hat es dem Angeklagten mit der Maßgabe aufgebürdet, dass die Gebühr für das Berufungsverfahren um ein Drittel ermäßigt wird. Die im Berufungs-verfahren entstandenen gerichtlichen Auslagen und die insoweit dem Angeklagten entstandenen notwendigen Auslagen hat es zu einem Drittel der Landeskasse Berlin auferlegt.
Die Revision des Angeklagten führt mit der Sachrüge zur Aufhebung des Urteils des Landgerichts Berlin und zur Freisprechung des Angeklagten (§§ 349, Abs. 4, 354 Abs. 1 StPO).
I.
Das Landgericht hat in der Sache im Wesentlichen die folgenden Feststellungen getroffen:
Der Angeklagte ist seit 1977 in der (zunächst westdeutschen) „Antifa-Szene“ politisch engagiert und hatte in den 1980er Jahren in dieser Szene auch eine führende Rolle inne, wobei er sich strategisch für eine „Bündnispolitik“ einsetzte. Im Gegensatz zu den „radikal Militanten“ innerhalb der „Antifa-Szene“ traten die Vertreter der „Bündnispolitik“ dafür ein, durch das Zugehen auf andere linke Gruppierungen zum Zwecke gemeinsamer politischer Aktion und in diesem Rahmen durch den Verzicht auf Gewaltanwendung gegen den politischen Gegner für weitere Bevölkerungskreise an-schlussfähig und dadurch wirkmächtiger zu werden. Der Angeklagte ist Autor des 2014 erschienenen Buches „…“. Nach Erscheinen des Buches ließ sich der Angeklagte A. gemeinsam mit B., einem Vertreter der damaligen „radikal Militanten“, für die überregional erscheinende Tageszeitung „Neues Deutschland“ interviewen. Das Interview dauerte mehrere Stunden: Die gekürzte Textfassung wurde durch den An-geklagten autorisiert und sodann in der gedruckten Ausgabe des „Neuen Deutsch-land“ vom … 2014 und in dessen Internetausgabe veröffentlicht.
Die schriftliche Fassung des Interviews hat nach den Feststellungen des Landgerichts folgenden Wortlaut:
„Wir hatten das militante Antifa-Monopol
Autonome Antifaschisten sprechen über ihre Organisierung in den 1980er Jahren der Bundesrepublik- und über die Gründe ihres Scheiterns Pkw und Busse, die Neonazis zu ihren Aufmärschen brachten, wurden zerstört, rechte Druckereien und Verlage angezündet und einschlägige Versammlungsorte mit Buttersäure unbetretbar gemacht: Militante Angriffe auf die Infrastruktur von Neonazis waren in den 1980er Jahren gang und gäbe. Hinter vielen dieser Aktionen steckten organisierte Antifaschisten. PP. lud zwei dieser Antifaschisten zum Gespräch ein. Sie werfen Streitfragen auf, die auch für heutige linksradikale Organisierungsversuche wichtig sind: die gemeinsamen politischen Strategien; die öffentliche Wirkung und Wahrnehmung, Fragen von Bündnisarbeit und Militanz sowie zum notwendigen Gleichgewicht von legalen und illegalen Aktionen.
Was war die nachhaltigste Aktion der militanten Antifaschisten?
B: Was nachhaltig ist, lässt sich schwer beziffern. Ich glaube nicht, dass man von einer Aktion, die am nachhaltigsten war, sprechen kann. Es gab bestimmte Initialzündungen wie zweifelsohne der militante Angriff auf den NPD-Bundesparteitag im niedersächsischen Fallingbostel 1983. Nachhaltig war erst die Summe der Aktionen und die Verzahnung legaler und illegaler Aktivitäten über einen relativ langen Zeitraum. Und dass sich eine Struktur entwickelt hat, die konsequent Aktionen gegen Nazis durchgeführt hat - und es bis heute weder eine Verurteilung noch Verrat gab. Das ist die Besonderheit der militanten Antifa aus den 1980er Jahren.
A: Für mich war die Organisierung das wesentliche Moment. Es gelang, gemeinsam, verlässlich tätig zu werden und dabei auch ideologische, inhaltliche Diskussionen zu führen. Die Antifa hat sich damals nicht nur über den Anti-Nazi-Kampf definiert. Es ging uns um Imperialismus – so haben wir es damals genannt. Ich weiß, heute ein Unwort, aber so hat man sich damals die Welt erklärt: Kampf dem Faschismus hieß Kampf dem imperialistischen System.
Warum war der Protest gegen den NPD-Parteitag in Fallingbostel im Oktober 1983 eine Initialzündung?
A: Fallingbostel war die erste große Aktion des »Norddeutschen« – das ist eine Bezeichnung für eine Koordination, die im Nachgang des »Rock gegen Rechts« 1979/80 in Frankfurt am Main entstanden ist. Verschiedene Kräfte – vor allen Dingen der Kommunistische Bund (KB) – haben versucht, linke Gruppen in einer gemeinsamen Bewegung zu sammeln. Sie hieß erst »Treffen Frankfurter und norddeutscher Gruppen«, später dann »Norddeutsches Antifa-Treffen« oder kurz: das Norddeutsche.
In Fallingbostel gab es einen militanten Angriff auf die Polizei und deren Absperrungen um den Tagungsort der NPD. Das brachte den autonomen Antifaschismus – das entschlossene Vorgehen zur Verhinderung der Treffen der Nazis – zum ersten Mal einer breiten Öffentlichkeit ins Bewusstsein. Nach Fallingbostel entstanden viele Antifa-Gruppen überall im Bundesgebiet. Es gab dann auch ein nordrhein-westfälisches Antifa-Treffen.
Warum haben sich um 1983 überall antifaschistische Gruppen gegründet?
B: Das geschah nicht gleichzeitig. Die norddeutsche und die nordrheinwestfälische Antifa waren die ersten, die süddeutsche kam erst 1985 dazu. Es war eine Zeit, in der es auf Seiten der Nazis viele militante Organisationen gab. In das Oktoberfestattentat 1980 war die Wehrsportgruppe Hoffmann verwickelt. Die ANS/NA (Aktionsfront Nationaler Sozialisten/Nationale Aktivisten) war seit Ende der 1970er unter-wegs. Manfred Roeders Aktionsgruppen zündeten Flüchtlingsheime an etc. Im Rahmen der aufkommenden Punk- und Skinhead-Bewegungen kamen in den Städten auch viel Nazi-Skins hoch, und es gab mit denen Konfrontationen. Es war notwendig, sich mit dem Thema Antifa zu beschäftigen.
A: Ich will dir nicht widersprechen, es gibt aber noch einen anderen Grund für die Entstehung der Antifa. Die Autonomen, die Ende der 1970er, Anfang der 1980er Jahre politisch tätig wurden, haben gesellschaftliche Zustände, die zuvor nicht so viel Aufsehen erregten, anders wahrgenommen. Dazu gehörte auch der Konflikt mit der alten Generation, insbesondere mit den alten Nazis, die überall zu finden waren. In Süddeutschland gab es beispielsweise eine große militante Demonstration, die könnte man mit Fallingbostel vergleichen: Nesselwang 1985. In Nesselwang fand ein SS-Veteranentreffen statt. Solche Treffen hatte es auch schon früher gegeben. Die HI-AG (Hilfsgemeinschaft auf Gegenseitigkeit der Angehörigen der ehemaligen Waffen-SS) ist ab den 1950er Jahren überall aufgetreten. Dagegen gab es hier und da Pro-teste, aber nie militanten Widerstand. Das änderte sich mit der Generation der Auto-nomen. In Nesselwang gab es die typische DGB-Demonstration »Wir sind gegen die Nazis, aber marschieren irgendwo, wo man denen nicht in die Quere kommt.« Aber auch die Autonomen aus Süddeutschland, ich meine der Infoladen München spielte da eine Rolle, riefen auf, nach Nesselwang zu kommen. Und dann gab es vor dem Tagungshotel »Krone« großes Remmi-Demmi. Die Autonomen lieferten sich eine längere Straßenschlacht mit der Polizei, das war bundesweit in der Presse und sogar in der Tagesschau. Das gab es vorher noch nicht. Ab diesem Zeitpunkt hat man auf die SS-Veteranen einen Blick geworfen. Das ist auch mit der Entstehung der Antifa verbunden.
Was hat die Antifaschisten von den Autonomen unterschieden?
B: Wir haben uns ganz groß den Antiimperialismus auf die Fahne geschrieben. Das hat der gemeine Autonome nicht so gerne gemacht. Wir haben versucht, gesamtgesellschaftliche Fragen aufzuwerfen, die Verhältnisse zu erklären, Begriffe politisch zu definieren und, soweit das möglich ist, darüber einen gemeinsamen Konsens in den Antifa-Bewegungen zu finden. Das haben die Autonomen nicht gemacht. Wir hatten Arbeitsgruppen, die sich jahrelang mit Faschismus und seiner Definition beschäftigt haben: Was ist Faschismus? Woran erkennt man ihn? Ist es eine Ausdrucksform des Kapitalismus? Gibt es einen Automatismus? Was sind die unterschiedlichen Merkmale des Faschismus? Wie muss man die einsortieren?
Es gab Gruppen, die haben sich mit Geschichte auseinandergesetzt. Und es wurden auch inhaltliche Kampagnen gemacht. Es gab zum Beispiel, von Süddeutschland ausgehend und vom Norddeutschen unterstützt, eine Kampagne zu Asyl, als die Debatte aufkam, 1985/86. Von all dem ausgehend haben wir versucht, einen Klassen-kampf oder einen sozial-revolutionären Kampf zu forcieren, den Kapitalismus und den Imperialismus anzugreifen. In diesem Kontext haben wir den antifaschistischen Kampf gesehen. Wir haben immer gesagt, wir fahren den Kampf gegen die Nazis, aber dahinter steht das Kapital. Diese sind Handlanger des Kapitalismus, der sie zu verschiedenen Zwecken benutzt. Das war eine Analyse aus den 1980ern, und wenn man sich in der Welt umschaut, dann scheint es doch wirklich so, dass in Krisenzeiten der braune Bodensatz wieder nach oben geschwemmt wird. In der Ukraine wütet der faschistische Mob derzeit ja ganz offen gegen Kommunisten oder Gewerkschafter.
A: Die härtesten Auseinandersetzungen sind erst abgelaufen, als wir versuchten, große Bündnisse zu schmieden, also auf einem öffentlichen Feld taktisch-politisch vorgingen. In Göttingen gab es das Autonomen-Plenum, das wir als Willkür-Plenum bezeichnet haben, weil jeder aus der Szene kommen konnte und sagen, was er wollte. Wir saßen also 1988 alle zusammen und diskutierten über eine Bündnisdemonstration, die an einem Wohnhaus eines Nazis entlangziehen sollte. Wir, das waren in diesem Falle ein paar Genossinnen und Genossen aus Göttingen und ich, haben vorgeschlagen, wir machen eine Bündnis-Demonstration mit DGB, den Grünen usw., führen diese mit einem Schwarzen Block an, aber wir greifen das Haus aus der Demo nicht an. Nur so wäre ein solches Bündnis, das es vorher noch nicht gegeben hatte, möglich gewesen. Die meisten Autonomen haben dann gesagt, dass sie das nicht wollen. Wenn, dann müsse man das Haus auch angreifen und man müsse im Kampf gegen Faschismus auf die eigenen Kräfte vertrauen. Unser Vorschlag sei Verrat. Wirklich, das ist wörtlich so gefallen. Unsere Linie der Bündnisarbeit wurde hart bekämpft, eben wie man das in dieser Szene so machte, durch soziale Ausgrenzung, durch Flugblätter, in denen wir gezielt verunglimpft wurden usw. usf. Das sind sehr krasse Auseinandersetzungen gewesen.
B: Es ist völlig richtig, dass man zu wenig versucht hat, sich mit anderen zu verbünden. Aber das hatte auch einen Grund. Man muss sich in Erinnerung rufen, als es die ersten militanten Auseinandersetzungen zwischen uns und Nazis gab, war der DGB durchaus bereit, Leute von uns festzuhalten und der Polizei auszuliefern. Das hat er auch punktuell gemacht. Wenn wir nach einer Auseinandersetzung versucht haben, in der Demonstration unterzutauchen, hat der DGB Ketten gebildet um das zu verhindern. Das heißt, das Verhältnis war – durchaus begründet – gespannt, das darf man nicht vergessen.
Welche Rolle spielte Militanz?
B: Bei militanten Antifaschisten spielt Militanz eine so große Rolle wie Antifaschismus. Das eine wurde ohne das andere nicht gedacht. Es war völlig klar, mit Nazis kann man nur begrenzt reden, und auf die Dauer bringt das nichts. Deren Meinung ist nicht wegzudiskutieren, man ist auch gar nicht willig, an diesem Punkt zu diskutieren. Das bedeutet aber nicht, dass die Politik auf militante Aktionen beschränkt war.
Erklärtes Ziel war, die Struktur und die Logistik von Faschisten anzugreifen und zu zerstören, um ihre Propaganda und ihre politische Arbeit unmöglich zu machen. Und so haben wir von Anfang an gesagt, unsere Mittel müssen die ganze Bandbreite der Kampfmethoden beinhalten, vom Flugblattverteilen bis zur Militanz. Wir grenzen da ganz bewusst nichts aus. Wir waren bereit, alle notwendigen und sinnvollen Mittel strategisch, punktuell und gezielt einzusetzen, weil sie wirkungsvoll sind. Ein paar hundert Leute waren in den Strukturen der militanten Antifaschisten aktiv. Das heißt nicht, dass die alle bereit waren, konspirative Aktionen zu machen, das waren wesentlich weniger.
A: Und die konspirativen Aktionen hatten oft kein großes öffentliches Echo, in den Zeitungen stand zwar, was da wieder passiert war, manchmal wurde noch aus dem Bekennerschreiben zitiert. Aber man konnte damit politisch nicht weiter arbeiten, weil der legale Arm, den man dazu gebraucht hätte, nicht existierte. Im Grunde genommen war es das legale Moment, das sehr entscheidend war und das hätte entwickelt werden müssen. Aber dazu waren eine ganze Reihe von den Leuten, die vor allen Dingen klandestin arbeiten wollten, nicht bereit. Die haben ihren Ansatz, der einmal erfolgreich war, immer weitergeführt und den Sprung zu einer anderen Strategie nicht geschafft.
Für mich war die Bündnispolitik, mit anderen Leuten, mit dem DGB und mit Parteien zusammen zu den Nazis hinzugehen und damit Einfluss auf die öffentliche Meinung-zu nehmen, viel entscheidender als manch großartige militante Aktion, die trotzdem großartig bleibt. Es muss aber ein ausgewogenes Wechselspiel geben zwischen legal und illegal. Heute würde ich sagen, dass das Wechselspiel zum Illegalen hin falsch gewichtet war.
B: Das war langfristig ein Fehler. Man kann nicht alleine eine Revolution machen, auch wenn man hundert Mal Recht hat.
Wie kam es, dass die militanten Antifaschisten Ende der 1980er so sang- und klang-los verschwunden sind?
B: Tja, »Warum verschwindet was?« ist ungefähr so schwer zu beantworten wie »warum kommt was?«. Was ganz sicher eine Rolle spielte war; dass diese Antifapolitik einen entscheidenden Fehler gemacht hat. Sie hat nämlich zu sehr auf die eigenen Kräfte vertraut. Das Element, das wir lokal praktiziert haben, strömungsübergreifend mit Leuten zusammenzuarbeiten, hat in der bundesweiten Struktur leider nicht dazu geführt, dass man auch bundesweit mit anderen Strömungen zusammengearbeitet hat. Stattdessen hat man die Arroganz entwickelt, wir sind stark genug, wir können machen was wir wollen und wir ziehen das einfach durch, weil wir die Wahrheit gefressen und sowieso Recht haben und keinen anderen brauchen. Das ist natürlich ein Ansatz, der ziemlich dämlich ist, weil er dazu führt, dass man immer weniger wird. Das haben wir nicht gesehen. Dieser Fehler hatte sich zu einem bestimmten Punkt kumuliert und fast zeitgleich kamen einige repressive Schläge. Ob das Zu-fall war, wissen die Götter. Auch die Schüsse an der Startbahn West 1987 hatten zu einer heftigen Repressionswelle geführt. Manche Gruppen waren nicht mehr arbeits-fähig und dann lief es so aus. Es ist einfach versandet und löste sich auf. Es gibt keine Auflösungserklärung. Der Zusammenbruch der DDR hat sicher auch zu einer Verunsicherung geführt.
In vielen Städten wurde dann in anderer Form weitergemacht. Die Jugend-Antifa kam 1989 auf. An vielen Orten sind, durch Wahlerfolge der Republikaner bedingt, andere Formen von Antifa-Gruppen entstanden, die mit militantem Antifaschismus nichts zu tun hatten, sondern vor allen Dingen aus Schülern und Jugendlichen bestanden, die eine andere Politikform gewählt und sich anders organisiert hatten. Zum Beispiel mit Antifa-Cafés, Notruftelefonen usw.
A: Aber es gab auch später noch militante Aktionen, zum Beispiel ein koordinierter Anschlag gegen die »Junge Freiheit« 1994. Wenn man liest, wie das bei denen rein-gehauen hat – die konnten ihre Zeitung fast zumachen –, war das eine Superaktion gewesen. Es gab auch noch weitere Interventionen. Nicht mehr so viele, klar, weil es diese Art Antifa-Organisierung und die Leute nicht mehr gab. Ich finde aber nicht, dass der Antifa-Kampf nach den 1980ern nicht mehr militant geführt wurde. Da würde ich den Genossinnen und Genossen, die bis heute viel riskieren, doch Unrecht tun. Der Kampf geht weiter.
Wirkt die Politik der militanten Antifaschisten fort?
B: Na ja, herausragend war, dass in den 1980ern das Thema Nazis erstmals in dieser Dimension thematisiert wurde. Das ist bis heute das Nachhaltigste. Es ist als Thema und politischer Kristallisationspunkt etabliert. Heute wird es aber in anderer Form angegangen: Heute blockieren Menschenmassen in Dresden auf der Straße die Nazis. Das war früher nicht der Fall. Um die Treffen der alten SSler hat sich über Jahrzehnte kein Mensch gekümmert. Wenn irgendwelche Nazis irgendwo marschiert sind, dann kam es durchaus vor, dass Leute etwas dagegen gemacht haben. Aber es waren nicht diese Massen, die wir heute aus Dresden kennen. Heute rufen sogar CDU-Politiker zum Blockieren auf, wenn auch verklausuliert. Das war in den 1980ern ein Ding der Unmöglichkeit. Dass sich das Bewusstsein dafür, dass Faschismus eine verbrecherische Ideologie ist, in dieser Dimension etabliert, war damals nicht klar. Das ist ein Erfolg, den man aus den 1980ern ziehen kann. Formen, Farben und poli-tische Aussagen haben sich verändert ...
A: Ich würde einschränken: die Fahne mit dem Antifa-Logo hat sich seit den 1980er Jahren nicht verändert.
B: Aber man muss auch feststellen, dass sich inhaltlich heute vieles verflacht hat, weil es auf den Anti-Nazi-Kampf reduziert ist. Erich Fried hat Anfang der 1980er formuliert: »ein Antifaschist, der nicht sehr viel mehr ist als ein Antifaschist, ist vielleicht kein Antifaschist«. Dem durchschnittlichen Antifaschisten heute kommt »den Kapitalismus überwinden« nicht mehr so leicht über die Lippen. Das ist der inhaltliche Unterschied zu damals.
Heute gibt es viele unterschiedliche Antifagruppen, einige verstehen sich als antikapitalistisch, einige als antinational, andere machen nur Anti-Nazi-Arbeit. Was zeichnete im Vergleich dazu die 1980er Jahre aus, in denen es nur eine Antifa-Bewegung gab?
B: ln den 1980er Jahren hatten wir eine völlig andere globale Situation. Da war noch ein Ostblock bzw. ein sozialistisches Lager. Und wenn du etwas neu erfindest – und in einer gewissen Form war die militante Antifa eine neue Erfindung – dann gibt es natürlich erst mal nur die, die zu deinem Verein gehören. Erst wenn alle verstanden haben wie das neue funktioniert, können sie neue, eigene Vereine gründen. So blöd das klingt, aber so einfach ist das in diesem Kontext. Wir hatten damals das militante Antifa-Monopol. Das hatte natürlich Vorteile. Aber, man muss im Vergleich zu heute auch sehen, es gab einen völligen Wandel im gesamtgesellschaftlichen Diskurs. Die Gesellschaft war damals wesentlich politischer. Die Bereitschaft zur Partizipation, die Bereitschaft, sich überhaupt gesamtgesellschaftlich zu artikulieren und zu beteiligen, war extrem hoch. Wenn man bedenkt, in der BRD, damals noch ohne die DDR, waren 500 000 Leute gegen Mittelstreckenraketen, gegen Pershings und für den Frie-den auf der Straße. Für eine politische Sache kriegst du heute so viele Leute nicht mehr auf die Beine. Die Beteiligung an Wahlen und die politische Partizipation, egal zu welchem Thema, gehen runter, auch wenn das Internet punktuell was anderes suggeriert.
Der politische Diskurs hat sich in Summe verändert. Die Welt ist wesentlich komplizierter geworden. Man hatte früher einen ganz klaren Begriff von Kapitalismus, von Imperialismus. Wenn heute Frankreich in Mali einmarschiert, dann geschieht das nach außen hin aus humanitären Gesichtspunkten. Und die meisten Leute glauben das sogar oder – viel schlimmer – interessieren sich überhaupt nicht dafür. Dass es um die Uran-Versorgung der französischen Atomkraftwerke geht und dass die ei-gentlich nur einen Stellvertreterkrieg auch für Deutschland führen, ist den wenigsten bewusst. Damals hatten wir weltweit Befreiungsbewegungen, die auch Siege erzielt haben, in Nicaragua und EI Salvador. Es gab in Westeuropa kämpfende Gruppen und Stadtguerilla-Gruppen. Heute kann man sich nicht mehr vorstellen, dass jemand auch nur auf die Idee kommt, so was zu machen. Ob die jetzt gut oder schlecht waren, sei mal dahingestellt, aber sie existierten. Es gab dadurch einen erheblichen Widerspruch zum existierenden politischen System. Die Polarisierung war damals eine völlig andere. Und das ist ganz entscheidend für das Bewusstsein.
Warum ist heute so wenig über die militanten Antifaschisten bekannt?
B: Der Autonome an sich, in dieser Tradition stehen wir nun mal, redet nicht gerne über seine Geschichte. Und wenn sie niemand aufschreiben würde, dann würde sie gar nicht existieren. Wir beide gehören zu den wenigen, die sagen, man muss die Sachen aufschreiben, sonst weiß es einfach keiner mehr, sonst ist es irgendwann weg. Irgendein Politikwissenschaftler hat mal analysiert, wo viele Autonome oder viele Linksradikale von damals gelandet sind. Viele würden sich einfach auch ihren Namen versauen. Die sind heute Lehrer oder Geschichtsprofessor oder in einer PR-Abteilung beschäftigt, wo auch immer. Wenn die jetzt ein Buch rausgeben würden zum Thema »Militanz im Wandel der Zeit«, dann hätten die wahrscheinlich ein Prob-lem. Das könnte einer der Gründe sein, warum wenig darüber geschrieben wird.
A: Also mir fällt keiner aus unserer Struktur ein, der Professor geworden ist. Ehrlich. Einen Regisseur kenne ich, aber das ist schon das Höchste der Gefühle. Es ist so wenig bekannt, weil es auch nur sehr wenige waren. Außerdem sind wir klandestin vorgegangen, haben versucht, Hinweise zu verwischen und keine Spuren zu hinter-lassen. Wir wollten nicht öffentlich wirken.
Ich habe damals eine Überlegung in die Diskussion gebracht: Wenn man Einfluss nehmen will, inspirierend auf andere Menschen wirken möchte, stellt sich die Frage, wie man das am Klügsten anstellt. Ich habe die These vertreten, dass wir uns einen gemeinsamen Namen geben sollten, um unseren Aktionen mehr politische Durchschlagskraft zu geben. Die einen nannten sich Revolutionäre Zellen (RZ), die anderen nannten sich sonst irgendwie, und wir könnten uns ja auch einen Namen geben. Zum Beispiel »Autonome Antifa Kommandos«, es gab ja auch einige Anschläge unter diesem Siegel. Doch das war nur eine Nebenerscheinung. Grundsätzlich wurde das berechtigte Argument gebracht, mit einem gemeinsamen Namen wäre die Re-pression gleich viel stärker. Das stimmt, sicher hätte der Apparat ganz anders reagiert. Von daher war unser Vorgehen vielleicht eine kluge Strategie. Man konnte lange Zeit wirken und keiner wurde erwischt, das ist ja auch ein Erfolg. Aber natürlich hat man sich damit einen Teil der Wirkung genommen. Man hat zwar was von An-schlägen gegen Neonazis gehört, aber die organisierte Kraft dahinter wurde nicht sichtbar. Die Öffentlichkeit hat von unserer Struktur praktisch nichts wahrgenommen. Das wird erst heute bekannt, weil wir jetzt darüber sprechen.“
Weiter hat das Landgericht festgestellt, dass der Angeklagte durch die Formulierung: „Aber es gab auch später noch militante Aktionen, zum Beispiel ein koordinierter An-schlag gegen die ‚Junge Freiheit‘ 1994. Wenn man liest wie das bei denen reingehauen hat – die konnten ihre Zeitung fast zumachen – war das eine Superaktion gewesen“, wie er wusste und auch wollte, billigend Bezug auf mehrere gegen die Zeit-schrift „Junge Freiheit“ gerichtete militante Aktionen, genommen habe. Darunter sei auch ein Brandanschlag gewesen, der in der Nacht zum 4. Dezember 1994 auf das Gebäude der Union-Druckerei in Weimar verübt worden sei. Das Gebäude sei hier-durch in Brand gesteckt worden und es sein ein Sachschaden in Höhe von 625.00,00 DM entstanden. In der Druckerei sei die Wochenzeitschrift „Junge Freiheit“ gedruckt worden.
In der gleichen Nacht seien zwei weitere Brandanschläge auf Lieferfahrzeuge von Pressevertriebsunternehmen in Berlin verübt worden, in deren Vertriebsprogramm auch die „Neue Freiheit“ (gemeint ist ersichtlich: „Junge Freiheit“; Senat) gehört habe. Bereits zwei Monate vorher sei es in der Union-Druckerei in Weimar zu einem Vorfall gekommen, bei welchem zwei maskierte Personen in das Gebäude eingedrungen seien, die die anwesenden Angestellten bedroht und dadurch einen Karton mit rund 5.230 Adressaufklebern mit Anschriften von Abonnenten der „Jungen Freiheit“ erbeutet hätten.
II.
Die vom Angeklagten erhobene Verfahrensrüge, mit der er eine Verletzung von § 250 StPO rügt, hat keinen Erfolg. Der Beschwerdeführer meint, dass der Sachstandsbericht eines ermittelnden Kriminalbeamten, in dem der Brandanschlag an sich und Einzelheiten dazu geschildert werden, nicht hätte verlesen werden dürfen. Dies sei auch nicht durch § 256 Abs. 1 Nr. 5 StPO erlaubt. Vielmehr hätte der Kriminalbeamte zeugenschaftlich vernommen werden müssen.
Die Verfahrensrüge ist unbegründet. Die Annahme der Revision, § 256 Abs. 1 Nr. 5 StPO erlaube nur die Verlesung von entsprechenden Schriftstücken über polizeiliche „Routinevorgänge“, trifft nicht zu. Eine solche Einschränkung lässt sich dem Wortlaut der Norm gerade nicht entnehmen. Vielmehr gestattet sie die Verlesung von Protokollen sowie in einer Urkunde enthaltene Erklärungen der Strafverfolgungsbehörden über „Ermittlungshandlungen“. Ebenso wenig ergibt sich eine solche Auslegung aus der Gesetzeshistorie. So heißt es in BT-Drs. 15/1508 S. 26 f., Ziel der Einführung der Vorschrift sei zu einer Entlastung der Strafverfolgungsbehörden und der Haupt-verhandlung beizutragen. Zwar werden dann in der Folge beispielhaft bestimmte Routinevorgänge aufgeführt. Doch ist damit keine inhaltliche Eingrenzung verbunden (vgl. BGH NStZ 2016, 301; OLG Celle NStZ 2014, 175). Denn die Motive sprechen in der Folge selbst davon, dass es sich bei den Schriftstücken, deren Verlesung § 256 Abs. 1 Nr. 5 StPO gestattet, (lediglich) „meist“ um routinemäßig erstellte Protokolle handelt. Diese Relativierung belegt, dass die Verlesung anderer Vorgänge durchaus möglich ist (vgl. BGH und OLG Celle a.a.O.). Ebenso wenig sprechen systematische Gründe oder eine teleologische Auslegung für einen Ausschluss aus dem Anwendungsbereich des § 256 Abs. 1 Nr. 5 (vgl. BGH a.a.O.). Etwas anderes gilt ausweislich der Materialien für – hier nicht relevante – Vernehmungsprotokolle (BT-Drs. 15/1508 S. 26). Dies ist folgerichtig und findet seine Entsprechung insbesondere in § 251 StPO, der insoweit grundsätzlich von einem Verlesungsverbot ausgeht.
Soweit die Revision (unter Hinweis auf Velten in SK-StPO § 256 Rdn. 33) weiter meint, dass § 256 Abs. 1 Nr. 5 StPO nur die Verlesung verfahrenseigener Urkunden gestatte, hingegen nicht solcher, die in einem anderen Verfahren erstellt worden sei-en, trifft auch das nicht zu. Dem Wortlaut der Norm lässt sich eine solche Einschränkung nicht entnehmen. Sie folgt auch nicht aus Sinn und Zweck der Vorschrift. Denn für die zutreffende Schilderung einer Ermittlungshandlung ist es einerlei, ob das betreffende Schriftstück im nämlichen oder in einem anderen Verfahren gefertigt worden ist. Bei Zweifeln hierüber wird der Verfasser ohnehin zeugenschaftlich gehört werden müssen.
III.
Dagegen hat die Revision des Angeklagten mit der Sachrüge Erfolg. Die Überprüfung des Urteils (§§ 333, 337, 341 Abs. 1, 344 StPO) ergibt aus Sicht des Senats, dass die vom Landgericht getroffenen Urteilsfeststellungen letztlich keinen strafrechtlichen Vorwurf gegen ihn rechtfertigen.
1. Der Straftatbestand der Belohnung und Billigung von Straftaten gemäß § 140 StGB stellt die Belohnung oder Billigung schwerer Straftaten unter Strafe, nachdem sie begangen oder versucht worden sind; es kommen sowohl fremde wie eigene Taten in Betracht (vgl. BGH NJW 1978, 58). Es muss sich um eine bestimmte oder ei-ne Mehrzahl bestimmter Taten handeln, die Billigung einer bestimmten Gattung (z.B. Landesverrat) genügt nicht. Indessen will die Vorschrift nicht eine Gesinnung bestrafen (vgl. BGHSt 22, 282). Sie soll die Allgemeinheit vor der Schaffung eines psychischen Klimas, in dem neue Delikte – wie die in den §§ 126, 138 StGB genannten sowie die aufgeführten Delikte gegen die sexuelle Selbstbestimmung – gedeihen können (vgl. Sternberg-Lieben in: Schönke/Schröder, StGB 29. Aufl., § 140 Rdn. 1). Dabei ist indes zu bedenken, dass der Tatbestand das durch Art. 5 Abs. 1 GG garantierte Recht, seine Meinung frei zu äußern, einschränkt. Angesichts dessen für ein freiheitliches und demokratisches Gemeinwesen schlechthin konstituierenden Bedeutung (vgl. BVerfGE 62, 230 [247]; 128, 226 [266]) ist bei der Anwendung des Straftatbestandes Zurückhaltung geboten.
Da ein Anreiz zur Nachahmung bestimmter Verbrechen nur von einer für andere wahrnehmbaren Zustimmung ausgehen kann, verlangt die Vorschrift seit dem 14. StRÄndG einschränkend, dass die Billigung „in einer Weise, die geeignet ist, den öffentlichen Frieden zu stören, öffentlich, in einer Versammlung oder durch Verbreiten von Schriften“ erfolgen muss, um als Tathandlung in Betracht zu kommen. Die Klausel schränkt nach Wortlaut, Zweck und Entstehungsgeschichte die Strafbarkeit des Billigens ein. Sie soll zudem die Auffassung der Praxis sanktionieren, dass die Billigung längst vergangener Taten vom Tatbestand nicht erfasst wird (vgl. Hanack in: Leipziger Kommentar, StGB 12. Aufl., § 140, Rdn. 29). In seiner grundlegenden Entscheidung vom Dezember 1968, die eine wohlwollende Betrachtung des – auch militanten – Südtiroler Widerstandes gegen die Eingliederung des vormals österreichischen Landesteils in den italienischen Staat zum Gegenstand hatte, hat der Bun-desgerichtshofentschieden, dass die „Wahrnehmbarkeit der Billigung (…) an sich durch alle Arten der Kundbarmachung herbeigeführt werden [kann]. Das Gutheißen ist demnach nicht an Worte gebunden. Es kann vielmehr auch in einem anderen unmissverständlichen äußeren Verhalten liegen. In dem Begriff liegt es aber, dass die zustimmende Kundgebung aus sich heraus verständlich sein muss, als solche unmittelbar, ohne Deuteln, erkannt wird. Es muss sich um eine abgeschlossene, zum Ausdruck gebrachte Wertung des Erklärenden handeln, die ihre Sinnbedeutung in sich selbst trägt“ (vgl. BGHSt 22, 282 [286 f.]). Danach gelte weiter, dass die Zu-stimmung sich auf eine konkrete „mit Strafe bedrohte Handlung“ beziehen müsse. Die Billigung von Straftaten schlechthin oder von gewissen Deliktsarten ohne Beziehung auf ein bestimmtes einzelnes verbrecherisches Geschehnis genüge nicht. Auch müsse diese Beziehung für den „Erklärungsempfänger mit normalem Durchschnitts-empfinden“ eindeutig und ohne weiteres aus der Kundgebung selbst hervortreten, sodass sie ihm als Zustimmung zu einer konkreten strafbedrohten Handlung der in Bezug genommenen Art nach der objektiven und subjektiven Seite unmittelbar verständlich ist (vgl. BGH a.a.O. S. 287). Der Tatbestand des § 140 Nr. 2 StGB setzt demnach voraus, dass in der Äußerung selbst konkret bezeichnete, wirklich begangene Straftaten der in der Vorschrift bezeichneten Art gebilligt werden (vgl. auch BGH, Urteil vom 10. Oktober 1978 – 1 StR 318/78 – [juris]). Auch die Billigung hat sich stets auf eine konkrete Tat zu beziehen, die zudem als spezielle Katalogtat erkennbar sein muss (dazu insbes. BGH NJW 1990, 2828 [2829]; Hanack a.a.O. § 140 StGB Rdn. 14).
Danach lässt sich aus Sicht des Senats sagen, dass der Tatbestand des § 140 Nr. 2 StGB nur als erfüllt angesehen werden kann, wenn die gebilligte Tat entweder in der Äußerung selbst so konkret beschrieben wird, dass sie ohne zusätzliches Wissen unter einen der in § 140 StGB genannten Tatbestände subsumiert werden kann oder aber durch ihre herausragende Prominenz und andauernde Bedeutung für den aktuellen politischen Diskurs praktisch jedem durchschnittlich informierten Adressaten sofort vor Augen steht und zudem eine Katalogtat im Sinne des § 140 StGB darstellt (z.B. der Mord an J.F. Kennedy oder die Angriffe auf das World-Trade-Center).
2. Die danach gebotene einschränkende Auslegung des § 140 StGB führt hier zur Straflosigkeit des Angeklagten.
Zwar trifft es zu, dass der Brandanschlag auf das Gebäude der Union-Druckerei eine Straftat gemäß § 306 Abs. 1 StGB darstellt, nämlich eine Brandstiftung an einem Gebäude, und damit als im Sinne von § 126 Abs. 1 Nr. 6 StGB tauglicher Gegen-stand eines im Rahmen von § 140 StGB strafbaren Billigens in Betracht kommt. Je-doch ist diese Tat durch die Äußerung des Angeklagten selbst nicht hinreichend als gemeingefährliches Verbrechen konkretisiert worden.
Von einer Brandstiftung hat der Angeklagte nicht gesprochen: Er sprach vielmehr von einem koordinierten Anschlag gegen die „Junge Freiheit“ 1994. Die anschließen-de Wertung, das (also der koordinierte Anschlag) sei „eine Superaktion gewesen“, erschloss sich zum Zeitpunkt der Veröffentlichung dieses Interviews allenfalls noch demjenigen als Billigung eines gemeingefährliches Verbrechens im Sinne von § 306 Abs. 1 Nr. 1 StGB, der über sehr spezielles historisches Wissen verfügt.
Dies umso mehr als sich aus den Feststellungen des Landgerichts – historisch zu-treffend – ergibt, dass die überwiegende Zahl der militanten Anschläge auf die „Junge Freiheit“ zwar zweifellos Straftaten waren, aber eben keine solchen, deren Billigung § 140 Nr. 2 StGB für strafwürdig erachtet. Zu einem anderen Ergebnis gelangt das Landgericht nur, indem es gerade nicht auf einen durchschnittlichen Verständnishorizont, sondern auf den vermeintlich speziellen des jeweiligen Adressatenkreises abgestellt hat und meint, dabei sei hier von einer „links-intellektuellen Leserschaft des ‚Neuen Deutschland‘ auszugehen und (…) von denjenigen Lesern, die sich für eine historische Betrachtung der linken Bewegung Westdeutschlands in den Vorwendejahren“ interessierten.
Abgesehen davon, dass es keinerlei empirischen Beleg dafür gibt (jedenfalls keinen im Urteil mitgeteilten), dass die Leserschaft des „Neuen Deutschland“ sich hinsichtlich ihres historischen Wissens (nicht etwa hinsichtlich ihrer aktuellen Meinungen) von den Leserinnen und Lesern anderer überregionaler Tageszeitungen unterscheidet, würde die Strafbarkeit des Billigens einer Straftat unter dieser Voraussetzung von kaum zuverlässig zu beurteilenden Umständen abhängig gemacht werden. Damit verbunden geriete zudem außer Blick, dass der „öffentliche Frieden“ wohl gerade nicht durch Bemerkungen gefährdet wird, die nur einem eingeweihten Kreis von speziell Interessierten oder besonders Informierten verständlich sind, sondern durch solche Äußerungen die gerade auch von jedem (noch) nicht radikalisierten Leser oder Zuhörer ohne viel Nachdenken als Aufstachelung zur Begehung schwerer Straftaten im Sinne des § 140 StGB verstanden werden kann.
Hinzu kommt hier, dass die Äußerung lediglich eine Randnotiz in einem ausführlichen und durchaus auch selbstkritischen Gespräch über historische Sachverhalte darstellt, was sie zweifellos von anderen Aufrufen zur Militanz, die geeignet sein mögen das gesellschaftliche Klima aufzuheizen und zu Gewalttaten anzustacheln, unterscheidet.
Vorsorglich weist der Senat aber darauf hin, dass eine wiederholte Thematisierung vergangener Straftaten die allgemeine Erinnerung daran ohne weiteres „wieder auf-leben“ lassen kann. Dies hätte dann zur Folge, dass eine neuerliche Billigung fortan durchaus geeignet sein könnte, den öffentlichen Frieden zu stören und den Tatbestand zu erfüllen.
IV.
1. Da Entscheidungsreife gegeben ist, weil nicht ersichtlich ist, dass ein anderer Tatrichter neue – eine Strafbarkeit des Angeklagten begründende – Tatsachen feststellen könnte, konnte der Senat selbst abschließend auf die Freisprechung des Angeklagten durchentscheiden (§ 354 Abs. 1 StPO).
2. Die Kosten- und Auslagenentscheidung beruht auf § 467 StPO.
Einsender: RiKG K.-P. Hanschke, Berlin
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