Diese Homepage verwendet Cookies, um Inhalte und Anzeigen zu personalisieren, Funktionen für soziale Medien anbieten zu können und die Zugriffe auf die Website zu analysieren. Außerdem gebe ich Informationen zu Ihrer Nutzung meiner Website an meine Partner für soziale Medien, Werbung und Analysen weiter.

OK Details ansehen Datenschutzerklärung

Entscheidungen

Gebühren

Nachtragsanklage, Angelegenheit, Rechtsfall

Gericht / Entscheidungsdatum: OLG Brandenburg, Beschl. v. 19.12.2017 - 2 Ws 136/17

Leitsatz: Bei der Erhebung einer Nachtragsanklage und deren Einbeziehung in ein laufendes Ver-fahren handelt es sich um einen selbständigen Rechtsfall im Sinne der Anm. 1 zu Nr. 4100 VV RVG, mithin um eine selb-ständige Angelegenheit im Sinne des § 15 RVG.


Brandenburgisches Oberlandesgericht
2 Ws 136/17

Beschluss
In der Strafsache
gegen pp.
wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern,
hier: Vergütung des Pflichtverteidigers,
hat der 2. Strafsenat des Brandenburgischen Oberlandesgerichts durch
die Vorsitzende Richterin am Oberlandesgericht,
den Richter am Oberlandesgericht und
den Richter am Oberlandesgericht
am 19. Dezember 2017
beschlossen:

Auf die Beschwerde des Verteidigers wird seine aus der Staatskasse zu erstattende Vergütung über die bisher festgesetzten 14.317,72 EUR hinaus auf weitere 328, 44 EUR (dreihundertundachtundzwanzig und 44/100 EUR) festgesetzt.

Gründe:
I.
Das Landgericht C. hat den früheren Angeklagten am 21. November 2012 wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und sechs Monaten verurteilt. Ihm war Rechtsanwalt B. mit Beschluss vom 3. Juni 2009 als Pflichtverteidiger beigeordnet worden.
In dem Verfahren hatte die Staatsanwaltschaft C. unter dem 5. August 2009 Anklage wegen sexuellen Missbrauchs in 33 Fällen in der Zeit von 1991 bis Anfang 2005 erhoben. In der Hauptverhandlung vom 29. Juli 2010 erhob sie Nachtragsanklage wegen weiterer vier Vor-würfe des sexuellen Missbrauchs von Kindern in der Zeit von 1991 bis 2000. Mit Beschluss vom 24. September 2010 bezog das Landgericht C. die Nachtragsanklage nach vorheriger Zustimmung durch den früheren Angeklagten in das Verfahren ein.
Unter dem 21. September 2011 beantragte der Verteidiger, seine Pflichtverteidigergebühren auf insgesamt 14.640,21 EUR festzusetzen. Mit Schriftsatz vom 19. Oktober 2011 ergänzte er seinen Kostenantrag um Grundgebühr, Hauptverfahrensgebühr und Auslagenpauschale für die in dem Verfahren unter dem 29. Juli 2010 erhobene Nachtragsanklage.

Mit Beschluss vom 27. Oktober 2011 setzte die Rechtspflegerin bei dem Landgericht C. die Vergütung des Verteidigers auf insgesamt 14.184,44 EUR fest. Abgesetzt hatte sie dabei die Vorverfahrensgebühr für ein hinzuverbundenes Verfahren und die für die Nachtragsanklage geltend gemachten Gebühren.

Auf die Erinnerung des Verteidigers hat das Landgericht C. mit Beschluss vom 25. Juli 2017 die dem Verteidiger aus der Staatskasse zu erstattende Vergütung auf weitere 133,28 EUR festgesetzt. Dies betrifft die von der Rechtspflegerin abgesetzte Vorverfahrensgebühr für ein hinzuverbundenes Verfahren. In Bezug auf die für die Nachtragsanklage geltend gemachten Gebühren hat das Landgericht die Erinnerung als unbegründet verworfen. Dagegen richtet sich die Beschwerde des Verteidigers.

Der Einzelrichter hat das Verfahren auf den Senat übertragen, weil die Sache grundsätzliche Bedeutung hat (§§ 56 Abs. 2 Satz 1, 33 Abs. 8 Satz 2 RVG).

Das Rechtsmittel hat Erfolg.

II.
Die Beschwerde ist zulässig und begründet. Dem Verteidiger stehen auch die für die Nach-tragsanklage geltend gemachten Gebühren zu.

Ob dem Verteidiger im Falle der Erhebung einer Nachtragsanklage und deren Einbeziehung in ein laufendes Verfahren dafür eigene Gebühren verlangen kann, hängt davon ab, ob es sich bei der Nachtragsanklage um einen selbständigen Rechtsfall im Sinne der Anm. 1 zu Nr. 4100 des Vergütungsverzeichnisses Anlage 1 zum RVG (VV RVG), mithin um eine selbständige Angelegenheit im Sinne des § 15 RVG handelt (vgl. dazu Burhoff in Burhoff/Volpert, RVG Straf- und Bußgeldsachen, 5. Aufl., Nr. 4100 VV Rn. 37). Der Senat bejaht diese Frage.

Entscheidend ist insoweit der strafrechtliche Vorwurf, der dem Angeklagten gemacht wird und die Art und Weise seiner Behandlung durch die Strafverfolgungsbehörden. Dabei gilt im Grundsatz, dass jedes von diesen betriebene Ermittlungsverfahren ein eigenständiger Rechtsfall ist, solange die Verfahren nicht verbunden sind (vgl. Burhoff a.a.O.). Umgekehrt stellen mehrere Tatvorwürfe in demselben Ermittlungsverfahren dieselbe Angelegenheit im Sinne des § 15 RVG dar (vgl. Mayer in Gerold/Schmidt, RVG, 22. Aufl., § 15 Rn. 19).

Bei der Nachtragsanklage (§ 266 StPO) besteht die Besonderheit, dass sie ermöglicht, weite-re Vorwürfe gegen den Angeklagten in einer bereits laufenden Hauptverhandlung in das Ver-fahren einzubeziehen. Dies dient der Vereinfachung und Beschleunigung des Verfahrens sowie auch der Prozesswirtschaftlichkeit (vgl. Stuckenberg in Löwe-Rosenberg, StPO, 26. Aufl., § 266 Rn. 1) und erspart dem Angeklagten ein weiteres Verfahren. Dabei ist die Nach-tragsanklage die einzige gesetzlich zulässige Möglichkeit, den Gegenstand eines laufenden Hauptverfahrens zu erweitern. Ihre Erhebung steht aber im Ermessen der Staatsanwaltschaft. Sie kann die Verfolgung der neuen Vorwürfe auch einem gesonderten Verfahren vorbehalten (vgl. Stuckenberg a.a.O. Rn. 8). Entscheidet sich die Staatsanwaltschaft für letzteres oder stimmt der Angeklagte einer Einbeziehung der Vorwürfe aus der Nachtragsanklage nicht zu, kann nicht zweifelhaft sein, dass das dann zu führende neue Verfahren eine eigenständige Angelegenheit darstellt.
Die Erhebung der Nachtragsanklage und deren Einbeziehung hängt vom Verhalten der Staatsanwaltschaft und des Angeklagten ab. Sie stellt eine Ausnahme dar, die ein sonst re-gelmäßig gesondert zu führendes Verfahren erspart. Es ist keine Rechtfertigung dafür er-sichtlich, beides gebührenrechtlich verschieden zu behandeln. Es kann deshalb insoweit nicht darauf ankommen, welches verfahrensmäßige Schicksal neue Tatvorwürfe letztlich nehmen, wenn sie doch im Grundsatz Gegenstand verschiedener Verfahren wären (so im Ergebnis auch Burhoff, RVGreport 2014, 293).

Der weiter festgesetzte Betrag errechnet sich aus der Gebühren Nr. 4100 VV RVG in Höhe von 132,- EUR, Nr. 4112 VV RVG in Höhe von 124,- EUR sowie der Kostenpauschale Nr. 7002 VV RVG in Höhe von 20,- EUR in der jeweils damals geltenden Fassung zuzüglich 19 % MwSt.

III.
Das Verfahren ist gebührenfrei, Kosten werden nicht erstattet (§ 56 Abs. 2 Satz 2, 3 RVG).


Einsender:

Anmerkung:


zurück zur Übersicht

Die Nutzung von Burhoff-Online ist kostenlos. Der Betrieb der Homepage verursacht aber für Wartungs-, Verbesserungsarbeiten und Speicherplatz laufende Kosten.

Wenn Sie daher Burhoff-Online freundlicherweise durch einen kleinen Obolus unterstützen wollen, haben Sie hier eine "Spendenmöglichkeit".