Gericht / Entscheidungsdatum: LG Magdeburg, Beschl. v. 02.01.2018 - 2 Qs 100/17
Leitsatz: Zur Beiordnung eines Plfichtverteidigers in einem BtM-Verfahren mit schwieriger Sach- und Rechtslage.
21 Qs 100/17
Strafsache
In pp. u. a.
wegen Besitzes von Betäubungsmitteln
hat die 1. große Strafkammer Beschwerdekammer des Landgerichts Magdeburg durch die unterzeichnenden Richter am 2. Januar 2018 beschlossen:
Auf die Beschwerde des Angeklagten wird der Beschluss des Amtsgerichts Halberstadt vom 27. Oktober 2017 aufgehoben und dem Angeklagten Rechtsanwalt pp. aus Braunschweig als Pflichtverteidiger beigeordnet.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens und die notwendigen Auslagen des Beschwerdeführers hat die Staatskasse zu tragen.
Gründe:
Gegen den vorbestraften Angeklagten und seine bisher strafrechtlich nicht in Erscheinung getretene Ehefrau pp. hat die Staatsanwaltschaft Magdeburg Zweigstelle Halberstadt wegen Besitzes von Betäubungsmitteln Anklage zum Amtsgericht Halberstadt erhoben.
Dem vorausgegangen war eine Durchsuchung der Wohnung der Eheleute am 26. Dezember 2016 mit dem Einverständnis der Mitangeklagten im Anschluss an eine Inaugenscheinnahme der Wohnung wegen eines angezeigten Familienstreits, wobei es bei letzterer zum zufälligen Fund eines Plastikbehältnisses mit Marihuana gekommen sein soll. In der Folge wurden weitere Gegenstände, darunter vier Mobiltelefone, weitere betäubungsmittelverdächtige Substanzen, Gerätschaften mit betäubungsmittelverdächtigen Anhaftungen, gefährlich anmutende Werkzeuge und eine verschlossene Metallkassette Inhalt: augenscheinlich handschriftliche Aufzeichnungen der Mitangeklagten, betäubungsmittelverdächtige Sustanzen und Doxepin-Tabletten beschlagnahmt.
Mit Schriftsatz seines Verteidigers vom 29. September 2017 hat der Angeklagte dessen Beiordnung als Pflichtverteidiger beantragt. Den Antrag hat das Amtsgericht mit Beschluss vom 27. Oktober 2017 unter Hinweis darauf, weder die Schwere der Tat noch die Schwierigkeit der Sach- und Rechtslage lasse die Mitwirkung eines Verteidigers geboten erscheinen, abgelehnt.
Hiergegen hat der Angeklagte mit Schriftsatz seines Verteidigers vom 01. Dezember 2017 Beschwerde eingelegt. Zur Begründung verwies der Angeklagte auf die Höhe der summierten Wirkstoffmengen der aufgefundenen strafrechtlich relevanten Substanzen sowie auf die Beweissituation. Jene gebiete insbesondere deshalb die Bestellung eines Verteidigers, weil die Besitzverhältnisse bezüglich der aufgefundenen Substanzen nicht klar seien, denn bereits aus den handschriftlichen Aufzeichnungen der Mitangeklagten gehe hervor, dass es zwischen den Angeklagten massive Unstimmigkeiten gegeben habe, die für die Tatzeit einen gemeinsamen Besitz fraglich erscheinen ließen.
Das Amtsgericht hat der Beschwerde nicht abgeholfen und die Sache dem Landgericht Magdeburg zur Entscheidung vorgelegt.
Die Beschwerde ist zulässig und begründet.
Die Voraussetzungen für die Beiordnung eines Pflichtverteidigers gemäß § 140 Abs. 2 S. 1 StPO liegen vor.
Die Sach- und Rechtslage lässt die Mitwirkung eines Verteidigers geboten erscheinen. Jedenfalls sind die Besitzverhältnisse bezüglich der aufgefundenen Substanzen zu klären und strafrechtlich einzuordnen. Trotz der bestehenden Ehe der Angeklagten sind die Besitzverhältnisse nicht offensichtlich, weil es Anhaltspunkte dafür gibt, dass wegen der Umstände zum Tatzeitpunkt eine Zuordnung der einzelnen Substanzen innerhalb der ehelichen Wohnung derart vorzunehmen sein könnte, dass ein gemeinsamer Besitz hinsichtlich aller Substanzen im Ergebnis nicht anzunehmen ist. Dem rechtsunkundigen Angeklagten ist die rechtlich diffizile Beurteilung ohne Unterstützung durch einen Verteidiger nicht zuzumuten. Das gilt umso mehr, als nicht zu erwarten ist, dass der Angeklagte ohne rechtlichen Beistand in der Lage sein wird, die Auswirkungen der Verteidigung der Mitangeklagten auf seine eigene Verteidigung zu überblicken.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 467 Abs. 1 StPO analog.
Einsender: RA J.R. Funck, Braunschweig
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