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Entscheidungen

StPO

Unzulässige Revision, Auslegung Berufung

Gericht / Entscheidungsdatum: OLG Bamberg, Beschl. v. 08.09.2017 - 2 OLG 6 Ss 99/17

Leitsatz: Bringt der Angeklagte gegen ein wahlweise mit der Berufung oder der Sprungrevision (§ 335 Abs. 1 StPO) anfechtbares amtsgerichtliches Urteil innerhalb der Revisionsbegründungsfrist des § 345 Abs. 1 StPO die Revisionsanträge oder deren Begründung überhaupt nicht oder nicht in der der nach § 345 Abs. 2 StPO genügenden Form an, ist das Rechtsmittel auch dann als Berufung zu behandeln, wenn es von dem Angeklagten ausdrücklich als Revision bezeichnet worden ist.


In pp.
Das AG verurteilte den Angekl. am 15.05.2017 wegen Beleidigung zu einer Geldstrafe von 40 Tagessätzen zu je 15 €. In der Hauptverhandlung vom 15.05.2017 wurde ihm eine Rechtsmittelbelehrung mündlich erteilt und in schriftlicher Form ausgehändigt. Mit bei Gericht am selben Tag eingegangenem Schreiben vom 18.05.2017 teilte der An-gekl. mit, dass das Urteil „massivst angefochten“ werde, dass er sich aber bis nach Erhalt des Urteils noch vorbehalte, „welche Form der Einlegung“ er wähle. Nach der am 16.05.2017 erfolgten Protokollfertigstellung wurde dem Angekl. das Urteil vom 15.05.2017 am 26.05.2017 förmlich zugestellt. Mit beim AG am 02.06.2017 eingegan-genem weiteren Schreiben brachte der Angekl. zum Ausdruck, dass er „Revision“ ge-gen das Urteil vom 15.05.2017 einlege und machte im Wesentlichen geltend, dass das angefochtene Urteil auf einer „Mehrfachverletzung der Gesetze und Rechtsvorschriften“ beruhe. Das AG hat das Rechtsmittel des Angekl. als Revision angesehen und im an-gefochtenen Beschluss vom 20.07.2017, welcher dem Angekl. am 25.07.2017 förmlich zugestellt wurde, als unzulässig verworfen, weil die Revision nicht durch einen Verteidi-ger oder zu Protokoll der Geschäftsstelle begründet worden sei. Hiergegen wendet sich der Angekl. mit seinem im Ergebnis begründeten Antrag vom 25.07.2017.
Aus den Gründen:
I. Der auf Überprüfung des Verwerfungsbeschlusses des AG vom 20.07.2017 gerichte-te Antrag des Angekl. vom 25.07.2017 ist gemäß § 300 StPO als Antrag auf Entschei-dung des Revisionsgerichts nach § 346 II StPO auszulegen. Dieser Antrag ist zulässig und hat auch in der Sache Erfolg, denn das am 18.05.2017 beim AG eingelegte und mit […] Schreiben vom 01.06.2017 begründete Rechtsmittel ist - unbeschadet der von dem Angekl. gewählten Bezeichnung als Revision - als Berufung zu behandeln, weshalb das AG das Rechtsmittel nicht nach § 346 I StPO wegen Nichtbeachtung der Formvorschrift des § 345 II StPO hätte verwerfen dürfen.
1. Vorliegend hat der Angekl. das Urteil des AG vom 15.05.2017 innerhalb der Einle-gungsfrist des § 314 StPO, § 341 StPO zunächst in unspezifizierter Weise angefoch-ten, indem er zum Ausdruck gebracht hat, sich noch nicht auf ein Rechtsmittel festle-gen zu wollen. Kann ein Urteil - wie hier - wahlweise mit Berufung oder Revision ange-fochten werden, so enthält die Erklärung des Angekl. innerhalb der Rechtsmittelfrist, dass er das Urteil anfechte und sich die Bestimmung des Rechtsmittels vorbehalte, eine statthafte allgemeine Anfechtung des Urteils (BGHSt 2, 63/70). Will der Rechtsmittel-führer sein Rechtsmittel als Revision verstanden wissen, so muss er innerhalb der Frist des § 345 I StPO sowie in der Form des § 341 I StPO gegenüber dem AG, welches das angefochtene Urteil erlassen hat, eine Erklärung abgeben, die eindeutig erkennen lässt, dass er das Rechtsmittel der Revision verfolgt. Wird keine Wahl vorgenommen oder ist die Erklärung nicht form- oder fristgerecht abgegeben, so wird das Rechtsmittel als Berufung durchgeführt. Da der mit der Annahme der Revision einhergehende Ver-zicht auf die weitergehenden Möglichkeiten der Berufung nur bei einer in dieser Hinsicht eindeutigen Erklärung angenommen werden kann, ist das Rechtsmittel auch bei unkla-rer Erklärung und insoweit verbleibenden Zweifeln als Berufung zu behandeln. Dabei lässt sich in der bloßen Bezeichnung des Rechtsmittels als Revision durch einen Rechtsunkundigen auch bei zunächst unbestimmter Einlegung nicht ohne Weiteres eine solche Entscheidung sehen (OLG Hamm StraFo 1997, 210 und OLG Hamm NJW 2003, 1469). Dies hat insbesondere zu gelten, wenn eine als Revision und Revisions-begründung bezeichnete und als Präzisierung der zunächst unbestimmten Anfechtung gedachte Rechtsmittelschrift den Anforderungen an die Revisionsbegründung nicht gerecht wird, aber zugleich eindeutig einen Anfechtungswillen erkennen lässt (SK-Frisch StPO 5. Aufl. vor § 296 Rn. 245 unter Hinweis auf OLG Hamm, Beschl. v. 18.05.1999 – 4 Ss 284/99 = VRS 97, 181 = StraFo 1999, 382). Ob nach Maßgabe dieser Grundsätze dem teilweise unstrukturierten und schwer verständlichen Schreiben des Angekl. vom 01.06 2017 eine eindeutige Entscheidung für die Revision zu entnehmen ist, erscheint von daher bereits zweifelhaft. Der Senat kann die Frage letztlich dahin stehen lassen, denn auch nach der Rechtsprechung des BGH ist die Anfechtung unbeschadet eines innerhalb der Revisionsbegründungsfrist wirksam erklärten Übergangs zur Revision auch dann als Berufung zu behandeln, wenn innerhalb der Revisionsbegründungsfrist (§ 345 I StPO) die Revisionsanträge nicht oder nicht in der dem § 345 II StPO genü-genden Form angebracht werden (BGH, Beschl. v. 12.12.1951 – 3 StR 691/51 = BGHSt 2, 63, 70); OLG Hamm a.a.O.; vgl. auch BayObLG JR 1971, 120; KG JR 1987, 217; kritisch Meyer-Goßner/Schmitt StPO 60. Aufl. § 335 Rn. 6; KK-Gericke StPO 7. Aufl. § 335 Rn. 6). Anderenfalls würde nämlich eine bereits wirksame Urteilsanfechtung lediglich durch den nachträglich erklärten Übergang zu einem formstrengeren Rechts-mittel infolge eines bloßen Formfehlers bei dessen Begründung hinfällig, ohne dass das anderweitig gewählte Rechtsmittel überhaupt einer inhaltlichen Überprüfung zugänglich, sondern durch das AG gem. § 346 I StPO als unzulässig zu verwerfen wäre. In einem solchen Fall soll es vielmehr im Sinne der Sicherung und Effektuierung des Wahlrechts bei demjenigen Rechtsmittel bleiben, welches die unbenannte Anfechtung des amtsge-richtlichen Urteils ihrem Wesen nach von Anfang an war (vgl. OLG Hamm a.a.O. unter Hinweis auf BGHSt 33, 183/188 f.)
2. Damit berechtigte die Tatsache, dass weder im Schreiben vom 01.06.2017 noch zu einem späteren Zeitpunkt bis zum Ablauf der Revisionsbegründungsfrist des § 345 I StPO das Rechtsmittel in der Form des § 345 II StPO - nämlich in einer von dem Ver-teidiger oder einem Rechtsanwalt unterzeichneten Schrift oder zu Protokoll der Ge-schäftsstelle - begründet wurde, das AG nicht zur Verwerfung des Rechtsmittels.
3. Als Revisionsgericht, das mit der Sache auf Grund eines Antrags nach § 346 II StPO befasst wird, ist der Senat berechtigt und verpflichtet, die Frage der Zulässigkeit der Revision ohne Beschränkungen nach allen Richtungen zu prüfen (BGHSt 16, 115; BGHSt 22, 213; KK-Gericke a.a.O. § 346 Rn. 21 m.w.N.). Dazu gehört auch die - vor-rangige - Frage, ob überhaupt eine (Sprung-)Revision im Sinne des § 335 I StPO vor-liegt. Denn nur in diesem Fall kann das Revisionsgericht, wenn es hinsichtlich der amts-gerichtlichen Entscheidung der Meinung ist, dass die Voraussetzungen für diese Ver-werfungsentscheidung nach § 346 I StPO nicht vorgelegen haben, diese Entscheidung aufheben und dann ggf. die Überprüfung des angefochtenen Urteils selbst vornehmen. Anderenfalls wäre dem Revisionsgericht diese Überprüfung verwehrt (OLG Hamm StraFo 1997, 210; OLG Hamm NJW 2003, 1469 jew. m.w.N.). Da aber das Rechtsmit-tel des Angekl. […] als Berufung anzusehen ist, konnte das AG dieses nicht nach § 346 I StPO wegen im Sinne des § 345 II StPO nicht formgerechter Begründung verwerfen. Demgemäß war der angefochtene Beschluss aufzuheben und zur Klarstellung festzu-stellen, dass das Rechtsmittel des Angekl. als Berufung zu behandeln ist.
II. Eine Entscheidung über die Kosten ist nicht veranlasst (vgl. OLG Koblenz VRS 68, 51, 53; KK-Gericke a.a.O. § 346 Rn. 23 m.w.N.).


Einsender: RiOLG Dr. G. Gieg, Bamberg

Anmerkung:


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