Gericht / Entscheidungsdatum: AG Weißenburg, Urt. v. 25.08.2017 - 2 C 192/17
Leitsatz: 1. Der Fraunhofer Mietpreisspiegel stellt eine taugliche Schätzungsgrundlage zur Be-stimmung der erstattungsfähigen Mietwagenkosten dar.
2. Der Geschädigte kann den Nachweis, dass ihm kein günstigerer Tarif für die An-mietung eines Ersatzfahrzeuges als der von ihm eingegangene Vertrag in der kon-kreten Anmietsituation möglich gewesen ist, nicht durch die Angaben eines von dem Vermietungsunternehmen eingeschalteten Vermietungsassistenten führen, der bei anderen Unternehmen wegen möglicher günstiger Tarife anrufen und Erkundigungen einholen soll.
Amtsgericht Weißenburg I. Bay.
2 C 192/17
IM NAMEN DES VOLKES
In dem Rechtsstreit pp.
wegen Schadensersatz
erlässt das Amtsgericht Weißenburg i. Bay. durch den Richter aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 13.07.2017 folgendes
Endurteil
1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 777,87 nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit 24.02.2017, sowie weitere 228,96 e nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit 24.02.2017 zu zahlen.
2. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
3. Von den Kosten des Rechtsstreits haben die Klägerin 67 Prozent und die Beklagte 33 Prozent zu tragen. Die Beklagte hat 27 Prozent der Kosten der Streithelferin zu tragen, im Übrigen trägt die Streithelferin ihre Kosten selbst.
4. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Beschluss
Der Streitwert wird auf 2.338,99 festgesetzt. Der Streitwert der Nebenintervention beträgt 2.135,85 Euro.
Die Parteien streiten um restliche Schadensersatzansprüche aus einem Verkehrsunfall, der sich am 14.11.2016 zwischen dem Fahrzeug der nicht vorsteuerabzugsberechtigten Klägerin und ei-nem bei der Beklagten haftpflichtversicherten Fahrzeug in Absberg ereignet hat. Die Haftungsquote ist dem Grunde nach unstreitig und trifft die Beklagte zu 100 Prozent. Die Klägerin machte einen Gesamtschaden von 12.602,72 Euro geltend. Unstreitig zu ersetzen, aber noch. nicht reguliert, sind weitere 35,45 Euro für eine nach der Reparatur durchgeführte Probefahrt, 68,43 Euro für eine bei der Reparatur notwendige Fahrzeugreinigung, sowie weitere 39,67 Euro an Kosten für die Verbringung zur Lackierwerkstatt. Die Klägerin musste für die Zeit der Reparatur über 17 Tage einen Mietwagen in Anspruch nehmen. Dieser ist in Mietwagenklasse 07 einzuordnen. Hierfür wurden dem Kläger 2.891,46 Euro in Rechnung gestellt. Auf diese Rechnung leistete die Beklagte nur 755,61 Euro. Zudem wurde klägerseits eine ergänzende Stellungnahme des privaten Sachverständigen eingeholt. Hierfür wurden 59,50 Euro berechnet.
Die Klägerin und der Streithelfer behaupten, die Vermietassistentin des Streithelfers habe vor der Anmietung durch die Klägerin bei der Firma Europcar telefonisch in Erfahrung gebracht, dass in den Anmietstationen Donauwörth, und Ansbach kein vergleichbares Fahrzeug zur Verfügung stehe. Ein Anruf bei der Firma Sixt habe ergeben, dass ein vergleichbares Fahrzeug mit 115,00 Euro täglich brutto kosten würde und in Schwabach abgeholt werden müsse. Die Klägerin meint, dieser Preisvergleich sei ordnungsgemäß gewesen, sodass die Mietwagenkosten zu ersetzen seien. Im Übrigen läge eine Eilsituation vor, da die Klägerin in Treuchtlingen arbeite und daher auf ein Fahrzeug angewiesen sei. Die Kosten der ergänzenden Stellungnahme seien zu ersetzen.
Die Klägerin und der Streithelfer beantragen:
1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 2.338,99 Euro zuzüglich Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 24.02.2017 zu zahlen.
2. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 228,96 Euro zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 24.02,2017 zu zahlen.
Die Beklagte beantragt:
Die Klage wird abgewiesen
Die Beklagte meint, es handele sich nicht um einen ordnungsgemäßen Preisvergleich. Dies sei der Klägerin gemäß § 166 BGB analog zuzurechnen. Die erstattungsfähigen Mietwagenkosten seien daher, zu schätzen, wobei Kosten für die Winterbereifung und den Zusatzfahrer nicht zu ersetzen seien.
Eine Beweisaufnahme fand nicht statt. Im Übrigen wird zur Ergänzung des Tatbestandes auf den Akteninhalt verwiesen.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist zulässig, aber nur teilweise begründet.
A. Die Klage ist zulässig. Das Amtsgericht Weißenburg ist sachlich gemäß § 23 Nr. 1 GVG und örtlich gemäß § 20 StVG zuständig.
B. Jedoch ist die Klage nur in teilweise begründet. Die Klägerin hat gegen die Beklagte einen Anspruch auf Zahlung von 777,87 Euro gemäß §§ 249 BGB, 7, 17 StVG, 115 VVG. Dabei hatte das Gericht nur noch über die Schadenshöhe zu entscheiden.
I. Dass die Kosten für die Probefahrt in Höhe von 35,45 Euro, die Kosten der Fahrzeugreinigung in Höhe von 68,43 Euro, sowie die restlichen Kosten der Verbringung in Höhe von 39,76 Euro zu ersetzen sind, wurde beklagtenseits im Laufe des Rechtsstreits unstreitig gestellt. In dieser Höhe entstand der Klägerin daher unstreitig ein unfallkausaler Schaden, sodass die Beklagte insofern zur Zahlung zu verurteilen war.
II. Die zu ersetzenden Mietwagenkosten belaufen sich nach Auffassung des Gerichts auf insgesamt 1.330,34 Euro. Dabei waren die Kosten gemäß § 287 ZPO durch das Gericht zu schätzen.
1. Bereits nach dem Vortrag der Klägerin und des Streithelfers selbst, lag der Anmietung kein ordnungsgemäßer Preisvergleich zu Grunde.
Zunächst ist das Gericht der Überzeugung, dass die vom Streithelfer gepflegte Vorgehensweise, eine Vermietassistenz bereits vor Mietvertragsschluss mit einem Mietwagen zum Geschädigten zu bitten, um dort im eigenen Namen zwei Anrufe - gerichtsbekannt - immer bei den Firmen Sixt und Europcar tätigen zu lassen, was letztlich nie zum Erfolg führt, per se ungeeignet ist, um einen ordnungsgemäßen und ernst gemeint Preisvergleich zu führen (Vergleiche hierzu insbesondere: LG Ansbach, 2 0 1212/15). Dies liegt letztlich insbesondere daran, dass der Streithelfer kein erkennbares Interesse daran hat, dem Geschädigten nach bereits erfolgter Anlieferung des Mietwagens (Vorliegend 23 km) zu eröffnen, dass eine Anmietung bei einem Konkurrenten gün-stiger erfolgen kann (Vgl. LG Würzburg 42 S 2224/15).
Jedenfalls aber ist das Ergebnis des Preisvergleichs vorliegend unzureichend. Nach eigenem Vortrag war eine Preisauskunft über die Firma Europcar mangels Verfügbarkeit eines Wagens nicht erfolgreich. Wenn jedoch Preise nicht genannt werden, ist ein Preisvergleich bereits ausgeschlossen. Eine Preisauskunft wurde nur bei der Firma Sixt erzielt. Letztlich konnte die Vermie-
tassistentin daher nach eigenem Vortrag nur erreichen, dass die Preise des Streithelfers mit den (-
Preisen der Firma Sixt verglichen werden konnten, Ein ordnungsgemäßer Preisvergleich hätte je-doch vorausgesetzt, dass weitere - erfolgreiche - Angebote eingeholt worden wären.
Dieses Wissen ist der Klägerin gemäß § 166 analog zuzurechnen. Für den Preisvergleich wäre die Klägerin in eigener Sache selbst zuständig gewesen. Sie hatte dies jedoch auf die Vermietassistentin des Streithelfers übertragen, sodass diese eine Angelegenheit der Klägerin besorgte. Dadurch wurde die Vermietassistenz zur "Wissensvertreterin", deren Wissen bezüglich des untauglichen Preisvergleichs der Klägerin zuzurechnen ist (Vgl. LG Würzburg 42 S 2224/15).
Einer Einvernahme der angebotenen Zeugin bedurfte es daher nicht.
2. Die Kosten ergeben sich daher.aus einer Schätzung nach der Fraunhofer Liste gemäß § 287 ZPO. Grundlage sind dabei für 17 Tage zwei Wochen-Pauschalen und eine Drei-Tage-Pauschale nach Mietwagenklasse 07 im Postleitzahlgebiet 91, insgesamt 727,02 Euro. Hinzu kommt ein zwanzigprozentiger Aufschlag, um die Schwächen der Fraunhofer Liste auszugleichen. Ein weiterer Aufschlag von zehn Prozent ist nicht angezeigt, da eine Eil-Situation nicht vorgetragen wurde. Allein die Tatsache, dass die Klägerin berufstätig ist, vermag eine Eilsituation nicht zu begründen.
Auf den somit ermittelten Betrag von 872,42 Euro ist ein Abschlag von drei Prozent für ersparte Eigenaufwendungen in Höhe von 26,17 Euro vorzunehmen. Der Grundbetrag beläuft sich daher auf 846,25 Euro. Hinzu kommen angemessene 11,90 Euro brutto auf 17 Tage für die Haftungsbeschränkung, wobei die Klägerin nach Auffassung des Gerichts auch dann einen Anspruch auf Haftungsbeschränkung hat, wenn ihr eigenes Fahrzeug nicht kaskoversichert war. Denn derjenige, der im Rahmen eines Verkehrsunfalls geschädigt wurde, hat ein billiges Interesse daran, im Rahmen einer erforderlichen Anmietung eines Mietwagens nicht einem weiteren Schadensrisiko ausgesetzt zu sein.
Zur Überzeugung des Gerichts hat die Klägerin einen Anspruch auf Aufnahme eines zusätzlichen Fahrers, ohne darlegen zu müssen, dass ihr eigenes Fahrzeug regelmäßig von einem anderen Fahrer benutzt wird. Dies deshalb, weil nach Auffassung des Gerichts bereits die abstrakte Möglichkeit der Klägerin genügt, ihr Fahrzeug grundsätzlich einem weiteren Fahrer zu überlassen. Entscheidend ist nur, ob das angemietete Fahrzeug auch für einen Zusatzfahrer angemietet wurde. Dies ergibt sich vorliegend bereits aus dem Mietvertrag. Unerheblich ist hingegen, ob dieser das Fahrzeug tatsächlich nutzte, oder zuvor regelmäßig das Fahrzeug der Klägerin nutzte (Vgl. dazu AG Köln, NJOZ, 2016, 207 (209)). Es kommt allein darauf an, däss die Klägerin jederzeit die Möglichkeit hatte, ihr eigenes Fahrzeug einem anderen Fahrer zu überlassen, somit hat sie auch einen Anspruch darauf, den Mietwagen einem anderen Fahrer zu überlassen. Hinzu kommen daher weitere 119,00 Euro brutto für den Zusatzfahrer.
Auch die Kosten für die Winterbereifung in Höhe von 119,00 Euro brutto sind zu ersetzen. Zwar ist das Fahrzeug grundsätzlich vom Autoverleih mit wintertauglicher Bereifung zu überlassen, dies bedeutet jedoch nicht, dass die Kosten hierfür nicht gesondert zu ersetzen wären (OLG Celle, 14 U 49/11; OLG Stuttgart, 7 U 109/11).
Im Übrigen sind auch die Kosten für die Zustellung und Abholung über 36,80 Euro netto, beziehungsweise 43,79 Euro brutto, wie tatsächlich angefallen, zu ersetzen.
Insgesamt ist der erstattungsfähige Aufwand gemäß § 249 Abs. 2 BGB in Bezug auf die Mietwagenkosten daher gemäß § 287 ZPO auf 1.330,34 Euro zu schätzen. Abzüglich bereits geleisteter755,61 Euro verbleibt ein Restanspruch über 574,73 Euro.
Auch die Kosten der ergänzenden Stellungnahme über 59,50 Euro sind zu ersetzen. Holt ein Geschädigter eine Stellungnahme ein, nachdem die Haftpflichtversicherung die Übernahme einzelner Positionen substantiiert bestritten hat, liegt hierin regelmäßig ein ersatzfähiger Schaden (Vgl. AG Heinsberg IBRRS 2013, 1312).
IV. Der Anspruch auf Ersatz der außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten erfolgt als unmittelbarer Schadensbestandteil aus § 249 BGB in Verbindung mit §§ 7, 17 StVG, 115 VVG. Die Verzinsung erfolgt aus Verzugsgesichtspunkten gemäß §§ 280 Abs. 1, 2, 286, 288 BGB.
C. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 708 Nr. 11 ZPO. Die Entscheidung über die Kostentragung beruht auf § 92 ZPO. Soweit die Streithelferin am Rechtsstreit beteiligt war, war hierfür ein gesonderter Streitwert auszuweisen. Demnach war auch die Kostenquote gesondert festzusetzen.
Einsender: RA M. Nugel, Essen
Anmerkung: Das LG hat in einem Hinweisbeschluss zur Rücknahme der Berufung geraten (vgl. LG Ansbach, Beschl. v. 11.12.2017 1 S 970/17).
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