Gericht / Entscheidungsdatum: AG Dortmund, Urt. v. 28.7.2017 - 729 OWi-268 Js 1065/17-178/17
Leitsatz: Zur Verwertbarkeit einer Messung mittels Poliscan speed trotz Verstoßes gegen die PTB-Zulassung des Gerätes.
729 OWi-268 Js 1065/17-178/17
Amtsgericht Dortmund
IM NAMEN DES VOLKES
Urteil
In dem Bußgeldverfahren
gegen pp.
wegen Verkehrsordnungswidrigkeit
hat das Amtsgericht Dortmund
aufgrund der Hauptverhandlungen vom 13.07.2017 und 28.07.2017,
an denen teilgenommen haben:
am 28.07.2017 für Recht erkannt:
Der Betroffene wird wegen fahrlässiger Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit zu einer Geldbuße von 260,00 verurteilt.
Dem Betroffenen wird für die Dauer von 1 Monat verboten, Kraftfahrzeuge jeder Art im öffentlichen Straßenverkehr zu führen. Das Fahrverbot wird erst wirksam, wenn der Führerschein nach Rechtskraft des Urteils in amtliche Verwahrung gelangt, spä-testens jedoch mit Ablauf von 4 Monaten seit Eintritt der Rechtskraft.
Die Kosten des Verfahrens und seine notwendigen Auslagen trägt der Betroffene.
(§§ 41, 49 StVO, 24, 25 StVG)
Gründe:
Der Betroffene ist verheiratet und Vater eines 15 Jahre alten Sohnes. Er ist von Be-ruf Versicherungsfachmann und leitet eine Niederlassung der A-Versicherung. Für den Fall einer Verhängung einer Geldbuße in Höhe des Bußgeldbescheides (264,00 ) bedarf es nach Erklärung des Angeklagten keiner Ratenzahlung. Der Verteidiger hat weiterhin für den Betroffenen erklärt, dass die wirtschaftlichen Umstände des Betroffenen der-art beschaffen seien, dass es keinerlei persönliche oder berufsbedingte Härten gebe, die der Betroffene geltend machen könne, die im Sinne der Rechtsprechung der Oberlandesgerichte zum Regelfahrverbot bzw. zum Absehen vom Regelfahrverbot eine Rolle spielen könnten.
Am 4. März 2017 um 10.08 Uhr befuhr der Betroffene mit einem PKW mit dem amt-lichen Kennzeichen XX-XX 123 die Bundesautobahn 45 in Dortmund im Bereich des KM 23,600 in Fahrtrichtung Frankfurt. Bereits in Höhe KM 21,850 ist durch Zeichen 274 die zulässige Höchstgeschwindigkeit für PKW auf 100 km/h begrenzt. Die Be-schilderung ist hier beidseitig vorgenommen. Gleichartige Beschilderungen wiederho-len sich in Höhe KM 22,700 und 23,500, so dass an der Messstelle KM 23,600 eine zulässige Höchstgeschwindigkeit von 100 km/h für PKW gilt. An dieser Messstelle führt die Polizei D Geschwindigkeitsmessungen mit dem Messgerät PoliScan speed M1 durch. Die Messung wurde am Tattage betreut durch den Polizeibeamten S, der die Gültigkeit der Beschilderung entsprechend des Beschilderungsplanes vor und nach der Messung geprüft. Das genannte Messgerät war zur Tatzeit gültig geeicht und wurde durch den Zeugen S der Bedienungsanleitung entsprechend eingesetzt.
Zur genannten Tatzeit wurde der Betroffene angemessen und fotografiert mit einer gefahrenen Geschwindigkeit von von dem Messgerät angezeigten 159 km/h. Das Gericht hat diese Geschwindigkeit bereinigt um den Toleranzabzug und einen von der Sachverständigengesellschaft B angeblich festgestellten Fehler und so nur eine Geschwindigkeit von 152 km/h seinem Schuldspruch zugrunde gelegt.
Der Betroffene hat zur Sache nichts sagen wollen. Er hatte durch seinen Verteidiger bereits vor dem Hauptverhandlungstermin erklären lassen, dass der Betroffene Fahrzeugführer am Tattage war. Eine derartige Erklärung in einem Schriftsatz vom 26.06.2017 konnte urkundsbeweislich verlesen werden. Der anwesende Verteidiger bestätigte in Gegenwart des Betroffenen die Richtigkeit dieser Erklärung.
Der Polizeibeamte S bestätigte, am Tattage das in Rede stehende Geschwindig-keitsmessgerät PoliScan speed eingesetzt zu haben. Er sei geschult im Umgang mit dem Gerät. Er habe vor und nach der Messung die Geschwindigkeitsbeschränkung geprüft. Er habe dies anhand des vorliegenden Beschilderungsplanes getan. Zudem sei zur Tatzeit das Gerät gültig geeicht gewesen und entsprechend der Bedienungs-anleitung eingesetzt. Das Gericht konnte ergänzend hierzu das Messprotokoll des Tattages urkundsbeweislich verlesen, aus dem sich die Angaben des Zeugen S be-stätigen ließen. Zudem konnte das Gericht einen Eichschein vom 07.09.2016 über eine gültige Eichung vom 06.09.2016 bis zum 31.12.2017 feststellen. Im Hinblick auf die Entscheidung OLG Karlsruhe Beschl. v. 26.05.2017 2 Rb 8Ss 246/17, BecksRS 2017, 111916 hat das Gericht versucht, die Zusatzdaten zu erhalten, um die Quali-tät der Messung näher prüfen zu können. Dies war nicht möglich. Weder der Mess-beamte noch die Polizei D konnten die Werte zur Verfügung stellen, obwohl die Wer-te existieren, wie sich aus einer von der Polizei übersandten Stellungnahme des Her-stellers ergibt. Erfreulicherweise hat der Verteidiger ein Sachverständigengutachten der B Sachverständigen GmbH & Co. KG, dort zuständig G, eingereicht. Dieses Gutachten wurde im Rahmen der Hauptverhandlung mit dem Verteidiger erörtert. Das Gutachten kommt zu dem Ergebnis, dass lediglich einer der Werte einen cm außerhalb des Messbereichs, wie ihn die PTB-Zulassung benennt, liegt. Im Übrigen habe die B die Daten erneut ausgewertet und dabei eine Geschwindigkeit von 157 km/h feststellen können, von denen noch ein Toleranzabschlug vorzunehmen sei, der auf 5 km/h zu bemessen sei, so dass sich eine vorwerfbare Geschwindigkeit von nur noch 152 km/h ergebe. Mangels seitens der Polizei vorgelegter Daten ist das Gericht von diesem Geschwindigkeitswert der B ausgegangen, zumal sich im Rah-men der Rechtsfolgenzumessung hierdurch nichts änderte.
Dementsprechend war der Betroffene zu verurteilen wegen eines fahrlässigen Ge-schwindigkeitsverstoßes, für den der Bußgeldkatalog in 11.3.8 eine Regelgeldbuße in Höhe von 240,00 vorsieht, die aufgrund einer Voreintragung auf angemessene 260,00 zu erhöhen war. Gegen den Betroffenen war nämlich unter dem 14.01.2016 (Rechtskraft: 02.02.2016) wegen eines Verstoßes gegen § 23 Abs. I a StVO eine Geldbuße von 60,00 festgesetzt worden.
Ferner hat der Betroffene aufgrund der Höhe seines Geschwindigkeitsverstoßes ei-nen Regelfahrverbotstatbestand verwirklicht, der dazu führt, dass das Vorliegen ei-ner groben Pflichtverletzung im Sinne des § 25 Abs. I StVG indiziert ist. Das Gericht hat bei dem Verteidiger ausdrücklich im Rahmen des zweiten Hauptverhandlungs-termins, in dem sich der Betroffene von der Erscheinenspflicht hatte entbinden las-sen, nachgefragt, ob fahrverbotsrelevante Härten geltend gemacht würden oder festzustellen seien. Der Verteidiger erklärte hierzu, dass angesichts der bekannten strengen Rechtsprechung der Oberlandesgerichte eine wirtschaftliche oder persönli-che Härte, die zum Absehen vom Fahrverbot führen müsse, nicht gesehen werde und auch nicht geltend gemacht werde.
Das Gericht war sich im Übrigen darüber bewusst, dass es ggf. unter Erhöhung der Geldbuße unter Anwendung des § 4 Abs. IV BKatV von der Anordnung des verwirk-ten Fahrverbotes hätte absehen können. Das Gericht hat jedoch angesichts der Vorbelastung einerseits und der mehrfachen Vorbeschilderung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit von 100 km/h andererseits eine Anwendung des § 4 Abs. IV BKatV abgelehnt.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 465 StPO in Verbindung mit § 46 OWiG.
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