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Entscheidungen

Verwaltungsrecht

Trennungsvermögen, gelegentlicher Cannabiskonsum, Entziehung der Fahrerlaubnis

Gericht / Entscheidungsdatum: Hess.VGH, Beschl. v. 21.09.2017 - 2 D 1471/17

Leitsatz: Liegt gelegentlicher Konsum von Cannabis vor, führt bereits die erstmalige Fahrt unter dem Einfluss der Droge (mindestens 1,0 ng/ml THC im Blutserum) zur Feststellung fehlenden Trennungsvermögens und damit zur Ungeeignetheit zum Führen eines Kraftfahrzeugs im öffentlichen Straßenverkehr.


2 D 1471/17
HESSISCHER VERWALTUNGSGERICHTSHOF BESCHLUSS
In dem Verwaltungsstreitverfahren
des pp.
Antragstellers und Beschwerdeführers,
egen
den Main-Kinzig-Kreis, vertreten durch den Landrat, Barbarossastraße 16-24, 63571 Gelnhausen,
Antragsgegner und Beschwerdegegner,
wegen Entziehung der Fahrerlaubnis
hat der Hessische Verwaltungsgerichtshof - 2. Senat - durch
Vorsitzenden Richter am Hess. , Richter am Hess.,
Richterin am VG (abgeordnete Richterin)
am 21. September 2017 beschlossen:

Die Beschwerde des Antragstellers gegen die Ablehnung der Gewährung von Prozesskostenhilfe für den ersten Rechtszug in dem Beschluss des Verwaltungsgerichts Frankfurt vom 8. Juni 2017 in dem Verfahren 12 L 2999/17.F wird zurückgewiesen.
Der Antragsteller hat die im Beschwerdeverfahren entstandenen Kosten zu tragen. Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.

Gründe:

Über die Beschwerde gegen die Ablehnung der Bewilligung von Prozesskostenhilfe in dem Beschluss des Verwaltungsgerichts vom 8. Juni 2017 – 12 L 2999/17.F - entscheidet der Senat vorab, um dem Antragsteller die Möglichkeit zu geben, die nach Nr. 5241 des Kostenverzeichnisses (Anlage 1 zu § 3 des Gerichtskostengesetzes – GKG -) vorgesehene Gebührenermäßigung für den Fall in Anspruch zu nehmen, dass er die gegen die in diesem Beschluss getroffene (Sach-)Entscheidung eingelegte Beschwerde zurücknimmt.

Die Beschwerde gegen die Ablehnung der Gewährung von PKH für den ersten Rechtszug hat keinen Erfolg. Es fehlt an der hinreichenden Erfolgsaussicht des Rechtschutzbegehrens des Antragstellers (§ 114 Zivilprozessordnung – ZPO – i. V. m. § 166 VwGO).

Nach der im Verfahren auf Gewährung von PKH nur möglichen und gebotenen Prüfung der Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs bzw. Rechtsmittels in der Hauptsache erweist sich die angefochtene Verfügung des Antragsgegners vom 6. März 2017 als rechtmäßig.

Nach § 3 Abs. 1 Satz 1 des Straßenverkehrsgesetzes – StVG – i. V. m. § 46 Abs. 1 Satz 1 der Fahrerlaubnisverordnung – FeV – hat die Fahrerlaubnisbehörde die Fahrerlaubnis zu entziehen, wenn sich jemand als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen erweist. Dies gilt nach § 46 Abs. 1 Satz 2 FeV insbesondere, wenn Erkrankungen oder Mängel nach den Anlagen 4, 5 oder 6 vorliegen oder erheblich oder wiederholt gegen verkehrsrechtliche Vorschriften oder Strafgesetze verstoßen wurde und dadurch die Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen ausgeschlossen ist. Voraussetzung der Entziehung ist, dass die Nichteignung positiv festgestellt wird. Im Falle des Antragstellers liegt ein Eignungsmangel im Sinne der Anlage 4 zur FeV, Nr. 4 9.2.2 vor, weil er mindestens gelegentlich Cannabis konsumiert und nicht zuverlässig zwischen dem Konsum der Droge und dem Führen eines Kraftfahrzeugs im öffentlichen Straßenverkehr zu trennen vermag.

Dass der Antragsteller als gelegentlichen Konsument von Cannabis anzusehen ist, ergibt sich auch für den beschließenden Senat aus den eigenen Angaben des Antragstellers anlässlich der Polizeikontrolle vom 27. Mai 2016 sowie gegenüber der Gutachterin des TÜV Hessen im Rahmen der verkehrsmedizinischen Begutachtung am 17. November 2016.

Bei der Verkehrskontrolle am 27. Mai 2016 stellten die kontrollierenden Beamten beim Antragsteller äußerliche Anzeichen einer Drogenbeeinflussung fest. Der durchgeführte Mahsan-Drogenvortest verlief positiv auf THC. Der Antragsteller gab an, er habe lediglich am Vortag gegen Vortag gegen 15.00 Uhr und am Tag der Verkehrskontrolle selbst „dabei“ gestanden, selbst aber nicht aktiv konsumiert.

Im Rahmen der Begutachtung durch den TÜV Hessen machte der Antragsteller zu seinem Konsumverhalten in Bezug auf Cannabis folgende Angaben: Er habe mit 18/19 Jahren Cannabis „mal probiert“. Dann habe er gar nicht mehr Cannabis zu sich genommen „oder zwei- oder dreimal im Jahr“. Zu dem Ereignis am 27. Mai 2016 sei es gekommen, nachdem er eine Stunde vor Fahrtantritt nach dem Fußballspiel einen Joint geraucht habe. Seither habe er kein Cannabis mehr eingenommen. Damit steht nach den eigenen Angaben des Antragstellers fest, dass er mindestens zweimal Cannabis konsumiert hat, nämlich mit 18 bzw. 19 Jahren, sowie am 27. Mai 2016, also ca. 2 bis 2 1/2 Jahre nach dem von ihm eingeräumten Erstkonsum. Darauf ob es zu weiteren Konsumakten dazwischen gekommen ist, kommt es zur Beurteilung der Frage, ob mindestens gelegentlicher Cannabiskonsum vorliegt, nicht mehr an. An dieser Stelle ist lediglich noch anzumerken, dass die Angaben des Antragstellers gegenüber der Polizei am 27. Mai 2016 als bloße Schutzbehauptung einzustufen sind. Dagegen, dass der Antragsteller nur „passiv“ „mitgeraucht“ haben will, sprechen bereits die festgestellten Werte der Blutuntersuchung aufgrund der am gleichen Tag nur eine halbe Stunde nach der Verkehrskontrolle entnommenen Blutprobe. Im Übrigen stehen diese Angaben auch im Widerspruch zu seinen Angaben in dem Begutachtungsgespräch mit der Gutachterin des TÜV Hessen am 17. November 2016.

Ergänzend weist der Senat darauf hin, dass es vor dem Hintergrund der eigenen Einlassungen des Antragstellers auf den bei der Blutuntersuchung am 27. Mai 2016 ermittelten THC-Carbonsäuregehalt im Blut des Antragstellers (13,0 ng/ml) für die Beurteilung, ob ein gelegentlicher Konsum vorliegt, nicht ankommt.

Zwischen den als sicher feststehenden Konsumakten fehlt es auch nicht an einem notwendigen zeitlichen Zusammenhang. Selbst ein Zeitraum von vier Jahren zwischen zwei Konsumfällen vermag nach der Rechtsprechung des beschließenden Senats nicht ohne weiteres eine Zäsur zu begründen, die die Annahme eines gelegentlichen Konsums ausschließt (vgl. Hess. VGH, Beschlüsse vom 21. Dezember 2016 – 2 B 2675/16 sowie vom 9. August 2012 – 2 B 1458/12 -).

Damit ist von einem gelegentlichen Cannabiskonsum des Antragstellers auszugehen.

Aufgrund des bei der Blutuntersuchung vom 27. Mai 2016 ermittelten THC-Wertes im Blutserum von 1,4 ng/ml ist auch davon auszugehen, dass der Antragsteller ein Kraftfahrzeug unter dem Einfluss der Droge geführt hat. Darin zeigt sich zugleich, dass er nicht zuverlässig zwischen dem Führen eines Kraftfahrzeugs und dem Drogenkonsum zu trennen vermag (vgl. Hess. VGH, Beschluss vom 17. August 2017 – 2 B 1213/17 – m. w. N.). Soweit der beschließende Senat in der Vergangenheit erst ab einem Wert von 2,0 ng/ml Blutserum ein fehlendes Trennungsvermögen im Sinne der Nr. 9. 2.2. der Anlage 4 zu den §§ 11,13 und 14 FeV angenommen hatte, hat er diese Rechtsprechung inzwischen aufgegeben und sich der Auffassung der anderen Obergerichte, die auch in der Vergangenheit bereits den Risikogrenzwert von 1,0 ng/ml Blutserum der Beurteilung der Frage des Trennungsvermögens zugrunde gelegt haben, angeschlossen (Hess. VGH a. a. O., m. w. N.).

Hiergegen kann auch nicht mit Erfolg eingewandt werden, dass die Annahme des fehlenden Trennungsvermögens erst bei einer zweiten Fahrt unter Drogeneinfluss gerechtfertigt sei. Zwar vertritt der Bayerische Verwaltungsgerichtshof diese Position (Bay. VGH, Urteil vom 25. April 2017 – 11 BV 17.33 -, juris, Rdnr. 19 ff.; Beschluss vom 29. August 2016 – 11 Cs 16.146 -, juris, Rdnr.17), indessen vermag der beschließende Senat sich dem nicht anzuschließen. Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof ist der Auffassung, dass eine (nur) einmalige Fahrt unter Drogeneinfluss bei gelegentlichem Cannabiskonsum noch nicht die Annahme des fehlenden Trennungsvermögens begründet, sondern lediglich Anlass dafür sein könne, fahreignungsüberprüfende Maßnahmen nach § 14 Abs. Abs. 1 Satz 3 FeV anzuordnen. Würde bereits bei einer ersten Drogenfahrt vom fehlenden Vermögen zwischen dem Drogenkonsum und dem Führen eines Kraftfahrzeugs ausgegangen, verbliebe für die Vorschrift des § 14 Abs. 1 Satz 3 FeV kein Anwendungsbereich mehr (so Bay. VGH, Urteil vom 25. April 2017 a. a. O., Rdnr. 36; Beschluss vom 29. August 2016 a. a. O.). Darüber hinaus geht der Bayerische Verwaltungsgerichtshof davon aus, dass die Entstehungsgeschichte des § 14 FeV dafür spreche, § 14 Abs. 1 Satz 3 FeV auf die Fälle anzuwenden, bei denen erstmalig eine Fahrt unter Drogeneinfluss bei gelegentlichem Konsum von Cannabis festgestellt worden ist. Bei den §§ 13 und 14 FeV handele es sich um Spezialvorschriften zu § 11 FeV, die der Klärung von Eignungszweifeln bei Alkoholproblematik und im Hinblick auf Betäubungsmittel und Arzneimittel dienten. Mit den §§ 13 und 14 FeV habe der Verordnungsgeber gewollt, die Anlässe für eine Eignungsbegutachtung verbindlich festzulegen und zu normieren, welche Aufklärungsmaßnahmen in diesen Fällen zu ergreifen seien, u. a. wenn der Konsum im Zusammenhang mit dem Fahren erfolgt sei. Die Verordnungsbegründung biete demgegenüber keinen Anhaltspunkt dafür, dass der Verordnungsgeber bereits bei der ersten Verkehrsordnungswidrigkeit unter Cannabiseinfluss von feststehender Ungeeignetheit i. S. d. § 11 Abs. 7 FeV ausgegangen sei, sondern spreche vielmehr dafür, dass bei solchen Fällen die Fahreignung durch ein medizinisch-psychologisches Gutachten abgeklärt werden könne (Bay. VGH, Urteil vom 25. April 2017, a. a. O., Rdnr. 24).

Dem sind u. a. die Verwaltungsgerichte Augsburg und Würzburg mit überzeugenden Argumenten entgegen getreten. Sie weisen zutreffend darauf hin, dass, ungeachtet der vom Verordnungsgeber verfolgten Tendenz der Angleichung der Vorschriften hinsichtlich Alkohol- und Cannabis, aufgrund der unterschiedlichen Wirkungsweisen dieser Stoffe auch eine unterschiedliche Behandlung nach wie vor geboten sei. Dem Konsumenten von Cannabis ist es nur sehr schwer möglich, den Verlauf und die Intensität der Wirkung zu steuern. Eine Gleichsetzung von Alkohol und Cannabis kommt daher in Bezug auf die Beurteilung der Fahrtüchtigkeit und im Hinblick auf die Gefahr der Verkehrsteilnahme unter dem Einfluss der jeweiligen Substanz und auf das Abbauverhalten nicht in Betracht (VG Augsburg, Urteil vom 17. Februar 2017 – Au 7 K 16.556 -, juris Rdnr. 63ff.; VG Würzburg, Beschluss vom 9. November 2016 – W 6 S 16.1093 -, juris, Rdnr. 32ff.). Auch bestehen zwischen § 13 und § 14 FeV deutliche, vom Verordnungsgeber gewollte Unterschiede. Das Argument, dass der Anwendungsbereich des § 14 Abs. 2 Nr. 3 FeV leerlaufen würde, vermag ebenfalls nicht zu überzeugen, denn die §§ 11 bis 14 FeV beziehen sich ihrem Wortlaut und ihrer systematischen Stellung im zweiten Kapitel des zweiten Abschnitts der FeV in der Hauptsache auf die Erteilung der Fahrerlaubnis. Über den Verweis in § 46 Abs. 3 FeV finden sie entsprechende Anwendung, wenn Tatsachen bekannt werden, die zu Eignungsbedenken führen. Der originäre Anwendungsbereich des § 14 Abs. 2 Nr. 3 FeV ist daher grundsätzlich nicht betroffen, sodass die Annahme des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofes, es bleibe für die Norm kein sinnvoller Anwendungsbereich, so nicht zutrifft (vgl. VG Augsburg a. a. O. Rdnr. 67).

Auch die anderen Oberverwaltungsgerichte/Verwaltungsgerichtshöfe sind der Auffassung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofes nicht gefolgt (vgl. VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 7. März 2017 – 10 S 328/17 -, juris; OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 15. März 2017 – 16 A 482/16 -; juris; OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 28. Juni 2017 – 1 S 27/17 -, juris; Niedersächsisches OVG, Beschluss vom 7. April 2014 – 12 ME 49/17 -, juris).

Der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Verfügung kann ferner nicht mit Erfolg entgegengehalten werden, der Antragsteller konsumiere seit dem 27. Mai 2016 kein Cannabis mehr und habe daher zwischenzeitlich die Fahreignung wiedererlangt. Die Urinproben vom 25.November 2016 und vom 7. Dezember 2016 decken einen zu kurzen Zeitraum ab, für den der Verzicht auf Drogenkonsum nachgewiesen wird. Regelmäßig ist nach der Rechtsprechung des beschließenden Senats der Nachweis einer einjährigen Abstinenzzeit erforderlich (Hess. VGH, Beschlüsse vom 6. Juni 2017 – 2 B 1012/17 -; vom 21. Dezember 2016 – 2 B 2675/16 – und vom 22. September 2010 – 2 B 1598/10 -). Im Übrigen ist der Nachweis des Abstinenzeitraums nur eine Bedingung zur Wiedererlangung der Fahreignung. Darüber hinaus bedarf es nach § 14 Abs. 2 Nr. 2 FeV auch der Beibringung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens.

Auch soweit der Antragsteller geltend macht, dass die Begründung der sofortigen Vollziehung nicht den Anforderungen gemäß § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO entspreche, vermag der Senat dem nicht zu folgen. Geht es – wie hier – um die Abwehr von Gefahren für besonders hochrangige Rechtsgüter, wie Leib, Leben und die körperliche Unversehrtheit von Verkehrsteilnehmern, haben private Belange des Fahrerlaubnisinhabers grundsätzlich zurückzustehen und die Begründung des Sofortvollzugs kann ausnahmsweise mit der Begründung für die angegriffene Verfügung selbst zusammen fallen (vgl. Hess. VGH, Beschluss vom 6. Juni 2017 – 2 B 1012/17 -; Kopp/Schenke, VwGO-Kommentar, 23. Auflage 2017, § 80 Rdnr. 98). Angesichts dessen genügt die seitens des Antragsgegners gegebene Begründung der Anordnung der sofortigen Vollziehung vollumfänglich den gesetzlichen Anforderungen.

Der Antragsteller hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen, da sein Rechtsmittel ohne Erfolg bleibt (§ 154 Abs. 2 VwGO); außergerichtliche Kosten werden gemäß § 166 VwGO i. V. m. § 127 Abs. 4 der Zivilprozessordnung – ZPO – nicht erstattet.

Einer Festsetzung des Streitwertes bedarf es nicht, da bei Erfolglosigkeit der Beschwerde in Prozesskostenhilfeverfahren eine vom Streitwert unabhängige Gerichtsgebühr i. H. v. 60,00 € anfällt (Nr. 5502 der Anlage 1 zu § 3 Abs. 2 des Gerichtskostengesetzes – GKG -).

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).


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