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Entscheidungen

StGB/Nebengebiete

Strafzumessung, Doppelverwertungsverbot, frauenfeindlich

Gericht / Entscheidungsdatum: OLG Bamberg, Beschl. v. 24.08.2017 - 3 OLG 7 Ss 70/17

Leitsatz: Zu unzulässigen Strafzumessungserwägungen bei einer Verurteilung wegen sexueller Nötigung.


3 OLG 7 Ss 70/17
Oberlandesgericht Bamberg
BESCHLUSS
Der 3. Strafsenat des Oberlandesgerichts Bamberg hat unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters am Oberlandesgericht sowie der Richter am Oberlandesgericht und in dem

Strafverfahren gegen pp.
wegen sexueller Nötigung u.a.
am 24. August 2017
einstimmig
beschlossen :

l. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Coburg vom 14. Februar 2017 im Strafausspruch mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben.

Il. Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an eine andere Strafkammer des Landgerichts Coburg zurückverwiesen.

III. Die weitergehende Revision des Angeklagten wird als unbegründet verworfen.

Gründe:
Das Amtsgericht Coburg hat den Angeklagten wegen sexueller Nötigung, versuchter Nötigung und exhibitionistischen Handlungen unter Freispruch im Übrigen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt. Auf die Berufung der Staatsanwaltschaft hat das Landgericht Coburg den Angeklagten wegen sexueller Nötigung, versuchter sexueller Nötigung und exhibitionistischen Handlungen schuldig gesprochen und die Berufung im Übrigen, ebenso wie die Berufung des Angeklagten, als unbegründet verworfen. Gegen dieses Urteil wendet sich die mit der Rüge der Verletzung förmlichen und sachlichen Rechts begründete Revision des Angeklagten.

Il.
Während die Verfahrensrüge nicht ausgeführt und damit unzulässig ist (§ 344 Abs. 2 Satz 2 StPO), hat das Rechtsmittel mit der Sachrüge hinsichtlich des Rechtsfolgenausspruchs den aus dem Beschlusstenor ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen, nämlich zum Schuldspruch, ist es auch unter Berücksichtigung der Gegenerklärung unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.

1. Der Rechtsfolgenausspruch weist eine Vielzahl von gravierenden Rechtsfehlern auf. Bereits die Strafrahmenwahl durch das Landgericht ist rechtsfehlerhaft, soweit das Landgericht das Vorliegen eines minder schwerer Falls i.S.d. § 177 Abs. 5 StGB a.F. verneint hat. Dies hat zudem Auswirkungen auf die Bemessung der Einzelstrafen
a) Das Landgericht hat gegen das Doppelverwertungsverbot des § 46 Abs. 3 StGB verstoßen, soweit es im Fall der vollendeten sexuellen Nötigung zu Lasten des Angeklagten gewertet hat, dass dieser sein Opfer unter massivem Körpereinsatz gegen die Wand gedrückt habe. Es kann jedoch auch dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe nicht entnommen werden, dass der Angeklagte mit seinem Verhalten das Maß an Gewalt überschritten hätte, das zur Tatbestandsverwirklichung erforderlich war.

b) Soweit das Landgericht die Auswirkungen der Taten für die Verletzte pp. strafschärfend berücksichtigt hat, hat es ein weiteres Mal gegen das Doppelverwertungsverbot des § 46 Abs. 3 StGB verstoßen. Die festgestellten Tatfolgen in Form von psychischen Belastungen gehen nämlich nicht über das Maß hinaus, welches bei Sexualverbrechen üblicherweise zu erwarten ist. Regelmäßige Tatfolgen dürfen dem Angeklagten indes wegen der Bestimmung des
§ 46 Abs. 3 StGB gerade nicht angelastet werden (BGH, Beschlüsse vom 27.10.2010- 2 StR 489/10 = StV 2011, 158 = BGHR StGB § 46 Abs. 3 Totschlag 3; 09.12.1997 - 4 StR 596/97 [bei juris] und 09.01.1987 - 2 StR 641/86 = StV 1987, 146 BGHR StGB § 46 Abs. 2 Wertungsfehler 5).

c) Die Strafschärfungserwägung, der Angeklagte lasse sich „völlig unreflektiert von seiner Überzeugung leiten, dass die sexuelle Belästigung von Frauen unterhalb einer Vergewaltigung straflos sei", stellt einen weiteren Rechtsfehler dar. Die Berufungskammer hat damit zulasten des Angeklagten gewertet, dass er bei der Tatbegehung davon ausging, sich rechtens zu verhalten. Dies stellt indes keinen zulässigen Strafschärfungsgrund dar, weil das Bewusstsein, Unrecht zu tun, gerade Voraussetzung der Strafbarkeit ist, wie § 17 StGB belegt (vgl. hierzu nur BGH, Beschluss vom 05.02.2015 - 2 StR 496/14 = BGHR 2015, StGB § 46 Abs. 3 Handeltreiben 8 = StV 2015, 637). Andererseits war die Fehleinschätzung des Angeklagten ohne weiteres vermeidbar und es bestand zudem kein Anlass, eine Strafrahmenverschiebung nach § 17 Satz 2 StGB auch nur in Erwägung zu ziehen. Denn die vom Landgericht zu Grunde gelegte „Überzeugung" des Angeklagten ist letztlich Auswirkung einer ausgeprägten Rechtsblindheit (vgl. hierzu Stemberg-Lieben/Schuster in: Schönke/Schröder StGB 29. Aufl. § 17 Rn. 26; Roxin JR 2017, 83), zumal sich für jedermann, und zwar auch für den juristischen Laien, die Strafbarkeit der festgestellten Verhaltensweisen geradezu aufdrängt.

d) Soweit das Landgericht strafschärfend wertet, dass es sich bei den Tatopfern um Frauen handelt, die gegenüber anderen Kolleginnen, die der Angeklagte nur mit „anzüglichen Bemerkungen" verbal „belästigt" hatte, weniger „attraktiv" waren, liegt ein weiterer ebenso grober wie evidenter Rechtsfehler vor.

Es ist schon mit der Würde des Gerichts in keiner Weise in Einklang zu bringen, wenn in einem Urteil höchstpersönliche Wertungen zur Attraktivität von Prozessbeteiligten bzw. Tatopfern angestellt werden. Eine derartige, gegen das jedem Gericht obliegende Sachlichkeitsgebot verstoßende und anmaßende Vorgehensweise, die einer Verhöhnung der Opfer gleichkommt, würde zwar per se den Angeklagten noch nicht beschweren. Das Tatgericht hat aber, ungeachtet der damit offenbarten Distanzlosigkeit, seine persönliche Einschätzung zur (geringeren) Attraktivität der Tatopfer auch noch zum Anlass genommen, hierin einen Strafschärfungsgrund zu erblicken, was unhaltbar ist. Denn es versteht sich von selbst, dass das äußere Erscheinungsbild der Opfer von Sexualstraftaten in keinem Zusammenhang mit den allein für die Strafzumessung maßgeblichen Kriterien des Unrechts und der Schuld des Angeklagten steht.

e) Auch wenn die verhängten Strafen in Anbetracht des Tatbilds und aller relevanten Umstände des Einzelfalls nicht von vornherein als überzogen erscheinen, kann der Senat nicht ausschließen, dass das Urteil auf den vielfältigen und groben Fehlern, die dem Landgericht unterlaufen sind, beruht i Sd § 337 Abs. 1 StPO, was zu seiner Aufhebung führt. Denn die Bestimmung der Strafhöhe ist nicht Aufgabe des Senats, sondern des Tatrichters. Es ist nicht ausgeschlossen, dass die Berufungskammer bei der gebotenen Orientierung seiner Strafzumessungserwägungen an der Schwere des verwirklichten Unrechts und der Schuld des Angeklagten, zu niedrigeren Strafen gelangt wäre.

2. Die Erwägungen des Landgerichts zur Frage der Aussetzung der Vollstreckung der Freiheitsstrafe zur Bewährung sind ebenfalls mit grundlegenden Rechtsfehlern behaftet.

a) Soweit das Landgericht das Fehlen einer positiven Kriminalprognose (§ 56 Abs. 1 StGB) bei dem bislang nicht einschlägig und nur zweimal zu geringen Geldstrafen verurteilten Angeklagten u.a. aus dem Umstand herleitet, dass er sich „mit seiner beruflichen Integration schwer tue“, lässt es außer Acht, dass es einen Zusammenhang zwischen der Delinquenz des Angeklagten und einer fehlenden beruflichen Eingliederung gerade nicht festgestellt hat; im Gegenteil beging der Angeklagte die ihn vorgeworfenen Taten während eines festen Arbeitsverhältnisses und in innerem Zusammenhang mit diesem.

b) Entgegen der Ansicht der Berufungskammer kann auch aus der Einschätzung des Angeklagten, er halte sexuelle Belästigungen nicht für strafbar, nicht auf eine negative Kriminalprognose geschlossen werden. Das Landgericht stellt keine Umstände fest, aus denen sich nachvollziehbar herleiten ließe, der Angeklagte habe trotz Hauptverhandlung und Verurteilung nicht hinreichend deutlich verstanden, dass er Straftaten von nicht unerheblicher Bedeutung begangen und ein solches Verhalten zukünftig zu unterlassen hat.

c) Die Rechtsfehler im Rahmen der Prüfung des § 56 Abs. 1 StGB entziehen auch der Abwägung des Landgerichts die Grundlage, wonach keine besonderen Umstände i.§.d. § 56 Abs. 2 StGB für eine Strafaussetzung zur Bewährung vorlägen. Wäre die Strafkammer zu einer günstigen Prognose gelangt, so wäre auch bei der Prüfung des Vorliegens „besonderer Umstände" (§ 56 Abs. 2 StGB) ein anderes Ergebnis möglich gewesen. Denn die Frage einer günstigen Kriminalprognose kann auch für die Beurteilung bedeutsam sein, ob Umstände von besonderem Gewicht im Sinne des § 56 Abs. 2 StGB vorliegen (vgl. zuletzt BGH, Beschluss vom 13.01 2015 — 4 StR 445/14 [bei jurisl).

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung — auch über die Kosten der Revision — an eine andere Strafkammer des Landgerichts Coburg zurückzuverweisen (SS 353, 354 Abs. 2 StPO).


Einsender: RA U. Vetter, Düsseldorf

Anmerkung:


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