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Entscheidungen

StPO

Aussage, Disziplinarverfahren, JVA, Belehrung, Beweisverwertungsverbot

Gericht / Entscheidungsdatum: LG Detmold, Urt. v. 17.5.2017 - 22 Ns-35/17

Leitsatz: Zur Unverwertbarkeit einer Aussage im Strafverfahren, die ein JVA-Insasse im Rahmen eines Disziplinarverfahrens ohne Belehrung über sein Auskunftsverweigerungsrecht gemacht hat.


22 Ns 35/17
Landgericht Detmold
IM NAMEN DES VOLKES
Urteil
In der Strafsache
gegen pp.
wegen Falscher Verdächtigung
hat die 2. Strafkammer - erste kleine Strafkammer - des Landgerichts Detmold auf die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Amtsgerichts Detmold vom 31.01.2017 aufgrund der Hauptverhandlung vom 17.05.2017, an der teilgenommen haben:
Richterin am Amtsgericht als Vorsitzende,
als Schöffen,
Staatsanwalt
als Vertreter der Staatsanwaltschaft Detmold,
Justizbeschäftigte
als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle
für Recht erkannt:

Auf die Berufung des Angeklagten wird das Urteil des Amtsgerichts Detmold vom 31.01.2017 aufgehoben.

Der Angeklagte wird freigesprochen.

Die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen des Angeklagten trägt die Staatskasse.

Gründe:
I.
Mit Urteil vom 31.01.2017 hat das Amtsgericht Detmold — Schöffengericht — den Angeklagten wegen falscher Verdächtigung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten verurteilt. Das Amtsgericht hat es für erwiesen angesehen, dass der Angeklagte am 15.03.2016 gegenüber der Leiterin der Abteilung Sicherheit und Ordnung in der Justizvollzugsanstalt Detmold bewusst wahrheitswidrig angab, von einem Justizvollzugsbeamten, dem Zeugen JVOS pp. ein Mobiltelefon erhalten zu haben. Dagegen hat der Angeklagte form- und fristgerecht Berufung mit dem Ziel eingelegt, einen Freispruch für sich zu erwirken. Die Berufung hatte Erfolg.

II.
Der heute 33-jährige Angeklagte wurde in Salzgitter geboren. Er ist seit 2010 geschieden und hat keine Kinder. Mit der Zeugin Pp. führt er seit dem 03.09.2009 eine feste Beziehung. Das Paar ist seit einigen Monaten verlobt.

Bis zu seinem 18. Lebensjahr wuchs der Angeklagte gemeinsam mit zwei jüngeren Schwestern im Haushalt seiner Eltern auf. Nach der Grundschule besuchte er zunächst die Orientierungsstufe, von wo er auf die Hauptschule wechselte. Dort absolvierte er nach der 9. Klasse den Hauptschulabschluss. Nach einem weiteren Berufsgrundbildungsjahr begann er eine Lehre als Zerspanungsmechaniker, die er nach der Zwischenprüfung aufgrund laufender Strafverfahren vorzeitig beenden musste. Während seiner ersten Inhaftierung unternahm er einen weiteren Versuch, die Ausbildung abzuschließen. Dies scheiterte jedoch erneut nach der Zwischenprüfung, da der Angeklagte vorzeitig entlassen wurde und die Ausbildung außerhalb des Vollzugs nicht fortsetzte. Seitdem übernahm der Angeklagte verschiedene Gelegenheitstätigkeiten. Seit März 2017 ist er über eine Zeitarbeitsfirma als Produktionshelfer in einem Unternehmen in Lemgo angestellt. Das Beschäftigungsverhältnis ist auf ein Jahr befristet. Der Angeklagte verdient derzeit 1.500,00 € brutto im Monat.

Ein Problem mit Alkohol oder Betäubungsmitteln erkennt der Angeklagte bei sich nicht.

Strafrechtlich ist der Angeklagte bereits mehrfach in Erscheinung getreten. Er befand sich insgesamt drei Mal von 2003 bis 2006, von 2006 bis 2009 und von 2010 bis 2017 in Haft. Im Rahmen seiner letzten Inhaftierung in der Justizvollzugsanstalt Detmold war er als Koch angestellt. Im Einzelnen wurde er wie folgt verurteilt:

1. Am 30.03.1999 sah die Staatsanwaltschaft Braunschweig in einem Verfahren wegen Beleidigung gemäß § 35 Abs. 2 JGG von der Verfolgung ab (608 Js 10681/99).
2. Am 26.07.1999, rechtskräftig seit dem 26.07.1999, verurteilte ihn das Amtsgericht Salzgitter wegen gemeinschaftlicher gefährlicher
Körperverletzung. Der Angeklagte wurde verwarnt und ihm die Ableistung von Arbeitsstunden aufgegeben (11 Ds 608 Js 11727/99).
3. Am 15.11.1999 sah die Staatsanwaltschaft Braunschweig in einem Verfahren wegen Verleumdung von der Verfolgung ab (601 Js 26223/99)
4. Am 27.11.2000, rechtskräftig seit dem 05.12.2000, verurteilte ihn das Amtsgericht Salzgitter wegen gemeinschaftlicher gefährlicher Körperverletzung, verwarnte ihn und gab ihm die Ableistung von Arbeitsstunden auf. Da der Angeklagte die Auflagen nicht erfüllte, wurden zwei Jugendarreste gegen ihn verhängt (9 Ds 608 Js 23526/00).
5. Am 16.09.2002, rechtskräftig seit dem 24.09.2002, verurteilte ihn das Amtsgericht Salzgitter wegen vorsätzlichen Fahrens ohne Fahrerlaubnis in zwei Fällen erneut zur Erbringung von Arbeitsleistungen und erteilte eine richterliche Weisung (11 Ds 608 Js 32968/12).
6. Unter Einbeziehung der vorgenannten Entscheidung verurteilte ihn das Amtsgericht Salzgitter am 14.10.2002, rechtskräftig seit dem 22.10.2002, wegen Diebstahls. Der Angeklagte wurde verwarnt und ihm eine richterliche Weisung aufgegeben. Wegen Zuwiderhandlung gegen Auflagen wurde ein Jugendarrest von zwei Freizeiten verhängt (11 Ds 608 Js 28468/02).
7. Die erste Jugendstrafe von zwei Jahren verhängte das Amtsgericht Salzgitter am 03.07.2003, rechtskräftig seit dem 03.07.2003, wegen Betruges in 51 Fällen, davon in 10 Fällen versucht handelnd in Tatmehrheit mit vorsätzlichem Fahren ohne Fahrerlaubnis in 8 Fällen, davon in 6 Fällen in Tateinheit mit unbefugter Ingebrauchnahme eines Fahrzeugs in Tatmehrheit mit Diebstahl in 2 Fällen in Tatmehrheit mit unerlaubtem Entfernen vom Unfallort gegen den Angeklagten (11 Ls 6080 Js 54497/02).
8. Am 18.02.2004, rechtskräftig seit dem 18.02.2004, verurteilte ihn das Amtsgericht Salzgitter wegen Betruges in 5 Fällen, davon in zwei Fällen versucht handelnd, unter Einbeziehung der vorgenannten Entscheidung zu der Einheitsjugendstrafe von drei Jahren und sechs Monaten (11 Ls 608 Js 55296/03).
9. Beide vorgenannten Entscheidungen wurden einbezogen in das Urteil des Amtsgerichts Braunschweig vom 07.09.2004, rechtskräftig seit dem 07.09.2004, mit dem der Angeklagte wegen vorsätzlicher Körperverletzung sowie gemeinschaftlicher Körperverletzung zu der Einheitsjugendstrafe von drei Jahren und zehn Monaten verurteilt wurde. Am 15.03.2006 wurde der Rest der Jugendstrafe zur Bewährung ausgesetzt. Nach Widerruf war die Strafvollstreckung am 27.10.2007 erledigt. Auch die danach angeordnete Führungsaufsicht ist beendet (54 Ls 550 Js 707/04).
10. Am 03.05.2007, rechtskräftig seit dem 18.07.2007, verurteilte das Amtsgericht Hildesheim den Angeklagten wegen Betruges in zwei Fällen in Tateinheit mit Urkundenfälschung und Diebstahl in fünf Fällen zu der Freiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten. Am 27.07.2009 wurde der Strafrest zur Bewährung ausgesetzt. Die Strafvollstreckung war nach Widerruf am 15.11.2014 erledigt. Der Angeklagte steht bis zum 26.08.2020 unter laufender Führungsaufsicht (13 Ls 21 Js 25307/06).
11. Zuletzt verurteilte das Amtsgericht Hildesheim den Angeklagten am 07.06.2011, rechtskräftig seit dem 14.07.2011, wegen schwerer räuberischer Erpressung in zwei Fällen zu der Freiheitsstrafe von sechs Jahren (26 KLs 26 Js 10556/10). Am 24.10.2016 wurde der Angeklagte aus der Strafhaft entlassen. Der Strafrest wurde bis zum 26.08.2020 zur Bewährung ausgesetzt und dem Angeklagten ein Bewährungshelfer bestellt. Derzeit wird er von Herrn pp.l von der Bewährungshilfe in Bielefeld betreut.

Zur Sache hat die Kammer folgende Feststellungen getroffen:

In der Zeit von vom 22.04.2010 bis zum 24.10.2016 verbüßte der Angeklagte Haft, zunächst in der Justizvollzugsanstalt Detmold und später in der Justizvollzugsanstalt Bielefeld-Senne. Zu einem nicht näher feststellbaren Zeitpunkt vor dem 11.02.2016 gelangte er in der Justizvollzugsanstalt Detmold auf nicht aufklärbare Weise in den Besitz eines Mobiltelefons der Marke „Huawei Y360-061", welches er in seiner Haftzelle aufbewahrte und mit dem er unter anderem regelmäßigen Kontakt zu seiner Verlobten, der Zeugin Pp. und einem Justizvollzugsbeamten, dem Zeugen pp. unterhielt. Mit dem Zeugen pp. pflegte er ein nahezu freundschaftliches Verhältnis. Dem Angeklagten war bewusst, dass er mit dem Besitz des Mobiltelefons und der Kontaktaufnahme mit Personen außerhalb der Justizvollzugsanstalt und Justizvollzugsbeamten gegen die Anstaltsregeln der Justizvollzugsanstalt Detmold verstieß.

Am 10. 03.2016 teilte der zu diesem Zeitpunkt ebenfalls in der Justizvollzugsanstalt Detmold einsitzende Mitgefangene pp. dem Justizvollzugsbeamten pp. mit, dass sich der Angeklagte im Besitz des Mobiltelefons befinde. Woher dieser das Mobiltelefon erhalten habe, könne er nur spekulieren. Möglicherweise sei es durch den Zeugen pp. eingebracht und dem Angeklagten übergeben worden. Über diese Mitteilung fertigte der Zeuge pp. noch am 10.03.2016 eine Meldung und übersandte diese in der Folge an die Leiterin der Abteilung Sicherheit und Ordnung in der Justizvollzugsanstalt, die Zeugin pp.. Anlässlich dieser Meldung wurde am 14.03.2016 eine außerordentliche Haftraumrevision beim Angeklagten durchgeführt. Hierbei wurde das Mobiltelefon, welches mit einer Socke überzogen worden war, samt Ladekabel in einem Eimer aufgefunden und sichergestellt.

Noch am 14.03.2016 wurde der Angeklagte dem Leiter seiner Abteilung sowie der Leiterin der Abteilung Sicherheit und Ordnung, der Zeugin pp. vorgeführt und zu dem Vorfall befragt. Hierbei wurde der Angeklagte weder vor noch während der Vernehmung über seine Rechte als Beschuldigter in einem Strafverfahren im Sinne des § 136 StPO belehrt. Über die Befragung fertigte die Zeugin unter dem 14.03.2016 eine als solche überschriebene „Vernehmungsnotiz". Danach habe der Angeklagte bei der Befragung angegeben, dass er das bei ihm aufgefundene Handy von einem Bediensteten der Anstalt erhalten habe. Hierfür habe er 150,00 € bezahlt. Den Namen des Bediensteten habe er zunächst nicht nennen wollen. Dem Angeklagten sei zugesichert worden, dass er verlegt werde, sobald er den Namen nenne. Das Handy habe nach eigenen Recherchen einen Wert von 90,00 € bis über 190,00 € gehabt.

Am 15.03.2016 wurde der Angeklagte nochmals zum Sachverhalt des Handyfundes vernommen. Auch hierüber fertigte die Zeugin pp., die die Vernehmung durchführte, eine als solche überschriebene „Vernehmungsnotiz". Danach habe der Angeklagte auf mehrfache Nachfragen angegeben, das Handy am 25.12.2015 von dem Bediensteten JVOS Pp. in der Anstaltsküche erhalten zu haben. Das Handy habe ca. 70,00 € gekostet. Er habe dem Zeugen Pp. dafür 150,00 € über einen Freund zukommen lassen. Über seine Rechte als Beschuldigter in einem Strafverfahren gemäß § 136 StPO wurde der Angeklagte auch im Rahmen dieser Befragung zu keinem Zeitpunkt belehrt.

Aufgrund seiner Angaben wurde der Angeklagte in die Justizvollzugsanstalt Bielefeld-Senne verlegt. Der Zeuge Pp. wurde in der Zeit vom 16.03.2016 bis zum 07.11.2016 unter Kürzung seiner Dienstbezüge um 15% suspendiert. Seit dem 08.11.2016 verrichtet er seinen Dienst in der Justizvollzugsanstalt Bielefeld-Senne.

Am 12.06.2016 wurde der Karton des beim Angeklagten aufgefundenen Mobiltelefons im Rahmen einer richterlich angeordneten Durchsuchung in der Wohnung der Zeugin pp. aufgefunden. Im Rahmen ihrer polizeilichen Vernehmung gab sie nach Belehrung über ihre Rechte als Beschuldigte in einem Strafverfahren gemäß § 136 StPO an, das Mobiltelefon im Real-Mark gekauft und dem Angeklagten in der Justizvollzugsanstalt übergeben zu haben. Über ihr Zeugnisverweigerungsrecht wurde die Zeugin durch den vernehmenden Polizeibeamten nicht belehrt. Bei der Berufungshauptverhandlung machte die Zeugin, die mit dem Angeklagten zu diesem Zeitpunkt verlobt war, nach Belehrung gemäß § 52 Abs. 1 Nr. 1 StPO von ihrem Zeugnisverweigerungsrecht Gebrauch.

Der Angeklagte war vom Vorwurf der falschen Verdächtigung aus tatsächlichen Gründen freizusprechen. Aufgrund der durchgeführten Beweisaufnahme konnte nicht festgestellt werden, dass der Angeklagte den Zeugen wider besseren Wissens gegenüber einer Behörde einer Straftat verdächtigte.

1. Die Feststellungen zur Person des Angeklagten beruhen auf dessen glaubhaften Angaben in der Hauptverhandlung sowie der verlesenen Auskunft aus dem Zentral-und Erziehungsregister vom 02.03.2017.

2. Zur Sache hat sich der Angeklagte nicht eingelassen. Die getroffenen Feststellungen beruhen auf den Angaben der Zeugen pp. sowie den in Augenschein genommenen Abbildungen der Handychats (BI. 12-20 d. A.) und dem verlesenen Durchsuchungs- und Sicherstellungsprotokoll vom 12.06.2016 (BI. 46 d. A.).

a) Den Ablauf des Verfahrens haben die Zeugen pp. und pp. glaubhaft geschildert. So gab der Zeuge pp., dass er durch den Mitgefangenen pp. auf das Mobiltelefon bei dem Angeklagten aufmerksam gemacht worden sei. Daraufhin habe eine außerordentliche Haftraumuntersuchung beim Angeklagten stattgefunden, bei der das Mobiltelefon der Marke „Huawei Y360-061" in einem Eimer des Haftraums aufgefunden worden sei. Dies bestätigte auch die Zeugin pp. Sie schilderte, dass ihr als Leiterin der Abteilung Sicherheit und Ordnung in der Justizvollzugsanstalt Detmold Meldung über einen entsprechenden Fund gemacht worden sei, woraufhin sie den Angeklagten am 14.03.2016 und am 15.03.2016 zur Befragung vorführen ließ. Diese Aussagen der Zeugen waren für die Kammer uneingeschränkt glaubhaft. Es ist nicht ersichtlich, warum die Zeugen den Angeklagten zu Unrecht belasten sollten.

Mit dem Mobiltelefon kommunizierte der Angeklagte sowohl mit Personen außerhalb der Justizvollzugsanstalt, insbesondere seiner Verlobten der Zeugin Pp. als auch mit Bediensteten der Justizvollzugsanstalt. Hiervon berichtete der Zeuge KHK pp., der als sachbearbeitender Polizeibeamter das Mobiltelefon auswertete, der Kammer glaubhaft. Seine Angaben werden bestätigt durch die in Augenschein genommenen Ablichtungen der auf dem Mobiltelefon sichergestellten chat-Verläufe.

Daraus ist ersichtlich, dass der Angeklagte sowohl mit Einzelpersonen als auch in sog. „whatsapp-Gruppen" über das Mobiltelefon kommunizierte. Der Besitz des Mobiltelefons und die Kontaktaufnahme stellen jeweils Verstöße gegen die Anstaltsordnung dar, was dem Angeklagten als hafterfahrenem Insassen auch bewusst war. Dies zeigt sich bereits daran, dass der Angeklagte das Mobiltelefon in einer Socke im Eimer versteckte.

Zu dem Fund des Mobiltelefons wurde der Angeklagte am 14.03. und am 15.03.2016 durch die Zeugin pp. befragt und machte ihr gegenüber die oben dargestellten Angaben, was diese glaubhaft im Rahmen der Hauptverhandlung bestätigte. Sie gab auch an, dass der Angeklagte vor und während beider Befragungen nicht über seine Rechte als Beschuldigter in einem Strafverfahren gemäß § 136 StPO belehrt wurde, obwohl auch für sie spätestens nach der ersten Anhörung am 14.03.2016 der Vorwurf einer Bestechung des Zeugen pp. im Raum stand.

Die Zeugin räumte selbst ein, dass sie damals erst seit sechs Wochen im Amt gewesen sei und die Belehrungen schlicht vergessen habe. Heute würde sie ein einer solchen Situation die Betroffenen stets belehren. Vor diesem Hintergrund hatte die Kammer keinen Zweifel an der Glaubhaftigkeit der Aussage der Zeugin, zumal ihr dies in der Hauptverhandlung sichtlich unangenehm war.

Der Zeuge pp. schilderte glaubhaft, dass er im Anschluss an die Befragung vorläufig unter Kürzung einer Dienstbezüge vom Dienst suspendiert wurde.

b) Feststellungen dazu, dass der Angeklagte den Zeugen pp. im Rahmen der Befragungen durch die Zeugin pp. wider besseren Wissens als denjenigen verdächtigte, der ihm das Mobiltelefon in der Justizvollzugsanstalt übergab, konnte die Kammer indes nicht treffen.

aa) Wie die Zeugin pp- selbst einräumte, wurde der Angeklagte im Rahmen der disziplinarischen Befragung nicht über sein Auskunftsverweigerungsrecht belehrt. Dies führt dazu, dass seine Angaben über die Herkunft des Mobiltelefons, die in den Vermerken vom 14.03. und 15.03.2016 niedergelegt sind, nicht verwertbar sind. Sie unterliegen aufgrund eines Verstoßes gegen die Belehrungspflicht nach § 136 Abs. 1 StPO einem umfassenden Verwertungsverbot.

Im Einzelnen:
Das Verfahren bei Disziplinarverstößen innerhalb einer Justizvollzugsanstalt ist in § 106 StVollzG geregelt. Eine dem § 136 StPO entsprechende Belehrung im Rahmen einer disziplinarischen Anhörung eines Strafgefangenen ist darin zwar nicht ausdrücklich vorgesehen. Nach höchstrichterlicher Rechtsprechung ist ein belehrender Hinweis des Gefangenen zu seinem Aussageverweigerungsrecht jedoch dann geboten, wenn dieser Vorwurf zugleich ein mit Strafe bedrohtes Verhalten betrifft (BGH, Urteil vom 09.04.1997 — 3 StR 2/97). Dies folgt daraus, dass der Betroffene aufgrund des Freiheitsentzuges in seiner Rechtsstellung allgemein schon einschneidend beschränkt ist und er sich im Disziplinarverfahren der Gefahr einer Ahndung mit strafähnlichem Charakter gegenüber sieht.

Dies war auch vorliegend der Fall. Wie die Zeugin pp. selbst einräumte, bestand spätestens zum Zeitpunkt der zweiten Vernehmung am 15.06.2016 gegen den Angeklagten nicht nur der Verdacht einer Ordnungswidrigkeit nach § 115 OWiG durch Entgegennahme des Mobiltelefons (dazu Rogall in Karlsruher Kommentar zum OWiG, 4. Aufl. 2014, § 115 Rn. 7 ff.). Vielmehr stand auch der Vorwurf einer Bestechung nach § 334 Abs. 1 StGB im Raum, nachdem der Angeklagte angegeben hatte, dem Justizvollzugsbeamten für das Mobiltelefon 150,00 € bezahlt zu haben, obwohl das Mobiltelefon möglicherweise einen deutlich geringeren Wert hatte. Spätestens zu diesem Zeitpunkt handelte es sich nicht mehr um eine informatorische Vorabbefragung des Angeklagten, sondern um eine Vernehmung im Rahmen des disziplinarischen Verfahrens. Dass auch die vernehmende Beamtin, die Zeugin pp. dies entsprechend einstufte, zeigt sich bereits daran, dass beide Vermerke über die Befragungen mit „Vernehmungsnotiz" überschrieben sind. Dem entsprechend hätte der Angeklagte, der höchstrichterlichen Rechtsprechung folgend, spätestens vor der zweiten Vernehmung über sein Schweigerecht belehrt werden müssen.

Der Verstoß gegen die Belehrungspflicht begründet — nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs — im Falle des rechtzeitigen Widerspruchs grundsätzlich ein Verwertungsverbot (BGHSt 38, 214 m.w.N.). Dies gilt nur dann nicht, wenn feststeht, dass der Beschuldigte sein Recht zu schweigen auch ohne Belehrung gekannt hat (Schmitt in Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 59. Auflage 2016, § 136 Rn. 20 m.w.N.). Das ist vorliegend zur Überzeugung der Kammer jedoch nicht festzustellen. Der Angeklagte ist zwar insoweit erfahren, als gegen ihn ausweislich des Registerauszugs bereits mehrere Strafverfahren geführt wurden und er auch bereits mehrere Jahre in Haft saß. Alleine diese ist jedoch nicht ausreichend, um eine sichere Kenntnis von seinen Rechten anzunehmen. Bei der Vernehmung durch die Zeugin pp. handelte es sich gerade nicht um den „klassischen" Fall einer polizeilichen Vernehmung, wie ihn § 136 StPO vorsieht. Aufgrund der unmittelbar drohenden Disziplinarmaßnahme und seiner Inhaftierung befand sich der Angeklagte vielmehr in einer besonderen Drucksituation. Selbst die Zeugin pp. als erfahrene Justizvollzugsbeamtin dachte in dieser Situation nicht an das Schweigerecht des Angeklagten, sodass ihm diese Kenntnis nicht ohne weiteres unterstellt werden kann.

Der Verteidiger hat der Verwertung der Aussage der Zeugin pp. als Vernehmungsbeamtin des Angeklagten in beiden Instanzen rechtzeitig widersprochen, sodass auch die formalen Voraussetzungen des Verwertungsverbots erfüllt sind.

Das in der Folge eingreifende Verwertungsverbot ist umfassend und bezieht sich auf sämtliche Angaben des Angeklagten im Rahmen der Vernehmung durch die Zeugin pp. Es betrifft insbesondere auch seine Angaben bezüglich der Täterschaft des Zeugen pp.. Eine Aufspaltung des Verwertungsverbots dahingehend, dass sich das Verwertungsverbot nur auf Angaben zu bereits in der Vergangenheit begangenen Straftaten und nicht auf Angaben bezieht, durch die der Vernommene neue Straftaten begeht, ist nicht möglich. Das Verwertungsverbot ist insoweit spiegelbildlich zu dem Schweigerecht, welches dem Angeklagten zusteht und über welches er zu belehren ist. Auch dieses Schweigerecht ist umfassend und bezieht sich nicht auf einzelne Beweisfragen. Hätte der Angeklagte von seinem Schweigerecht Gebrauch gemacht, hätte den Zeugen Pl. auch nicht belastet, sodass ein innerer Zusammenhang zwischen dem Schweigerecht und der etwaigen falschen Verdächtigung besteht. Dies gilt umso mehr, als sich der Angeklagte aufgrund der Vernehmungssituation in der Justizvollzugsanstalt und der drohenden disziplinarrechtlichen Maßnahmen — wie bereits dargestellt — in einer besonderen Drucksituation befand.

Nach alledem ist bereits nicht feststellbar, dass der Angeklagte den Zeugen pp.r gegenüber einer Behörde einer rechtswidrigen Tat oder Verletzung einer Dienstpflicht verdächtigte. Außer den Angaben des Angeklagten gegenüber der Zeugin pp. und dem darüber gefertigten Vernehmungsprotokoll stehen hierzu keine weiteren Beweismittel zur Verfügung.

bb) Überdies ist nach der durchgeführten Beweisaufnahme nicht feststellbar, dass der Angeklagte den Zeugen pp. tatsächlich wider besseren Wissens verdächtigte. So sind die Umstände, unter denen das Mobiltelefon in die Justizvollzugsanstalt und an den Angeklagten gelangte, unklar geblieben. Zwar wurde der Karton des Mobiltelefons im Rahmen einer Wohnungsdurchsuchung am 12.06.2016 bei der Zeugin pp. aufgefunden. Alleine dies belegt jedoch nicht, dass diese und nicht der Zeuge pp. das Mobiltelefon dem Angeklagten überließ. Es erscheint zumindest möglich und nicht fernliegend, dass die Zeugin pp. das Mobiltelefon an den Zeugen pp. zum Zwecke der Einbringung in die Justizvollzugsanstalt übergab. So hatte der Zeuge pp. zumindest das Gerücht gehört, dass der Zeuge pp. involviert gewesen sei. Die Angaben der Zeugin pp. gegenüber dem Durchsuchungsbeamten KHK pp, wonach sie das Mobiltelefon dem Angeklagten übergeben habe, sind nicht verwertbar, nachdem sich die Zeugin in der Hauptverhandlung auf das ihr nach § 52 Abs. 1 Nr. 1 StPO zustehende Zeugnisverweigerungsrecht berufen und der Verteidiger der Verwertung der Aussage rechtzeitig widersprochen hat. Die Kammer hielt die Angaben der Zeugin zu dem bestehenden Verlöbnis für glaubhaft, nachdem die Zeugin die Umstände des Verlöbnisses und ihre Heiratsabsichten nachvollziehbar schildern konnte.

IV.
Auf der Grundlage der getroffenen Feststellungen ist ein strafrechtlich relevantes Verhalten des Angeklagten nicht feststellbar. Bezüglich der durch das Amtsgericht ausgeurteilten falschen Verdächtigung nach § 164 Abs. 1 StGB ist weder feststellbar, dass der Angeklagte den Zeugen pp. gegenüber einer Behörde einer rechtswidrigen Tat oder Verletzung einer Dienstpflicht verdächtigte, noch dass dies gegebenenfalls wider besseren Wissens des Angeklagten geschah. Gleiches gilt für eine Ordnungswidrigkeit nach § 115 OWiG, nachdem die Umstände, unter denen das Mobiltelefon in die Anstalt gelangte, nicht aufgeklärt werden konnten. Im Übrigen wäre die Ordnungswidrigkeit auch nach § 31 Abs. 1 und 2 Nr. 4 OWiG verjährt, sodass der Freispruch aus rechtlichen Gründen erfolgen würde.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 465 Abs. 1 StPO.


Einsender: RA Dr. A. Pott, Detmold

Anmerkung:


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