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Entscheidungen

Zivilrecht

Manipulierter Unfall, Indizien

Gericht / Entscheidungsdatum: LG Hannover, Urt. v. 25.01.2017 - 11 O 97/15

Leitsatz: Zu den Indizien für die Annahme eines manipulierten Verkehrsunfalls.


In pp.
Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar; der Kläger kann die Vollstreckung jedoch gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte ihrerseits vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Tatbestand:
Der Kläger nimmt die Beklagte aufgrund eines behaupteten Verkehrsunfalls auf Schadensersatz in Anspruch.
Die Beklagte war zum Vorfallzeitpunkt zuständiger Haftpflichtversicherer des vom vermeintlichen Unfallverursacher – dem Zeugen pp. – geführten PKW Skoda (amtliches Kennzeichen zum Vorfallzeitpunkt: pp.).

Der Kläger behauptet, durch den Zeugen pp. sei am 27.11.2014 gegen 17:45 Uhr ein Unfall verursacht worden, wodurch sein Fahrzeug – ein BMW 530 d (Leistung: 173 kW, Erstzulassung: 23.6.2008, Kilometerstand am 28.11.2014: 186.058) – beschädigt worden sei (vgl. polizeiliche Verkehrsunfallanzeige, Anlage K1).

Er, der Kläger, habe seinen PKW am rechten Straßenrand der Kieler Straße in Laatzen ordnungsgemäß geparkt. Der Zeuge pp. sei dann aus Unachtsamkeit mit der vorderen rechten Seite des von ihm geführten Fahrzeugs gegen die hintere linke Seite des geparkten PKW gefahren.

Der Kläger macht unter Hinweis auf ein Gutachten des Sachverständigen pp. vom 4.12.2014 (Anlage K2) im Wege einer fiktiven Schadensabrechnung Reparaturkosten in Höhe von 5.939,99 € (netto) sowie eine Auslagenpauschale in Höhe von 25 € und Gutachterkosten in Höhe von 958,10 € geltend.

Der Kläger beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an ihn 6.923,09 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz der EZB seit dem 30.12.2014 sowie außergerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 650,34 € zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.

Die Beklagte bestreitet im Hinblick auf eine mögliche Finanzierung des klägerischen Fahrzeugs dessen Aktivlegitimation. Sie bestreitet zudem, dass sich der vom Kläger vorgetragene Verkehrsunfall überhaupt bzw. in der geschilderten Art und Weise ereignet hat. Vielmehr handele es sich um einen manipulierten Verkehrsunfall mit Einwilligung des Klägers, wofür zahlreiche Indizien sprechen würden. Schließlich bestreitet die Beklagte die einzelnen geltend gemachten Schadenspositionen sowie unter Hinweis auf einen erheblichen Vorschaden die Kausalität eines etwaigen Unfalls für die geltend gemachten Schäden.

Wegen des weiteren Parteivorbringens wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.

Das Gericht hat den Kläger informatorisch angehört sowie Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeugen pp. sowie pp. Wegen des Ergebnisses der Anhörung bzw. der Beweisaufnahme wird auf die Sitzungsprotokolle vom 22.6.2016 sowie vom 4.1.2017 Bezug genommen.

Gründe:

Die zulässige Klage ist unbegründet.
I.
Dem Kläger steht gegen die Beklagte kein Schadensersatzanspruch gemäß §§ 7 StVG, 823 BGB, 115 VVG zu.
Das Gericht ist gemäß § 286 ZPO aufgrund der Würdigung der Gesamtumstände des vorliegenden Falls davon überzeugt, dass sich das vom Kläger im Rahmen seiner Klagebegründung behauptete Unfallereignis nicht wie von ihm geschildert ereignet hat, sondern dass es sich vielmehr um eine einverständliche Beschädigung seines PKW handelt. Das Gericht hat im Ergebnis keine ernsthaften Zweifel daran, dass von einem manipulierten Unfallgeschehen auszugehen ist, weshalb dem Kläger aus diesem Vorfall keine Zahlungsansprüche gegenüber der Beklagten zustehen.
Zu dieser Überzeugung ist das Gericht aufgrund einer Gesamtbetrachtung und Würdigung der nachfolgend benannten Tatsachen bzw. Indizien gelangt, die bei manipulierten Verkehrsunfällen typischerweise vorliegen (vgl. hierzu OLG Celle, Urteil vom 30.6.2010, 14 U 6/10, juris Rn. 6 ff. und Beschlüsse vom 1.2.2016, 14 U 192/15; 21.1.2016, 14 U 196/15; 15.9.2011, 14 W 28/11, juris Rn. 15 ff.). Aufgrund der im Folgenden benannten starken Indiztatsachen wird die Überzeugungsbildung auch nicht dadurch erschüttert, dass die Beteiligten den konkreten Unfallort weitgehend übereinstimmend auf den entsprechenden ihnen vorgelegten Skizzen markieren konnten.

1. Die Darlegungen des Klägers, warum sein Fahrzeug gerade am behaupteten Unfallort in Laatzen – der Kläger ist wohnhaft in Arnsberg und hat nach eigenen Angaben keine Bezüge zu Hannover – geparkt war, sind ebenso wie seine Schilderung des gesamten Ablaufs des Unfalltages nicht plausibel und stehen zudem auch in wesentlichen Punkten im Widerspruch zu den Angaben der Zeugin pp..

So ist schon kaum verständlich, dass sich der Kläger statt für einen längeren Aufenthalt bei seiner Verwandtschaft – gerade für deren Besuch hat der Kläger mit seiner Familie doch offenbar die nicht unerhebliche Wegstrecke auf sich genommen – dafür entschieden haben will, die Zeit für einen Spaziergang in Hannover auf dem Rückweg zu nutzen. Es widerspricht nach Auffassung der Kammer zudem der Lebenserfahrung, dass man mit einem viereinhalb-jährigen Kind nach einem anstrengenden Tag bzw. einer erheblichen Zeit im Auto noch einen Spaziergang machen will bzw. “shoppen” geht, anstatt nach Hause zu fahren.

Insgesamt kann das Gericht die Ausführungen des Klägers, sie hätten in Hannover als einer Stadt, zu der sie keinerlei Bezüge haben, auf dem Rückweg deshalb spazieren gehen wollen, weil sie genug Zeit gehabt hätten, schlichtweg nicht nachvollziehen. Eine solche Überlegung hält das Gericht vielmehr für abwegig.

Hinzu kommt, dass sich die Schilderung auch nicht mit den geographischen Verhältnissen in Einklang bringen lässt. So würde man als Verkehrsteilnehmer von Hannover aus in aller Regel zunächst die Autobahn 2 in Richtung Westen nehmen, um nach Arnsberg zu gelangen. Aufgrund dessen würde ein Navigationsgerät – der Kläger will ja “nach Navi” gefahren sein – vom Zentrum aus – dort will der Kläger offenbar zunächst gewesen sein – das Fahrzeug nach Norden wieder auf die A2 in Richtung Westen leiten. Vor diesem Hintergrund erschließt sich auch nach den eigenen Angaben des Klägers nicht, wie dieser in das deutlich südlich von Hannover gelegene Laatzen bzw. konkret zum Vorfallsort gekommen sein will. Bezeichnenderweise konnte der Kläger hierzu auf Nachfrage auch nichts sagen. Entsprechendes gilt für die Version der Zeugin pp.. Nach der Abfahrt von der Autobahn 2 ist der Vorfallsort schlichtweg nicht durch ein längeres Fahren auf einer Straße erreichbar, zumal dazwischen bereits das eigentliche Ziel – das Zentrum von Hannover – liegt.

Des Weiteren steht das Vorbringen des Klägers auch deutlich im Widerspruch zu den Angaben der Zeugin pp., die nichts von einem geplanten Spaziergang bekundet hat, sondern von einer spontanen Überlegung “Shoppen” zu gehen, gesprochen hat.

2. Es handelt sich bei dem vom Kläger behaupteten Unfallgeschehen um einen leicht zu beherrschenden, unkomplizierten und vergleichsweise gefahrlosen Fahrvorgang, bei dem der behauptete Fahrfehler bzw. Anlass des Unfalls nicht nachvollziehbar ist, zumal der insoweit gehaltene Vortrag des Klägers weder konstant noch mit der Aussage des Zeugen pp. bzw. weiteren Umständen kompatibel ist.

So hat der Kläger in seiner Klage noch vorgebracht, dass der Zeuge “aus Unachtsamkeit” gegen sein Fahrzeug gefahren sei. Im Rahmen seiner informatorischen Anhörung hat der Kläger dann davon gesprochen, dass der Zeuge ihm erklärt habe, dass ihm sein Handy kurz zuvor runtergefallen sei und er danach gesucht habe, was der Zeuge auch gegenüber der Polizei angegeben habe. Dies lässt sich einerseits nicht mit der polizeilichen Verkehrsunfallanzeige in Einklang bringen, in der nichts Entsprechendes vermerkt worden ist, was aber bei entsprechender Mitteilung zu erwarten gewesen wäre. Darüber hinaus hat auch der Zeuge pp. nichts davon berichtet, dass ihm sein Handy heruntergefallen ist. Vielmehr hat dieser bekundet, er sei ein wenig gestresst gewesen, sodass er nicht richtig aufgepasst bzw. sich verschätzt habe.

Schließlich wäre es nach Auffassung des Gerichts zu erwarten gewesen, dass der Kläger diesen im Hinblick auf den Unfall erheblichen Umstand des heruntergefallenen Handys anschließend auch seiner Frau – der Zeugin pp. – mitteilt, was er aber nicht getan hat, wie die Zeugin auf ausdrückliche Nachfrage bekundet hat. Dies erscheint dem Gericht kaum plausibel.

3. Die Haftungslage ist zu Lasten der Beklagten eindeutig. Der Zeuge pp. hat den äußeren Unfallhergang sowie seine Alleinschuld bereits direkt nach dem Unfall ohne Einschränkungen im Rahmen der polizeilichen Unfallaufnahme eingeräumt.

4. Bei dem klägerischen Fahrzeug handelt es sich um ein leistungsstarkes älteres Fahrzeug der Oberklasse mit hohem Kilometerstand, welches wegen der vergleichsweise hohen Unterhaltskosten allgemein nur relativ schwer verkäuflich sein dürfte. Zudem war dieses Fahrzeug in der konkreten Art der Ausgestaltung der Schädigung sehr gut geeignet, für den Kläger eine Einnahmequelle zu generieren. Das “Schädigerfahrzeug” ist – jedenfalls ausweislich der Angaben des Zeugen pp. – als minderwertiges Fahrzeug anzusehen. So hat der Zeuge angegeben, dieses etwa ein Jahr zuvor als Gebrauchtwagen für 1.200 – 1.300 € gekauft zu haben. Zudem erscheint es auffällig, dass der Zeuge pp. nach eigenen Angaben bereits kurze Zeit nach dem hier streitgegenständlichen Vorfall wieder in einen Unfall verwickelt war.

Hinzu kommt, dass es eine häufig bei manipulierten Unfällen anzutreffende Tatsache ist, dass der Schaden nicht tatsächlich entsprechend den Vorgaben des mit der Begutachtung beauftragten Sachverständigen beseitigt wird, sondern – wie hier – eine Abrechnung auf fiktiver Basis erfolgt.

5.
Schließlich ist es ein für manipulierte Unfallereignisse typischer Umstand, dass der Fahrer des gegnerischen PKW – also vorliegend der Zeuge pp. – nicht mitverklagt wurde.

II.
Die Fragen der Aktivlegitimation des Klägers sowie der Haftungsausfüllung konnten dahinstehen, da bereits keine Haftung der Beklagten dem Grunde nach besteht.

III.
Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91; 708 Nr. 11, 711 ZPO.


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