Gericht / Entscheidungsdatum: LG Bonn, Beschl. v. 23.03.2017 - 29 Qs-660 Js 405/14-5/17
Leitsatz: Im Gesamtstrafenverfahren nach § 460 StPO entsteht für den Verteidiger, der den Angeklagten bereits im Erkenntnisverfahren vertreten hat, nicht die Gebühr Nr. 4204 VV RVG.
Landgericht Bonn
Beschluss
In dem Beschwerdeverfahren
pp.
hat die 9. Strafkammer des Landgerichts als Beschwerdekammer auf die sofortige Beschwerde gegen den Beschluss des Amtsgerichts Siegburg vom 31.08.2016 - Az: 204 Ds 60/15 - durch den Richter am Landgericht als Einzelrichter
am 23.03.2017 beschlossen:
Das als sofortige Beschwerde bezeichnete Rechtsmittel vom 07.09.2016 gegen die Festsetzungsentscheidung des Amtsgerichts Siegburg vom 31.08.2016 wird als derzeit unzulässig verworfen.
Die weitere Beschwerde wird nicht zugelassen.
Das Beschwerdeverfahren ist gebührenfrei; Kosten werden nicht erstattet.
Gründe:
I.
Mit Beschluss vom 23.09.2015 bestellte das Amtsgericht Siegburg Rechtsanwalt D. als Pflichtverteidiger. In der Hauptverhandlung vor dem Amtsgericht Siegburg vom 18.04.2016 im Verfahren 204 Ds 660 Js 405/14 60/15 wurde der Angeklagte pp. zu einer Gesamtgeldstrafe von 60 Tagessätzen zu je 30 verurteilt.
Am Tag nach der Hauptverhandlung, dem 19.04.2016, beantragte der Pflichtverteidiger, hinsichtlich des Urteils vom 18.04.2016 eine nachträgliche Gesamtstrafe mit einer nicht näher bezeichneten Strafe aus einem Urteil des Amtsgerichts Monschau zu bilden.
Bereits am 19.04.2016 reichte er bei Gereicht einen Festsetzungsantrag ein, mit dem er unter anderem auch folgende Positionen für das nachträgliche Gesamt-strafenverfahren anmeldete:
Verfahrensgebühr f. Einzeltätigkeiten Nr. 4301 VV 200,00
Auslagenpauschale Nr. 7002 VV 20,00
19% Umsatzsteuer 41,80
Summe: 261,80
Mit Festsetzungsentscheidung vom 31.08.2016 setzte die Rechtspflegerin des Amtsgerichts Siegburg die Pflichtverteidigergebühren unter Absetzung der angemeldeten Kosten für das nachträgliche Gesamtstrafenverfahren i.H.v. 261,80 auf 796,63 fest.
Gegen diese, ihm am 06.09.2016 zugegangene, Entscheidung richtet sich das ausdrücklich als sofortige Beschwerde bezeichnete Rechtsmittel des Pflichtverteidigers vom 07.09.2016.
Mit Verfügung vom 31.01.2017 legte die Rechtspflegerin des Amtsgerichts das Rechtsmittel gegen die Festsetzungsentscheidung zusammen mit einer weiteren sofortigen Beschwerde gegen einen Kostenfestsetzungsbeschluss aus demselben Strafverfahren der Kammer zur Entscheidung vor. Dabei machte die Rechtspflegerin in einem Vermerk, dem der Abteilungsrichter des Amtsgerichts ausweislich eines Vermerks zustimmte, deutlich, dass die Vorlage an die Kammer geschehe, weil im Hinblick auf die gesamte Beschwer, also unter Mitberücksichtigung der Beschwerde gegen den, ebenfalls am 31.08.2016 ergangenen, Kostenfestsetzungsbeschluss hinsichtlich der Pflichtverteidigergebühren für das Beschwerdeverfahren vor der 1. Strafkammer, die Sache insgesamt vorzulegen sei.
II.
1. Die Entscheidung der Kammer ist derzeit nicht veranlasst, da sie derzeit nicht zuständig ist. Denn das vom Beschwerdeführer als sofortige Beschwerde bezeichnete Rechtsmittel ist derzeit nicht statthaft. Denn gegen die Festsetzungsentscheidung des Rechtspflegers findet zunächst die Erinnerung statt, über die der zuständige Abteilungsrichter zu entscheiden hat. Eine Beschwerde hingegen wäre erst gegen den Beschluss des Gerichts über die Erinnerung statthaft gewesen. (Hartmann, Kostengesetze, 38.A., RVG, § 56 Rn 13; Stollenwerk in: NK-GK, 2.A., RVG, § 56 Rn. 18), weshalb das Rechtsmittel als derzeit unzulässig zu verwerfen war. Die Zustimmung des Abteilungsrichters zur Vorlage an das Landgericht ersetzt den förmlichen Beschluss insoweit nicht.
Es handelt sich entgegen der Auffassung der Rechtspflegerin auch nicht um eine einheitliche Beschwerde mit derjenigen gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss, sondern um ein eigenständiges Rechtsmittel gegen eine separate Entscheidung des Amtsgerichts.
Zunächst hat demnach der zuständige Abteilungsrichter des Amtsgerichts Siegburg über die wohl ebenfalls sachlich erhobene Erinnerung zu entscheiden. Erst gegen diesen Beschluss ist das Rechtsmittel der Beschwerde statthaft.
2. Die Kammer weist für das weitere Verfahren jedoch bereits jetzt auf folgendes hin:
Der geltend gemachte Vergütungsanspruch dürfte nicht bestehen. Denn die vom Pflichtverteidiger angemeldete Verfahrensgebühr nach RVG-VV Nr. 4301 ist nicht einschlägig. Diese Gebühr entsteht nur, wenn der Rechtsanwalt lediglich für einzelne Tätigkeiten beauftragt ist, ohne dass ihm sonst die Vertretung bzw. Verteidigung übertragen ist. Dies war vorliegend aber nicht der Fall, da Rechtsanwalt D. hier umfassend als Pflichtverteidiger tätig und auch beigeordnet war.
Es ist aber auch kein anderer Gebührentatbestand einschlägig. Insbesondere ist hier keine Gebühr nach RVG-VV Nr. 4204 entstanden. Diese Nummer sieht eine Verfahrensgebühr für sonstige Verfahren in der Strafvollstreckung vor. Das hier gegenständliche Verfahren zur Bildung einer nachträglichen Gesamtstrafe ist aber, trotz seiner Stellung im siebten Buch der StPO, kein solches Verfahren in der Strafvollstreckung. Vielmehr handelt es sich bei dem nachträglichen Gesamtstrafenverfahren lediglich um einen Annex zum Erkenntnisverfahren, der nicht separat vergütet wird.
Die nicht näher begründete Gegenansicht (Volpert, in: Burhoff, RVG Straf- und Bußgeldsachen, 4. A., Nr. 4204; vgl. auch Stollenwerk in: NK-GK, 2.A., RVG, VV Nr. 4200-4207, Rn. 11) vermag angesichts der Parallele zur Weiterwirkung der Pflichtverteidiger-Bestellung für die Nachtragsentscheidungen nach § 460 StPO und das Wiederaufnahmeverfahren (Meyer-Goßner, 59.A., § 140 Rn. 33) nicht zu überzeugen. Denn wenn das nachträgliche Verfahren zur Bildung einer nachträglichen Gesamtstrafe im Rahmen der Pflichtverteidigerbestellung als reiner Annex zu behandelt ist, so ist nicht ersichtlich, warum dies gebührenrechtlich anders zu beurteilen sein sollte.
Dafür spricht zudem, dass die Bildung einer nachträglichen Gesamtstrafe regelmäßig und normalerweise bereits im Erkenntnisverfahren hätte stattfinden müssen, da es sich um einen Teil der Strafzumessung handelt, und nur mangels Kenntnis der anderen Verurteilung bzw. versehentlich nicht erfolgte. Daher wird hier eine Entscheidung des Erkenntnisverfahrens nur aufgrund von Zufälligkeiten auf einen Zeitpunkt nach Rechtskraft des Urteils verlagert.
Zudem hat die eigentliche Vollstreckung der Strafen bei einer nachträglichen Gesamtstrafenbildung nach § 460 StPO noch gar nicht notwendigerweise begonnen. Dies ist erst bei Ergreifen konkreter Vollstreckungsmaßnahmen durch die Vollstreckungsbehörde der Fall.
III.
Die weitere Beschwerde ist gemäß §§ 56 Abs. 2 S.1, 33 Abs. 6 S. 1 RVG nicht zuzulassen.
IV.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 56 Abs. 2 S. 2 RVG. Gemäß § 56 Abs. 2 S. 3 RVG werden Kosten nicht erstattet.
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Anmerkung:
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