Diese Homepage verwendet Cookies, um Inhalte und Anzeigen zu personalisieren, Funktionen für soziale Medien anbieten zu können und die Zugriffe auf die Website zu analysieren. Außerdem gebe ich Informationen zu Ihrer Nutzung meiner Website an meine Partner für soziale Medien, Werbung und Analysen weiter.

OK Details ansehen Datenschutzerklärung

Entscheidungen

Gebühren

Zusätzliche Verfahrensgebühr, Absprache Strafbefehl

Gericht / Entscheidungsdatum: LG Mannheim, Beschl. v. 07.04.2017 - 6 Qs 9/16

Leitsatz: Nr. 4141 VV RVG ist nicht entsprechend anwendbar, wenn der Verteidiger auf den Erlass eines - vom Angeschuldigten akzeptierten - Strafbefehls hinwirkt und dadurch eine Hauptverhandlung vermieden wird.


Strafsache
gegen
M. K.
Verteidiger:
wegen Körperverletzung
hier: Beschwerde des beigeordneten Verteidigers gegen die Gebührenfestsetzung
1. Die Beschwerde des beigeordneten Verteidigers Rechtsanwalt A., Mannheim, gegen den Beschluss des Amtsgerichts Mannheim vom 12. Februar 2016 (29 Cs 307 Js 20831/15) wird als unbegründet zurückgewiesen.
2. Das Verfahren über die Beschwerde ist gebührenfrei; Kosten werden nicht erstattet.
3. Gegen diese Entscheidung wird die weitere Beschwerde zugelassen.

Gründe:
I.
Der mittlerweile Verurteilte M. K. aus M. hatte am 30. Mai 2015 - in erheblich alkoholisiertem Zustand - gegen 05:15 Uhr den an der Theke des „alten R.“, R. Straße in Mannheim sitzenden Geschädigten I. K. tätlich angegriffen und mit mehreren Faustschlägen traktiert, wodurch der Geschädigte mehrere Verletzungen, vor allem im Gesichtsbereich davongetragen hatte.

Nachdem seitens der Polizei am gleichen Tag die Ermittlungen aufgenommen worden waren, zeigte Rechtsanwalt A. mit Schreiben vom 18.6.2015 die Übernahme der Verteidigung des - damals - Beschuldigten an.

Mit Schreiben vom 11.8.2015 nahm der Verteidiger ausführlich Stellung und regte die Erledigung des Verfahrens im Strafbefehlswege an. Für diesen Fall beantragte er seine Beiordnung als Pflichtverteidiger gemäß § 408b StPO.

Mit Verfügung vom 26.8.2015 beantragte die Staatsanwaltschaft Mannheim den Erlass eines Strafbefehls gegen M. K. wegen Körperverletzung und der Verhängung einer Freiheitsstrafe von neun Monaten, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wird. Zugleich beantragte die Staatsanwaltschaft Mannheim die Beiordnung von Rechtsanwalt A. als Pflichtverteidiger gemäß § 408b StPO.

Am 2.9.2015 erließ das Amtsgericht Mannheim antragsgemäß den Strafbefehl gegen M. K.. Mit Beschluss vom 14.9.2015 bestellte es Rechtsanwalt A. antragsgemäß zum Pflichtverteidiger gemäß § 408b StPO. Einspruch gegen den Strafbefehl wurde nicht eingelegt. Dieser ist seit 23.9.2015 rechtskräftig.

Mit Schriftsatz vom 16.9.2015 beantragte Rechtsanwalt A. beim Amtsgericht Mannheim die Kostenfestsetzung. Im Rahmen der von ihm geltend gemachten Auslagen und Pflichtverteidigergebühren in Höhe von insgesamt 603,20 € (netto) stellte er unter anderem eine Gebühr in Höhe von 132,00 € (netto) gemäß Ziffern 4141, 4106 Vergütungsverzeichnis (VV) - RVG wegen Mitwirkung bei der Entbehrlichkeit der Hauptverhandlung in Rechnung.

Durch Festsetzungsbeschluss des Amtsgerichts Mannheim vom 5.10.2015 wurden die an den Verteidiger zu zahlenden Gebühren und Auslagen durch die Rechtspflegerin auf 471,20 € (netto) bzw. 560,73 € (brutto) festgesetzt. Die geltend gemachte Gebühr in Höhe von 132,00 € gemäß Ziffer 4141 VV RVG wurde in Abzug gebracht, da eine Entscheidung nach § 411 Abs. 1 Satz 3 StPO, die die Gebühr auslösen könnte, nicht ergangen sei.

Hiergegen legte der Verteidiger mit Schriftsatz vom 8.10.2015 beim Amtsgericht Mannheim Erinnerung ein. Zur Begründung führte er aus, faktisch habe es sich um eine Verständigung gehandelt, da seine Anregung logischerweise den Sinn gehabt habe, das Verfahren im Strafbefehlswege zur Erledigung zu bringen. Hierzu seien über den Schriftsatz vom 11.8.2015 hinaus mindestens vier ausführliche Telefonate mit der zuständigen Staatsanwältin geführt worden. Erst durch die Tätigkeit des Unterzeichners habe die Durchführung einer Hauptverhandlung vermieden werden können, so dass die Gebühr Ziffer 4141 VV-RVG entstanden sei.

Nachdem die zuständige Rechtspflegerin der Erinnerung nicht abgeholfen hatte, wies auch das Amtsgericht Mannheim mit angefochtenem Beschluss vom 12.2.2016, dem Verteidiger am 25.2.2016 zugestellt, die Erinnerung als unbegründet zurück. Wegen der grundsätzlichen Bedeutung der zur Entscheidung stehenden Frage, ließ es die Beschwerde zu. Auf die ausführlichen Gründe der Entscheidung des Amtsgerichts Mannheim (Bl. 92 ff) wird Bezug genommen.

Gegen den Beschluss des Amtsgerichts Mannheim vom 12.2.2016 legte der Verteidiger am 1.3.2016 Beschwerde ein. Zur Begründung führte er im Wesentlichen aus, die Gebühr gemäß Ziffer 4141 VV-RVG sei angefallen, da erst aufgrund seiner umfangreichen Beratung und ausführlichen Stellungnahme gegenüber der Staatsanwaltschaft es zum Erlass eines Strafbefehls gekommen und hierdurch letztlich eine Hauptverhandlung vermieden worden sei. Dies entspräche dem Willen des Gesetzgebers und dem Wortlaut der Norm. Insbesondere aus Ziffer 4141 Abs. 2 VV-RVG sei der Rückschluss zu ziehen, dass die Aufzählung in Abs. 1 der Vorschrift nicht abschließend sei. Anderenfalls sei zu erwarten, dass in den Fällen, in denen die arbeitsintensive Tätigkeit des Verteidigers erst den Erlass eines - eigentlich akzeptierten - Strafbefehlsantrags herbeigeführt habe, Einspruch eingelegt und sofort wieder zurückgenommen werde, um die entsprechende Gebühr entstehen zu lassen. Dies entspreche nicht der Intention des Gesetzgebers.

Die Staatsanwaltschaft beantragte am 9.3.2016 und die Bezirksrevisorin als Vertreterin der Staatskasse am 29.4.2016 die Beschwerde als unbegründet zu verwerfen. Der Verteidiger hatte Gelegenheit zur Stellungnahme.

Mit Beschluss vom 16.3.2017 übertrug die zuständige Einzelrichterin die Sache wegen ihrer grundsätzlichen Bedeutung gemäß § 33 Abs. 8 Satz 2 RVG auf die Strafkammer.

II.
Die gemäß §§ 56 Abs. 2 Satz 1, 33 Abs. 3 Satz 2 RVG zulässige Beschwerde bleibt in der Sache ohne Erfolg.

Zu Recht - und mit zutreffender Begründung, auf die zur Vermeidung von Wiederholungen verwiesen wird - hat das Amtsgericht Mannheim im Beschluss vom 12.2.2016 die Erinnerung gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss vom 5.10.2015 als unbegründet zurückgewiesen.

Die Voraussetzungen der Festsetzung der Gebühr nach Ziffer 4141 VV-RVG liegen nicht vor und für eine entsprechende Anwendung auf die vorliegende Konstellation ist kein Raum.
Der Wortlaut der Ziffer 4141 VV-RVG erfasst den Fall, dass durch die Mitwirkung des Verteidigers eine Hauptverhandlung entbehrlich wird, weil erst durch seine Mitwirkung ein Strafbefehlsantrag, der vom Beschuldigten akzeptiert wird, erwirkt wird, nicht. Entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers sind die Gebührentatbestände nach dem VV-RVG auch als abschließend zu verstehen; hierfür spricht nicht nur der Wortlaut - bei der Ziffer 4141 VV-RVG handelt es sich ersichtlich nicht um eine beispielhafte Aufzählung -, sondern auch Systematik und Sinn und Zweck des Vergütungsverzeichnisses zum RVG. Die Entstehung der Gebühren soll im VV-RVG gerade klar und eindeutig geregelt werden, was sich in den sehr detaillierten Gebührentatbeständen auch zeigt.

Bei Ziffer 4141 VV-RVG handelt es sich zudem um eine grundsätzlich eng auszulegende Ausnahme (vgl. OLG Karlsruhe, Beschluss vom 18.4.2013, 2 Ws 327/12) vom Grundsatz, dass die anwaltliche Tätigkeit zur Beratung seines Mandanten, wie er sich - auch prozessual - im Strafverfahren verhalten soll, durch die Grund- und Verfahrensgebühr nach Ziffer 4100 sowie 4106 (für das amtsgerichtliche Verfahren) abgegolten sein soll und nur für die Wahrnehmung von Terminen weitere Gebühren anfallen.

Eine analoge Anwendung der Vorschrift auf die vorliegende Konstellation kommt auch nicht in Betracht. Eine planwidrige Regelungslücke besteht nicht. Dem Gesetzgeber war beim Erlass des 2. KostRMoG am 23.7.2013, bei dem Ziffer 4141 Abs. 1 Nr. 4 VV-RVG eingefügt und auch in anderen Bereichen geändert wurde, die vorliegende sowie ähnliche Konstellationen, in denen möglicherweise eine vergleichbare Interessenlage wie bei den in Ziffer 4141 Abs. 1 VV-RVG geregelten Fällen gegeben ist, bekannt, ohne dass er eine Regelung getroffen hätte. So hatte das OLG Nürnberg bereits zuvor entschieden, dass eine zusätzliche Gebühr nach Ziffer 4141 VV-RVG nicht anfällt, wenn der Verteidiger den Verurteilten dahingehend berät, ein den Rechtszug beendendes Urteil oder den erlassenen Strafbefehl hinzunehmen und kein Rechtsmittel einzulegen (OLG Nürnberg, Beschluss vom 20.5.2009, 2 Ws 132/09).

Dies mag im Einzelfall unbillig erscheinen; der Gesetzgeber hat aufgrund der Vielzahl möglicher Konstellationen, die zur Beantragung eines konkreten Strafbefehls führen, aber bewusst den einfachen Fall der Entscheidung durch Strafbefehl nicht in Nr. 4141 VV-RVG aufgenommen (vgl. auch Schneider, Die Neuerungen bei der zusätzlichen Gebühr in Strafsachen (Nr. 4141 VV-RVG), NZV 2014, 149).

Dass der Gesetzgeber auch nicht beabsichtigte, entsprechende faktische Verständigungen mit der Staatsanwaltschaft über die Beantragung eines Strafbefehls mit einer zusätzlichen Gebühr zu honorieren, zeigt sich auch darin, dass das Vergütungsverzeichnis zum RVG auch ansonsten keinerlei zusätzliche Gebühren für den Verteidiger vorsieht, der an einer Verständigung mitwirkt, obwohl dies gleichfalls für ihn sehr zeitaufwändig sein kann und im Einzelfall - gerade im Hinblick auf die dadurch bedingte Verfahrensverkürzung - gar unbillig erscheinen mag. Auch hier wirkt der Verteidiger bereits im Vorfeld mit, dass eine gerichtliche Entscheidung (wahrscheinlich) akzeptiert und nicht mit einem Rechtsmittel angegriffen wird, ohne dass er dafür eine zusätzliche Gebühr erhält.

Das Gericht sieht auch die Problematik, dass nur aus gebührenrechtlichen Gesichtspunkten Einsprüche gegen einen Strafbefehl eingelegt werden, um diesen dann wieder zurückzunehmen und somit die zusätzliche Gebühr nach Ziffer 4141 Nr. 3 VV-RVG auszulösen. Dieser Gesichtspunkt betrifft aber alle Fälle, in denen ein Strafbefehl beantragt wurde, also auch die Konstellation, in denen ein Angeklagter lediglich dahingehend beraten wird, keinen Einspruch einzulegen (auch dies kann sehr zeitaufwändig sein) und die auch nach Auffassung des Beschwerdeführers von Ziffer 4141 VV-RVG - entsprechend der Rechtsprechung des OLG Nürnberg vom 20.5.2009, 2 Ws 132/09 - nicht erfasst sein soll.

Diese Problematik trifft im Übrigen gleichermaßen auch auf Berufungs- und Revisionseinlegungen zu; auch hier erhält der Verteidiger für die Beratung seines Mandanten, die diesen sogleich von der Einlegung eines Rechtsmittels abhält, keine Gebühr, während er für die Einlegung des Rechtsmittels und die anschließende Rücknahme sogar unter Umständen die zweifache Verfahrensgebühr erhält.

Auch im Übrigen kann die zusätzliche Gebühr nach Ziffer 4141 VV-RVG taktisch erschlichen werden, etwa wenn durch einen Verlegungsantrag die zweiwöchige Ausschlussfrist in Ziffer 4141 Abs. 1 Nr. 3 RVG „ausgehebelt“ wird (siehe hierzu OLG Karlsruhe, Beschluss vom 18.4.2013, 2 Ws 327/12).

Zu berücksichtigen ist in diesem Zusammenhang auch, dass nach Ziffer 4136 VV-RVG der Gesetzgeber im Wiederaufnahmeverfahren es bereits als gebührenauslösend ansieht, wenn der Verteidiger seinen Mandanten von der Stellung eines entsprechenden Antrags abrät. Im Umkehrschluss zeigt dies allerdings, dass das Abraten von der Einlegung eines Rechtsmittels - etwa eines Einspruchs gegen einen Strafbefehl - in anderen Konstellationen als bei Ziffer 4136 VV-RVG nicht als gebührenauslösend angesehen werden soll und insoweit auch keine planwidrige Regelungslücke besteht.

Soweit in weiteren als in den in Ziffer 4141 VV-RVG ausdrücklich geregelten Fällen durch die Gewährung einer zusätzlichen Gebühr ein Anreiz zur Vermeidung einer Hauptverhandlung geschaffen werden soll, ist es dem Gesetzgeber (und nicht der Rechtsprechung) vorbehalten, entsprechende Regelungen zu treffen und die Voraussetzungen hierfür im Einzelnen zu bezeichnen. Die insoweit bestehende Möglichkeit, dass Einsprüche gegen „abgesprochene“ bzw. eigentlich akzeptierte Strafbefehle nur deshalb eingelegt werden, damit - nach deren Rücknahme - eine Gebühr gemäß Ziffer 4141 Abs. 1 Nr. 3 VV-RVG entsteht, ist hinzunehmen, wobei die Strafkammer darauf hinweist, dass eine dahingehende Beratung des Mandanten, allein um zusätzliche Gebühren zu verdienen, mit den anwaltlichen Pflichten nur schwer in Einklang zu bringen sein dürfte.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 56 Abs. 2 Satz 2 und 3 RVG.

Die weitere Beschwerde war gemäß § 33 Abs. 6 RVG wegen der grundsätzlichen Bedeutung der zur Entscheidung stehenden Frage zuzulassen. Eine Rechtsprechung des Oberlandesgerichts Karlsruhe zu der konkreten Frage ist der Strafkammer nicht bekannt. Die Entscheidung des OLG Nürnberg, Beschluss vom 20.5.2009, 2 Ws 132/09, betrifft nicht die streitgegenständliche Konstellation, dass der Verteidiger bereits im Ermittlungsverfahren auf die Beantragung des später erlassenen und akzeptierten Strafbefehls hingewirkt hat. In der Literatur wird zudem teilweise eine von dieser Entscheidung abweichende Auffassung vertreten (vgl. Burhoff in Gerold/Schmidt, RVG, 22. Aufl. 2015, VV 4141 Rn. 33 m.w.N.).


Einsender:

Anmerkung:


zurück zur Übersicht

Die Nutzung von Burhoff-Online ist kostenlos. Der Betrieb der Homepage verursacht aber für Wartungs-, Verbesserungsarbeiten und Speicherplatz laufende Kosten.

Wenn Sie daher Burhoff-Online freundlicherweise durch einen kleinen Obolus unterstützen wollen, haben Sie hier eine "Spendenmöglichkeit".