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Entscheidungen

StPO

JGG-Verfahren, Revisionsantrag, Angriffsziel

Gericht / Entscheidungsdatum: OLG Hamm, Beschl. v. 07.02.2017 - 5 RVs 6/17

Leitsatz: 1. Bei einer Revision, die sich gegen ein Urteil richtet, das auf ein jugendstrafrechtliches Zuchtmittel erkannt hat, muss der Revisionsführer eindeutig sein Angriffsziel klarstellen (§ 55 JGG).
2. Zur Klärung des Angriffszieles dürfen auch außerhalb der Rechtsmittelerklärung selbst liegende Umstände berücksichtigt werden.


Strafsache
In pp.
hat der 5. Strafsenat des Oberlandesgerichts Hamm am 07.02.2017 beschlossen:

Die Revision wird als unbegründet verworfen.

Von der Auferlegung der Kosten und Auslagen des Verfahrens wird abgesehen, § 74 JGG.

Gründe:
I.
Das Amtsgericht – Jugendschöffengericht – Essen hat den Angeklagten mit Urteil vom 8. September 2015 vom Vorwurf des Raubes freigesprochen. Auf die gegen dieses Urteil gerichtete Berufung der Staatsanwaltschaft ist der Angeklagte mit Urteil der III a. Großen Strafkammer – Jugendkammer – des Landgerichts Essen vom 21. September 2016 unter Aufhebung des Urteils des Amtsgerichts Essen vom 8. September 2015 des Raubes für schuldig befunden worden. Dem Angeklagten ist eine Verwarnung erteilt und ihm ist aufgegeben worden, einen Geldbetrag i. H. v. 300,00 Euro binnen drei Monaten nach Rechtskraft an den Täter-Opfer-Ausgleichsfond (Jugendgerichtshilfe Essen) zu zahlen.

Gegen dieses Urteil hat der Angeklagte mit Schriftsatz seines Verteidigers vom 26. September 2016 Revision eingelegt und beantragt, „das angefochtene Urteil mit den Feststellungen aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen“. Gerügt worden ist ohne weitere Ausführungen die Verletzung materiellen und formellen Rechts.

Die Generalstaatsanwaltschaft hat mit Zuschrift vom 9. Januar 2017 beantragt, die Revision des Angeklagten als offensichtlich unbegründet zu verwerfen.

II.
Die statthafte Revision ist zulässig, jedoch unbegründet.

1. Die Revision ist zulässig, weil sie nach einer Gesamtschau noch in einer den Anforderungen des § 344 Abs. 1 StPO genügenden Weise erkennen lässt, in welchem Umfang das tatrichterliche Urteil angefochten wird.

Ein Urteil, das – wie hier mit einer Verwarnung und einer Geldauflage – ausschließlich ein Zuchtmittel (§ 13 Abs. 2 Ziff. 1, 2 JGG) gegen den Angeklagten anordnet, kann gem. § 55 Abs. 1 S. 1 JGG nicht wegen des Umfangs der Maßnahme und nicht deshalb angefochten werden, weil andere Erziehungsmaßregeln oder andere Zuchtmittel hätten angeordnet werden sollen. Dementsprechend kann ein Rechtsmittel gegen ein allein derartige Rechtsfolgen des Jugendstrafrechts verhängendes Urteil lediglich darauf gestützt werden, dass die Schuldfrage aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen falsch beurteilt oder die verhängte Sanktion selbst rechtswidrig ist (vgl. BGH, Beschluss vom 10. Juli 2013, NStZ 2013, 659; OLG Celle, Beschluss vom 10. Oktober 2000, NStZ RR 2001, 121; OLG Dresden, Beschluss vom 31. Januar 2003, 1 Ss 708/02, zitiert nach juris).

Diese gesetzliche Beschränkung des § 55 Abs.1 S.1 JGG bewirkt, dass die Revision unzulässig ist, wenn sich aus der Begründung der Revisionsanträge ein zulässiges Angriffsziel nicht eindeutig entnehmen lässt.

Für den Revisionsführer ergibt sich daher die Notwendigkeit, eindeutig klarzustellen, dass mit dem Rechtsmittel ein zulässiges Ziel verfolgt wird (vgl. BVerfG, Beschluss vom 6. Juli 2007, NStZ - RR 2007, 385; BGH, Beschluss vom 10. Juli 2013, a.a.O.). Diese Beschränkung zulässiger Rechtsmittelziele dient der Beschleunigung des Jugendstrafverfahrens im Interesse der damit verfolgten erzieherischen Wirkung, die in ganz besonderem Maße eine möglichst baldige rechtskräftige Entscheidung verlangt (vgl. BVerfG, Beschluss vom 6. Juli 2007, a.a.O.). Vor diesem Hintergrund dient die eindeutige Angabe eines zulässigen Angriffsziels dazu, eine Umgehung der gesetzlichen Rechtsmittelbeschränkung gem. § 55 Abs. 1 S. 1 JGG zu verhindern und ist deshalb auch verfassungsrechtlich zulässig. Insofern werden auch keine unzumutbaren Anforderungen an den Zugang zu den Revisionsgerichten gestellt (BVerfG, Beschluss vom 6. Juli 2007, a.a.O.).

Zwar genügt das Revisionsvorbringen des Angeklagten für sich genommen den vorgenannten Anforderungen an einen Revisionsantrag bei einem gegen ein in den Anwendungsbereich von § 55 Abs. 1 S. 1 JGG fallendes Rechtsmittel nicht. Der Angeklagte hat mit Schriftsatz seines Verteidigers vom 26. September 2016 Revision eingelegt, allgemein die Verletzung materiellen und formellen Rechts gerügt und beantragt, das angefochtene Urteil mit den Feststellungen aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen. Weder der Revisionsantrag als solcher noch die Revisionsbegründung oder die Zusammenschau beider genügen den Anforderungen des § 344 Abs. 1 StPO bei gesetzlich im Angriffsziel begrenzten Rechtsmitteln.

In der Rechtsprechung ist jedoch anerkannt, dass zur Klärung des Angriffszieles auch außerhalb der Rechtsmittelerklärung selbst liegende Umstände berücksichtigt werden dürfen (vgl. BGH, Beschluss vom 10. Juli 2013, a.a.O.; BVerfG, Beschluss vom 6. Juli 2007, a.a.O.; OLG Celle, Beschluss vom 10. Oktober 2000, a.a.O.; OLG Hamm, Beschluss vom 31. Mai 2016, III-3 RVs 42/16). Insbesondere zählt zu diesen Umständen auch das bisherige Prozessverhalten des Angeklagten. Im Hinblick darauf, dass dieser in der Hauptverhandlung vor dem Jugendschöffengericht die Tatbegehung in Abrede gestellt und sich in der Berufungshauptverhandlung nicht zur Sache eingelassen und sein Verteidiger in beiden Tatsacheninstanzen beantragt hat, den Angeklagten freizusprechen, liegt es nahe, dass mit der Revision das Ziel verfolgt werden soll, den Schuldspruch selbst und nicht lediglich Art und Umfang der angeordneten Zuchtmittel anzufechten.

Unter Berücksichtigung dieser Umstände ist die Revision zulässig.

2. Die Revision ist jedoch unbegründet, da die Nachprüfung des Urteils aufgrund der Revisionsrechtfertigung keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben hat, § 349 Abs. 2 StPO.

Die widerspruchsfreien und nicht gegen Denkgesetze und Erfahrungssätze verstoßenden Feststellungen tragen den Schuldspruch.

Auch die schlüssige Beweiswürdigung ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.

Der Rechtsfolgenausspruch, der angesichts der Vorschrift des § 55 Abs.1 S.1 JGG nur einer eingeschränkten Kontrolle unterliegt, lässt Rechtsfehler zu Lasten des Angeklagten nicht erkennen. Die verhängte Sanktion ist nicht rechtswidrig.


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