Gericht / Entscheidungsdatum: OLG Frankfurt, Urt. v. 07.04.2017 - 2 U 122/16).
Leitsatz: Zum Schadensersatzanspruch einer Gemeinde gegen die Vermieterin von Radarmessgeräten wegen unberechtigter Vertragsaufkündigung.
In pp.
Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Landgerichts Gießen - 4. Zivilkammer - vom 27.7.2016 (Az.: 4 O 299/15) abgeändert.
Die Klage ist dem Grunde nach begründet.
Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin jeglichen weiteren Schaden zu ersetzen, der ihr durch die unberechtigte Kündigung des Dienstleistungsvertrages vom 25.3.2013 durch die Beklagte mit Schreiben vom 25.3.2015 bis zum Ende der ursprünglich vereinbarten Vertragslaufzeit bis zum 18.6.2018 entsteht.
Die Widerklage wird abgewiesen.
Die Kostenentscheidung bleibt dem Schlussurteil vorbehalten.
Gründe:
I.
§ 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO:
Auf der Grundlage von mehreren schriftlichen Angeboten der Beklagten schlossen die Parteien unter dem 25.3.2013 einen Dienstleistungsvertrag (Anlage K 3), durch welchen die Beklagte sich verpflichtete, der Klägerin für die Durchführung der amtlichen Überwachung des fließenden Straßenverkehrs Geschwindigkeitsmessgeräte und Geschwindigkeitsmessplätze vom Typ X (Hersteller Y), einschließlich Service zur Verfügung zu stellen. Als Entgelt vereinbarten die Parteien in § 7 des Vertrages ein einmaliges Nutzungsentgelt in Höhe von 1,- , ein einmaliges Verwaltungskostenentgelt in Höhe von 500,- , 6,25 je verwertbarem Falldatensatz und je 0,19 für jede Falldatenerstellung. Die Auswahl der Messplätze oblag gemäß § 3 Nr. 3.1 des Vertrages in eigener Verantwortung nach Abstimmung mit der Beklagten der Klägerin als Mieterin. In § 5 des Vertrages vereinbarten die Parteien eine Vertragsdauer von 60 Monaten beginnend mit der Inbetriebnahme des letzten der vier vereinbarten Messplätze, welche am 18.6.2013 erfolgte. Nach jeweils sechs Monaten sollten die Vertragsparteien unter anderem Zwischenbewertungen zum gewünschten Ziel dieses Verkehrssicherheitsprojektes vornehmen können. Weiter ist folgendes geregelt: Sollten die Vertragsparteien feststellen, dass dieses Verkehrssicherheitsprojekts nicht dem gemeinsam gewünschten Ziel entspricht oder es entsprechend fortgeführt werden kann, so werden sie gemeinsam alles Erdenkliche unternehmen, um dieses zu erreichen. Sollte dies nicht innerhalb einer Frist von drei Monaten (ab der letzten Zwischenbewertung) realisierbar sein, so besteht für den Vermieter jeweils das Sonderkündigungsrecht mit Ablauf dieser Frist. Sofern sich weiterhin wesentliche Rahmenbedingungen während der Vertragslaufzeit ändern, die dem Vermieter die Grundlage der Wirtschaftlichkeit des Projektes entziehen, steht dem Vermieter ebenfalls ein Sonderkündigungsrecht zu. Im Übrigen ist der Vertrag gemäß dessen § 10 für jede Partei mit einer Frist von drei Monaten zum Ende des Vertragszeitraumes ordentlich kündbar.
Von Mitte 2014 an und insbesondere in einem Gespräch vom 29.7.2014 wies die Beklagte auf rückläufige Zahlen von Verkehrsverstößen hin, was ihr die Grundlage der Wirtschaftlichkeit entziehe. Aufgrund dessen unterbreitete sie der Klägerin mehrere Angebote zur Anpassung des Dienstleistungsvertrages durch Kauf, Leasing oder Miete der Anlagen, jeweils unter Abkehr von dem rein fallbasieren Abrechnungsmodell, und kündigte an, im Falle der Nichtanpassung diesen Vertrag außerordentlich zu kündigen. Die Klägerin lehnte Änderungen ab und verlangte Erfüllung des Vertrages. Die Beklagte kündigte daraufhin mit Schreiben vom 25.3.2015 den Dienstleistungsvertrag unter Berufung auf § 5 des Vertrages und die zurückgegangene Anzahl der Geschwindigkeitsübertretungen, die allein dem Interesse der Klägerin entspreche. Die Klägerin widersprach der Kündigung mit Schreiben vom 16.4.2015. Die Beklagte demontierte hingegen bis zum 18.5.2015 die Anlagen. Daraufhin erklärte die Klägerin ihrerseits nach entsprechender Ankündigung mit Anwaltsschreiben vom 2.10.2015 die Kündigung des Dienstleistungsvertrages aus wichtigem Grund.
Die Klägerin verlangt mit ihrer Klage von der Beklagten Schadenersatz in Höhe von insgesamt 93.230,75 wegen ihr infolge der vorzeitigen Vertragsbeendigung entgangener Einnahmen durch Bußgelder wegen erfasster Geschwindigkeitsüberschreitungen. Die Beklagte verlangt mit ihrer Widerklage von der Klägerin Herausgabe der an sie überlassenen technischen Geräte, wegen derer die Klägerin ein Zurückbehaltungsrecht geltend macht. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird zunächst auf den Tatbestand des erstinstanzlichen Urteils Bezug genommen.
Das Landgericht hat die Klage durch Urteil vom 27.7.2016, der Klägerin zugestellt am 29.7.2016, abgewiesen. Auf die Widerklage der Beklagten hin hat es die Klägerin verurteilt, an die Beklagte den Laptop E5420-ATG Cor i5 2,6 GHz 14″ TFT mit der Seriennummer ... (Position 4 des Lieferscheines er Beklagten vom 9.9.2013) zwei Transportkoffer (Position 5 des Lieferscheines der Beklagten vom 9.9.2013 gemäß den farbigen Fotos der Anlage BB 10) und drei Schlüssel der Marke ABUS für die Pp..säule (Position 10 des Lieferscheines der Beklagten vom 9.9.2013 gemäß dem farbigen Foto der Anlage BB 11) herauszugeben.
Zur Begründung hat das Landgericht im Wesentlichen ausgeführt, die Beklagte habe wirksam von ihrem Sonderkündigungsrecht nach § 5 Abs. 3 S. 1 des Vertrages Gebrauch gemacht, so dass das Vertragsverhältnis, welches zunächst wirksam geschlossen worden sei, zum 30.4.2015 erloschen sei. Dieses Sonderkündigungsrecht sei wirksam vereinbart. Das gemeinsam gewünschte Ziel des Verkehrssicherheitsprojektes im Sinne des Vertrages sei jedenfalls nicht vorrangig das Erreichen einer Verkehrssicherheit an den ausgewählten Messplätzen, sondern die Generierung von Einnahmen durch Bußgelder auf Seiten der Klägerin und die Generierung von abrechenbaren Falldatensätzen auf Seiten der Beklagten. Dies werde auch durch die erklärte Kündigung der Beklagten sowie das Verlangen der Klägerin von Schadenersatz bestätigt. Die Vertragsklausel sei auch nicht überraschend im Sinne des § 305 c Abs. 1 BGB, sondern vielmehr gerade für die Klägerin als juristische Person des öffentlichen Rechts augenfällig. Die Vertragsklausel stelle auch keine unangemessene Benachteiligung der Klägerin dar. Zwar benachteilige die Einräumung eines einseitigen Sonderkündigungsrechts für den Fall mangelnder Wirtschaftlichkeit den Vertragspartner grundsätzlich erheblich. Durch die konkrete Vertragsgestaltung der Vergütung als falldatenbasierte Abrechnung durch die Vermieterin erlange die Klägerin gegenüber der Vereinbarung eines festen Mietzinses einen signifikanten wirtschaftlichen Vorteil. Denn im Falle eines geringen relevanten Verkehrsaufkommens entstünden für sie praktisch keine Kosten für Anmietung und Betrieb der Anlagen. Die Beklagte als Vermieterin trage demgegenüber das volle wirtschaftliche Risiko einer Unterschreitung der kalkulierten Mengen an verwertbaren Falldatensätze. Auf Seiten der Klägerin reiche die sich aus den Regelungen in § 5 des Dienstleistungsvertrages ergebende Mindestdauer des Vertrages von insgesamt neun Monaten von der Inbetriebnahme der Anlagen demgegenüber aus. Die Beklagte habe das Sonderkündigungsrecht gemäß § 5 Abs. 3 S. 1 des Vertrages auch wirksam ausgeübt. Ihre Lösungsvorschläge habe die Klägerin sämtlich nicht akzeptiert. Auch das gemeinsame Gespräch am 29.7.2014 sei ergebnislos verlaufen. Damit sei die Beklagte vom 29.10.2014 an berechtigt gewesen, das Sonderkündigungsrecht auszuüben. Die späte Ausübung erst mit Schreiben vom 25.3.2015 sei noch möglich gewesen. Sie habe auch die gesetzliche Kündigungsfrist bei der Vermietung beweglicher Sachen gemäß § 580 a Abs. 3 Nr. 2 BGB eingehalten. Daraus ergebe sich, dass die Klägerin verpflichtet sei, auf die Widerklage hin die geforderten Gegenstände zurückzugeben. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf das Urteil des Landgerichts verwiesen.
Mit ihrer am 26.8.2016 eingelegten und nach Verlängerung der Begründungsfrist bis zum 31.10.2016 an diesem Tage begründeten Berufung verfolgt die Klägerin ihr Klagebegehren weiter und wendet sich gegen ihre Verurteilung auf die Widerklage hin. Sie ist der Ansicht, die Vereinbarung des Sonderkündigungsrechts sei wegen unangemessener Benachteiligung der Vertragspartner unwirksam. Die seitens der Beklagten erklärte Kündigung habe zu einer Vertragsverletzung geführt, welche sie ihrerseits zum Ausspruch einer fristlosen Kündigung berechtigt habe. Sie ist der Ansicht, das gemeinsam gewünschte Ziel des Verkehrssicherheitsprojektes seien die Verkehrssicherheit und der Verkehrserziehungseffekt, nicht die Gewinnerzielung. Dieses Ziel sei auch gut erreicht worden. Für die Wirtschaftlichkeitsbetrachtungen der Beklagten habe sie nicht einzustehen. Das Landgericht habe auch keine Feststellungen zu den Voraussetzungen des Sonderkündigungsrechts getroffen, insbesondere zu der angeblichen wirtschaftlichen Unzumutbarkeit für die Beklagte, am Fortbestand des Vertrages festzuhalten. Die Vereinbarung eines Sonderkündigungsrechts sei ferner überraschend, da sie völlig system-widrig das unternehmerische Risiko der Beklagten für das Gelingen ihres gesamten Vertragskonzepts von der Standortermittlung bis hin zur Finanzierung der Messgeräte übernehmen solle. Es fehle an einer gemeinsamen Geschäftsgrundlage im Sinne einer gemeinsamen Kalkulationsgrundlage für Falldatensätze. Die Beklagte habe ihr ihre internen Kalkulationsgrundlagen nicht einmal offenbart. Nicht sie, sondern ihr Mitarbeiter Herr A habe der Beklagten die Daten, von denen er während seiner Tätigkeit für die Firma Z Kenntnis erlangt habe, für die Beklagte ausgewertet. Demzufolge liege ein unbeachtlicher Motivirrtum auf Seiten der Beklagten vor. Die Beklagte habe das Sonderkündigungsrecht jedenfalls verspätet ausgeübt, nämlich nicht innerhalb von drei Monaten von der letzten Zwischenbewertung an. Ergänzend bezieht sie sich auf ihren erstinstanzlichen Vortrag. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Schriftsätze vom 31.10.2016, 8.3. und 29.3.2017 (Blatt 235 ff., 279 ff., 332 ff. der Akte) Bezug genommen.
Die Klägerin hat zunächst beantragt,
das Urteil des Landgerichts Gießen vom 27.7.2016 (Az. 4 O 299/15) abzuändern und
die Beklagte zu verurteilen, an sie 93.230,75 nebst Zinsen in Höhe von acht Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit (30.12.2015) sowie außergerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 2.217,45 zu zahlen,
die Widerklage abzuweisen.
Sie beantragt nunmehr,
das Urteil des Landgerichts Gießen vom 27.7.2016 (Az. 4 O 299/15) abzuändern und
die Beklagte zu verurteilen, an sie 55.434,50 nebst Zinsen in Höhe von acht Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit (30.12.2015) sowie außergerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 2.217,45 zu zahlen,
festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, ihr jeglichen weiteren Schaden zu ersetzen, der ihr durch die unberechtigte Kündigung des Dienstleistungsvertrages vom 25.3.2013 mit Schreiben vom 25.3.2015 bis zum Ende der ursprünglich vereinbarten Vertragslaufzeit bis zum 18.6.2018 entsteht,
die Widerklage abzuweisen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zu verwerfen,
hilfsweise,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält die Berufung hinsichtlich der Verurteilung auf die Widerklage für unzulässig. Im Übrigen beruft sie sich auf die Begründung des Landgerichts sowie auf ihr erstinstanzliches Vorbringen. Sie wiederholt ihre Ansicht, bei dem gemeinsam gewünschten Ziel des Verkehrssicherheitsprojekts handele es sich nach der gebotenen objektiven Auslegung zwar auch um die Verkehrssicherheit, vorrangig aber um das Generieren von abrechenbaren Falldatensätzen sowie auf Seiten der Klägerin das Generieren von Einnahmen durch Buß- und Verwarngelder. Die wirtschaftliche Tragfähigkeit des Dienstleistungsvertrages hänge nach dem Regelungskontext des Vertrages von der Anzahl der erfassten Verkehrsteilnehmer ab, welche die Messstellen mit einer Geschwindigkeit oberhalb des jeweiligen Auslösegrenzwerts passierten. Dies sei auch der Klägerin bekannt gewesen ebenso, wie sie gewusst habe, dass die jährlichen Kosten für die von ihr zur Verfügung gestellten Überwachungsanlagen rund 210.577,- betrügen. Das Sonderkündigungsrecht habe anderenfalls keinen Sinn. Dies ergebe sich auch aus den von der Klägerin in ihren Haushaltsansätzen kalkulierten Einnahmen. Die Klägerin habe die als Grundlage der Kalkulation von ihr - der Beklagten - erwartete Anzahl an Falldatensätzen gekannt, da sie diese für drei Messstellen den von der Klägerin in Auftrag gegebenen Verkehrsmengen-Erhebungen mit Kleinradargeräten der Z-B vom März/April 2012 sowie für die vierte Messstelle ergänzenden Angaben der Klägerin entnommen habe. Die Klägerin habe auch die Messstandorte ausgewählt. Tatsächlich seien die generierten Falldatensätze extrem niedrig gewesen mit rückläufiger Tendenz. Nach der erfolgten negativen Zwischenbewertung habe die Klägerin pflichtwidrig nichts unternommen, um mehr Falldatensätze zu generieren, insbesondere habe sie die Standorte der Geschwindigkeitsüberwachungsanlagen unverändert beibehalten.
Sie ist der Ansicht, die Klausel in § 5 des Vertrages sei nicht überraschend, sondern gerade ein adäquates Äquivalent zu einer entsprechenden Begrenzung der Risiken und entspreche dem Rechtsgedanken des § 313 BGB. Die Vertragsklausel benachteilige den Vertragspartner demzufolge auch nicht unangemessen. Die tatbestandlichen Voraussetzungen des Sonderkündigungsrechts seien erfüllt gewesen, indem die tatsächlich generierten Falldatensätze mit 362 bis zum Juni 2014 und danach von 244 pro Monat weit unter den kalkulierten 860 Falldatensätzen im Tagesmittel gelegen hätten. Sie habe das Sonderkündigungsrecht auch ordnungsgemäß ausgeübt. Ihre Kündigung sei jedenfalls nach den Grundsätzen des Wegfalls der Geschäftsgrundlage berechtigt. Die Klägerin könne sich zudem schon deshalb nicht auf die angebliche Unwirksamkeit der Kündigung berufen, weil ihr Mitarbeiter und Verhandlungsführer Herr C im Gespräch vom 29.7.2014 erklärt habe, der Vertrag werde einvernehmlich beendet, wenn es nicht zu einer einvernehmlichen Vertragsanpassung komme, Schadenersatzforderungen würde nicht geltend gemacht. Diese Erklärung müsse sich die Klägerin zurechnen lassen, da es sich um eine sie nicht verpflichtende Erklärung im Sinne des § 71 HGO handele. Vorsorglich wendet sie sich gegen die Schadensberechnung der Klägerin. Hinreichende Anknüpfungspunkte für eine richterliche Schadensschätzung seien nicht vorgetragen. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Schriftsätze vom 21.12.2016, 14.3. und 29.3.2017 (Blatt 252 ff., 293 ff., 348 ff. der Akte) verwiesen.
II.
§ 540 Abs. 1 Nr. 2 ZPO:
Die Berufung der Klägerin ist zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt und ebenso begründet worden (§§ 511, 517, 519 f. ZPO). Dies gilt auch, soweit sich die Klägerin gegen ihre Verurteilung auf die Widerklage der Beklagten hinwendet, obwohl sie zur Widerklage keinen konkreten Vortrag gehalten hat. Das Vorbringen der Klägerin zur angeblichen Unwirksamkeit der seitens der Beklagten erklärten außerordentlichen Kündigung des mit der Klägerin abgeschlossenen Dienstleistungsvertrages vom 25.3.2013 reicht insoweit aus. Denn im Falle der Unwirksamkeit dieser außerordentlichen Kündigung stellt diese ohne weiteres eine schuldhafte Pflichtverletzung des Vertrages dar, welche einen Schadenersatzanspruch der Klägerin begründet, welchen diese dem Herausgabebegehren im Wege desgeltend gemachten Zurückbehaltungsrechts entgegenhalten kann (§ 273 BGB).
Die Berufung der Klägerin hat auch in der Sache dem Grunde nach Erfolg. Die Klage ist dem Grunde nach und demzufolge auch hinsichtlich des zulässigen (§ 256 Abs. 1 ZPO) Feststellungsantrages begründet. Der Klägerin steht gegen die Beklagte wegen deren unberechtigter Vertragskündigung und der Demontage der Geschwindigkeitsmessanlagen ein Anspruch auf Schadenersatz zu, dessen Höhe zwischen den Parteien streitig ist, so dass hin-sichtlich der Klageforderung ein Grund- und Teilurteil erlassen wurde (§ 280 Abs. 1, § 281 Abs. 1 BGB, § 304 Abs. 1 ZPO).
Der zwischen den Parteien wirksam geschlossene Dienstleistungsvertrag wurde nicht durch die seitens der Beklagten erklärte außerordentliche Kündigung beendet, da der Beklagten ein Recht zur außerordentlichen Kündigung nicht zustand.
Ein solches Kündigungsrecht bestand nicht gemäß § 5 Abs. 3 des Vertrages. Diese Klausel, bei der es sich um Allgemeine Geschäftsbedingungen handelt, wie das Landgericht zutreffend ausgeführt hat, ist allerdings Vertragsinhalt geworden, da sie nicht überraschend ist, weil sie nach ihrem äußeren Erscheinungsbild nicht so ungewöhnlich ist, dass die Klägerin mit ihr nicht hätte zu rechnen brauchen (§ 305 c Abs. 1 BGB). Vielmehr ist schon nach der Überschrift des § 5 Dauer des Vertrages und Beginn der Leistung hinreichend erkennbar, dass die hierin getroffenen Regelungen auch Kündigungsmöglichkeiten enthalten können.
Die Klausel, welche für die Beklagte zwei Möglichkeiten eines Sonderkündigungsrechts begründen soll, ist jedoch unwirksam, da sie den jeweiligen Vertragspartner der Beklagten entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligt (§ 310 Abs. 1 S. 1, 2, § 307 Abs. 1, 2 BGB). Die Klausel soll für die Beklagte zum einen dann ein Sonderkündigungsrecht begründen, wenn die Vertragsparteien innerhalb von drei Monaten nicht zu realisieren vermögen, dass das Verkehrssicherungsprojekt dem gemeinsam gewünschten Ziel entspricht oder es entsprechend fortgeführt werden kann. Zum anderen soll der Beklagten dann ein Sonderkündigungsrecht zustehen, wenn sich während der Vertragslaufzeit wesentliche Rahmenbedingungen ändern, die der Beklagten die Grundlage der Wirtschaftlichkeit des Projekts entziehen.
Unter dem gemeinsam gewünschten Ziel des Verkehrssicherungsprojekts ist jedenfalls auch das Erzielen finanzieller Erträge zu verstehen, die aus dokumentierten Fällen von Geschwindigkeitsübertretungen resultieren. Zwar ist Ziel der Klägerin vorrangig die Steigerung der Verkehrssicherheit durch Verringerung solcher Geschwindigkeitsübertretungen, welche gerade eine Verringerung von Einnahmen zur Folge hätte. Dieses Ziel ist aber nicht ein gemeinsames der Parteien, da sich das Interesse der Beklagten erkennbar allein auf das Erzielen von Einnahmen beschränkt. Die Aufgabe der Verkehrssicherung besteht allein für die Klägerin als Gemeinde, welche dem Erhalt und der Steigerung der Verkehrssicherung verpflichtet ist. Bei der Beklagten handelt es sich hingegen um ein Wirtschaftsunternehmen, das ersichtlich allein auf wirtschaftliche Gewinne aus-gerichtet ist. Ob es sich bei dem Erzielen von Bußgeldern für die Klägerin um ein ebenso wichtiges Ziel handelt wie das Erreichen der Verkehrssicherheit, ist insoweit unerheblich, da sich jedenfalls aus einer Auslegung des Vertrages der Parteien unter Berücksichtigung ihrer für die jeweils andere Partei erkennbaren Interessen ergibt, dass sie als gemeinsam gewünschtes Ziel allein hohe Fallzahlen dokumentierter Geschwindigkeitsüberschreitungen und das entsprechende Erzielen von Einnahmen angesehen haben (§§133, 157 BGB).
Die im Zusammenhang mit dem Nichterreichen dieses gemeinsam gewünschten Ziels für die Beklagte begründeten Rechte benachteiligen jedoch die Klägerin als ihre Vertragspartnerin entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen. Nach § 5 Abs. 2 des Vertrages wäre die Klägerin zunächst verpflichtet gewesen, gemeinsam mit der Beklagten alles Erdenkliche zu unternehmen, um dieses gemeinsam gewünschte Ziel zu erreichen und hierdurch eine nachfolgende Sonderkündigung seitens der Beklagten zu vermeiden. Zwar ist diese Klausel so formuliert, dass zunächst die Parteien gemeinsam festgestellt haben müssen, dass das Verkehrssicherheitsprojekt nicht dem gemeinsam gewünschten Ziel entspricht oder entsprechend fortgeführt werden kann. Da diese Feststellung aber Voraussetzung für ein Sonderkündigungsrecht der Beklagten sein soll, ist die Bestimmung aus der Sicht eines objektiven Erklärungsempfängers so zu verstehen, dass nicht notwendig eine Feststellung durch beide Parteien vorliegen muss, sondern es ausreicht, dass das Verkehrssicherungsprojekt tatsächlich nicht dem gemeinsam gewünschten Ziel der ausreichenden Einnahmen durch entsprechend hohe Fallzahlen dokumentierter Geschwindigkeitsüberschreitungen entspricht und es nicht entsprechend fortgeführt werden kann. Anderenfalls fehlte es bereits an einer solchen Feststellung der Klägerin, da sie von einem Erreichen des gemeinsam gewünschten Ziels durch das Verkehrssicherheitsprojekt ausgeht.
Die aus dem Nichterreichen des gemeinsam gewünschten Ziels resultierende Verpflichtung der Klägerin, mit der Beklagten gemeinsam alles Erdenkliche zu unternehmen, um das Ziel zu erreichen, würde die Klägerin als Vertragspartnerin aber in für sie zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses unübersehbarer Weise zu einer späteren Vertragsanpassung zu Gunsten der Beklagten verpflichten. Bei der Auslegung ist nicht von der nachfolgenden konkreten Handhabung durch die Parteien im Rahmen der Vertragsdurchführung auszugehen, sondern von dem Inhalt der Vertragsklausel und den durch sie zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses allgemein begründeten Rechten und Pflichten. Danach wäre die Klägerin nicht nur zu einer Auswahl anderer Messplätze oder anderer Maßnahmen verpflichtet, durch welche ausreichende Falldaten generiert werden könnten. Vielmehr könnte die Beklagte gegebenenfalls auch eine Anpassung des Vertrages durch Veränderung der einzelnen Konditionen verlangen, um die Wirtschaftlichkeit für sie wieder herzustellen und zu sichern, wie sie es gegen-über der Klägerin nachfolgend auch tat. Der Begriff alles Erdenkliche schließt eine solche weite Ausdehnung auf alle denkbaren Möglichkeiten ein. Soweit die Beklagte dies anders gemeint haben sollte, gehen etwaige Unklarheiten insoweit zu Lasten der Beklagten als Verwenderin der Allgemeinen Geschäftsbedingungen (§ 305 c Abs. 2 BGB). Diese Verpflichtung für den Vertragspartner der Beklagten wird verstärkt durch das im Falle des Scheiterns solcher Bemühungen gemäß § 5 Abs. 3 des Vertrages entstehende Sonderkündigungsrecht der Beklagten. Ein solches Kündigungsrecht vermag erheblichen Druck auf den Vertragspartner der Beklagten auszuüben, der grundsätzlich an dem für zu-nächst fünf Jahre abgeschlossenen Vertrag festhalten möchte.
Durch die Möglichkeit, eine solche Vertragsanpassung zu verlangen, könnte die Beklagte allerdings ihr eigenes wirtschaftliches Risiko einschließlich ihres Kalkulationsrisikos in erheblichem Maße auf ihren Vertragspartner verlagern. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass der Beklagten bereits zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses erkennbar war, dass sie durch die von ihr vorgeschlagene Vertragsgestaltung ein erhebliches Risiko eingehen würde, das sich realisieren konnte, wenn die kalkulierten Fallzahlen erheblich zurückgingen. Dabei kann es letztlich dahinstehen, ob die Verkehrsmengen-Erhebungen, auf welche sie ihre Kalkulation stützte, aus dem Verantwortungsbereich der Klägerin oder der Beklagten selbst stammten. Denn die Beklagte behauptet nicht, dass diese Erhebungen fehlerhaft gewesen seien. Sie hät-ten sich lediglich nachfolgend nicht bestätigt, sondern - grundsätzlich voraussehbar - reduziert, allerdings in ganz erheblichem Maße. Die Beklagte kannte die Grundlagen der Erhebungen. Sie musste grundsätzlich davon ausgehen, dass die künftigen Zahlen sich auch anders entwickeln konnten. Es ist allgemein bekannt und war auch der Beklagten bekannt, dass Geschwindigkeitsmessungen erzieherisch auf die Verkehrsteilnehmer wirken und damit egelmäßig zu einer Reduzierung der Fallzahlen von Geschwindigkeitsübertretungen führen.
Der Beklagten war zugleich klar erkennbar, dass die gewählte Vertragsgestaltung eines nahezu rein fallbasierten Abrechnungsmodells für die Klägerin gerade aus diesem Grunde besonders attraktiv war. Bei einer im Wesentlichen rein falldatenbasierten Abrechnung durch die Vermieterin hat der Kunde gegenüber Verträgen mit einem festen Mietzins einen erheblichen wirtschaftlichen Vorteil. Auch im Falle eines geringen relevanten Verkehrsaufkommens entstehen praktisch keine Kosten für Anmietung und Betrieb der Anlagen. Hätte die Beklagte die Möglichkeit, den Vertragspartner zunächst durch eine für ihn besonders günstige Vertragsgestaltung zum Vertragsschluss zu veranlassen, von ihm aber nachfolgend aufgrund der Realisierung von bereits bei Vertragsschluss für sie grundsätzlich voraussehbaren Risiken eine für ihn ungünstigere Vertragsänderung verlangen zu können, hätte dies eine unangemessene Benachteiligung des Vertragspartners zur Folge. Hierbei ist auch zu berücksichtigen, dass dem Vertragspartner der Beklagten deren Kalkulationsgrundlagen regelmäßig nicht bekannt sind, so dass er das Risiko eines Verfehlens des gemeinsam gewünschten Ziels bei Vertragsschluss kaum abschätzen kann. Der Umstand, dass die Beklagte nach den vertraglichen Regelungen in § 5 Abs. 1 bis 3 das Sonderkündigungsrecht erst nach Ablauf von insgesamt mindestens neun Monaten geltend machen kann, steht der Annahme einer unangemessenen Benachteiligung des Vertragspartners der Beklagten im Hinblick auf die vereinbarte Vertragslaufzeit von 60 Monaten nicht entgegen.
Entsprechendes gilt für das weitere in § 5 Abs. 3 des Vertrages vereinbarte Sonderkündigungsrecht der Beklagten. Die dort formulierte Voraussetzung für das Entstehen eines Sonderkündigungsrechts, dass sich während der Vertragslaufzeit wesentliche Rahmenbedingungen ändern, welche der Beklagten die Grundlage der Wirtschaftlichkeit des Projektes entziehen, ist derart allgemein gehalten, dass die Voraussetzungen eines Sonderkündigungsrechts für einen Vertragspartner der Beklagten bei Vertragsschluss gleich-falls nicht einschätzbar sind, zumal er die Wirtschaftlichkeit des Projekts für die Beklagte mangels Kenntnis von den Kalkulationsgrundlagen nicht erkennen und zuverlässig beurteilen kann (§ 307 Abs. 1 S. 2 BGB). Jedenfalls die unternehmensinternen Kalkulationsgrundlagen sind einem Vertragspartner nicht bekannt. Dabei ist ferner zu berücksichtigen, dass es der Beklagten ohne weiteres möglich gewesen wäre, ihre Kalkulation insoweit zum Vertragsinhalt zu machen, als sie die Vereinbarung einer Mindestvergütung oder eine ausdrückliche Regelung konkreter Voraussetzungen für eine vorzeitige Kündigung des Vertrages oder für einen Anspruch auf Vertragsanpassung hätte verlangen können, beispielsweise wenn die Fallzahlen unter eine bestimmte konkret definierte Grenze fielen. Hierdurch wäre allerdings der Vertragsschluss für die Klägerin weniger attraktiv gewesen.
Die Kündigung durch die Beklagte war auch nicht nach allgemeinen Vorschriften berechtigt. Die Verwirklichung des eigenen Kalkulationsrisikos machte die Fortsetzung des Vertragsverhältnisses unter Berücksichtigung aller Umstände und unter Abwägung der bei-derseitigen Interessen der Parteien für die Beklagte nicht unzumutbar (§ 543 Abs. 1 BGB). Die Vorschrift des § 314 BGB ist gegenüber der spezielleren Regelung des § 543 BGB auf ein Mietverhältnis nicht anwendbar.
Aus den gleichen Gründen scheidet eine Kündigung des Vertrages oder seine Anpassung nach den Grundsätzen des Wegfalls der Geschäftsgrundlage aus, da das eigene Kalkulationsrisiko allein die Beklagte selbst trifft (§ 313 Abs. 1, 3 BGB).
Die unberechtigte Kündigung seitens der Beklagten sowie die Demontage der Messanlagen berechtigten die Klägerin ihrerseits zur fristlosen Kündigung des Dienstleistungsvertrages, der nach seinem Schwerpunkt als - typengemischter - Mietvertrag anzusehen ist (§ 543 Abs. 1, 2 Nr. 1 BGB). Hierdurch ist der Klägerin ein Schaden entstanden, über den noch keine abschließende Entscheidung getroffen werden kann. Dieser Schaden resultiert daraus, dass ihr wegen des Vertragsendes ein ansonsten aus den Geschwindigkeitsmessungen und dem nachfolgenden Verhängen von Bußgeldern nach Abzug der Aufwendungen verbleibender Überschuss entgangen ist. Eine Schätzung dieses Schadens ist gegenwärtig noch nicht abschließend möglich; insbesondere sind infolge der Einwände der Beklagten, zuletzt mit Schriftsatz vom 29.3.2017, weitere Feststellungen zu treffen.
Die Geltendmachung eines Schadenersatzanspruchs durch die Klägerin ist nicht deshalb ausgeschlossen, weil ihr Verhandlungsführer Herr C im Gespräch vom 29.7.2014 erklärt habe, der Vertrag werde, sofern es nicht zu einer einvernehmlichen Vertragsanpassung komme, einvernehmlich beendet, die Geltendmachung von Schadenersatzansprüchen sei ausgeschlossen. Eine solche Äußerung enthält nicht notwendig bereits eine rechtsverbindliche Erklärung, vielmehr kann es sich auch lediglich um eine Ankündigung handeln, wie voraussichtlich weiterverfahren werden wird. Zum damaligen Zeitpunkt führten die Parteien noch Verhandlungen mit dem Ziel einer möglichen Vertragsanpassung. Für die Klägerin bestand seinerzeit keine Veranlassung, auf etwaige künftige Schadenersatzansprüche verbindlich zu verzichten. Im Übrigen bestand auch eine Berechtigung des Herrn C, eine solche Erklärung mit Rechtswirkungen für die Klägerin abzugeben, nicht. Zwar war Herr C mit dem Führen der Verhandlungen über eine Abänderung des Vertrages betraut. Solche Verhandlungen umfassen aber nicht ohne weiteres auch die Erklärung oder die Akzeptanz einer Kündigung des Vertrages oder den Verzicht auf etwaige Schadenersatzansprüche der Klägerin. Ferner fehlte es an der erforderlichen Schriftform (§ 71 Abs. 2 S. 1 HGO). Nach den Umständen des Einzelfalles lag auch kein Geschäft der laufenden Verwaltung im Sinne des § 71 Abs. 2 S. 3 HGO vor. Es handelte sich nicht um ein Alltagsgeschäft, das im gewöhnlichen Betriebsverlauf mehr oder weniger regelmäßig wiederkehrt, oder um eine Maßnahme, die in ihrem Umfang und in ihrer finanziellen Tragweite von sachlich weniger erheblicher Bedeutung gewesen wäre (vgl. BGH, NJW-RR 1991, 574 f. [BGH 06.12.1990 - VII ZR 98/89]; MDR 1990, 419 f.).
Die Widerklage ist unbegründet. Zwar ist die Klägerin infolge der Beendigung des Vertrages aufgrund der von ihr selbst erklärten außerordentlichen Kündigung zur Rückgabe der ihr von der Beklagten überlassenen Geräte verpflichtet. Sie kann jedoch aufgrund des von ihr geltend gemachten Zurückbehaltungsrechts die Herausgabe bis zur Erfüllung ihrer Schadenersatzansprüche, die noch nicht beziffert ausgeurteilt werden können, verweigern (§ 273 BGB).
Die Kostenentscheidung war dem Schlussurteil vorzubehalten.
Die Revision war nicht zuzulassen, da die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat und weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert (§ 543 Abs. 2 Nrn. 1, 2 ZPO).
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