Gericht / Entscheidungsdatum: LG Arnsberg, Beschl. v. 13.12.2016 - 2 Qs 90/16
Leitsatz: Ein innerhalb der Beschwerdefrist eingegangener Kostenfestsetzungsantrag ist nicht als sofortige Beschwerde gegen eine unterbliebene Auslagenentscheidung auszulegen.
II-2 Qs-242 Js 442/16-90/16
Landgericht Arnsberg
Beschluss v. 13.12.2016
In der Strafsache
gegen pp.
lehnt die Kammer eine Entscheidung ab.
Gründe
I.
Mit Urteil des Amtsgerichts Arnsberg vom 05.10.2016 4 Ds-242 Js 442/16-173/16 wurde der Angeklagte aus tatsächlichen Gründen freigesprochen. Neben der Hauptsacheentscheidung entschied das Amtsgericht, dass die Kosten des Verfahrens der Staatskasse zur Last fallen (Bl. 70 d.A.).
Mit Schriftsatz vom 06.10.2016, bei Gericht eingegangen am 07.10.2016, beantragte der Verteidiger, die nachstehend errechneten notwendigen Auslagen des ehemaligen Angeklagten gegen die Landeskasse festzusetzen (Bl. 71 d.A.). Mit Schreiben vom 19.10.2016 wies das Amtsgericht unter Bezugnahme auf eine Stellungnahme des Bezirksrevisors darauf hin, dass dem Kostenfestsetzungsantrag nicht entsprochen werden könne, da das Urteil lediglich eine Entscheidung darüber enthalte, wer die Kosten des Verfahrens, nicht jedoch eine Entscheidung darüber, wer die notwendige Auslagen zu tragen habe (Bl. 76, 74 f. d.A.). Unter dem 25.10.2016 stellte der ehemalige Angeklagte mit Verteidigerschriftsatz ausdrücklich klar, dass der Kostenfestsetzungsantrag als sofortige Beschwerde zu sehen sei mit dem Antrag, das Urteil vom 05.10.2016 dahingehend abzuändern und zu ergänzen, dass die Staatskasse auch seine entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen hat (Bl. 82 f. d.A.).
Mit dem Antrag der Staatsanwaltschaft, die Beschwerde zurückzuweisen (Bl. 84 d.A.), wurde die Sache der Kammer zur Entscheidung vorgelegt (Bl. 87 d.A.).
II.
Eine Entscheidung der Kammer ist nicht veranlasst.
Zwar ist es zutreffend, dass die notwendigen Auslagen grundsätzlich bei demjenigen verbleiben, dem sie entstanden sind, wenn es an einer ausdrücklichen Auslagenentscheidung in einer das Verfahren abschließenden Entscheidung fehlt und eine nachträgliche Ergänzung der Entscheidung durch das erkennende Gericht unzulässig ist, vielmehr die Ergänzung nur durch die sofortige Beschwerde zu erreichen ist.
Jedoch kann nach Auffassung der Kammer der Kostenfestsetzungsantrag vom 06.10.2016 nicht als sofortige Beschwerde gegen die unterbliebene Auslagenentscheidung angesehen werden.
Ob ein innerhalb der Beschwerdefrist eingegangener Kostenfestsetzungsantrag als sofortige Beschwerde gegen eine unterbliebene Auslagenentscheidung auszulegen ist, ist umstritten.
Eine entsprechende Auslegung wurde zum Teil aus Billigkeitsgründen und mit der Begründung bejaht, dass zwar der Kostenfestsetzungsantrag nicht das ausdrückliche Begehren einer Anfechtung der Kostenentscheidung enthalte, es jedoch deutlich zum Ausdruck komme, dass der Antragsteller das Begehren verfolge, auch die notwendigen Auslagen erstattet zu bekommen und er sich mit einer anderen Kostenentscheidung nicht zufrieden geben möchte. Entsprechend dem Rechtsgedanken des § 300 StPO sei der Kostenfestsetzungsantrag deshalb als sofortige Beschwerde auszulegen, da sein Begehren nur so durchsetzbar sei (vgl. OLG Hamm, Beschluss vom 19.05.2005, 3 Ws 212/05, zit. nach juris; OLG Stuttgart, Beschluss vom 28.04.1993, 1 Ws 110/93, zit. nach juris; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 15.03.1990, 3 Ws 163/90, zit. nach juris).
Die Kammer hält jedoch weiterhin an ihrer Auffassung fest, dass eine solche Auslegung nicht möglich ist (vgl. LG Arnsberg, Beschluss vom 09.02.2007, 2 Qs 18/07; Beschluss vom 02.07.2008, 2 Qs 11/08). Eine Auslegung oder Umdeutung eines Rechtsmittels nach § 300 StPO kommt immer dann in Betracht, wenn die Bezeichnung des Rechtsmittels fehlt, falsch ist oder unklar bleibt, welches von mehreren Rechtsmitteln eingelegt werden soll (Meyer-Goßner/Schmitt, 58. Auflage 2015, § 300 Rn. 2 f.). Voraussetzung ist aber, dass überhaupt ein Rechtsmittel bezweckt ist. Aus der Eingabe selbst muss sich deshalb ein Anfechtungswille ergeben. Es muss also deutlich werden, dass sich der Erklärende mit einer ihn beschwerenden gerichtlichen Entscheidung nicht abfinden möchte. Maßgebend für die Auslegung ist der Sinngehalt, der sich aus der Gesamtheit der innerhalb der Anfechtungsfrist eingehenden Erklärungen ergibt (KG, Beschluss vom 26.02.2004, 5 Ws 696/03, zit. nach NStZ-RR 2004, 190, 190; Meyer-Goßner/Schmitt, 58. Auflage 2015, § 300 Rn. 3). Für die Auslegung des Anfechtungswillens ist im Übrigen die Person des Erklärenden von Bedeutung. Bei Rechtskundigen ist eher als bei Rechtsunkundigen auf den gewählten Wortlaut abzustellen. Einem Rechtsanwalt, der in Strafsachen tätig wird, ist aber bekannt, dass das Festsetzungsverfahren nach § 464b StPO allein die Aufgabe hat, die Höhe der notwendigen Auslagen zu bestimmen, bezüglich derer eine rechtskräftige gerichtliche Grundentscheidung vorliegt, und dass dieses Verfahren nicht dem Zweck dient, unvollständige Grundentscheidungen des erkennenden Gerichts zu korrigieren (KG, Beschluss vom 26.02.2004, 5 Ws 696/03, zit. nach NStZ-RR 2004, 190, 190).
Darüber hinaus rechtfertigt sich selbst aus Billigkeitsgründen keine andere Wertung. § 300 StPO bietet keine Handhabe dafür, einen Rechtsanwalt, der übersehen oder verkannt hat, dass die Einlegung eines Rechtsmittels geboten wäre, aus Billigkeitsgründen von den Folgen dieser Säumnis freizustellen (KG, Beschluss vom 26.02.2004, 5 Ws 696/03, zit. nach NStZ-RR 2004, 190, 190).
Eine sofortige Beschwerde kann in einem Kostenfestsetzungsantrag mithin nur dann gesehen werden, wenn in irgendeiner Weise aus diesem hervorgeht, dass er die vorliegende Kostengrundentscheidung nicht akzeptiert (ebenso OLG Celle, Beschluss vom 14.10.2010, 2 Ws 350/10, zit. nach juris; KG, Beschluss vom 26.02.2004, 5 Ws 696/03, zit. nach NStZ-RR 2004, 190, 190 f.).
Hierfür fehlt es aber in der vorliegenden Sache an jedem Anhaltspunkt. Vielmehr schreibt der Verteidiger in der Einleitung des Kostenfestsetzungsantrages irrig, dass durch das strafrichterliche Urteil die Kosten des Verfahrens einschließlich der notwendigen Auslagen der Staatskasse auferlegt worden seien. Aufgrund dieser irrigen Annahme ist ein Anfechtungswille ausgeschlossen. Es ist davon auszugehen, dass das Fehlen der Auslagenentscheidung durch den Verteidiger erst bemerkt wurde, als er hierauf durch das Amtsgericht hingewiesen wurde.
Einsender: 2. große Strafkammer des LG Arnsberg
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