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Entscheidungen

Gebühren

Rahmengebühre, Bemessung, Kriterien, Bedeutung der Angelegenheit

Gericht / Entscheidungsdatum: OLG Rostock, Beschl. v. 18.01.2017 - 20 Ws 21/17

Leitsatz: 1. Über die Beschwerde gegen einen nach § 464b StPO ergangenen Kostenfestsetzungsbeschluss entscheidet der Senat in der Besetzung mit drei Richtern (Aufgabe der entgegenstehenden Senatsrechtsprechung).
2. Nachdem es sich bei der vorgenannten Beschwerde um eine sofortige Beschwerde handelt, über die nach StPO-Grundsätzen zu entscheiden ist, ist eine Nichtabhilfeentscheidung des Ausgangsgerichts nicht veranlasst; ergeht gleichwohl eine solche, ist diese vom Beschwerdegericht (deklaratorisch) aufzuheben.
3. Eine "besondere Bedeutung der Angelegenheit" (für den Mandanten) im Sinne von § 14 Abs. 1 Satz 1 RVG kann sich nur dann erhöhend auf die Rahmengebühr auswirken, wenn sich diese auch in einem erhöhten Arbeitsaufwand des Rechtsanwalts niederschlägt, was spätestens im Beschwerdeverfahren darzulegen ist.


In pp.
1. Der Nichtabhilfebeschluss der Rechtspflegerin des Landgerichts Stralsund vom 19.12.2016 wird aufgehoben.
2. Die sofortige Beschwerde des Verteidigers gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss des Landgerichts Stralsund vom 28.04.2016 wird auf Kosten des Beschwerdeführers als unbegründet verworfen.
Gründe

I.
Mit Anklageschrift vom 12.08.2015 legte die Staatsanwaltschaft Stralsund der Angeklagten zur Last, in der Zeit zwischen Frühjahr 2014 bis zum 04.02.2015 dadurch unerlaubt mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge Handel getrieben zu haben, dass sie zusammen mit den Mitangeklagten in einer Scheune in L. eine Cannabisplantage einrichtete und in der Absicht betrieb, die dort gewonnenen Pflanzenprodukte gewinnbringend zu veräußern, weshalb am 04.02.2015 zehn Kilogramm bereits getrocknetes und abgepacktes Marihuana in einem Kühlschrank gelagert aufgefunden wurden. Die Hauptverhandlung vor dem Landgericht Stralsund, an der der von der Angeklagten B. bereits im Ermittlungsverfahren mandatierte Rechtsanwalt Dr. M. als gewählter Verteidiger umfassend teilnahm, fand zwischen dem 21.10. und dem 19.12.2015 an insgesamt fünf Sitzungstagen statt, wobei die Sitzungen am 21.10. und 28.10. jeweils inklusive Unterbrechungen - auch zur Mittagspause - knapp fünfeinhalb Stunden und die am 17.11 und am 01.12.2015 jeweils knapp viereinhalb Stunden dauerten. Die Sitzung am 09.12.2015 diente im Wesentlichen der Urteilsverkündung und -begründung und nahm nur knapp eine Stunde in Anspruch. Mit diesem Urteil, welches insoweit seit dem 17.12.2015 rechtskräftig ist, wurde die Angeklagte B. freigesprochen.

Am 10.12.2015 beantragte der Verteidiger die Kostenfestsetzung auf der Grundlage seiner Vergütung als Wahlverteidiger in Höhe von 6.739,91 € brutto, wobei die Grundgebühr nach Nr. 4100 VV RVG mit 360 €, die Vorverfahrensgebühr nach Nr. 4104 VV RVG mit 290 € und die Verfahrensgebühr nach Nr. 4112 VV RVG mit 320 € in Ansatz gebracht wurde. Für seine Teilnahme an den Hauptverhandlungsterminen am 21.10., 28.10., 17.11. und 01.12.2015 forderte der Verteidiger eine Terminsgebühr (Wahlverteidigerhöchstgebühr) gemäß Nr. 4114 VV RVG von jeweils 560 € und für die Sitzung am 09.12.2015 eine solche von 320 €. Die von ihm an Ansatz gebrachten Höchstgebühren rechtfertigte der Verteidiger mit seinem „umfangreichen Aktenstudium“, mit „mehreren längeren Besprechungen mit seiner Mandantin“ sowie mit der jeweils mehrstündigen Verhandlungsdauer.

Der Stellungnahme der Bezirksrevisorin folgend setzte das Landgericht Stralsund mit dem angefochtenen Beschluss vom 28.04.2016, der dem Verteidiger am 06.05.2015 zugestellt wurde, die zu erstattenden notwendigen Auslagen inklusive der darauf entfallenden Umsatzsteuer auf 5.717,70 € fest. Dabei wurden die Grundgebühr nach Nr. 4100 VV RVG um 40 % und die Verfahrensgebühren nach Nrn. 4104 und 4112 VV RVG jeweils um 30 % über der Mittelgebühr angesetzt und die Terminsgebühren für die Verhandlungen am 21.10.2015 mit 440 €, am 28.10.2015 mit 480 €, am 17.11.2015 mit 440 €, am 01.12.2015 mit 320 € und am 09.12.2015 mit 256 € bemessen. Hiergegen richtet sich die 11.05.2016 von Rechtsanwalt Dr. M. eingelegte sofortige Beschwerde, die am selben Tag beim Landgericht eingegangen ist. Die Rechtspflegerin hat dem Rechtsmittel mit Beschluss vom 19.12.2016 nicht abgeholfen.

II.
Die gemäß §§ 464b Satz 3 StPO, 104 Abs. 3 Satz 1 ZPO statthafte sofortige Beschwerde ist zulässig, aber unbegründet.

1. Der Senat entscheidet unter Aufgabe seiner entgegenstehenden Rechtsprechung (vgl. Beschluss vom 13. Juli 2009 – I Ws 192/09 RVG –, juris) in der Besetzung mit drei Richtern (§ 122 Abs. 1 GVG); § 568 Satz 1 ZPO findet keine Anwendung (vgl. OLG Düsseldorf NStZ-RR 2012, 160 unter Aufgabe früherer Rechtsprechung; OLG Hamm, Beschluss vom 3.12.2009 - 2 Ws 270/09, juris; OLG Jena NStZ-RR 2008, 63; OLG Köln Rpfleger 2003, 685; Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 58. Aufl. 2015, § 464b Rn. 7; OLG Celle, Beschluss vom 21. September 2015 – 2 Ws 148/15 –, juris; Gieg in Karlsruher Kommentar zur StPO, 7. Aufl. 2013, § 464b Rn. 4b; Temming in Gercke/Julius/ Temming, StPO, 5. Aufl. 2012, § 464b Rn. 5; a.A. Hilger in Löwe/Rosenberg, StPO, 26. Aufl. 2010, § 464b Rn. 9).

2. Den auf die sofortige Beschwerde ergangenen Nichtabhilfebeschluss des Landgerichts Stralsund vom 19.12.2016 hat der Senat deklaratorisch aufgehoben.

Obwohl § 464b Satz 3 StPO für das Kostenfestsetzungsverfahren in Strafsachen auf die - entsprechende - Anwendung der ZPO verweist, richtet sich das Verfahren nach StPO-Grundsätzen; mithin ist die ZPO nur insoweit anzuwenden, als die StPO eine Regelungslücke aufweist. Anders als § 572 Abs. 1 ZPO untersagt aber § 311 Abs. 2 StPO dem Gericht die Abänderung seiner durch sofortige Beschwerde angefochtenen Entscheidung und damit auch den Erlass eines Nichtabhilfebeschlusses (vgl. OLG Hamm, Beschl. v. 29. Juni 2004, 1 Ws 138/04, Rpfleger 2004, 732-733; Meyer-Goßner, StPO, 59. Aufl., § 464b StPO Rdz. 7 m. w. N.).

3. Der mit der sofortigen Beschwerde weiter verfolgte Auslagenanspruch besteht aus den zutreffenden Gründen der angefochtenen Entscheidung nicht.

Die besondere Bedeutung der Sache für die Mandantin vermag nach Auffassung des Senats nur dann eine (weitere) Erhöhung der Rahmengebühren zu rechtfertigen, wenn sich diese auch in einem deshalb spürbar erhöhten Arbeitsaufwand des Verteidigers widerspiegelt. Solches ist in vorliegender Sache nicht auszumachen. Dass Häufigkeit und Dauer der mit der Mandantin während des Ermittlungsverfahrens durchgeführten Besprechungen das Maß des in derartigen Verfahren Üblichen erheblich überstiegen hätten, ist weder im Kostenfestsetzungsantrag noch mit der Beschwerde nachvollziehbar dargelegt worden. Gleiches gilt für die mit der Angeklagten angeblich zur Vor- und Nachbereitung der einzelnen Sitzungstage durchgeführten Unterredungen. Der Senat hat sich anhand der Akten davon überzeugt, dass auch das Hauptverfahren unter Berücksichtigung des Tatvorwurfs zu keinem Zeitpunkt in Bezug auf die Angeklagte B. nach Dauer und Schwierigkeit den Durchschnitt dessen wesentlich überschritten hat, was üblicherweise in Betäubungsmittelverfahren vor einer großen Strafkammer verhandelt wird. Die maßvolle Erhöhung der Grund- und der Verfahrensgebühren um 30 % bzw. 40 % über der jeweiligen Mittelgebühr erscheint deshalb angemessen und ausreichend, um die Tätigkeit des Wahlverteidigers zu honorieren.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 473 Abs. 1 StPO.


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