Gericht / Entscheidungsdatum: OLG Brandenburg, Beschl. v. 23.08.2016 - 2 Ws 76/16
Leitsatz: Bei der Ermittlung der für die Zusatzgebühr nach Nr. 4122 VV RVG maßgeblichen Dauer der Hauptverhandlung ist eine Mittagspause nicht in Abzug zu bringen.
2 Ws 76/16 Brandenburgisches Oberlandesgericht
Beschluss
In der Strafsache
gegen pp.
wegen versuchten Mordes, hier: Kostenfestsetzung
hat der 2. Strafsenat des Brandenburgischen Oberlandesgerichts durch die Vorsitzende Richterin am Oberlandesgericht, den Richter am Oberlandesgericht und den Richter am Oberlandesgericht am 23. August 2016 beschlossen:
Auf die Beschwerde des Verteidigers wird dessen Vergütung auf weitere 211,82 EUR (zweihundertelf und 82/100 Euro) festgesetzt.
Gründe:
I.
Das Landgericht hat den früheren Angeklagten F. am 30. Januar 2015 wegen versuchten Tot-schlags zu einer Freiheitsstrafe verurteilt. Ihm war Rechtsanwalt M. mit Beschluss vom 14. März 2013 als Pflichtverteidiger beigeordnet worden.
Unter dem 30. Januar 2015 beantragte der Verteidiger, seine weiteren Gebühren auf insge-samt 2.257,19 EUR festzusetzen. Darin war eine zusätzliche Gebühr Nr. 4122 in Höhe von 178,- EUR des Vergütungsverzeichnisses der Anlage 1 zum RVG (VV RVG) in der damals geltenden Fassung für die Teilnahme an der Hauptverhandlung vom 16. Januar 2015 enthal-ten (sog. Längenzuschlag). Diese Gebühr setzte der Rechtspfleger bei dem Landgericht in seinem Kostenfestsetzungsbeschluss vom 24. März 2015 mit der Begründung ab, der Haupt-verhandlungstag habe sich nicht über mehr als fünf Stunden erstreckt, weil die stattgefunde-ne Mittagspause von der Dauer der Hauptverhandlung abzuziehen sei.
Die dagegen eingelegte Erinnerung des Verteidigers hat das Landgericht mit Beschluss vom 17. März 2016 zurückgewiesen und die Beschwerde gegen seinen Beschluss zugelassen. Da-gegen hat der Verteidiger Beschwerde eingelegt.
Das Rechtsmittel hat Erfolg.
II.
Die Beschwerde ist zulässig und begründet. Dem Verteidiger steht auch die zusätzliche Ge-bühr Nr. 4122 VV RVG für die Hauptverhandlung am 16. Januar 2015 zu.
Diese Gebühr erhält der beigeordnete Rechtsanwalt, wenn er mehr als fünf Stunden und bis zu acht Stunden an der Hauptverhandlung teilnimmt. Das war hier der Fall.
Die Hauptverhandlung am 16. Januar 2015 hat um 9.30 Uhr begonnen und dauerte bis 14.50 Uhr, mithin fünf Stunden und 20 Minuten. Von 11.56 Uhr bis 12.38 Uhr hat eine Pause von 42 Minuten stattgefunden. Diese Pause ist von der Gesamtdauer der Hauptverhandlung nicht in Abzug zu bringen.
Ob und in welchem Umfang Pausen bei der Berechnung der für die Vergütung des Rechts-anwaltes maßgeblichen Dauer der Hauptverhandlung zu berücksichtigen sind, ist umstritten. Weitgehend Einigkeit besteht in der obergerichtlichen Rechtsprechung nur insoweit, als dass jedenfalls kürzere Pausen nicht von der Dauer der Hauptverhandlung abzuziehen sind (vgl. Senat, Beschluss vom 13. März 2008, Az.: 2 Ws 275/06, m.w.N.).
Im Übrigen wird zum Teil vertreten, dass insbesondere Mittagspausen grundsätzlich von der Dauer der Hauptverhandlung abzuziehen sind (vgl. etwa OLG Bamberg, Beschluss vom 13. September 2005, Az.: Ws 676/05; OLG Oldenburg, Beschluss vom 12. Juni 2007, Az.: 1 Ws 310/07; OLG München, Beschluss vom 23. Oktober 2008, Az.: 4 Ws 150/08, alle zitiert nach juris; OLG Celle NStZ-RR 2007, 391; OLG Saarbrücken BeckRS 2007, 19133). Andere wol-len zumindest eine Mittagspause von bis zu eineinhalb Stunden in Abzug bringen und die Behandlung einer darüber hinausgehenden Unterbrechung vom Einzelfall abhängig machen (vgl. OLG Nürnberg, Beschluss vom 22. Oktober 2007, Az.: 1 Ws 541/07; OLG Jena, Be-schluss vom 11. Juni 2008, Az.: 1 AR (S) 79/07, beide zitiert nach juris; OLG Zweibrücken NStZ-RR 2006, 392).
Nach anderer Auffassung soll eine Mittagspause von mindestens einer Stunde nicht von der Dauer der Hauptverhandlung abzuziehen sein und es für darüber hinausgehende Pausenzei-ten auf den Einzelfall ankommen (vgl. OLG Hamm, Beschluss vom 28. Februar 2006, Az.: 2 (s) Sbd IX 1/06; Beschluss vom 20. April 2006, Az.: 3 Ws 47/06, beide zitiert nach juris).
Schließlich wird vertreten, dass Verhandlungspausen, insbesondere auch Mittagspausen, grundsätzlich nicht von der Dauer der Hauptverhandlung abgezogen werden, wobei allen-falls bei sehr langen Pausen im Einzelfall etwas anderes gelten könne (vgl. OLG Stuttgart, Beschluss vom 27. Juli 2012, Az.: 5 Ws 33/12; OLG Karlsruhe, Beschluss vom 10. Oktober 2013, Az.: 1 Ws 166/12 mit ausführlicher Darstellung des Streitstandes; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 21. November 2015, Az.: 1 Ws 358/15, alle zitiert nach juris; OLG Koblenz NJW 2006, 1150).
Der Senat schließt sich der zuletzt dargestellten Auffassung an.
Zunächst wird sie der gesetzgeberischen Intention gerecht, die nach früherer Rechtslage re-gelmäßig im Pauschvergütungsverfahren einzelfallbezogen vorzunehmende Prüfung des besonderen Zeitaufwandes des bestellten Rechtsanwaltes für die Teilnahme an der Haupt-verhandlung durch eine vereinheitlichte Gebührenregelung zu ersetzen (vgl. dazu OLG Karlsruhe a.a.O.; OLG Düsseldorf a.a.O.).
Soweit unter Hinweis auf den Wortlaut der VV RVG argumentiert wird, während der Mit-tagspause habe eine Hauptverhandlung nicht stattgefunden und der Rechtsanwalt an ihr des-halb auch nicht teilnehmen können (so OLG München a.a.O.; OLG Celle a.a.O.; OLG Bam-berg a.a.O.), überzeugt dies nicht. Die Argumentation erscheint bereits insofern inkonse-quent, als auch die Vertreter dieser Ansicht kürzere Pausen nicht in Abzug bringen wollen. Eine Hauptverhandlung findet jedoch auch in diesen nicht statt (vgl. OLG Karlsruhe a.a.O.). Entscheidend ist vielmehr, dass der Rechtsanwalt in der Regel keinen Einfluss auf Unterbre-chungen der Hauptverhandlung hat und er sich während der Terminszeit zur Verfügung hal-ten muss. In dieser Zeit ist er in der Regel auch an der anderweitigen Ausübung seines Beru-fes gehindert (vgl. OLG Koblenz a.a.O.; OLG Hamm, Beschluss vom 28. Februar 2006, Az.: 2 (s) Sbd IX 1/06). Diese Überlegung wird gestützt durch die Vorbemerkung Teil 4 Abs. 3 Satz 2 VV RVG, wonach der Rechtsanwalt die Terminsgebühr auch dann erhält, wenn der Termin aus Gründen, die dieser nicht zu vertreten hat, nicht stattfindet. Ist aber schon der gänzliche Ausfall der Hauptverhandlung gebührenrechtlich unerheblich, muss dies erst recht für Sitzungsunterbrechungen gelten (OLG Koblenz a.a.O.; OLG Karlsruhe a.a.O.). So gese-hen erscheint der Begriff der Hauptverhandlung in den eine zusätzliche Gebühr für längere Hauptverhandlungen gewährenden Vergütungstatbeständen mit dem strafprozessualen Ver-handlungsbegriff nicht deckungsgleich (OLG Karlsruhe a.a.O.).
Der weiter festgesetzte Betrag errechnet sich aus der Gebühr Nr. 4122 VV RVG in der da-mals geltenden Fassung in Höhe von 178,- EUR zuzüglich 19 % MwSt..
III.
Das Verfahren ist gerichtsgebührenfrei, Kosten werden nicht erstattet (§ 33 Abs. 9 RVG).
Einsender: 2 Strafsenat des OLG Brandenburg
Anmerkung:
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