Gericht / Entscheidungsdatum: AG Mannheim, Beschl. v. 25.04.2016 - 2 UR II 8/16
Leitsatz: Nach der Bewilligung von Beratungshilfe hat der Kostenbeamte im Vergütungsfestsetzungsverfahren bei Festsetzung einer Geschäftsgebühr gemäß Nr. 2503 VV RVG zu prüfen, ob eine Vertretung erforderlich war.
In pp.
Auf die Erinnerung der Bevollmächtigten des Antragstellers vom 01.03.2016 wird der Beschluss des Amtsgerichts Mannheim vom 22.02.2016 - 952 BHG 6/14 - dahin abgeändert, dass die Frau Rechtsanwältin
auf ihren Antrag vom 19.01.2016 aus der Staatskasse gemäß Teil 2 Abschnitt 5 VV RVG zu zahlende Vergütung auf EUR 121,38 (in Worten: einhunderteinundzwanzig 38/100 EURO) festgesetzt wird.
Die Beschwerde wird zugelassen.
Gründe
I.
Der Antragsteller hatte wegen der Angelegenheit
/
, Kindesunterhalt / Herabsetzungsverlangen die Erinnerungsführerin zu Rate gezogen und ihr einen Auftrag zur Wahrnehmung seiner rechtlichen Interessen erteilt. Die Erinnerungsführerin hat daraufhin mit der geschiedenen Ehefrau des Antragstellers und dem Jugendamt der Stadt
korrespondiert. Wegen des genauen Inhalts dieser Korrespondenz wird auf die in Kopie vorgelegten Schreiben vom 18.11.2014 und vom 02.12.2014 Bezug genommen. Auf den Antrag zur nachträglichen Bewilligung von Beratungshilfe ist dem Antragsteller in dieser Angelegenheit am 02.03.2015 Beratungshilfe bewilligt worden.
Unter dem 19.01.2016 hat die Erinnerungsführerin Gebühren in einer Gesamthöhe von EUR 121,38, darunter eine Geschäftsgebühr gemäß Nr. 2503 VV RVG, abgerechnet. Die Kostenbeamtin des Amtsgerichts Mannheim hat mit Beschluss vom 22.02.2016 die der Erinnerungsführerin aus der Staatskasse zu zahlende Vergütung auf lediglich EUR 49,98 festgesetzt und, wie sich aus der Begründung dieses Beschlusses ergibt, den weiteren Antrag auf Kostenfestsetzung zurückgewiesen.
Gegen diese teilweise Zurückweisung des Kostenfestsetzungsantrags richtet sich die Erinnerung der Erinnerungsführerin. Sie meint, eine Vertretung sei angesichts der Schwierigkeit, ein Herabsetzungsverlangen verständlich und rechtlich richtig zu formulieren, notwendig gewesen.
Die Kostenbeamtin hat der Erinnerung nicht abgeholfen und die Sache zur Entscheidung vorgelegt.
II.
Die Erinnerung ist begründet. Der Erinnerungsführerin steht für ihre Tätigkeit im Rahmen der Beratungshilfe eine Geschäftsgebühr nach Nr. 2503 VV RVG in Höhe von EUR 85,00 nebst Auslagenpauschale nach Nr. 7002 VV RVG in Höhe von EUR 17,00 und Umsatzsteuer nach Nr. 7008 VV RVG in Höhe von EUR 19,38 zu.
1. Der Antragsteller hat der Erinnerungsführerin den Auftrag zur unbedingten Geschäftsbesorgung erteilt. Dies ergibt sich aus dem Schreiben der Erinnerungsführerin an die geschiedene Ehefrau des Antragstellers vom 18.11.2014.
2. Die Vertretung des Antragstellers durch die Erinnerungsführerin im Rahmen der Beratungshilfe war erforderlich.
Die Frage, ob eine Vertretung im Zusammenhang mit der Gewährung der Beratungshilfe erforderlich war oder nicht, ist im Gebührenfestsetzungsverfahren zu prüfen (ebenso OLG Dresden, Beschluss vom 29.10.2007, 3 W 1135/07; entgegen OLG Stuttgart, Beschluss vom 22.05.2007, 8 W 169/07; LG Berlin Beschluss vom 22.05.2013, 82 T 532/12). Denn Gebühren gemäß Nr. 2500 ff. VV-RVG können nach dem ausdrücklichen Inhalt der maßgeblichen gesetzlichen Regelung nur im Rahmen der Beratungshilfe entstehen (§ 44 Satz 1 RVG; Vorbem. 2.5 zu Abschnitt 5 VV-RVG). Dieser Rahmen der Beratungshilfe wird durch § 2 BerHG vorgegeben. Danach besteht die Beratungshilfe in der Beratung und nur soweit erforderlich in der Vertretung (§ 2 Abs. 1 Satz 1 BerHG).
Bei der Prüfung der Erforderlichkeit der Vertretung ist zu berücksichtigen, dass die Beratungshilfe grundsätzlich zunächst durch die Beratung des Rechtsuchenden gewährt wird (§ 2 Abs. 1 Satz 1 1. HS BerHG). Mit dieser Beratung soll der Rechtsuchende in die Lage versetzen werden, selbst tätig zu werden und auf der Grundlage der ihm erteilten Rechtsberatung die gegebenenfalls notwendigen Schreiben selbst zu fertigen. Eine darüber hinausgehende Vertretung des Rechtsuchenden ist nur dann als erforderlich anzusehen, wenn dieser nach der Beratung angesichts des Umfangs, der Schwierigkeit oder der Bedeutung der Rechtsangelegenheit für ihn seine Rechte nicht selbst wahrnehmen kann (§ 2 Abs. 1 Satz 2 BerHG). Diese Voraussetzungen sind nicht ohne Weiteres erfüllt. Die Vertretung des Rechtsuchenden durch eine Beratungsperson gilt als ultima ratio im Beratungshilfegesetz. (Lissner/Dietrich/Eilzer/Germann/Kessel, Beratungshilfe mit Prozess- und Verfahrenskostenhilfe, 2. Aufl., Rdn. 208). Die Erforderlichkeit einer Vertretung setzt deshalb voraus, dass ein rechtlich schwieriger und komplexer Sachverhalt vorliegt und dass der Rechtssuchende nach objektiven und subjektiven Kriterien trotz vorheriger Beratung durch eine Beratungsperson die Rechtsverwirklichung nicht sachgerecht in die eigene Hand nehmen kann (Lissner/Dietrich/Eilzer/ Germann/Kessel, Beratungshilfe mit Prozess- und Verfahrenskostenhilfe, 2. Aufl., Rdn. 209). Maßgeblich für die Beurteilung der Erforderlichkeit einer Vertretungshandlung ist danach die Schul- und sonstige Bildung des Rechtsuchenden in Relation zur Komplexität der Angelegenheit (Lissner/Dietrich/Eilzer/Germann/Kessel, Beratungshilfe mit Prozess- und Verfahrenskostenhilfe, 2. Aufl., Rdn. 347).
Nach diesen Kriterien war eine Vertretung des Antragstellers durch die Erinnerungsführerin im vorliegenden Fall erforderlich. Wie sich aus den vorgelegten Schreiben ergibt, die die Erinnerungsführerin für den Antragsteller gefertigt hat, war der Sachverhalt in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht nicht einfach. In dem Schreiben waren zahlreiche Daten, die Frage, ob die Abänderung eines Vergleichs überhaupt rechtlich möglich war, die Höhe des Selbstbehalts des Antragstellers und die richtige Berechnung des danach für die Unterhaltszahlungen einsetzbaren Einkommens nachvollziehbar und verständlich darzustellen. Es kann nicht davon ausgegangen werden, dass ein juristischer Laie auf der Grundlage einer Beratung in der Lage gewesen wäre, diesen komplizierten Sachverhalt selbständig in einem Schreiben richtig und verständlich darzustellen.
Einer Kostenentscheidung bedarf es nicht. Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei; Kosten werden nicht erstattet (§ 56 Abs. 2 Satz 2 und 3 RVG).
Die Beschwerde ist zuzulassen, weil die Frage, ob im Gebührenfestsetzungsverfahren die Notwendigkeit einer Vertretung der beratungsbedürftigen Person zu prüfen ist, angesichts der uneinheitlichen Rechtsprechung hierzu von grundsätzlicher Bedeutung ist (§ 66 Abs. 2 Satz 2 GKG).
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