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Entscheidungen

Gebühren

Pflichtverteidiger, Revisionsverfahren, Verfahrensgebühr, Abgeltungsbereich

Gericht / Entscheidungsdatum: OLG Köln, Beschl. v. 29.07.2016 - 2 Ws 504/16

Leitsatz: Von der Verfahrensgebühr für das Revisionsverfahren werden nicht nur die (Einlegung und) Begründung der Revision) sondern auch weitere Tätigkeiten außerhalb einer Revisionshauptverhandlung wie die Entgegennahme und Besprechung einer Revisionsgegenerklärung der Staatsanwaltschaft des Revisionsantrags des GBA und insgesamt die Begleitung des Angeklagten im Revisionsverfahren abgegolten.


In pp.
Der angefochtene Beschluss wird aufgehoben.

Rechtsanwalt I wird dem Angeklagten als Pflichtverteidiger für das Revisionsverfahren beigeordnet.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens und die dem Angeklagten darin entstandenen notwendigen Auslagen werden der Staatskasse auferlegt.1

Gründe:
I.
Der im 1. Rechtszug durch Rechtsanwalt I als Wahlverteidiger vertretene Angeklagte ist durch Urteil der 13. großen Strafkammer des Landgerichts Köln vom 18.12.2015 (Az. 113 KLs 13/15) wegen schwerer Vergewaltigung zu einer Freiheitsstrafe von fünf Jahren und fünf Monaten verurteilt worden. Nachdem das Protokoll der neuntägigen Hauptverhandlung von den Protokollführern und der die Hauptverhandlung leitenden stellvertretenden Vorsitzenden der Kammer unterschrieben worden war, verfügte der Vorsitzende am 08.03.2016 die Zustellung der Urteilsausfertigung sowie einer Kopie des Protokolls der Hauptverhandlung an den Verteidiger. Beides wurde dem Verteidiger des Angeklagten ausweislich dessen Empfangsbekenntnisses vom 18.03.2016 an diesem Tag zugestellt.

Mit Schriftsatz vom 15.04.2016, der am selben Tag beim Landgericht Köln eingegangen ist, legte der Verteidiger das Wahlmandat nieder und beantragte seine Beiordnung als Pflichtverteidiger des Angeklagten. Zur Begründung hat er u.a. ausgeführt, im Rahmen der Revision werde auch eine Verfahrensrüge zu erheben sein, deren Ausformulierung den Urkundsbeamten der Geschäftsstelle überfordern würde.

Diesen Antrag hat der Kammervorsitzende mit Beschluss vom 03.05.2016 abgelehnt. Der Antrag sei der Kammer an Vormittag des 18.04.2016 zur Entscheidung vorgelegt worden. Am Nachmittag desselben Tages sei die Revisionsbegründungsschrift eingegangen. Eine nachträgliche Pflichtverteidigerbeiordnung sei aber nicht zulässig.

Gegen diese Entscheidung hat der Angeklagte mit Schriftsatz seines Verteidigers vom 13.07.2016 Beschwerde eingelegt. Die Entscheidung sei rechtswidrig, da die Revisionsbegründungsfrist nicht bereits durch die Zustellung vom 18.03.2016 in Gang gesetzt worden sei. Denn zu diesem Zeitpunkt sei die Fertigstellung des Protokolls durch den zuletzt Unterschreibenden noch nicht auf dem Hauptverhandlungsprotokoll dokumentiert gewesen. Die Revisionsbegründungsfrist sei daher erst durch die erneute Zustellung der Urteilsausfertigung und der Protokollabschriften am 09.07.2016 in Gang gesetzt worden. Sie ende daher frühestens am 09.08.2016, so dass noch weitere Verfahrensrügen erhoben werden könnten.

Die Kammer hat der Beschwerde durch Beschluss vom 14.07.2016 nicht abgeholfen. Die Zustellung des Urteils und des Verhandlungsprotokolls am 18.03.2016 sei erst erfolgt, nachdem sämtliche neun Hauptverhandlungsprotokolle von den jeweils eingesetzten Protokollführern und der stellvertretenden Vorsitzenden der Kammer unterzeichnet gewesen seien. Dieser Zeitpunkt sei für die Fertigstellung des Protokolls maßgeblich, nicht aber der erst später angebrachte Vermerk über den Tag der Fertigstellung.

II.
Die Beschwerde ist begründet.

Rechtsanwalt I ist dem Angeklagten als Pflichtverteidiger für das Revisionsverfahren beizuordnen. Es besteht ein Fall notwendiger Verteidigung gem. § 140 Abs. 1 Ziff. 2 StPO, da der Angeklagte wegen eines Verbrechens angeklagt und erstinstanzlich verurteilt worden ist. Ist aber die Mitwirkung eines Verteidigers erforderlich, so ist sie dies für das gesamte Verfahren bis zur Urteilsrechtskraft. Auch im Revisionsverfahren – selbst nach Einlegung und Begründung der Revision - darf der Angeklagte nicht ohne Verteidiger gelassen werden (Schmitt in Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 59. Auflage, § 140 Rdn. 5 f; Laufhütte in Karlsruher Kommentar, StPO, 7. Auflage, § 140 Rdn. 4 jeweils m.w.N.). Ist der Angeklagte nach Abschluss der Hauptverhandlung nicht mehr verteidigt, hat der Vorsitzende des Tatgerichts von Amts wegen einen Verteidiger zu bestellen (Laufhütte in Karlsruher Kommentar a.a.O. Rdn. 5). Vorliegend hat Rechtsanwalt I das Wahlmandat durch Schriftsatz vom 15.04.2016 – ohne Bedingung - niedergelegt. Mit Eingang dieses Schriftsatzes beim Landgericht war dem Angeklagten daher - unabhängig von einem entsprechenden Antrag - ein Pflichtverteidiger zu bestellen. Die Frage, ob eine Beiordnung rückwirkend erfolgen kann, stellt sich vorliegend nicht, da das Revisionsverfahren noch nicht abgeschlossen ist und der Pflichtverteidiger die Verfahrensgebühr nach Ziff. 4130 VV RVG, die eine Art Pauschgebühr darstellt (Hartmann, Kostengesetze, 40. Auflage, Ziff. 3100 VV RVG Rdn. 11) nicht nur für die Einlegung und Begründung der Revision, sondern unabhängig davon für das Betreiben des Geschäfts erhält (Madert in Gerold/Schmitt/von Eicken/Madert/Müller-Rabe, RVG, 16. Auflage,4130 VV RVG Rdn. 3). Darunter fallen weitere Tätigkeiten außerhalb einer Revisionshauptverhandlung wie die Entgegennahme und Besprechung einer Revisionsgegenerklärung der Staatsanwaltschaft und des Revisionsantrags des Generalbundesanwalts und insgesamt der Begleitung des Angeklagten im Revisionsverfahren. Eine auf die Begründung der Revision beschränkte Beiordnung, die die gegenüber der Gebühr nach Ziff. 4130 VV RVG geringere Gebühr nach Ziff. 4302 Nr. 1 VV RVG auslöst, kommt vorliegend nicht in Betracht, da der Angeklagte unter den hier gegebenen Voraussetzungen bis zur Rechtskraft des Urteils verteidigt sein muss.

Die Kostenentscheidung folgt aus einer Analogie zu § 467 Abs. 1 StPO.


Einsender: entnommen StraFo 2016, 382

Anmerkung:


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