Gericht / Entscheidungsdatum: OLG Naumburg, Beschl. v. 06.09.2016 - 2 Ws 214/16
Leitsatz: Zum Umfang der tatsächlichen Feststellungen bei einer Messung mit Provida 2000.
OBERLANDESGERICHT NAUMBURG
BESCHLUSS
2 Ws 214/16 OLG Naumburg
In der Bußgeldsache
gegen pp.
wegen Verkehrsordnungswidrigkeit
hat der Senat für Bußgeldsachen des Oberlandesgerichts Naumburg am 6. September 2016
durch den Richter am Oberlandesgericht als Einzelrichter
auf Antrag der Generalstaatsanwaltschaft und der Verteidigung gemäß §§ 79 Abs. 3 Satz 1 OWiG, 349 Abs. 4 StPO beschlossen:
Auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen wird das Urteil des Amtsgerichts Haldensleben vom 12. Mai 2016 aufgehoben. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsbeschwerde, an eine andere Abteilung des Amtsgerichts Haldensleben zurückverwiesen.
Gründe:
I.
Das Amtsgericht Haldensleben hat gegen den Betroffenen durch Urteil vom 12. Mai 2016 wegen fahrlässiger Verkehrsordnungswidrigkeit eine Geldbuße von 160,00 und ein Fahrverbot von 1 Monat festgesetzt. Hiergegen wendet sich der Betroffene mit seiner Rechtsbeschwerde und rügt die Verletzung materiellen Rechts.
Die Rechtsbeschwerde ist gemäß § 79 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 OWiG zulässig und hat mit der Sachrüge Erfolg. Die Generalstaatsanwaltschaft hat in ihrer Zuschrift ausgeführt:
"Die Prüfung des Urteils auf die ausgeführte Sachrüge hat durchgreifende Rechtsfehler zum Nachteil des Betroffenen erkennen lassen. Das Urteil leidet unter Darstellungsmängeln (§ 267 Abs. 1 Satz 1 StPO i. V. m. § 71 Abs. 1 OWiG).
Grundsätzlich handelt es sich bei Messungen mit dem ProVida 2000 System nach der ober-gerichtlichen Rechtsprechung um ein standardisiertes Messverfahren, bei dem zum Ausgleich systembedingter Messungsgenauigkeiten bei Geschwindigkeiten über 100 km/h grundsätzlich ein Toleranzabzug von 5 % der gemessenen Geschwindigkeit ausreicht (vgl. Kammergericht, DAR 2009, 39).
Nach der Rechtsprechung sind in dem Toleranzspielraum von 5 % zunächst alle gerätetypischen Betriebsfehlerquellen erfasst. Dazu zählen auch Abweichungen, die sich beispielsweise durch Reifenverschleiß oder abweichenden Reifendruck ergeben (vgl. OLG Celle NZV 1997, 188). Selbst wenn der betriebsübliche Reifendruck nicht dem im Eichschein vorgesehenen Druck entsprechen sollte, soll der Toleranzwert von 5 % evtl. Abweichungen abdecken.
Ist das Messgerät hingegen nicht mehr geeicht, beträgt der Sicherheitsabschlag 20 % (Kammergericht, NZV 1995, 37).
Wie ausdrücklich in der Rechtsbeschwerdebegründung gerügt, teilt das Amtsgericht nicht den gemessenen Geschwindigkeitswert mit. Wie bei einem standardisierten Messverfahren verweist das Amtsgericht vielmehr auf die dem Betroffenen zur Last gelegte Geschwindigkeit von 144 km/h nach einem Toleranzabzug von 20 %. Dieser Toleranzabzugswert gilt aber gerade für die Fälle, in denen ein standardisiertes Messverfahren nicht gegeben, mithin umfängliche Darlegungspflichten des Tatgerichts begründet sind.
Die Urteilsgründe sind auch hinsichtlich des dargestellten Toleranzabzuges fehlerhaft, als sich durch Rückgriff auf das Messvideo. auf welches in den Urteilsgründen verwiesen wird, die gemessene Geschwindigkeit vor Toleranzabzug auf 160 km/h bestimmen lässt. Bei einem Toleranzabzug von 20 % - von dem das Amtsgericht wohl rechtsfehlerhaft ausgeht - ergäbe sich eine vorwerfbare Geschwindigkeit von 128 km/h.
Widersprüchlich sind die Urteilsgründe auch insoweit, als das Amtsgericht feststellt, dass das Messgerät zur Tatzeit ordnungsgemäß geeicht war, gleichwohl aber aufgrund der Tatsache, dass der Zeuge pp. die Lage der Eichmarken an dem in dem Kofferraum des Messfahr-zeugs befindlichen Messgerät nicht genau hatte angeben können, einen Sicherheitsabschlag vorgenommen hat. Wie vorangestellt, ist aber ein 20 %iger Sicherheitsabschlag nur erforderlich, wenn das Messgerät nicht mehr geeicht gewesen sein sollte.
Ein Beruhen des Urteils auf den Darlegungsmängeln kann auch nicht ausgeschlossen werden, da sich, sollte das Gericht tatsächlich von einem notwendigen Toleranzabzug von 20 % ausgegangen sein, eine geringere vorwerfbare Geschwindigkeit ergäbe.
Dass es sich um einen bloßen Schreibfehler handelt, kann jedenfalls nicht mit der erforderlichen Sicherheit festgestellt werden."
Dem schließt sich der Senat an. Die Zurückverweisungsentscheidung folgt aus § 79 Abs. 6 OWiG.
Einsender: RA C. Schneider, Leipzig
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