Gericht / Entscheidungsdatum: LG Köln, Beschl. v. 13.08.2015 - 105 Qs 177/15
Leitsatz: Zur ermessensfehlerhaften Beiordnung eines Sicherungspflichtverteidigers.
In pp.
Auf die Beschwerde des Beschwerdeführers wird der Beschluss insoweit aufgehoben, als dem Angeklagten B zusätzlich Rechtsanwalt pp. als weiterer Pflichtverteidiger - zur Sicherung des Verfahrens - bestellt worden ist.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens werden der Staatskasse auferlegt.
Gründe:
Die Staatsanwaltschaft Köln hat am 22.10.2013 Anklage zum Amtsgericht Köln wegen Betruges gegen den Beschwerdeführer sowie Herrn Q erhoben (521 Ds 373/13). Der Strafrichter beim Amtsgericht hielt sich für nicht zuständig und legte die Sache dem Landgericht Köln vor, das mit Beschluss vom 06.06.2014 (113 KLs 27/13) die Anklage zur Hauptverhandlung zugelassen und das Hauptverfahren vor dem Amtsgericht - Schöffengericht - eröffnet hat.
Der Angeklagte B wurde von Anfang an durch Rechtsanwalt H aus Bonn als Wahlverteidiger verteidigt.
Am 09.04.2015 hat sodann der erste Hauptverhandlungstermin stattgefunden. In der Verhandlung wurde zunächst der Vorsitzende erfolglos wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt; sodann wurden weitere Verfahrensanträge gestellt, die durch das Gericht beschieden wurden.
Anschließend gab der Vorsitzende des Schöffengerichts bekannt, dass die Hauptverhandlung ausgesetzt werde und zu einem späteren Zeitpunkt neu begonnen werden sollte. Dazu müssten mehrere Hauptverhandlungstermine anberaumt werden; den Angeklagten sollten zur Sicherung des Verfahrens Pflichtverteidiger beigeordnet werden; die Angeklagten sollten binnen einer Woche Anwälte benennen, die auch für mehrere Verhandlungstage zur Verfügung stünden.
Mit Schreiben vom 16.04.2015 hat der Angeklagte B beantragt,
ihm Rechtsanwalt H aus Bonn als Pflichtverteidiger beizuordnen
sowie hilfsweise,
Rechtsanwalt Q2 aus Bonn als (weiteren) Verteidiger beizuordnen,
höchst hilfsweise,
vor Anberaumung eines Hauptverhandlungstermins und ggfls. Bestellung eines vom Haupt- und Hilfsantrag abweichenden Pflichtverteidigers ihm rechtliches Gehör zu gewähren.
und weiter angekündigt, für den Fall der Beiordnung das Wahlmandat niederzulegen sowie näher dargelegt, dass er auch an mehreren Tagen als Pflichtverteidiger zur Verfügung stehe und dass Rechtsanwalt Q2, falls dem Hauptantrag nicht entsprochen werden könne, in gleichem Maße wie Rechtsanwalt H das Vertrauen des Angeklagten besitze.
Das Schöffengericht hat sodann mit Beschluss vom 06.05.2015 dem Angeklagten B Rechtsanwalt H als Pflichtverteidiger bestellt und zusätzlich Rechtsanwalt pp., als weiteren Pflichtverteidiger - zur Sicherung des Verfahrens - bestellt.
Hiergegen wendet sich der Angeklagte mit seiner Beschwerde vom 20.07.2015 und bemängelt die Beiordnung des weiteren Pflichtverteidigers, den der Angeklagte nicht kenne, wodurch das prozessuale Recht des Angeklagten auf Beiordnung eines Verteidigers seines Vertrauens beeinträchtigt sei.
Mit Beschluss vom 21.07.2015 hat das Amtsgericht der Beschwerde nicht abgeholfen und ausgeführt, dass - da mehrere Verhandlungstermine anberaumt werden müssten - durch die Beiordnung von zusätzlichen Pflichtverteidigern der Verfahrensablauf gesichert werden sollte. Bei deren Auswahl sei der vom Angeklagte benannte Rechtsanwalt Q2 nicht in Betracht gekommen, da gerichtsbekannt sei, dass dieser wegen seiner starken Auslastung keine hinreichende Gewähr dafür biete, flexibel auch für mehrere Verhandlungstage zur Verfügung zu stehen. Im Übrigen sei in der Rechtsprechung anerkannt, dass die Beiordnung eines weiteren Pflichtverteidigers auch gegen den Willen des Angeklagten erfolgen könne.
Die Beschwerde ist zulässig.
Zwar ist die Bestellung eines Pflichtverteidigers mangels Beschwer grundsätzlich der Anfechtung entzogen (KK zur StPO 7. Auflage § 141 Rdn. 13; Meyer-Goßner StPO § 141 Rdn. 9; OLG Köln Beschluss vom 15.07.2005 2 Ws 283/05). Etwas anderes gilt aber, wenn neben dem Wahlverteidiger ein (weiterer) Pflichtverteidiger bestellt wird, insbesondere dann, wenn geltend gemacht wird, die Auswahl sei ermessensfehlerhaft gewesen (KK a.a.O.; OLG Köln a. a. O.; OLG Köln StraFo 2007, 28 f.; OLG Jena NStZ-RR 2012, 317). So ist die Sachlage im vorliegenden Fall, denn der Angeklagte macht geltend, die Voraussetzungen für die Bestellung eines Pflichtverteidigers lägen nicht vor bzw. der Vorsitzende habe ermessensfehlerhaft entschieden.
Die Beschwerde ist auch in der Sache erfolgreich.
Vorliegend ist nach Aktenlage und bisherigem Verfahrensablauf nicht ersichtlich, dass überhaupt die Voraussetzungen für die Beiordnung von zusätzlichen Pflichtverteidigern gegeben sind.
Konkrete Termine zur Hauptverhandlung sind noch nicht bestimmt. Ebenso wenig ist ersichtlich, dass der bestellten (Erst-) Pflichtverteidiger für auch mehrere Hauptverhandlungstage nicht zur Verfügung steht. Schließlich hat er dies im Rahmen des Beiordnungsantrags vom 16.04.2015 ausdrücklich versichert. Nimmt man weiter in den Blick, dass sowohl nach der (ersten) Terminierung des Amtsgerichts als auch nach dem Inhalt der Eröffnungsentscheidung des Landgerichts es sich nicht um eine Strafsache besonderen Umfangs handelt, erscheint es derzeit nicht gerechtfertigt, schon jetzt einen weiteren Pflichtverteidiger als Sicherungsverteidiger zu bestellen, ohne dass bezüglich des ersten Pflichtverteidigers konkret Terminverhinderungen feststehen oder zu erwarten sind.
Zwar steht bei der Beurteilung der Frage, ob einem Angeklagten ausnahmsweise ein weiterer Pflichtverteidiger beizuordnen ist, ein weites Ermessen zu. Die Beiordnung kann insbesondere mit Rücksicht auf den Umfang und die Schwierigkeit der Sache, zur Gewährleistung des ordnungsgemäßen Ablaufs der Hauptverhandlung oder aus sonstigen Gründen prozessualer Sorge geboten sein. (OLG Celle StV 1988, 379; OLG Düsseldorf NStZ, 47). Insofern ist die Entscheidung durch die Beschwerdekammer nur in eingeschränktem Umfang überprüfbar.
Die Entscheidung war jedoch vorliegend aufzuheben, weil sie von ermessensfehlerhaften Erwägungen ausgeht (vgl. OLG Köln StraFo 2007 aaO.), sie erweist sich insoweit jedenfalls aus den Gründen ihrer Anordnung als ermessensfehlerhaft.
Die Gründe, die (bisher) für die Bestellung eines zweiten Pflichtverteidigers angeführt werden, sind nämlich nicht geeignet, ein ausnahmsweises sachliches Bedürfnis für die angeordnete prozessuale Maßnahme zu begründen. Denn die Anordnung erwähnt mit keinem Wort, weswegen die Durchführung des Verfahrens bei alleiniger Vertretung durch Rechtsanwalt S nicht gesichert sein soll. Dass Rechtsanwalt H terminlich stark ausgelastet sei - wie dies für den als zweiten Pflichtverteidiger benannten Rechtsanwalt ausgeführt wird - ist bezüglich Rechtsanwalt H weder vorgetragen noch sonst ersichtlich, zumal dieser ausdrücklich angegeben hat, auch für mehrere Tage zur Verfügung zu stehen.
Dass der zeitliche Rahmen für das Verfahren derart ausgeweitet wird, dass die Bestellung eines zweiten Pflichtverteidigers schon allein aus diesem Grund geboten erscheint, ist ebenfalls nach der Aktenlage bislang nicht ersichtlich.
Ebenso wenig kann die Tatsache, dass der Angeklagte B über seinen Verteidiger einen Befangenheitsantrag gestellt hatte, hinreichenden Anlass für die Bestellung eines Sicherungsverteidigers bieten.
Mit der Aufhebung der Beiordnung des zweiten Pflichtverteidigers ist das Beschwerdeziel erreicht; die Auswahl des zweiten Pflichtverteidigers bedarf daher keiner Erörterung.
Einsender: entnommen Beck-online
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