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Entscheidungen

StPO

Durchsuchung, Anordnungsvoraussetzung, Anfangsverdacht

Gericht / Entscheidungsdatum: LG Trier, Beschl. v. 05.01.2016 - 5 Qs 90/15

Leitsatz: Ohne nähere Anhaltspunkte darf bei einem in Rede stehenden Eigenkonsum, auch bei einer Betäubungsmittelvergangenheit nicht ohne weiteres davon ausgegangen werden, der Beschuldigte konsumiere wieder und weiterhin regelmäßig solche.


Landgericht Trier
Aktenzeichen: 5 Qs 90/15
Beschluss
35a Gs 2082/15 (AG Trier) 8032 Js 18510/15 (StA Trier)
In dem Ermittlungsverfahren
gegen pp.
wegen Besitz von Betäubungsmitteln, u. a.
hier Beschwerde gegen die Durchsuchungsanordnung hat die 5. Strafkammer des Landgerichts Trier am 05.01.2016 beschlossen:
Auf die Beschwerde des Beschuldigten vom 22. Dezember 2015 wird festgestellt, dass der Beschluss des Amtsgerichts Trier vom 01. Juli 2015 - 35a Gs 2082/15 -rechtswidrig ist.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens und die im Beschwerdeverfahren entstandenen notwendigen Auslagen des Beschuldigten fallen der Staatskasse zur Last.
Gründe:
I.
Die Staatsanwaltschaft Trier führt gegen den Beschuldigten ein Ermittlungsverfahren wegen Besitz und Erwerb von Betäubungsmitteln gemäß § 29 BtMG.
Der Beschuldigte befindet sich unter dem Aktenzeichen 10 StVK 280/15 in einem laufenden Bewährungsverfahren. Das dort angeordnete Drogenscreening einer am 06. Mai 2015 durch das Gesundheitsamt der Kreisverwaltung . entnommenen Urinprobe des Beschuldigten hat einen auffälligen Befund für Amphetamin ergeben. Dieser Befund wurde der auswärtigen Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Trier beim Amtsgericht Wittlich durch die Bewährungshelferin des Beschuldigten mit Schreiben vom 28. Mai 2015 mitgeteilt.
Mit Verfügung vom 29. Juni 2015 hat sodann die Staatsanwaltschaft Trier die Anordnung einer Durchsuchung beim Beschuldigten gemäß §§ 102, 94 StPO beantragt und begründet dies mit dem auf den 06. Mai 2015 datierenden positiven Urintest.
Das Amtsgericht Trier hat sodann mit Beschluss vom 01. Juli 2015 die Durchsuchung der Person sowie der Wohn-, Keller-, Neben-, Geschäfts- und sonstigen Räumen und die Beschlagnahme vorgefundener Beweismittel gemäß §§ 94, 98, 102, 105, 162 StPO angeordnet. Dort heißt es u. a.:
„Der Tatverdacht ergibt sich aus dem auf Amphetamin positiven Urintest des Beschuldigten vom 06.05.2015 in dem Bewährungsverfahren 10 StVK 280/15 des Landgerichts Trier, das eine Amphetaminaufnahme des Beschuldigten im vorangegangenen Monat belegt. Der Konsum indiziert den Besitz von Betäubungsmitteln. Es ist davon auszugehen, dass sich die gesuchten Betäubungsmittel in den zu durchsuchenden Räumlichkeiten befinden.“
Der Beschluss wurde am 07. Oktober 2015 vollzogen.
Gegen diesen Beschluss richtet sich die mit Schreiben vom 22. Dezember 2015 erhobene und beim Amtsgericht am 23. Dezember 2015 eingegangene Beschwerde des Beschuldigten, mit der er die Feststellung der Rechtswidrigkeit der Durchsuchungsanordnung beantragt. Diese sei unverhältnismäßig gewesen.
Mit Verfügung vom 28. Dezember 2015 hat die Staatsanwaltschaft Trier Stellung genommen
und beantragt, die Beschwerde als unbegründet zu verwerfen.
Das Amtsgericht Trier hat der Beschwerde mit Beschluss vom 30. Dezember 2015 nicht abgeholfen und die Sache der Beschwerdekammer zur Entscheidung vorgelegt.
II.
Die Beschwerde des Beschuldigten ist zulässig und begründet.
Der Zulässigkeit des Rechtsmittels steht dabei nicht der Umstand entgegen, dass die Durchsuchungsmaßnahme vor Einlegung der Beschwerde am 07. Oktober 2015 vollzogen wurde, da dies nicht zum Wegfall des Rechtsschutzinteresses führt. Wegen der Gewährleistung des sich aus Art. 19 Abs. 4 Grundgesetz ergebenden Gebots des effektiven Rechtsschutzes ist die Beschwerde auch in Fällen der prozessualen Überholung zulässig (vgl. BVerfGE 96, 27 ff.) und die Durchsuchungsanordnung auf ihre Rechtmäßigkeit zu überprüfen.
Dies führt im vorliegenden Fall zur Feststellung der Rechtswidrigkeit des angegriffenen Beschlusses vom 01. Juli 2015 - 35a Gs 2082/15 -.
Gemäß § 102 StPO darf eine Durchsuchung der Wohnung und anderer Räume eines Tatverdächtigen sowie der Person selbst u. a. angeordnet werden, wenn zu vermuten ist, dass die Durchsuchung zur Auffindung von Beweismitteln führen werde. Voraussetzung jeder Durchsuchung ist mithin die Wahrscheinlichkeit, dass eine bestimmte Straftat bereits begangen ist und hierfür zureichende tatsächliche Anhaltspunkte vorliegen (Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 58. Auflage, § 102, Rn. 2). Vage Anhaltspunkte oder bloße Vermutungen reichen nicht aus (BVerfG, Beschl. v. 28.04.2003, Az. 2 BvR 358/03, NJW 2003, 2669 (2670)). Allerdings genügt es, dass aufgrund kriminalistischer Erfahrung die begründete Aussicht besteht, dass der Zweck der Durchsuchung - das Auffinden von Beweismitteln für eine bestimmte Straftat - erreicht werden kann (BVerfG a. a. O.).
Zur Beurteilung der Rechtmäßigkeit der Durchsuchungsanordnung bedarf es mithin der Unterscheidung zwischen dem konkreten und dem weitergehenden, allein auf Rückschlüssen beruhenden Anfangsverdacht bezüglich der hier in Rede stehenden Vorwürfe des Besitzes und Erwerbs von Betäubungsmitteln.
Ein Tatverdacht im Sinne eines Anfangsverdachts kann insoweit allein hinsichtlich des Zeitraums vor und um den 06. Mai 2015, dem Tag der Urinprobenentnahme, angenommen werden. Dieser ergibt sich bereits hinreichend aus dem für Amphetamine positiven Ergebnis der darauf folgenden Untersuchung eines nach DIN ISO EN 17025 akkreditierten Labors. Indes kann zum Zeitpunkt des Beschlusserlasses am 01. Juli 2015 nicht von einem Tatverdacht hinsichtlich weiterer, fortlaufender Verstöße gegen § 29 BtMG geschlossen werden. Ein solcher Rückschluss auf einen weitergehenden Tatverdacht ist ohne weitere Anhaltspunkte nicht möglich und würde auf einen Generalverdacht hinauslaufen, der für eine Durchsuchungsanordnung einer Wohnung unter Berücksichtigung des besonderen Schutzes des Artikels 13 GG nicht ausreichend ist (LG Koblenz, Beschl. v. 28.11.2008, Az. 9 Qs 76/08, zitiert nach juris). Zwar ist auf dem Gebiet der Betäubungskriminalität durchaus von einem wiederholten Vorgehen eines Beschuldigten auszugehen (BVerfG, Beschl. v. 15.12.2004, Az. 2 BvR 1873/04, zitiert nach juris). Gleichwohl darf ohne nähere Anhaltspunkte, insbesondere bei dem hier in Rede stehenden Eigenkonsum, auch bei einer Betäubungsmittelvergangenheit nicht ohne weiteres davon ausgegangen werden, der Beschuldigte konsumiere wieder und weiterhin regelmäßig solche (vgl. bei einem konkreten Tatzeitraum BVerfG, Beschl. v. 29.10.2013, Az. 2 BvR 389/13, BeckRS 2013, 59957).
Vielmehr bestand im Juli 2015 nur noch der allgemeine Verdacht, dass bei Betäubungsmittelkonsumenten immer auch Betäubungsmittel aufzufinden sind (so ausdrücklich LG Koblenz a. a. O.). Insbesondere erfordert die Durchsuchungsanordnung die Beachtung des Bestimmtheitsgebots. Aus dem Beschluss, der die Durchsuchung anordnet, muss sich hinreichend genau ergeben, um welchen konkreten Tatvorwurf es sich handelt (vgl. auch BVerfG a. a. O.). Die Zulassung eines Rückschlusses aus einem Anhaltspunkt auf einen zwei Monate später liegenden generellen Tatverdacht würde diese Anforderung umgehen. Schließlich äußert sich der amtsgerichtliche Beschluss auch nicht dazu, ob der Tatvorwurf sich nunmehr allein auf den Besitz um den Zeitpunkt des 06. Mai 2015 bezieht oder es sich um einen weitergehenden Tatverdacht handelt.
Verbleibt es letztlich bei dem Tatverdacht für den Erwerb und Besitz von Betäubungsmitteln um den 06. Mai 2015 herum, hält die angefochtene Entscheidung den ebenfalls zu beachtenden Anforderungen des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes nicht stand. Zum einen war ein Nachweis des Besitzes und Erwerbs von Betäubungsmitteln durch den Beschuldigten bereits durch das Ergebnis der Untersuchung der Urinprobe gegeben (LG Koblenz a. a. O.). Eine etwaige Behauptung, es hätte sich um einen besitzlosen Konsum gehandelt, kann bei lebensnaher Betrachtung - insbesondere bei Amphetamin - regelmäßig entkräftet werden. Zum anderen war nicht davon auszugehen, dass ca. zwei Monate nach positivem Befund der Urinuntersuchung noch Vorräte hätten aufgefunden werden können, aus denen auf einen Besitz von Betäubungsmitteln zeitnah zum 06. Mai 2015 hätte zurückgeschlossen werden können. Es handelte sich lediglich um den Vorwurf des Erwerbs und Besitzes zum Zwecke des Eigenkonsums. Bei einem solchen ist aber davon auszugehen, dass die Betäubungsmittel zeitnah konsumiert werden.
Die Kostenentscheidung folgt aus der entsprechenden Anwendung der §§ 465 Abs. 1, 467 Abs. 1 StPO.


Einsender: entnommen Beck-online

Anmerkung:


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