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Entscheidungen

StGB/Nebengebiete

Bewährungsauflage, Anrechnung, Absehen

Gericht / Entscheidungsdatum: OLG Hamm, Beschl. v. 04.04.2016 - 4 Ws 73/16

Leitsatz: Von der Anrechnung einer Geldauflage (§ 56f Abs. 3 StGB) kann im Falle des Widerrufs der Strafaussetzung zur Bewährung auch dann abgesehen werden, wenn ein besonders krasser Fall des Bewährungsversagens vorliegt und/oder die Geldauflage den Verurteilten nur unwesentlich belastet hat.


In pp.
Die sofortige Beschwerde wird auf Kosten des Verurteilten (§ 473 Abs. 1 StPO) verworfen.
Gründe
I.
Mit der sofortigen Beschwerde wendet sich der Verurteilte gegen den Widerruf der Strafaussetzung zur Bewährung einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren wegen schweren Bandendiebstahls und Beihilfe zum schweren Bandendiebstahl in drei Fällen, die das Landgericht Münster mit Urteil vom 29.07.2013 (rechtskräftig seit dem 06.09.2013) gegen ihn verhängt hatte. Der Verurteilte hatte sich mit weiteren Mittätern zusammengetan, um Radlader von Baustellen zu stehlen. Die Vollstreckung der Strafe hatte das Landgericht für drei Jahre zur Bewährung ausgesetzt. Die dem Verurteilten auferlegte Geldauflage von 3.000 Euro hatte er bis September 2015 vollständig gezahlt.
Die Strafkammer hat die dem Verurteilten gewährte Strafaussetzung zur Bewährung nach schriftlicher Anhörung mit dem angefochtenen Beschluss widerrufen, nachdem er - inzwischen rechtskräftig - wegen vorsätzlicher Körperverletzung und fahrlässiger falscher Versicherung an Eides statt (begangen am 17.09. bzw. 22.10.2013) zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von 11 Monaten verurteilt worden war. Von einer Anrechnung der Geldleistungen nach § 56f Abs. 3 S. 2 StGB hat die Strafkammer - ohne nähere Begründung - abgesehen.
Die Generalstaatsanwaltschaft Hamm hat beantragt, das Rechtsmittel als unbegründet zu verwerfen.
II.
Die zulässige sofortige Beschwerde hat keinen Erfolg.
1.
Die Voraussetzungen für einen Widerruf i.S.v. § 56f Abs. 1 Nr. 1 StGB liegen mit der Begehung zweier neuer Straftaten in der Bewährungszeit vor.
Mildere Mittel i.S.d. § 56f Abs. 2 StGB stehen auch nach Auffassung des Senats nicht zur Verfügung, um einen Widerruf abzuwenden. Es muss zwar berücksichtigt werden, dass seit den Taten aus September bzw. Oktober 2013 keine neuen Taten mehr bekannt geworden sind. Die Bewährungszeit ist seitdem beanstandungsfrei verlaufen. Der Verurteilte ist als selbständiger Fliesenleger tätig und hat in seinem Betrieb vier Angestellte. Ginge es nur um die fahrlässige falsche Versicherung an Eides statt, wäre sicherlich einer Alternativmaßnahme i.S.d. § 56f Abs. 2 StGB näher zu treten gewesen. Mit der begangenen massiven vorsätzlichen Körperverletzung zu Lasten eines Auftraggebers von Fliesenverlegearbeiten, der mit der Arbeit des Verurteilten nicht zufrieden war und dessen Arbeiten beenden wollte, liegt jedoch ein sehr gravierender Rückfall vor, der noch an Gewicht gewinnt, als die hier zu Grunde liegende Verurteilung zu einer Bewährungsstrafe, die erst wenige Monate zuvor erfolgt ist, dem Verurteilten eine noch ganz frische Warnung hätte sein müssen. Angesichts der erheblichen Vordelinquenz des Verurteilten (insbesondere im Bereich von Eigentums und Körperverletzungsdelikten), seiner Hafterfahrung und angesichts des Umstandes, dass der Verurteilte auch bei Begehung der neuen Taten schon einem Bewährungshelfer unterstellt war, sieht der Senat keine hinreichende Chance, dass sich der Verurteilte etwa durch die Verlängerung der Bewährungszeit oder weitere Auflagen zu einem Leben frei von Straftaten wird anhalten lassen. Hierzu geeignete Weisungen sind ebenfalls nicht erkennbar.
Der Umstand, dass bisher eine nachträgliche Gesamtstrafe aus der Freiheitsstrafe von sechs Monaten (unter Strafaussetzung zur Bewährung) aus dem seit dem 03.01.2014 rechtskräftigen Urteil des Amtsgerichts Alsfeld vom 16.01.2013 und den Einzelstrafen der hier vorliegenden Verurteilung noch nicht gebildet wurde, hindert den Widerruf der Strafaussetzung nicht. § 460 StPO entfaltet keine Sperrwirkung bzgl. eines Widerrufs einzelner Verurteilungen soweit noch keine Gesamtstrafe gebildet wurde (vgl. OLG Hamm NStZ-RR 2015, 241 m.w.N.).
2.
Zu Recht hat die Strafkammer auch von einer Anrechnung der von dem Verurteilten erbrachten Geldleistungen nach § 56f Abs. 3 S. 2 StGB abgesehen. Nach dem Gesetz ist zwar der Grundsatz, dass erbrachte Leistungen zur Erfüllung von Auflagen nicht erstattet werden (§ 56f Abs. 3 S. 1 StGB). Diese können jedoch in bestimmten Fällen - so bei einer Geldauflage nach § 56b Abs. 2 S. 1 Nr. 2 StGB - auf die Strafe angerechnet werden. Hierbei handelt es sich um eine Ermessensentscheidung. Bei der Ausübung des Ermessens ist zu berücksichtigen, dass Auflagen nach § 56b Abs. 1 S. 1 StGB Genugtuungsfunktion haben und damit auch repressive Zwecke verfolgen (vgl. Fischer, StGB, 63. Aufl., § 56b Rdn. 2).
Hier liegt zwar kein Fall vor, dass die Notwendigkeit einer Anrechnungsentscheidung aufgrund des Wegfalls einer Strafaussetzung zur Bewährung wegen einer nach-träglichen Gesamtstrafenbildung eingetreten ist, bei der der Verurteilte den Wegfall der Bewährung nicht zu vertreten hat und weswegen dort eine Nichtanrechnung nur in engbegrenzten Ausnahmefällen in Betracht kommt (BGH Beschl. v. 12.02.2015 - 1 StR 601/13 [juris]). Aber auch in der Grundkonstellation der Anrechnungsentscheidung wegen eines zum Widerruf führenden Verhaltens wird eine Anrechnung regelmäßig vorgenommen werden müssen, es sei denn es liegen Umstände vor, die eine Anrechnung unangemessen erscheinen lassen (vgl. KG Berlin, Beschl. v. 29.06.2000 -1 AR 683/00 - 5 Ws 465/00; BayObLG MDR 1981, 599; OLG Jena NStZ-RR 2007, 220; Stree/Kinzig in: Schönke/Schröder, StGB, 29. Aufl., § 56f Rdn. 24 m.w.N.; Frank JR 1986, 378, 379). Es ist zu beachten, dass dem Verurteilten letztlich nicht grundlos ein relevantes größeres Strafübel entstehen soll als dann, wenn er für die Taten sogleich zu einer vollstreckbaren Freiheitsstrafe verurteilt worden wäre (ansonsten wäre er schlechter gestellt, als der von vornherein "auflagenfreie" aber ebenso bewährungsbrüchige Proband, vgl. Frank JR 1876, 378, 379). Das ist z.B. dann nicht der Fall, wenn der Verurteilte das Geld zur Zahlung der Auflage seinerseits aus rechtswidrigen Taten beschafft hat (BGH NStZ-RR 2002, 137; OLG Hamm NStZ-RR 2009, 318; Frank JR 1986, 378, 379) oder wenn der erbrachte Teil der Geldauflage sehr gering ist und nicht nennenswert ins Gewicht fällt (KG Berlin, Beschl. v. 29.06.2000 -1 AR 683/00 - 5 Ws 465/00; Stree/Kinzig a.a.O.; Frank JR 1986, 378, 379). Dabei ist nach Auffassung des Senats auf das Verhältnis der erbrachten Leistungen zur seinerzeitigen finanziellen Leistungskraft des Verurteilten abzustellen, um beurteilen zu können, ob er durch die Leistungserbringung spürbare Einbußen erlitten hat. Auch mag Berücksichtigung finden, wenn die Geldauflage durch Dritte - ohne, dass der Verurteilte dies erstatten müsste - für ihn erbracht worden sind. Ein weiterer denkbarer Fall der Nichtanrechnung kann sein, dass die Geldauflage erst bei aktuell drohendem Widerruf der Strafaussetzung, gleichsam allein zu dessen Abwendung, erbracht wurde (vgl. OLG Bamberg MDR 1973, 154). Andererseits kann der Anrechnung ein außergewöhnlicher, besonders krasser Fall des Bewährungsversagens entgegenstehen (KG Berlin a.a.O.). Dies findet seine Berechtigung darin, dass eine dadurch zu Tage getretene Unbelehrbarkeit durch eine strafrechtliche Sanktion, wäre sie schon bei der Verurteilung bekannt gewesen, möglicherweise auch zu einer höheren Strafe geführt hätte.
Im vorliegenden Fall gibt es zwar keine Anhaltspunkte dafür, dass der Verurteilte das Geld für die erbrachten Leistungen in strafbarer Weise erlangt hätte. Andererseits war die erbrachte Geldleistung in Höhe von 3.000 Euro (ratenweise, über einen Zeitraum von zwei Jahren) gemessen an der Leistungsfähigkeit des Verurteilten nur mäßig belastend. Sowohl bei der Anlassverurteilung als auch im Berufungsurteil des Landgerichts Münster vom 17.06.2015 bzgl. der zum Widerruf führenden Taten ist bzgl. der persönlichen Verhältnisse des Verurteilten ein monatlicher Nettoverdienst von 3.000 Euro bzw. 3.000 bis 3.500 Euro festgestellt worden. Zwar gab es im Verlauf der Bewährung auch Zeiten, in denen der Verurteilte nicht erwerbstätig war. In diesen hat er aber auch geringere monatliche Raten erbracht als die an sich erforderlichen 150 Euro/Monat.
Hinzu kommt, dass - jedenfalls bzgl. der vorsätzlichen Körperverletzung, welche Gegenstand der neuen Verurteilung ist, angesichts der zeitlichen Nähe zur Aburteilung in vorliegender Sache, ein besonders krasser, ungewöhnlicher Fall des Bewährungsversagens vorliegt. Der nachfolgende günstige Bewährungsverlauf vermag das Gewicht dieses Umstands nicht zu entkräften.
Im Hinblick darauf hält auch der Senat die Nichtanrechnung der erbrachten Geldleistungen für angemessen.
III.
Angesichts des Zeitablaufs zwischen der erstinstanzlichen Verurteilung wegen der neuen Taten (17.10.2014) und dem Widerruf der Strafaussetzung zur Bewährung, weist der Senat darauf hin, dass es für einen Widerruf der Strafaussetzung zur Bewährung nicht erforderlich ist, dass die neuen Taten bereits rechtskräftig abgeurteilt sind (vgl. nur: OLG Hamm, Beschl. v. 01.04.2014 - 3 Ws 67/14 m.w.N.).


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