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Entscheidungen

OWi

ESO ES 3.0, Verwertbarkeit, antizipiertes Sachverständigengutachten

Gericht / Entscheidungsdatum: OLG Oldenburg, Beschl. v. 18.04.2016 - 2 Ss (OWi) 57/16

Leitsatz: 1. Die Geschwindigkeitsmessung mit dem Einseitensensor ES3.0 erfüllt die Anforderungen an ein sog. standardisiertes Messverfahren. Der Bauartzulassung durch die Physikalisch-Technische Bundesanstalt (PTB) kommt dabei die Funktion eines antizipierten Sachverständigengutachtens zu, mit dem die generelle Zuverlässigkeit und Geeignetheit des Messgeräts verbindlich festgestellt ist.
2. Eine nähere tatrichterliche Überprüfung des Messwertes durch Einholung eines Sachverständigengutachtens ist nur dann erforderlich, wenn im Einzelfall konkrete Zweifel an der Funktionstüchtigkeit oder sachgerechten Handhabung des Messgeräts und deshalb an der Richtigkeit des Messergebnisses bestehen.
3. Die Entscheidung des Amtsgerichts Meißen vom 29.05.2015 (Az. 13 OWi 703 Js 21114/14) begründet für das Tatgericht keinen Anlass, das Geschwindigkeitsmessgerät ES3.0 sachverständig untersuchen zu lassen.


In pp.
Die Rechtsbeschwerde des Betroffenen gegen das Urteil des Amtsgerichts Westerstede vom 26.11.2015 wird auf seine Kosten als unbegründet verworfen.

Gründe
I.
Das Amtsgericht hat den Betroffenen wegen fahrlässiger Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit um 31 km/h bei einer zulässigen Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h zu einer Geldbuße von 175,- € verurteilt und daneben ein einmonatiges Fahrverbot gegen ihn verhängt.

Dagegen richtet sich die Rechtsbeschwerde des Betroffenen, mit der er die Verletzung rechtlichen Gehörs rügt. Das Amtsgericht habe zu Unrecht den gestellten Beweisantrag auf Überprüfung der Messdatei des Betroffenen durch Einholung eines technischen Sachverständigengutachtens abgelehnt. Die Messung sei mit dem Messgerät pp. erfolgt. Zur abschließenden Überprüfung der Messung sei die gutachterliche Überprüfung der Messdatei zwingend erforderlich. Darüber hinaus bestünden aufgrund des rechtskräftigen Urteils des Amtsgericht Meißen vom 29.05.2015 (Az. 13 OWi 703 Js 21114/14) konkrete Anhaltspunkte für Zweifel an der Ordnungsgemäßheit der Messung. Es sei zweifelhaft, ob in Bezug auf das Messgerät pp. überhaupt ein standardisiertes Messverfahren vorliege. Daneben rügt er die Verletzung sachlichen Rechts.

Die Generalstaatsanwaltschaft hat die Verwerfung der Rechtsbeschwerde als offensichtlich unbegründet beantragt.

Die Einzelrichterin des Senats hat die Sache durch Beschluss vom 22.03.2016 gem. § 80 a Abs. 3 OWiG zur Fortbildung des Rechts auf den Senat in der Besetzung mit drei Richtern übertragen.

II.

Die gemäß § 79 Absatz 1 Satz 2 OWiG statthafte und auch sonst zulässige Rechtsbeschwerde ist unbegründet.

Eine Verletzung rechtlichen Gehörs liegt nicht vor. Denn das Amtsgericht war nicht gehalten, im Wege der Einholung eines technischen Sachverständigengutachtens zu überprüfen, ob der Betroffene die zulässige Höchstgeschwindigkeit eingehalten hat. Vielmehr durfte es - nachdem es sich von der ordnungsgemäßen Aufstellung und Bedienung des Geräts überzeugt hatte - mangels konkreter Anhaltspunkte für technische Fehlfunktionen des Messgerätes von der Einholung eines Sachverständigengutachtens absehen.

1. Bei einer Geschwindigkeitsmessung mit dem hier eingesetzten Einseitensensor pp. handelt es sich um ein sog. standardisiertes Messverfahren. Standardisiert ist ein durch Regelungen vereinheitlichtes technisches Verfahren, bei dem die Bedingungen seiner Anwendbarkeit und sein Ablauf so festgelegt sind, dass unter gleichen Voraussetzungen gleiche Ergebnisse zu erwarten sind (grundlegend BGH, Beschl. v. 19.08.1992, 4 StR 627/92, BGHSt 39, 291ff.).

Diese Voraussetzungen erfüllt grundsätzlich auch die Geschwindigkeitsmessung mit dem Gerät pp., wenn sie von geschultem Messpersonal unter Beachtung der Betriebsanleitung des Geräteherstellers und der Zulassungsbedingungen der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt (PTB) durchgeführt wird (vgl. OLG Koblenz, Beschl. v. 16.10.2009, 1 SsRs 71/09, juris; OLG Hamm, Beschl. v. 02.08.2012, III-3 RBs 178/12, juris).

Der Bauartzulassung des Geschwindigkeitsmessgerätes durch die Physikalisch-Technische Bundesanstalt (PTB) kommt dabei die Funktion eines antizipierten Sachverständigengutachtens zu. Die Zulassungsprüfung stellt ein von Gesetzes wegen angeordnetes Behördengutachten dar (§§ 13, 25 EichG i.V.m. §§ 16, 36 ff EO-AV). Mit der amtlichen Zulassung des Messgerätes bestätigt die PTB nach umfangreichen messtechnischen, technischen und administrativen Prüfungen sowie Festlegung der Eichprozeduren, dass sie die Ermittlung des Messwertes auf Grundlage der in der Gebrauchsanweisung festgelegten Vorgehensweise einer Sachverständigenprüfung unterzogen und die Messergebnisse als innerhalb einer zulässigen Toleranz liegend eingestuft hat (OLG Bamberg, Beschl. v. 22.10.2015, 2 Ss OWi 641/15, juris).

Die Anerkennung von standardisierten Messverfahren dient dabei insbesondere dem Zweck, das Bußgeldverfahren im Hinblick auf seine vorrangige Bedeutung für die Massenverfahren des täglichen Lebens zu vereinfachen und Ermittlungsbehörden und Gerichte von der Sachverständigenbegutachtung und Erörterung des Regelfalls freizustellen (BGH, a.a.O., OLG Bamberg, a.a.O.). Anderenfalls bestünde die Gefahr, dass die Obergerichte durch eine Fülle von massenhaft vorkommenden Bagatellsachen blockiert und sie so für ihre eigentliche Aufgabe funktionsuntüchtig gemacht würden (BGH, a.a.O.)

2. Die Notwendigkeit der Einholung eines Sachverständigengutachtens ergibt sich auch nicht aufgrund des Urteils des Amtsgerichts Meißen vom 29.05.2015 (13 OWi 703 Js 21114/14, juris). In dieser Entscheidung war das Amtsgericht Meißen nach Einholung eines Sachverständigengutachtens zu dem Ergebnis gelangt, dass das Geschwindigkeitsmessgerät pp. bauartbedingte Fehlerquellen bei der Messwertbildung aufweise, die nicht innerhalb der zulässigen Verkehrsfehlergrenze lägen und auch nicht durch einen größeren Toleranzwert ausgeglichen werden könnten (AG Meißen, a.a.O, Rdn. 23.). Aufgrund dessen ist das dortige Amtsgericht zu dem Ergebnis gelangt, dass die innerstaatliche Bauartzulassung durch die PTB nicht mehr geeignet sei, Gewähr dafür zu bieten, dass bei Beachtung ihrer Vorgaben mit dem pp..Fahrzeuge zuverlässig im Straßenverkehr gemessen werden können (AG Meißen, a.a.O., Rdn. 582 ff.)

a) Zwar geht das Amtsgericht Meißen im Ansatz zutreffend davon aus, dass die von der PTB erteilten Bauartzulassungen nicht der richterlichen Kontrolle entzogen sind. Bei Vorliegen konkreter Anhaltspunkte für strukturell angelegte Fehler des Geschwindigkeitsmessgerätes kann das Tatgericht vielmehr durch Bestellung eines Sachverständigen überprüfen, ob trotz einer Messung innerhalb der PTB Zulassung eine Fehlmessung vorliegt, die ihre Ursache in einem strukturell angelegten Fehler in der Messtechnik, der Messsoftware oder der Auswertungssoftware findet (vgl. hierzu OLG Frankfurt, Beschl. v. 04.12.2014, 2 Ss OWi 1041/14, Rdn. 21, juris).

b) Solche strukturell angelegten Fehler des Geschwindigkeitsmessgerätes vermochte das Amtsgericht Meißen in seiner Entscheidung indessen nicht aufzuzeigen.

(1) Das Amtsgericht Meißen stellt in seiner Entscheidung fest, dass das beim pp..verwendete Messverfahren eine zu geringe Anzahl an Messwerten generiere, um ein charakteristisches Helligkeitsprofil zu erstellen. Für die Korrelationsprüfung müssten genügend geeignete Messwerte im Helligkeitsprofil vorhanden sein, um zu einem belastbaren Wert zu gelangen. Das beim …. eingesetzte Verfahren zur Korrelationsprüfung sei ein zeitkritischer Prozess, dessen Rahmenbedingungen durch den Aufbau der Messanlage bestimmt würden. Zur Verfügung stehe der Zeitabschnitt, den das Objekt benötige, um eine Strecke von 3 m zwischen den Sensoren und der Fotolinie zurückzulegen. Da der pp. mit einer konstanten Rate von 10 Tausendstelsekunden messe, hänge es von der Geschwindigkeit des zu messenden Objekts ab, wie viele Messwerte genommen werden könnten. Ein Objekt, das sich mit einer Geschwindigkeit von 100 km/h bewege, lege die zur Verfügung stehende Strecke von 3,00 m in 0,108 Sekunden zurück. Somit stünden in diesem Fall lediglich 10 Messwerte zur Verfügung. Dies sei zur Erstellung eines charakteristischen Helligkeitsprofils zu wenig, zumal im Fall eines Fahrzeugs davon ausgegangen werden müsse, dass einige dieser 10 Messwerte wegen eines sich drehenden Rads verworfen werden müssten (AG Meißen, a.a.O., Rdn. 579 f.).

(2) Mit diesen Einwänden des Amtsgerichts Meißen hat sich die PTB in der dienstlichen Erklärung vom 12.01.2016 auseinandergesetzt. Bei Vorliegen eines strukturellen Fehlers eines Geschwindigkeitsmessgerätes kann die PTB die Zulassung entsprechend der neuen Erkenntnis aufheben oder abändern. Zu einem Tätigwerden in einem solchen Fall ist die PTB sogar gesetzlich verpflichtet (§ 25 a EO-AV). Zu einer Aufhebung oder Abänderung der Bauartzulassung sah sich die PTB allerdings aufgrund der Entscheidung des Amtsgerichts Meißen nicht veranlasst. Vielmehr hat sie mit nachvollziehbarer und überzeugender Begründung die dargestellten Einwände zurückgewiesen. Dieser Wertung schließt sich der Senat an.

(3) Die dienstliche Erklärung war zwar nicht Gegenstand der hier angefochtenen Entscheidung; gleichwohl ist sie berücksichtigungsfähig. Denn sie stellt eine Ergänzung des antizipierten Sachverständigengutachtens der Bauartzulassung des Geschwindigkeitsmessgerätes ……… dar. Ein solch ergänzendes Gutachten kann vom Rechtsbeschwerdegericht im Freibeweisverfahren in das Verfahren eingeführt und überprüft werden (für die Revisionsinstanz BGH, Urt. v. 01.02.1985, 2 StR 685,84, BGHSt 33, 133, 136; Meyer-Goßner/Schmidt, Strafprozessordnung, 58. Aufl., § 337 Rdn. 31).

(4) Wie sich der dienstlichen Erklärung der PTB entnehmen lässt, beruht das Urteil des Amtsgerichts Meißen auf gravierenden Missverständnissen bezüglich der Funktionsweise und Messwertbildung der pp.. Nach der Stellungnahme der PTB geht das Amtsgericht Meißen fehlerhaft von der Annahme aus, die Sensoren tasteten ihren Erfassungsbereich nur etwa alle 10 Millisekunden ab. Tatsächlich bestehe - wie aufgrund der detaillierten Analysen der Funktionsweise der Messwertbildung im Rahmen des Zulassungsverfahrens festgestellt worden sei - ein zeitlicher Abstand zwischen den Abtastwerten von 10 Mikrosekunden. Daraus resultiere eine um den Faktor 1000 höhere Anzahl an Abtastwerten, die der Geschwindigkeitsmessung zugrunde liege, als in der Urteilsbegründung ausgeführt. Bezogen auf eine Strecke von 3,00 m ergäben sich damit nicht- wie vom Amtsgericht Meißen angenommen - 10 Abtastwerte, sondern vielmehr eine Anzahl von 10.800 Abtastwerten.

Die Feststellung des Amtsgerichts Meißen, dass für die Ermittlung eines charakteristischen Helligkeitsprofils durch das streitgegenständliche Gerät zu wenige Abtastwerte ermittelt würden, ist vor diesem Hintergrund nicht haltbar. Damit ist dem tragenden Argument der Entscheidung des Amtsgerichts Meißen die Grundlage entzogen.

(5) Hieran vermag auch die vorgelegte Stellungnahme der VUT Verkehr vom 26.01.2016 nichts zu ändern. In dem zentralen Punkt der Anzahl der Abtastwerte pflichtet die VUT Verkehr der PTB bei und führt aus, dass die PTB den Zahlenwert richtig ermittelt hat (Stellungnahme VUT, S. 4, 2. Absatz), so dass selbst bei Zugrundelegung dieser Stellungnahme das Amtsgericht Meißen von einer falschen Grundannahme ausgeht.

Die übrigen Einwände der VUT Verkehr führen zu keinem anderen Ergebnis.

Die VUT Verkehr bemängelt, die PTB habe unbeantwortet gelassen, ob die durch das Gerät generierte Datenmenge ausreichend sei, um die tatsächliche Geschwindigkeit zu bestimmen. Zwar setzt sich die PTB mit dieser Fragestellung in ihrer Stellungnahme nicht ausdrücklich auseinander. Aus dem Umstand, dass die PTB unter Berücksichtigung der Entscheidung des Amtsgerichts Meißen keinerlei Veranlassung zu einer Aufhebung oder Abänderung der Bauartzulassung gesehen hat, kann jedoch geschlossen werden, dass die PTB die durch das Gerät …… generierte Datenmenge für ausreichend erachtet.

Gleiches gilt im Hinblick auf die fehlende Auswertung der Rohmessdaten seitens der PTB. Die PTB führt nachvollziehbar aus, dass sie von einer Überprüfung der Rohmessdaten durch die Herstellerfirma abgesehen hat, weil der Hersteller dieselbe Software-Bibliothek (SpeedandDistance.dll) und damit denselben Auswertealgorithmus verwende, der auch im Messgerät implementiert sei. Im Rahmen des Bauartzulassungsverfahrens sei in detaillierten Untersuchungen verifiziert worden, dass die Software des Geschwindigkeitsüberwachungsgerätes pp. die Helligkeitssignale einer jeden Fahrzeugvorbeifahrt korrekt bewerte und die vom Messgerät ausgegebenen Geschwindigkeitsmesswerte die Verkehrsfehlergrenzen einhielten. Die von der VUT Verkehr geforderte Untersuchung der Wechselwirkung zwischen dem Online-Dienst der Herstellerfirma und der Software-Bibliothek dll war aus diesem Grund nicht erforderlich.

c) Auch unter Berücksichtigung der Entscheidung des Amtsgerichts Meißen bestand damit kein Anlass, ein technisches Sachverständigengutachten zu der Frage einzuholen, ob der Betroffene die zulässige Höchstgeschwindigkeit eingehalten hat. Weil die Einholung eines Sachverständigengutachtens nicht erforderlich war, erübrigte sich auch die im Rahmen eines solchen Gutachtens vorzunehmende Untersuchung des Datensatzes der Messung beim Betroffenen.

d) Konkrete Einwände gegen die Messung und das Messergebnis sind nicht erhoben, so dass auch insoweit kein Anlass für das Amtsgericht bestand, den konkret durchgeführten Messvorgang gutachterlich überprüfen zu lassen.

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 79 Abs. 3 S. 1 OWiG, § 473 Abs. 1 S. 1 StPO.

4. Das Fahrverbot ist mit dieser Entscheidung wirksam. Gem. § 21 StVG macht sich strafbar, wer ein Fahrzeug führt, obwohl ihm das Führen eines Fahrzeugs gem. § 25 StVG verboten ist.

Ist ein Führerschein amtlich zu verwahren oder das Fahrverbot in einem ausländischen Führerschein zu vermerken, so wird die Verbotsfrist erst von dem Tag an gerechnet, an dem dies geschieht.


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