Gericht / Entscheidungsdatum: AG Pfaffenhofen, Urt. v. 07.12.2015 1 C 764/15
Leitsatz: Die Rechtsanwaltskosten für die Vertretung in einem Ermittlungsverfahren gehören grundsätzlich zu den typischen, ersatzlos hinzunehmenden Folgen einer formal berechtigten Einleitung und Durchführung eines strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens. Eine Ausnahme besteht nur dann, wenn die Strafanzeige wissentlich unwahr oder leichtfertig erstattet worden ist.
In pp.
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Der Kläger kann die Vollstreckung des Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrags leistet.
Beschluss
Der Streitwert wird auf 656,88 festgesetzt.
Tatbestand
Der Kläger machte gegen den Beklagten Schadenersatzansprüche geltend.
Hintergrund war eine Strafanzeige des Beklagten bei der zuständigen Polizeidienststelle gegen den Kläger wegen des Verdachts eines Diebstahls von Dieselkraftstoff aus Fahrzeugen des Arbeitgebers des Klägers.
Vorausgegangen war eine Pressenotiz der Polizei, wonach in der Zeit vom Freitag 21.11.14, 16.00 Uhr bis Montag 24.11.14, 07.00 Uhr aus einem abgestellten Bagger der Fa. S. Dieselkraftstoff entwendet wurde.
Nach der Äußerung des Klägers im Ermittlungsverfahren durch den Klägervertreter wurde das Verfahren nach § 170 Abs. 2 StPO durch die Staatsanwaltschaft Ingolstadt mit Verfügung vom 21.04.2015 eingestellt. Die Begründung hierzu lautete: Dem Beschuldigten lag ein Diebstahl einer nicht näher bestimmbaren Menge Diesel aus einem Lkw der Fa. S. zu nicht näher bestimmbaren Zeitpunkten zwischen dem 01.08.2014 und dem 11.02.2015 zur Last. Das Verfahren war einzustellen. Der Tatnachweis lässt sich nicht mit der für die Erhebung der öffentlichen Klage erforderlichen Sicherheit führen. Der Beschuldigte bestreitet die Tat. Dies kann so auch nicht widerlegt werden. Der Beschuldigte selbst war von Dezember 2014 bis Anfang Februar 2015 im Krankenstand, so dass er in diesem Zeitraum keinen Zugriff auf den Lkw der Fa. S. hatte.
Vorliegend fehlt es zudem an näher konkretisierbaren Taten und an einer hinreichend bestimmbaren Menge Diesel. Die lediglich pauschalen Angaben des Zeugen Z. können einen Tatverdacht gegeben den Beschuldigten nicht zweifelsfrei begründen. Unter diesen Umständen ist für die Erhebung der öffentlichen Klage kein Raum.
Der Kläger mach gegen den Beklagten Schadenersatz gemäß § 164 StGB in Verbindung mit §§ 823 Abs. 2, 249 BGB geltend. Insoweit ist der Kläger der Auffassung, dass der Beklagte Schadenersatz wegen der Verletzung des Schutzgesetzes schulde in Höhe der Kosten der Einschaltung des Prozessbevollmächtigten.
Der Kläger beantragt zuletzt,
Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 656,88 EUR nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 %-Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit 24.06.2015 sowie 147,56 aus Nebenforderung zu bezahlen.
Der Beklagte beantragt,
Klageabweisung
Der Beklagte ist der Auffassung, dass er gegenüber der Polizei wahrheitsgemäße Angaben gemacht hat. Zudem wird die Höhe der Klageforderung bestritten.
Im Übrigen wird auf die gegenseitig gewechselten Schriftsätze der Parteien sowie das Protokoll vom 04.12.2015 Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Klage war zulässig aber unbegründet.
Der Klagepartei stand der geltend gemachte Anspruch als materiell-rechtlicher Kostenerstattungsanspruch gemäß § 823 II BGB i. V. m. § 164 StGB nicht zu.
Der materiell-rechtliche Kostenerstattungsanspruch folgt allein aus dem materiellen Recht, da einen allgemeinen Anspruch auf Erstattung von Prozesskosten das bürgerliche Recht nicht kennt.
Erforderlich ist daher eine sachlich-rechtliche Anspruchsgrundlage, die sich auch aus unerlaubter Handlung ergeben kann (Musielak/Voit, ZPO, Vor §§ 91 ff. Rn. 15.).
Vorliegend bestand hier zur Überzeugung des Gerichts kein Anspruch auf Ersatz seiner Rechtsanwaltskosten, die aufgrund der Beauftragung eines Rechtsanwalts mit der Verteidigung gegen die Strafanzeige des Beklagten gegen den Kläger entstanden waren.
Für die Geltendmachung eines solchen Schadensersatzanspruches hat die Rechtsprechung höchste Anforderungen aufgestellt. Dabei ist zunächst einmal davon auszugehen, dass es jedem Bürger freisteht, eine Strafanzeige zu erstatten und damit ein gesetzlich geregeltes Verfahren in Gang zu bringen. Das schadensursächliche Verhalten, nämlich die Erstattung der Strafanzeige, genießt angesichts seiner verfahrensrechtlichen Legalität zunächst einmal die Vermutung der Rechtmäßigkeit (BGHZ 74,9). Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts verstößt die Anwendung des Schadensersatzrechts, die den gutgläubigen Strafanzeigenerstatter mit dem Risiko des Schadensersatzes für den Fall belastet, dass seine Anzeige nicht zum Erweis behaupteten Vorwurfs führt, gegen Artikel 2 Absatz 1 Grundgesetz in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip (BVerfG NJW 1987,1929). Das Bundesverfassungsgericht führt aus, schon die Besorgnis des Anzeigenden, wegen seiner Äußerungen mit einer Schadensersatzklage überzogen zu werden und im Zivilprozess womöglich mit einer ihm ungünstigen Entscheidung rechnen zu müssen, würde zu einer im Rechtsstaat nicht mehr hinnehmbaren Beeinträchtigung der Funktionsfähigkeit der Strafrechtspflege führen. Aus diesem Grunde stehe die Auferlegung einer Schadensersatzpflicht zu dem öffentlichen Interesse an einer unbeeinträchtigten Durchführung strafrechtlicher Ermittlungsverfahren im Widerspruch. Es ist mit den Grundgeboten des Rechtsstaats nicht vereinbar, wenn derjenige, der im guten Glauben eine Strafanzeige erstattet hat, Nachteile dadurch erleidet, dass sich seine Behauptung nach behördlicher Prüfung als unrichtig oder nicht aufklärbar erweist. Die Rechtsanwaltskosten für die Vertretung in einem Ermittlungsverfahren gehören zu den typischen, ersatzlos hinzunehmenden Folgen einer formal berechtigten
Einleitung und Durchführung eines strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens (BGHZ 74,9).
Im Ergebnis scheidet daher ein Anspruch auf Ersatz der im Ermittlungsverfahren entstandenen Rechtsanwaltskosten gegen den Anzeigeerstatter grundsätzlich aus.
Eine Ausnahme besteht nur dann, wenn die Strafanzeige wissentlich unwahr oder leichtfertig erstattet worden ist (BVerfG, NJW 1987, 1929). Dementsprechend enthält § 164 StGB auch das Erfordernis der Wissentlichkeit.
Anhaltspunkte für unredliches Verhalten des Beklagten im Sinne von bewusst unwahren oder leichtfertigen Angaben bei Erstattung seiner Strafanzeige waren nicht ersichtlich und hatten sich auch nicht ergeben.
Darüber hinaus bestand für den Kläger überhaupt keine Notwendigkeit, zu seiner Verteidigung einen Rechtsanwalt zu beauftragen. Es wäre für ihn ein Leichtes gewesen, seine Sachverhaltsversion selbst gegenüber der Polizei schriftlich oder im Rahmen einer Vernehmung, zu der er geladen wurde, zu schildern. Dass es hierfür der Einschaltung einer Rechtsanwältin bedurfte, ist nicht ersichtlich.
Der Beklagten machte seine Anzeige aufgrund einer Pressenotiz der Polizei. Von dieser wurde dabei auch gar kein Verfahren gegen den Kläger eingeleitet, sondern gegen Unbekannt. Erst durch die Staatsanwaltschaft wurde die Vernehmung des Klägers als Beschuldigten angeordnet und aufgrund dessen ein Ermittlungsverfahren unter 26 Js 2350/15 eingeleitet. Letztlich wurde dieses Verfahren gegen den Kläger jedoch nach § 170 Abs. 2 StPO eingestellt, nachdem der Kläger über seinen Anwalt Stellung zum Tatvorwurf genommen hatte. Dies hätte der Kläger jedoch auch selbst tun können. Darüber hinaus hätte der Kläger auch auf die Tätigkeit der Staatsanwaltschaft als staatliche Ermittlungsbehörde vertrauen könne, da diese nicht zur zulasten, sondern auch zugunsten des Beschuldigten ermittelt. Hier hatte sich jedoch bereits gezeigt, dass ein Tatnachweis nicht geführt werden konnte.
Auch wenn die Anzeige des Beklagten über den eigentlichen Sachverhalt der ursprünglichen Ermittlungen hinausging, war darin noch kein Grund zu sehen, einen Rechtsanwalt bereits im streitgegenständlichen Stadium der Ermittlungen einzuschalten.
Die Klage war daher als unbegründet abzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO, die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
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