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Entscheidungen

Gebühren

Beratungsgebühr, Umfang der Beratung, vorbereitende Akteneinsicht

Gericht / Entscheidungsdatum: OLG Bamberg, Beschl. v. 08.02.2016 - 4 W 120/15

Leitsatz: 1. Eine vorbereitende Akteneinsicht durch den Anwalt führt nicht zur Entstehung der Geschäftsgebühr gemäß Nr. 2503 RVG-VV, wenn die Akteneinsicht ausschließlich zur Beratung dient und es zum Betreiben eines Geschäfts, also zu einer über die Beratung hinausgehenden Tätigkeit, nicht kommt.
2. Die Beratungsgebühr gemäß Nr. 2501 RVG-VV deckt sämtliche mit der Beratung zusammenhängenden Tätigkeiten und damit auch eine vorbereitende Akteneinsicht ab (Anschluss an OLG Oldenburg, Beschluss vom 13.10.2014, 12 W 220/14 juris ).


In Sachen
pp.
- Antragstellerin
Beratungshilfe gewährender Rechtsanwalt: pp.
- Antragsteller im Vergütungsfestsetzungsverfahren, Erinnerungs- und Beschwerdeführer
wegen Beratungshilfe/Vergütungsfestsetzung
hier: Beschwerde
erlässt das Oberlandesgericht Bamberg - 4. Zivilsenat - durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht pp., den Richter am Oberlandesgericht pp. und den Richter am Oberlandesgericht pp. am 08.02.2016 folgenden
Beschluss

Die Beschwerde des Beratungshilfe gewährenden Rechtsanwalts gegen den Beschluss des Amtsgerichts Forchheim vom 12.11.2015, Az. 1 URII 383/13, wird zurückgewiesen.
Gründe:
I.
Der Beratungshilfe gewährende Rechtsanwalt (im Folgenden: Anwalt) und die Staatskasse streiten darum, ob die Akteneinsichtnahme mit der Beratungsgebühr gemäß VV RVG Nr. 2501 abgegolten ist oder eine Geschäftsgebühr gemäß VV RVG Nr. 2503 entstehen lässt.

Der Antragstellerin wurde am 17.06.2013 in der Angelegenheit „Beratung wegen Führerschein (Strafbefehl)“ ein Beratungshilfe-Berechtigungsschein mit der Maßgabe erteilt, dass die rechtliche Beratung und - soweit erforderlich - die Vertretung durch einen Rechtsanwalt bewilligt werde und dass sich die Tätigkeit des Rechtsanwalts in Straf- und Bußgeldsachen auf die Beratung beschränke. Der Anwalt beriet die Antragstellerin und nahm Akteneinsicht in die Verwaltungsakte der Straßenverkehrsbehörde. Weitere rechtliche Schritte wurden nicht ergriffen.

Der Anwalt beantragte am 12.11.2014 die Festsetzung und Auszahlung einer Vergütung von insgesamt 145,18 € unter Berücksichtigung u. a. einer Geschäftsgebühr gemäß VV RVG Nr. 2503 in Höhe von 85,00 €. Mit Beschluss vom 12.08.2015 setzte das Amtsgericht Forchheim die Vergütung lediglich unter Berücksichtigung einer Beratungsgebühr gemäß VV RVG Nr. 2501 von 35,00 € auf insgesamt 73,78 € fest.

Mit seiner Erinnerung vom 13.08.2015 beantragte der Anwalt unter Berufung auf eine Entscheidung des OLG Naumburg vom 14.12.2012, 2 Wx 66/12, die Festsetzung weiterer 71,40 €, weil bereits durch die Beantragung der Akteneinsicht eine Vertretungstätigkeit für die Mandantin entfaltet worden und die Geschäftsgebühr gemäß VV RVG Nr. 2503 in Höhe von 85,00 € bereits durch die Akteneinsicht entstanden sei.

Nach Nichtabhilfe durch den Rechtspfleger wies das Amtsgericht Forchheim mit Beschluss vom 12.11.2015 die Erinnerung zurück und ließ wegen grundsätzlicher Bedeutung der Sache die Beschwerde zu. Die Richterin schloss sich der Ansicht der Rechtspflegers und des Bezirksrevisors bei dem Landgericht Bamberg an. Sie führte aus, dass die Akteneinsicht noch der Information im Rahmen der Beratung zuzuordnen sei, zumal weitere Aktivitäten vom Anwalt nicht mehr entfaltet wurden. Es wäre auch unbillig, wenn der Anwalt bei sonst gleichem Informations- und Beratungsaufwand allein durch ein Akteneinsichtsgesuch seine Vergütung von 35,00 auf 85,00 € steigern könnte.

Gegen diesen am 13.11.2015 zugestellten Beschluss hat der Anwalt am 27.11.2015 Beschwerde eingelegt und beantragt, die Vergütung auf insgesamt 145,18 € festzusetzen. Er führte aus, das Amtsgericht habe verkannt, dass zur Akteneinsicht denknotwendig eine Vertretung erfolgen und eine Tätigkeit nach außen entfaltet werden muss. Der Tatbestand der Geschäftsgebühr gemäß VV RVG Nr. 2503 schließe ausdrücklich die Information ein. Ohne Bedeutung sei, ob es danach zu weiterem Schriftverkehr oder zur Einlegung von Rechtsbehelfen kommt.

Das Amtsgericht Forchheim hat der Beschwerde mit Beschluss vom 07.12.2015 nicht abgeholfen.

II.
1. Die vom Amtsgericht zugelassene Beschwerde des Anwalts ist zulässig gemäß §§ 56 Abs. 2 S. 1, 33 Abs. 3 RVG.

Soweit der Anwalt die Beschwerde nicht nur ausdrücklich im eigenen Namen sondern auch im Namen der Antragstellerin erhoben hat, ist von einem offensichtlichen Versehen auszugehen, da der Vergütungsanspruch ausschließlich dem Beratungshilfe leistenden Anwalt zusteht und nur er (neben der Staatskasse) beschwerdebefugt ist, § 8 BerHG, §§ 44, 56 Abs. 1 RVG.

Zuständig zur Entscheidung ist gemäß § 33 Abs. 4 S. 2 RVG, § 119 Abs. 1 Nr. 1 GVG, § 5 BerHG das Oberlandesgericht Bamberg. Gemäß § 33 Abs. 8 S. 2 RVG entscheidet der Senat, nachdem der gemäß § 33 Abs. 8 S. 1 RVG originär zuständige Einzelrichter das Verfahren mit Beschluss vom 01.02.2016 wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Sache dem Senat übertragen hat.

2. Die Beschwerde ist unbegründet. Die Vergütungsfestsetzung ist nicht zu beanstanden.

Die Beantragung und die Einnahme von Akteneinsicht durch den Anwalt führt nicht zur Entstehung der Geschäftsgebühr gemäß VV RVG Nr. 2503, wenn die Akteneinsicht - wie hier - ausschließlich zur Beratung dient und es zum Betreiben eines Geschäfts, also zu einer über die Beratung hinausgehenden Tätigkeit, z. B. zur Stellung eines Antrags in der Sache selbst oder zum Ergreifen eines Rechtsbehelfs, nicht kommt. Die Akteneinsicht wird dann durch die Beratungsgebühr gemäß VV RVG Nr. 2501 abgegolten. Denn die Beratungsgebühr deckt sämtliche mit der Beratung zusammenhängenden Tätigkeiten und damit auch eine vorbereitende Akteneinsicht ab (ebenso OLG Oldenburg, B.v. 13.10.2014, 12 W 220/14 ; vgl. auch Lissner JurBüro 2013, 564/567 m. w. N.; ähnlich Mayer/Kroiß RVG, 5. Aufl., RN 1 zu Nr. 2503 VV).

Richtig ist zwar, dass die Akteneinsicht der Information dient und eine Vertretung durch einen Anwalt erfordern kann. Erfolgt diese aber noch im Vorfeld oder im Zuge der Beratung, kommt ihr nicht selbst der Charakter des Betreibens eines Geschäfts zu. Die Akteneinsicht ist dann lediglich „vorbereitende Maßnahme“ der Beratung und keine „Vertretung“ (Lissner a. a. O., S. 567). Es macht in Bezug auf die Beratung keinen wesentlichen Unterschied, ob sich der Anwalt aus den vom Mandanten zur Verfügung gestellten Unterlagen informiert oder aus eingesehenen Gerichts- oder Verwaltungsakten, um sodann sachgerecht beraten zu können. Die Informationseinholung ist sogar notwendige Voraussetzung einer sachgerechten Beratung und damit selbstverständlicher Teil einer jeden Beratungstätigkeit. Dies setzt der Vergütungstatbestand von VV RVG Nr. 2501 voraus. Wäre die Information durch Akteneinsicht damit nicht abgegolten, so müsste in allen Beratungsfällen, die einen Zusammenhang mit behördlichen oder gerichtlichen Verfahren aufweisen, regelmäßig die wesentlich höhere Geschäftsgebühr gemäß VV RVG Nr. 2503 anfallen, weil eine Akteneinsichtnahme dann immer gerechtfertigt werden kann und diese dann auch im Vergütungsinteresse des Anwalts läge. Dies kann nicht Zweck des Gesetzes sein. Der Gesetzgeber geht vielmehr davon aus, dass die Beratung im Grundsatz genügt und nur als „ultima ratio“ auch eine Vertretung in Betracht kommt, wenn diese „erforderlich“ ist (Lissner a. a. O., S. 568 m. w. N.).

Die vom Anwalt herangezogene Entscheidung des OLG Naumburg vom 14.12.2012, 2 Wx 66/12 (diesem folgend AG Halle, B.v. 06.03.2013, 103 II 211/13 , ähnlich bereits AG Rostock, B.v. 04.03.2011, 41 II B 1434 ), steht damit letztlich nicht in Widerspruch. Denn ausweislich der dortigen Entscheidungsgründe erfolgte die Gewährung der Beratungshilfe für die „Durchführung eines Widerspruchsverfahrens“; der dort Beratungshilfe gewährende Rechtsanwalt legte am 22.12.2011 auch tatsächlich Widerspruch gegen einen sozialrechtlichen Bescheid ein und beantragte Akteneinsicht. Wird ein Geschäft betrieben, dann fällt nur die Geschäftsgebühr gemäß VV RVG Nr. 2503 an, wobei in Ziffer 1 zu VV RVG Nr. 2503 klargestellt ist, dass auch die Information dann durch diese Gebühr mit abgegolten ist („... einschließlich der Information pp.“).

3. Das Beschwerdeverfahren ist gerichtsgebührenfrei; Kosten werden nicht erstattet (§ 56 Abs. 2 S. 2 und 3 RVG).
Ein weiteres Rechtsmittel findet nicht statt (§§ 33 Abs. 4 S. 3, 56 Abs. 2 S 1 RVG).

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