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Entscheidungen

StGB/Nebengebiete

Inlineskates, Fahrzeug, Begriff

Gericht / Entscheidungsdatum: LG Landshut, Beschl. v. 09.02.2016 – 6 Qs 281/15

Leitsatz: Ein Inlineskater, der in alkoholisiertem Zustand die Fahrbahn einer Straße benutzt, macht sich nicht nach wegen Trunkenheit im Verkehr gemäß § 316 StGB strafbar.


In pp.
Die sofortige Beschwerde der Staatsanwaltschaft Landshut gegen den Beschluss des Amtsgerichts Landshut vom 29.10.2015 wird kostenfällig als unbegründet verworfen.

Gründe
I.
Im Mai 2015 kamen gegen den Beschuldigten Ermittlungen wegen fahrlässiger Trunkenheit im Verkehr in Gang. Am 16.10.2015 beantragte die Staatsanwaltschaft Landshut den Erlass eines Strafbefehls wegen fahrlässiger Trunkenheit im Verkehr. Mit Beschluss vom 29.10.2015 lehnte das Amtsgericht Landshut den Erlass des Strafbefehls aus rechtlichen Gründen ab. Gegen den am 03.11.2015 zugestellten Beschluss legte die Staatsanwaltschaft mit Verfügung vom 06.11.2015, eingegangen beim Amtsgericht Landshut am 09.11.2015, sofortige Beschwerde ein. Die Staatsanwaltschaft legte die Akte dem Landgericht zur Entscheidung vor.

II.

Die gemäß § 311 II StPO zulässige sofortige Beschwerde erweist sich in der Sache als unbegründet.

Die Staatsanwaltschaft hat den angeklagten Sachverhalt, nämlich dass ein Inlineskater in alkoholisiertem Zustand die Fahrbahn einer Straße benutzte, unter der rechtlichen Würdigung der fahrlässigen Trunkenheit im Verkehr gemäß § 316 StGB angeklagt.

§ 316 StGB erfordert u. a. das Führen eines Fahrzeugs. Die Problematik spitzt sich daher auf die Frage zu, ob Inlineskates unter den Begriff des Fahrzeugs zu subsumieren sind oder nicht. Diese Frage ist umstritten.

Zunächst ist festzuhalten, dass sich eine positive gesetzliche Definition des Begriffs Fahrzeug nicht findet, weder im StVG noch in der StVO bzw. StVZO und auch nicht im Strafgesetzbuch. Es finden sich nur negative Abgrenzungen. So stellt § 16 II StVZO klar, die Fortbewegungsmittel Schiebe- und Greifreifenrollstühle, Rodelschlitten, Kinderwagen, Roller, Kinderfahrräder und ähnliche nicht motorgetriebene oder mit einem Hilfsantrieb ausgerüstete ähnliche Fortbewegungsmittel mit bauartbedingter Höchstgeschwindigkeit von nicht mehr als 6 km/h seien keine Fahrzeuge. Auch § 24 STVO enthält nur die negative Abgrenzung, dass Schiebe- und Greifreifenrollstühle, Rodelschlitten, Kinderwagen, Roller, Kinderfahrräder und ähnliche nicht motorgetriebene Fortbewegungsmittel nicht Fahrzeuge im Sinne der Verordnung sind.

Gemeinhin hat sich als Begriffsbestimmung die Definition herausgebildet, dass Fahrzeuge zur Fortbewegung geeignete bewegliche Gegenstände sind, die üblicherweise dem Transport von Gütern oder Personen dienen, aber auch andere Zwecke (wie z. B. Arbeitsleistung) haben können (vgl. Dauer in Hentschel Straßenverkehrsrecht 43. Auflage § 1 Rn. 16, Fischer StGB 63 Auflage § 315 a Rn. 4, 315 b Rn. 6, § 316 Rn. 4, BayObLG Beschluss vom 13.07.2000 – Az. 2St Regierechnung 118/00, abgedruckt in NStZ-RR 2001,26).

Soweit die (Minder-) Meinung vertreten wird, dass Inlineskates als Fahrzeuge anzusehen seien (so König in Hentschel a. a. O. § 316 Rn. 6 mit Hinweis auf Vieweg NVZ 1998, 3; OLG Oldenburg Urteil vom 15.08.2000 – Az. 9 U 71/99, abgedruckt in NJW 2000, 3793, König in Leipziger Kommentar (LK) 12. Auflage § 315 c Rn. 8A, § 315 b Rn. 22, § 316 Rn. 72, Kudlich Beck-scher Onlinekommentar StGB 29. Edition § 315 c Rn. 14a, Schönke/Schröder StGB 14. Auflage § 315 c Rn. 5), stützt sich diese Auffassung neben der Definition des Fahrzeugs, wonach Fahrzeuge Gegenstände sind, die zur Fortbewegung auf dem Boden geeignet sind, und im Wesentlichen auf die durch diese erreichbare Geschwindigkeit erhöhte Gefährlichkeit des Inlineskatens. Das OLG Oldenburg folgte der Auffassung, Inlineskates seien nur Sportgeräte im Sinne des § 31 I StVO, nicht, da diese Vorschrift nicht an die Nutzung anknüpfe, sondern nur an das Gerät. Für maßgeblich erachtet das OLG Oldenburg für die Einordnung den überwiegenden Charakter der Nutzungsform. Diese entspräche, das verkennt auch die Beschwerdekammer nicht, oft im täglichen Leben dem Fahrrad.

Die Beschwerdekammer übersieht auch nicht, dass es durch Inlineskaten zu größeren Behinderungen und Gefährdungen des Fahrzeugverkehrs kommen kann, aber auch der Inlineskater selbst, da Letztere einen längeren Bremsweg und einen höheren Breitenbedarf haben (so BGH Urteil vom 19.07.2002 – Az. I ZR 330/00, abgedruckt in NJW 2002, 1955) und die Inlineskates einer schweren Beherrschbarkeit (so König in LK a. a.O. § 316 Rn. 72) unterliegen bzw. Bewegungsstabilität und Gleichgewicht erst bei höheren Geschwindigkeiten sicher erlangt werden können. Zusätzlich stellt die auch infolge der erreichbaren Geschwindigkeit erhöhte Gefährlichkeit ein weiteres nicht zu ignorierendes Argument dar. Trotzdem vermögen diese Gesichtspunkte allein eine Fahrzeugeigenschaft nicht zu begründen. Insbesondere bleibt festzuhalten, dass die von König in Hentschel vertretene Auffassung schon in sich nicht schlüssig erscheint. Für die Definition des Fahrzeugs stellt er in § 316 Rn. 2 auf seine in Rn. 11 bei § 23 StVO abgegebene ab und verweist auch in Rn. 6 darauf. Dort verweist er zusätzlich auf die Definition in Rn. 16 des § 1 StVO. Dann jedoch will er die Inlineskates im Wege einer teleologischen Reduktion wegen ihrer Gefährlichkeit ausnehmen.

Mit der herrschenden Meinung (vgl. u. a. BayVGH Urteil vom 01.10.2012 – Az. 11 BV 12.771, abgedruckt in Blutalkohol 49, 338; OLG Düsseldorf Urteil vom 12.07.2011 – Az. 1 U 242/10, abgedruckt in MDR 2012, 23; BGH a. a. O.; OLG Koblenz Urteil vom 10.01.2001 – Az. 1 U 881/99, abdruckt in DAR 2001, 167; Geppert in LK 12. Auflage (2009) § 142 Rn. 25; Greger/Zwickel Haftungsrecht des Straßenverkehrs 5. Auflage (2014) § 14 Ziffer VI Rn. 284; Burmann/Heß/Jahnke/Janker Straßenverkehrsrecht 23. Auflage § 24 Rn. 3, § 31 Rn. 1; Frank Zimmermann JuS 2010, 22, Uwe Böhrnsen NJW-Spezial 2009, 169; MD a. D. Klaus Wendrich NZV 2002, 212, Wolfgang Bouska NZV 2000, 472) ist die Beschwerdekammer aus nachstehender Gründen der Auffassung, dass Inlineskates nicht dem Fahrzeugbegriff unterfallen.

Grundsätzlich stellt § 24 I 1 StVO fest, dass Inlineskates als besondere Fortbewegungsmittel keine Fahrzeuge (im Sinne dieser Verordnung) sind. Diese Festlegung in dieser Vorschrift erfolgte im Lichte der bis dahin geltenden Rechtsprechung, die Inlineskates genauso bewertete (vgl. BGH a.a.O.). Auch die Begründung der StVO-Neufassung vom 06.03.2013 hält ausdrücklich fest, dass es bei der schon bestehenden Rechtslage verbleiben soll, dass Inlineskates keine Fahrzeuge sind. Gleicher Auffassung ist auch das Bundesverwaltungsgericht in seiner Entscheidung vom 20.06.2013 (AZ. 3 B 102.12).

Diese Einstufung der Inlineskates steht in Einklang damit, dass für Fahrzeuge ein Fahrbahnbenutzungszwang gemäß § 2 I StVO besteht. Inlineskatern ist die Benutzung der Fahrbahn hingegen ausdrücklich untersagt. Dies ergibt sich eindeutig aus der Anlage zu § 1 I der Verordnung über die Erteilung einer Verwarnung, Regelsätze für Geldbußen und die Anordnung eines Fahrverbots wegen Ordnungswidrigkeiten im Straßenverkehr (BKatV), dem Bußgeldkatalog (BKat). Nach dessen laufender Nummer 120 a i. V. m. § 49 I Nr. 26 StVO ist ein Betrag von 10 € dann verwirkt, wenn beim Inlineskaten (…) unzulässig Fahrbahn, Seitenstreifen oder Radweg benutzt wird.

Dass nur ausnahmsweise eine Benutzung der vorgenannten Straßenteile zulässig sein kann, ergibt sich aus dem Umstand, dass § 31 I 2, I 1 StVO – dann per Zusatzschild - Inlineskaten auf Fahrbahn erlauben kann. Diese Vorschrift wäre unnötig, wenn Inlineskates als Fahrzeuge gemäß § 2 I StVO die Fahrbahn benutzen müssen.

Weiter entbehren Inlineskates – entgegen der Fahrräder - auch der von § 66 a StVZO geforderten lichttechnische Einrichtungen. Sie haben, so schon das BayObLG a. a. O., keine Bremsleuchten (§ 53 II Satz 4 Nr. 2 StVZO). Sie entbehren auch eines mehrfachen Bremssystems, wie es Fahrzeugen eigen ist, was neben ihrer geringen Größe und geringen Eigengewichts gegen eine Einstufung als Fahrzeug spricht.

Damit verbleibt es dabei, dass Inlineskates als originäre Sportgeräte weiterhin der Vorschrift des § 31 I 1 StVO unterfallen, wonach sie als Sportgeräte (nur) besondere Fortbewegungsmittel sind und danach als Sport und Spiel auf Fahrbahn und Seitenstreifen sowie Radwegen grundsätzlich nicht erlaubt sind.

Zur Überzeugung der Beschwerdekammer gelten die vorgenannten Ausführungen unabhängig davon, ob der Fahrzeugbegriff der StVO/StVZO oder der des StVG oder des StGB gemeint ist. Auch wenn der ordnungsrechtliche Gedanke der StVO nicht uneingeschränkt auf das Strafrecht übertragen werden können sollte, erschließt sich die Notwendigkeit einer Differenzierung des Begriffs zwischen den Regelungswerken nicht. Konkrete gesetzliche Vorgaben hierfür sind nicht ersichtlich sind. Solche würde die Beschwerdekammer für eine unterschiedliche Sachbehandlung angesichts einer im Lichte der Einheitlichkeit der Rechtsordnung gebotenen Auslegung jedoch für erforderlich erachten. Die Einstufung der Inlineskater in § 24 StVO, die der Gesetzgeber dem Bundesgerichtshof folgend so durchführte, orientierte sich an einer möglichst geringen gegenseitigen Gefährdung oder Behinderung aller Verkehrsteilnehmer. Im Vergleich mit den als Fahrzeuge eingeordneten Fahrrädern spricht der größere Breitenbedarf der Skater, die etwas geringere Durchschnittsgeschwindigkeit, das geringe Eigengewicht und der längere Bremsweg für größere Behinderungen und Gefährdungen und somit gegen eine Zuweisung zum Fahrbahnverkehr.

Und insbesondere ist im Rahmen des StGB zu berücksichtigen, dass bei Zweifeln über den Umfang einer Strafvorschrift dessen ausweitende Auslegung mit der gebotenen „Einschränkung“ zu erfolgen hat. Eine Ausweitung des Tatbestands ohne konkrete gesetzliche Vorgabe zu Lasten der Täter würde eine Analogie zu Ungunsten bedeuten. Diese ist nach Art. 103 II GG unzulässig. Ausdrückliche Regelungen sind, soweit überhaupt, jedoch nur dergestalt vorhanden, dass Inlineskates gerade nicht als Fahrzeuge klassifiziert werden.

III.

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 473 Abs. 1 StPO.

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Anmerkung:


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